Geistliches Wort für den Monat Oktober

Wer bemerkt seine eigenen Fehler? Sprich mich frei von Schuld, die mir nicht bewusst ist!
(Psalm 19,13 - Monatsspruch für Oktober)

"Nobody is perfect" - Niemand ist perfekt, so lautet ein geflügeltes Wort, mit dem Menschen sich zu entschuldigen pflegen, wenn sie einen Fehler gemacht haben. "Nobody is perfect" - das ist eine heilsame Einstellung für all diejenigen, die unter einem Hang zur Perfektion leiden und/oder dazu geneigt sind, entsprechend harte Urteile über ihre Mitmenschen zu fällen. Nobody is perfect - diese Haltung bedeutet letztlich den Verzicht darauf, sich selbst als fehlerlos und vollkommen hinstellen zu wollen.

"Nobody is perfect" - Die Aussage ist zweifelsohne richtig; aber sie kann doch zugleich auch leicht missbraucht werden zu einer Selbstrechtfertigung der ganz anderen Art: Niemand ist perfekt - also kann der liebe Gott an unser Leben auch keine allzu hohen Maßstäbe anlegen. Wenn wir uns halbwegs anständig verhalten, uns keine allzu großen Entgleisungen im Leben erlauben, dann müsste er doch eigentlich mit uns ganz zufrieden sein.

Doch wer so denkt oder spricht, der hat in Wirklichkeit noch gar nicht verstanden, was Schuld vor Gott eigentlich bedeutet. Gott bestimmt unsere Schuld nicht mit Blick auf unsere Mitmenschen, ob wir im Vergleich zu ihnen besser oder zumindest gleich gut dastehen, sondern Gott bestimmt unsere Schuld allein am Maßstab seiner Gebote. Und dann ist Schuld in seinen Augen nicht bloß das, was wir bewusst und absichtlich getan haben. Und dann ist Schuld in seinen Augen auch nicht bloß das, was uns ein schlechtes Gewissen bereitet und dafür sorgt, dass wir uns irgendwie schlecht fühlen. Sondern Schuld ist in Gottes Augen auch so vieles, was uns selber gar nicht bewusst ist und was wir selber gar nicht bemerken. Ja, wir sind oftmals so blind gegenüber dem, was wir anrichten, und erst recht so blind, was unseren Mangel an Vertrauen auf Gott angeht. Und eben diese Schuld würde uns für immer von Gott trennen, wenn sie uns nicht vergeben würde, wenn wir nicht von ihr freigesprochen würden in der Beichte, in der Heiligen Absolution.

Unsere lutherischen Bekenntnisschriften lehren, dass wir nicht dazu in der Lage sind, in der Beichte vor Gott alle unsere Schuld zu benennen, die wir auf uns geladen haben, und dass uns entsprechend in der Beichte auch nicht bloß die Sünden vergeben werden, die wir vor Gott aussprechen. Freigesprochen werden wir auch von der Schuld, die wir verdrängt und vergessen haben oder die uns überhaupt niemals bewusst war. Das ist eine zutiefst tröstliche und befreiende Erkenntnis. Doch das bedeutet gerade nicht, dass wir uns als Christen keine Gedanken zu machen bräuchten, wo wir in unserem Leben gegen Gottes Willen gehandelt, Böses getan und Gutes unterlassen haben, und uns einfach mit der Erkenntnis zufriedengeben könnten, dass wir ja ohnehin alle kleine Sünderlein sind. Unsere Schuld - ob sie uns bekannt ist oder nicht - ist keine Lappalie; sie hat immerhin unseren Herrn Jesus Christus ans Kreuz gebracht. Nehmen wir uns darum immer wieder Zeit, über unser Leben nachzudenken, und verachten wir nicht Gottes Einladung, Seine Vergebung in der Beichte zu empfangen - im Beichtgottesdienst und auch in der Einzelbeichte, wo wir aussprechen dürfen, was uns in besonderer Weise bedrückt. Gott will uns von dieser Schuld lossprechen - und von der, die uns nicht bewusst ist, noch dazu!