20.12.2009 | Philipper 4, 4-7 (4. Sonntag im Advent)

VIERTER SONNTAG IM ADVENT – 20. DEZEMBER 2009 – PREDIGT ÜBER PHILIPPER 4,4-7

Freuet euch in dem Herrn allewege, und abermals sage ich: Freuet euch! Eure Güte lasst kund sein allen Menschen! Der Herr ist nahe! Sorgt euch um nichts, sondern in allen Dingen lasst eure Bitten in Gebet und Flehen mit Danksagung vor Gott kundwerden! Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus.

In einer Woche haben wir es endlich hinter uns; dann haben wir endlich Weihnachten wieder geschafft; dann können wir endlich wieder aufatmen: Die Rennerei nach den passenden Geschenken ist vorbei, wir haben das Festtagsessen hoffentlich ohne allzu große körperliche Schäden überstanden, und wenn alles gut gelaufen ist, hat auch der familiäre Frieden an diesen Tagen nicht allzu sehr gelitten. Ja, in einer Woche haben wir es endlich hinter uns. Nein, ich möchte euch mit diesen Worten keinesfalls die bevorstehende Weihnachtsfreude vermiesen, im Gegenteil: Ich wünsche euch von Herzen, dass die kommenden Tage für euch wirklich schön und erfreulich werden. Aber so ganz fern wird auch euch dieser Gedanke vielleicht doch nicht liegen, dass ihr froh seid, wenn Weihnachten endlich vorbei ist – nicht nur, weil Weihnachten für viele eben auch mit einem ziemlichen Stress verbunden ist. Sondern da gibt es eben auch nicht wenige unter uns, denen in diesem Jahr zu Weihnachten nur wenig nach Feiern zumute ist und denen es von daher in diesen Tagen besonders auf den Geist geht, wenn sie von allen Seiten dazu aufgefordert werden, nun doch endlich auch richtig weihnachtlich fröhlich zu sein.
Ja, was Weihnachten für uns oft so stressig und anstrengend macht, ist der zumeist nicht weiter hinterfragte Versuch, unsere Erwartungen an ein perfektes, geradezu paradiesisches Leben in einem Zeitraum von wenigen Stunden oder Tagen zu erfüllen: Ja, zu Weihnachten, da soll alles gleichzeitig da sein: Ungetrübte Freude, Dank für unverhoffte oder lang ersehnte Geschenke, vollkommener Frieden.
Doch damit, Schwestern und Brüder, sind wir nun mit einem Mal schon mitten in der Epistel dieses Vierten Sonntags im Advent gelandet. Denn da geht es auch genau um das, was wir zu Weihnachten erhoffen und erwarten: um Freude, um Dank, um Frieden. Doch all dies, so macht es uns St. Paulus hier deutlich, bestimmt unser Leben als Christen eben nicht bloß für einen Abend, auch nicht bloß für 48 Stunden. All dies funktioniert für uns als Christen auch nicht bloß, wenn wir dazu erst einmal die Beleuchtung eines Weihnachtsbaumes angeknipst haben, sondern das prägt unser Leben am 24. Dezember genauso wie am 24. April und am 24. Oktober. Es gibt ein Wort, das zieht sich durch alle Verse unserer heutigen Predigtlesung hindurch, und zwar das Wort „alle“: Freut euch in dem Herrn allewege; eure Güte lasst kund sein allen Menschen; in allen Dingen lasst euer Gebet mit Danksagung vor Gott kundwerden; der Friede Gottes ist höher als alle Vernunft. Weihnachten total verspricht uns der Apostel Paulus hier also, und das ist gerade nicht als Drohung zu verstehen, nicht als Dauerstress oder als Dauerparty, die sich am Ende zäh wie Kaugummi dahinzieht. Sondern Paulus spricht gleichsam von einer Grundmelodie, die sich durch unser Leben hindurchzieht, ganz gleich, ob es uns gut oder schlecht geht, ob gerade Alltag oder Feiertag ist. Ja, St. Paulus entzerrt gleichsam das Weihnachtsfest, lässt uns als Christen ohne Stress das ganze Jahr über Weihnachten feiern, auch ohne Lametta und Jingle Bells. Denn dreierlei kennzeichnet unser Leben als Christen, so zeigt es uns St. Paulus hier:

- Freude
- Dank
- Frieden

I.

„Morgen, Kinder, wird’s was geben, morgen werden wir uns freun“, so heißt es in einem bekannten Vorweihnachtslied. „Wieso erst morgen?“ antwortet darauf der Apostel Paulus hier. Wieso sollen wir unsere Freude denn erst auf morgen verschieben? Nein, freut euch in dem Herrn allewege, so ruft er es den Christen in Philippi, so ruft er es auch uns zu. Ja, natürlich gibt es in unserem Leben besondere Anlässe, auf die wir uns besonders freuen: Das kann für Kinder der Heilige Abend sein, das kann ein besonderes Familienfest, das kann eine Hochzeit sein, das kann der Tag sein, an dem man endlich seinen Schulabschluss in der Tasche hat. Aber das bedeutet gerade nicht, so macht es uns der Apostel hier deutlich, dass wir deshalb an anderen, normalen Tagen keinen Grund zur Freude hätten, im Gegenteil!
„Freut euch in dem Herrn allewege!“ – Um verstehen zu können, was das heißt, müssen wir nun allerdings noch einmal genauer hingucken, was der Apostel hier meint: Er schreibt nicht: Habt in eurem Leben immer nur Spaß! „Spaß zu haben“ ist ja für nicht wenige Menschen heutzutage geradezu zum erklärten Lebensziel geworden. „Spaß zu haben“, das ist es, was viele von ihrem Leben erwarten und erhoffen. Doch die Formulierung als solche erweist sich schon als irreführend: Ich kann eigentlich nicht Spaß „haben“ und ihn dann gleichsam als beständigen Begleiter durchs Leben mitnehmen. Sondern dieser Spaß muss in meinem Leben immer wieder von neuem hervorgerufen werden; dazu brauche ich immer neue Anreize, brauche ich schließlich wohl auch einen immer stärkeren, ja gröberen Kick. Anders lässt sich der Erfolg so mancher Comedy Stars im Fernsehen wohl kaum erklären. Freude ist etwas anderes als Spaß. Sie ist keine kurzzeitige Erschütterung der Lachmuskeln, kein kurzzeitig berauschendes Gefühl. Um mich zu freuen, so wie es der Apostel hier versteht, brauche ich nicht unbedingt einen direkten Anstoß von außen. Freuen kann ich mich auch, wenn mir nach Fun und Action überhaupt nicht zumute ist. Ja, freuen kann ich mich sogar, wenn alle äußeren Umstände dagegen zu sprechen scheinen.
Der Apostel hat damals seinen Aufruf zur Freude in seinem Brief an die Philipper nicht aus einer Kneipe geschrieben und auch nicht als Postkarte aus dem Heidepark. Sondern er schrieb diesen Aufruf zur Freude aus dem Gefängnis, aus einer Todeszelle, nicht wissend, ob er den nächsten Tag noch überleben würde. Nein, nach blöden Witzen war ihm da gewiss nicht zumute. Aber er ruft die Philipper dazu auf, sich allewege zu freuen, ja, auch in der Todeszelle, auch wenn im Leben manches ganz anders laufen mag, als man sich das selber vorstellt und wünscht. Freuen sollen und dürfen sich die Philipper „in dem Herrn“. Das heißt: Sie dürfen sich freuen, weil sie wissen, dass sie seit ihrer Taufe von Christus umgeben und umfangen sind, dass sie in ihm ein Zuhause haben, eine sichere Zuflucht, die ihnen niemand nehmen kann. „In Christus“ bin ich, wenn ich richtig gut drauf bin und Lust habe, Party zu machen, und „in Christus“ bin ich auch, wenn ich gerade eine Klausur in der Schule verhauen habe. „In Christus“ bin ich, wenn ich glücklich verliebt oder verheiratet bin, und „in Christus“ bin ich auch, wenn ich ganz allein bin oder meine Lebensplanung mit einem anderen Menschen in die Brüche gegangen ist. „In Christus“ bin ich, wenn mein Glaube ganz stark und fest ist, und „in Christus“ bin ich auch, wenn ich in meinem Glauben alle möglichen Fragen und Zweifel habe. „In Christus“ bin ich, wenn ich gesund und munter bin, und „in Christus“ bin ich auch, wenn es mir gesundheitlich dreckig geht, wenn ich auf meinem Sterbebett liege – und auch, wenn ich am Grab eines geliebten Menschen stehe. Dieses Zuhause steht fest, das kann mir niemand rauben, noch nicht einmal der Tod. „In Christus“ bin ich – und zugleich kommt dieser Christus immer wieder von neuem auf mich zu, lässt mich seine Nähe, seine Gegenwart erfahren: „Der Herr ist nahe!“ Der Herr ist nahe – das hat er mir in meiner Taufe versprochen, dass ich meinen Weg durchs Leben niemals allein gehe. Der Herr ist nahe – das darf ich heute wieder leibhaftig erfahren, wenn Christus mir mit seinem Leib und Blut so nahe kommt, dass ich ihn berühren darf, dass ich ihn empfangen darf, dass er in mir lebt. Der Herr ist nahe – ja, derselbe Herr, der mich jetzt schon umgibt, wartet auch am Ziel meines Lebens auf mich, kommt mir schon entgegen, um mich in seine Arme zu schließen.
Und wo dieser Christus ist, da ist Freude, da kommt immer wieder schon ein Stück Ewigkeit in mein Leben hinein, und darum geht das tatsächlich: sich allewege zu freuen. Ja, das haben Christen immer wieder erlebt, wie sie selbst in größtem Leid etwas von dieser Freude erfahren durften, die ihnen niemand nehmen konnte. Das haben Christen immer wieder erfahren, wie viel besser sie es haben als andere Menschen, die ohne Hoffnung mit den Problemen ihres Lebens klarkommen müssen. Nein, wir brauchen nicht bis zum Heiligen Abend mit unserer Freude zu warten; denn der Herr ist nahe – schon heute.

II.

Ein Zweites zieht sich nach den Worten des Apostels durch unser Leben hindurch; ein Zweites gibt es, was uns unser ganzes Leben Weihnachten feiern lässt – und das ist der Dank.
Wenn wir auf das Jahr 2010 blicken, das nun vor uns liegt, dann haben wir wohl alle miteinander mehr oder weniger reichlich Grund zur Sorge: Wie wird sich meine Gesundheit und die Gesundheit meiner Lieben im neuen Jahr entwickeln? Wie wird es um meinen Arbeitsplatz im neuen Jahr bestellt sein? Werde ich überhaupt noch einmal die Chance bekommen, arbeiten zu dürfen? Wie werde ich finanziell im neuen Jahr klarkommen? Wie werden sich meine Kinder weiter entwickeln? Wie wird es in unserer Kirche weitergehen?
Doch der Apostel schreibt hier den Christen in Philippi und auch uns ganz kurz und bündig: Sorgt euch um nichts! Nein, er schreibt nicht: Macht euch nur um die wirklich wichtigen Dinge Sorgen, sondern er schreibt da aus seiner Todeszelle allen Ernstes: Sorgt euch um gar nichts, um überhaupt nichts! Können vor Lachen, mögen wir einwenden. Wie soll das denn bloß gehen, sich nicht zu sorgen, wenn einem die Probleme so direkt vor Augen stehen, wenn einem die Lasten so schwer auf der Seele liegen?
St. Paulus nennt uns hier auch gleich das allerbeste Heilmittel gegen die Sorge: Es ist das Gebet, es ist insbesondere der Dank, den wir in allen Dingen, wie er betont, bei unserem Gebet vor Gott aussprechen dürfen und sollen. Wenn ich Gott tatsächlich tagtäglich danke dafür, wie er mir immer wieder von neuem auch in gesundheitlichen Schwierigkeiten geholfen hat, wie er auch meinen Lieben immer wieder geholfen hat, dann wird sich das auswirken auf meine Sorgen um meine Gesundheit. Dann merke ich: Gott hat so oft schon geholfen; warum sollte er mich jetzt fallen lassen? Wenn ich Gott dafür danke, dass er mir bis zum heutigen Tag genug zu essen und zu trinken gegeben hat, ein Dach über dem Kopf, Kleidung und manches mehr – dann erscheinen auch meine Sorgen um meine finanzielle Zukunft noch einmal in einem neuen Licht. Wenn ich Gott dafür danke, dass ich in dieser Kirche und Gemeinde zu Hause sein darf, dass er mich hier immer wieder so reichlich im Glauben stärkt und ermutigt – ja, dann merke ich, dass doch auch die Zukunft der Kirche in seiner und nicht in meiner Hand liegt.
Ja, Grund zum Danken haben wir alle miteinander jeden Tag unseres Lebens, ganz gleich, ob wir durch Höhen oder Tiefen gehen. Denn unser Dank beschränkt sich eben nicht bloß auf irgendwelche Geschenke am Heiligen Abend, nicht auf besondere Höhepunkte unseres Lebens. Dass Gott für uns da ist, Tag für Tag, dass er uns beschenkt, Tag für Tag, das macht uns zu dankbaren Menschen, ja, auch schon am 21. und 22. und 23. Dezember.

III.

Und dann spricht der Apostel hier schließlich auch noch vom Frieden, der höher ist als alle Vernunft.
Vom Frieden wird jetzt in den kommenden Weihnachtstagen viel die Rede sein: Alle möglichen mehr oder weniger wichtigen Menschen werden uns dazu aufrufen, friedlich in dieser Welt miteinander umzugehen und Frieden zu schaffen. Und wir selber werden versuchen, den eigenen häuslichen Frieden wenigstens noch bis zum kommenden Sonntag zu bewahren.
Doch Paulus fordert uns hier in unserer Epistel gerade nicht dazu auf, Frieden zu halten und Frieden zu schaffen. Sondern er spricht von dem Frieden, der ein Geschenk Gottes ist, der unsere Möglichkeiten und Fähigkeiten unendlich übersteigt, der uns umgibt und bewahrt und uns in ihm geborgen sein lässt.
Dieser Friede Gottes bringt zunächst einmal unser Verhältnis zu Gott in Ordnung: Er sorgt dafür, dass es nichts bei uns gibt, was uns noch von Gott trennen könnte, was unser Verhältnis zu ihm stören könnte. Nein, Gott ruft über uns nicht bloß einen Waffenstillstand zwischen sich und uns aus, sondern schenkt echten Frieden, ohne jeden Vorbehalt, den Frieden, den schon die Engel Gottes bei der Geburt Jesu über den Feldern von Bethlehem besangen. Und dieser Friede Gottes, der wirkt sich dann auch aus in unserem Leben: Dieser Friede Gottes, der lässt mich in all meinen Problemen beten und singen: „Meine Zeit steht in deinen Händen; nun kann ich ruhig sein, ruhig sein in dir.“ Dieser Friede Gottes, der hilft mir, freundlich und gelassen mit anderen Menschen umzugehen, ja, sogar mit „allen Menschen“, wie Paulus hier behauptet. Dieser Friede Gottes, der hilft mir, zugunsten anderer Menschen zurückstecken zu können, weil ich weiß, dass ich so sehr in Gott geborgen bin, dass mir dieses Allerwichtigste niemand nehmen kann. Dieser Friede Gottes nimmt mir die Angst, ich könnte in meinem Leben etwas verpassen und nicht genügend abbekommen. Und dieser Friede Gottes, der lässt mich schließlich auch dem Ende meines Lebens ganz getrost entgegenblicken: Denn dieser Friede Gottes, der wird mich umhüllen bis in die letzte Stunde meines Lebens hinein.
Nein, all das ist nicht bloß ein schöner, frommer Wunsch: Der Friede Gottes wird eure Herzen und Sinne bewahren, so schreibt der Apostel hier wörtlich. Ja, dieser Friede Gottes wird dir jetzt am Ende der Predigt wieder wirksam zugeeignet im Kanzelsegen; der wird dir geschenkt, wenn du gleich wieder deinem Heiland Jesus Christus hier im Sakrament begegnest und anschließend fröhlich und getröstet singst: Herr, nun lässt du deinen Diener im Frieden fahren, wie du gesagt hast. Was der alte Simeon damals im Tempel erlebt hat, was die Hirten damals im Stall von Bethlehem gesehen haben, das erfährst du nun jetzt und hier – nicht bloß einmal, sondern immer wieder. Ja, Weihnachten wird es für dich schon heute, und Weihnachten bleibt es für dich als Christ das ganze Jahr über, ja dein ganzes Leben lang – Weihnachten voller Freude, Dank und Frieden, um Christi willen. Ja, du darfst aufatmen – schon jetzt. Amen.