09.12.2009 | Offenbarung 2, 12-17 (Mittwoch nach dem 2. Sonntag im Advent)

MITTWOCH NACH DEM ZWEITEN SONNTAG IM ADVENT – 9. DEZEMBER 2009 – PREDIGT ÜBER OFFENBARUNG 2,12-17

Und dem Engel der Gemeinde in "Pergamon" schreibe: Das sagt, der da hat das scharfe, zweischneidige Schwert: Ich weiß, wo du wohnst: da, wo der Thron des Satans1 ist; und du hältst an meinem Namen fest und hast den Glauben an mich nicht verleugnet, auch nicht in den Tagen, als Antipas, mein treuer Zeuge, bei euch getötet wurde, da, wo der Satan wohnt. Aber einiges habe ich gegen dich: Du hast Leute dort, die sich an die Lehre Bileams halten, der den Balak lehrte, die Israeliten zu verführen, vom Götzenopfer zu essen und Hurerei zu treiben. So hast du auch Leute, die sich in gleicher Weise an die Lehre der Nikolaïten halten. Tue Buße; wenn aber nicht, so werde ich bald über dich kommen und gegen sie streiten mit dem Schwert meines Mundes. Wer Ohren hat, der höre, was der Geist den Gemeinden sagt! Wer überwindet, dem will ich geben von dem verborgenen Manna und will ihm geben einen weißen Stein; und auf dem Stein ist ein neuer Name geschrieben, den niemand kennt als der, der ihn empfängt.

Am letzten Freitag blieb unser Kindergarten in Zehlendorf geschlossen. Nein, unsere Erzieherinnen waren nicht in einen Streik getreten, sondern sie mussten eine Evaluation machen, so hat es der Senat uns vorgeschrieben. Evaluationen sind heute in; überall müssen in Betrieben, Schulen, Kindergärten und anderen Organisationen Evaluationen durchgeführt werden, und weil Evaluationen etwas Kompliziertes sind, braucht man dafür dann in aller Regel auch besondere Evaluatoren, die einem beim Evaluieren helfen. Letztlich geht es jedoch bei einer Evaluation um etwas ganz Einfaches: Es geht darum, dass man sich anschaut, was für Ziele eine Einrichtung oder Organisation hat, wie sie versucht, diese Ziele zu erreichen, ob und wie sie diese Ziele tatsächlich in der Vergangenheit erreicht hat und wie sie diese Ziele in der Zukunft besser erreichen könnte.
In gewisser Weise geschieht so etwas Ähnliches schon seit Langem in der Kirche; man nennt das dann Visitation, wenn ein Superintendent, Propst oder Bischof in eine Gemeinde kommt und gleichsam einen Blick von draußen auf das wirft, was sich in einer Gemeinde so abspielt. Doch bei den Evaluationen, wie sie heute durchgeführt werden, geht es eben doch noch mal um mehr; mit diesen Evaluationen wird häufig die Erwartung verbunden, als könne man dadurch bestimmte Prozesse gleichsam in den Griff bekommen, habe es gleichsam selbst in der Hand, ob bestimmte Ziele erreicht werden oder nicht. Und in diesem Sinne kann es eben in der Kirche letztlich keine Evaluationen geben. Denn in der Kirche haben eben nicht wir es in der Hand, wie bestimmte Prozesse ablaufen, ob wir bestimmte selbstgesteckte Ziele erreichen oder nicht. Wer dies doch glaubt, dass wir dies doch in den Griff bekommen können, der hat noch nicht recht wahrgenommen, in was für einem Kampf wir als Kirche stecken, in einem Kampf, den wir auch mit noch so ausgefeilten Methoden nicht selber gewinnen können.
Worte eines Visitators oder Evaluators der ganzen besonderen Art haben wir eben in der Predigtlesung dieses Abends gehört, ja, Worte, die wir in der Tat ernst nehmen und beherzigen sollten, weil dieser Visitator oder Evaluator tatsächlich alle Faktoren der Entwicklung seiner Kirche im Blick hat, auch Faktoren, die wir oft genug gar nicht wahrnehmen und erkennen. Eine Analyse der Gemeinde in Pergamon nimmt er in den Worten unserer Predigtlesung vor. Nein, wir sind nicht die Gemeinde in Pergamon; wir können die Worte dieses Evaluators nicht einfach auf uns selber beziehen. Doch auch uns macht der, der da spricht, Christus, der Herr der Kirche, auf einen ganz entscheidenden Faktor in Leben und Arbeit der Kirche aufmerksam, der uns immer wieder so leicht aus dem Blick gerät, und dieser Faktor ist der Teufel. Der findet sich nämlich nicht einfach damit ab, dass die Kirche so weiter wächst, wie sie dies gerne möchte, der wendet alle möglichen Tricks an, um alle Planungen und Zielvorgaben, die man in der Kirche selber betreiben mag, immer wieder durcheinanderzubringen. Gleich in doppelter Weise geht der Satan gegen die Kirche, gegen die Gemeinde Gottes vor, so können wir es dem kurzen Brief an die Gemeinde in Pergamon entnehmen: Er kämpft gegen die Kirche

- von außen
- von innen

I.

Was die Christen in Pergamon damals vor Augen hatten, als der Seher Johannes ihnen den Brief des auferstandenen Christus an ihre Gemeinde übermittelte, das können wir uns heute wenigstens teilweise auf der Museumsinsel in der Mitte Berlins anschauen: den gewaltigen Pergamonaltar, Zeus und anderen Göttern geweiht. Doch das war nicht das einzige beeindruckende Heiligtum in der Stadt; da gab es beispielsweise ein berühmtes Asklepios-Heiligtum, das Pergamon zu einer Art von Lourdes der antiken Welt machte, ja, da war die ganze Atmosphäre in dieser Stadt geradezu religiös gesättigt mit dem Glauben an die Macht der antiken griechischen Götter. Wir mögen das heute touristisch, archäologisch und kunstgeschichtlich alles sehr interessant finden, was sich damals in Pergamon so abgespielt hat. Für die Christen in Pergamon stellte sich die Situation dort in der Stadt ganz anders dar: Eine angefeindete Minderheit waren sie, weil sie nicht mitmachten bei dem, was doch in Pergamon alle machten, worauf das Selbstverständnis, worauf zu einem nicht geringen Teil auch die Einnahmen der Stadt beruhten. Nein, da kannten die Einwohner von Pergamon keinen Humor, wenn es da Leute gab, die die Bedeutung von Zeus, Athena oder Asklepios in Frage zu stellen wagten, und so war ein Glied der Gemeinde namens Antipas um seines Glaubens willen schon umgebracht worden, vermutlich, weil er zu laut und deutlich zu erkennen gegeben hatte, was er von diesen Heiligtümern hielt. Ja, Christ zu sein in Pergamon war damals nicht einfach; da wurde man bedrängt, schikaniert, ausgegrenzt.
Christus bringt die Beschreibung der Situation der Christen von Pergamon hier auf den Punkt: Ihr lebt dort, wo der Satan wohnt, wo er seinen Thron hat, so formuliert er es hier. Nein, Christus sagt nicht: Ach, es ist eigentlich gar nicht so wichtig, an wen die Leute da in Pergamon glauben. Hauptsache, sie sind irgendwie religiös und glauben an ein höheres Wesen. Ob man das nun Zeus oder Christus nennt – das ist doch eigentlich gar nicht so wichtig. Sondern er bezeichnet diese Götter und ihre Verehrung hier allen Ernstes als satanische Mächte, als Masken des Satans in Person. Das heißt nicht, dass wir nun morgen früh mit einigen Päckchen Dynamit zum Pergamonmuseum ziehen sollten und den Pergamonaltar als Teufelsaltar in die Luft sprengen sollten. Die Götter, deren Verehrung er diente, haben mittlerweile weitestgehend ihre Macht verloren, haben sich selber als vergänglich erwiesen. Wohl aber sollten wir die warnenden Worte unseres Herrn im Ohr haben, wenn heutzutage so gerne einer sogenannten Ökumene der Weltreligionen das Wort geredet wird, wenn so getan wird, als seien alle Religionen Ausdruck einer edlen menschlichen Suche nach Gott. Nein, dass sich hinter dem freundlich lächelnden Buddha oder dem schnuckeligen Hindu-Elefantengott in Wirklichkeit eben auch der Widersacher Gottes verbergen kann, sollten wir bedenken und ernst nehmen. Und ökumenische Gespräche mit dem Satan zu führen, ist in aller Regel nicht sonderlich sinnvoll.
Von außen hatte der Satan damals geradezu handgreiflich die christliche Gemeinde in Pergamon bedrängt, hatte versucht, sie durch gesellschaftlichen, ja mitunter gar physischen Druck kleinzubekommen – und war mit seinen Versuchen letztlich doch gescheitert. Und wie sieht es bei uns heute aus? Wohnen wir hier in Berlin heute etwa auch da, wo der Thron des Satans ist?
Nein, wir sollten uns als Christen hier in Berlin wahrlich nicht zu Märtyrern hochstilisieren. Wir erfahren nicht den gleichen Druck von außen wie die Christen damals in Pergamon; wir müssen nicht unbedingt damit rechnen, wegen unseres Bekenntnisses zu Christus das gleiche Schicksal zu erleiden wie damals der Antipas. Und doch erfahren auch wir es heute hier in Berlin, wie der Satan gleichsam von außen versucht, Druck zu machen, gegen unsere Gemeinde vorzugehen, ihr Schwierigkeiten zu bereiten. Damals war die Atmosphäre in Pergamon gesättigt von antiker Religiosität. Heute ist unsere geistige Atmosphäre gesättigt von einem bestimmten postmodernen Denken, das bestimmte Positionen des christlichen Glaubens von vornherein nicht mehr zulässt, sie von vornherein unter Fundamentalismusverdacht stellt. Das kann man doch heute nicht mehr sagen, dass Christus der einzige Weg zu Gott ist; das muss man doch relativieren, einschränken. Jeder Mensch hat doch seine persönliche Wahrheit; eine Wahrheit, die für alle Menschen gilt, gibt es doch gar nicht, kann es doch gar nicht geben. Ja, in solch einem Klima ist es nicht einfach, den Selbstanspruch des christlichen Glaubens zu vertreten, nicht zurückzuweichen, nicht zu relativieren, was Christus so klar gesagt und behauptet hat. Und da leben wir heutzutage zugleich in einer Atmosphäre, in der für die Praxis des christlichen Glaubens eigentlich kaum noch Verständnis aufgebracht wird, in der dafür gar kein Platz mehr vorgesehen ist. Die Diskussion um das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Schutz des Sonntags hat dies in der vergangenen Woche wieder deutlich gemacht: Wieso sollten wir wegen eines exotischen Hobbys einiger Zurückgebliebener immer noch aufs Shoppen am Sonntag verzichten? Und im Kleinen betrifft das dann einzelne Gemeindeglieder, wenn sie ganz selbstverständlich zur Geburtstagsfeier oder zum Brunch am Sonntagmorgen eingeladen werden, wenn ganz selbstverständlich Fußballspiele auf den Sonntagmorgen gelegt werden, weil da ja doch niemand was anderes vorhat. Nein, natürlich ist eine Geburtstagsfeier oder ein Fußballspiel an und für sich nichts Satanisches. Doch der Satan nutzt eben auch solche scheinbar ganz harmlosen Dinge, um die christliche Gemeinde zu schwächen, unter Druck zu setzen, um Menschen davon abzuhalten, den Weg zur Gemeinde, zum Gottesdienst zu finden. Äußerst trickreich geht er dabei vor, erzielt in der Tat immer und immer wieder Erfolge und Geländegewinne – Gewinne, gegen die auch alle noch so guten Evaluationsmaßnahmen nichts helfen. Nehmen wir von daher den Kampf des Satans gegen die Kirche, den er von außen führt, ganz ernst!

II.

Doch der Satan begnügt sich eben nicht damit, die Kirche von außen unter Druck zu setzen. Noch viel erfolgreicher ist er bei seinem Versuch, die Kirche von innen her anzugreifen und zu zersetzen. Genau so war er damals schon bei der Gemeinde in Pergamon vorgegangen: Gnostische Irrlehrer waren dort in der Gemeinde aufgetreten, Leute, die behaupteten, es käme im Glauben nur darauf an, den inneren göttlichen Seelenfunken in sich aufzuspüren und ihn zu pflegen. Was man mit seinem Körper machte, sei dagegen völlig egal. Denn der Körper sei ja ohnehin etwas Minderwertiges, also könne man mit dem machen, was man wolle. Eine gefährliche Irrlehre war das, die mit christlichem Mäntelchen die Christen zu verführen drohte, und aus Christus nur noch einen Lehrer machte, der die Menschen zur rechten Erkenntnis anleitete. Für den Kreuzestod Christi, für das Heil, das er in den Sakramenten schenkte, war dann bei diesen Leuten kein Platz mehr.
Christus ist das nicht egal, welche Lehren in einer Gemeinde vertreten werden. Er hält nichts von Lehrpluralismus in der Kirche, nichts davon, dass die christliche Verkündigung mit etwas Esoterik vermischt wird. Er weiß: Falsche Lehre ist ein Einfallstor des Satans, mit der er die Gemeinde durcheinanderbringt, verwirrt und vom Vertrauen auf Christus abbringt. Und so warnt er die Gemeinde eindringlich davor, solcher falschen Lehre in ihrer Mitte Raum zu geben, zuzulassen, dass solche Lehre in der Gemeinde verkündigt werden konnte.
Wer wollte bestreiten, dass der Satan auch heute in der Kirche mächtig am Werk ist und versucht, sie von innen her zu zersetzen! Wie leicht wird heutzutage zum Kriterium in der Kirche gemacht, was bei den Menschen gut ankommt, was sie gerne hören möchten, womit man ihre Zustimmung gewinnen kann! Genau mit dieser Masche waren damals schon die Nikolaiten erfolgreich. Und wenn er damit nicht weiterkommt, dann versucht der Teufel es eben damit, dass er persönliche Konflikte in die Gemeinde trägt, Unversöhnlichkeit, Lieblosigkeit in der Gemeinde herrschen lässt.
Schwestern und Brüder, manchmal wundert es mich, ist es mir mitunter geradezu unheimlich, wie sehr wir hier in unserer Gemeinde im Frieden arbeiten können, wie wenig es dem Satan bisher gelungen ist, in unser Gemeindeleben seinen Fuß zu bekommen, wie wenig er es verhindern kann, dass Menschen den Weg in die Gemeinde, den Weg zur Heiligen Taufe finden und seiner Herrschaft entrissen werden. Lassen wir uns dadurch nicht in falscher Sicherheit wiegen. Dem Teufel gefällt das überhaupt nicht, was in unserer Gemeinde abläuft, und er wird es auch in Zukunft versuchen, ganz gewiss, auch unsere Gemeinde von innen her zu bekämpfen. Der Teufel ist eben kein theologischer Kinderschreck; er ist eine Realität, die wir sehr ernst nehmen sollten, ernster jedenfalls als alle menschengemachten Evaluationen.
Und doch brauchen wir letztlich vor dem Teufel keine Angst zu haben. Auf der Seite unseres Herrn Jesus Christus sind wir in der Tat stärker als er, können wir ihm in der Tat in der Kraft unseres Herrn widerstehen. Von dem verborgenen Manna und dem Stein, auf dem unser neuer Name steht, spricht Christus hier am Schluss seines Schreibens an die Gemeinde in Pergamon. Anspielungen sind diese Bilder auf das, was damals im Gottesdienst in Pergamon geschah und was auch heute bei uns geschieht: In der Heiligen Taufe ist unser Name schon im Himmel aufgeschrieben worden, unser Name, mit dem Gott uns in der Taufe gerufen hat. Und im Heiligen Mahl empfangen wir jetzt schon das Manna, das uns Leben schenkt, das stärker ist selbst als der Tod. Aus der Kraft dieser Gaben können wir Tag für Tag unser Leben als Christen führen, können wir dem Teufel Widerstand leisten, können wir bestehen in dem Kampf mit ihm, dem wir uns nicht entziehen können. Dass wir als Gemeinde nicht aufhören, aus diesen Kraftquellen zu schöpfen, das ist wichtiger als alle Evaluationen. Denn gegen diese Kraftquellen kommt der Satan nicht an: In der Taufe muss er weichen, und wo Christus im Heiligen Mahl in uns Wohnung nimmt, da muss er sich immer wieder geschlagen geben.
Bleiben wir von daher ganz nüchtern, übersehen wir nicht, wie der Teufel uns von außen und innen anzugreifen versucht, und halten wir uns ganz an Christus, den Sieger. Denn nicht wir sind es, die die Kirche erhalten; er, Christus, ist es, der seine Zielvorgaben für seine Kirche einlöst, der erfüllt, was er verspricht. Unter seinem Schutz lässt es sich auch am Thron des Satans gut und sicher wohnen. Amen.