16.09.2009 | Philipper 4, 14-20 (Mittwoch nach dem 14. Sonntag nach Trinitatis)

MITTWOCH NACH DEM 14. SONNTAG NACH TRINITATIS – 16. SEPTEMBER 2009 – PREDIGT ÜBER PHILIPPER 4,14-20

Doch ihr habt wohl daran getan, dass ihr euch meiner Bedrängnis angenommen habt. Denn ihr Philipper wisst, dass am Anfang meiner Predigt des Evangeliums, als ich auszog aus Mazedonien, keine Gemeinde mit mir Gemeinschaft gehabt hat im Geben und Nehmen als ihr allein. Denn auch nach Thessalonich habt ihr etwas gesandt für meinen Bedarf, einmal und danach noch einmal. Nicht, dass ich das Geschenk suche, sondern ich suche die Frucht, damit sie euch reichlich angerechnet wird. Ich habe aber alles erhalten und habe Überfluss. Ich habe in Fülle, nachdem ich durch Epaphroditus empfangen habe, was von euch gekommen ist: ein lieblicher Geruch, ein angenehmes Opfer, Gott gefällig. Mein Gott aber wird all eurem Mangel abhelfen nach seinem Reichtum in Herrlichkeit in Christus Jesus. Gott aber, unserm Vater, sei Ehre von Ewigkeit zu Ewigkeit! Amen.

Bei der heutigen Predigt muss ich ganz besonders aufpassen, wie ich meine Worte wähle. Denn in der heutigen Predigtlesung geht es um ein heikles Thema: Eine engagierte Gemeinde unterstützt einen alleinstehenden Pastor mit Fresspaketen. Da legen sich dann gewisse Parallelen zur Gegenwart doch arg nahe. Und darum möchte ich zunächst einmal betonen, dass die Worte, die wir eben in der Predigtlesung gehört haben, nicht aus einem Pfarrhaus geschrieben sind, sondern aus einem Gefängnis. Wo der Apostel Paulus gerade sitzt, als er die Worte abfasst, die wir eben vernommen haben, wissen wir nicht genau. Manche vermuten, er sitzt in Ephesus, andere tippen auf Rom. Jedenfalls sitzt Paulus im Gefängnis, nein, nicht in einem Luxusknast, sondern in einem ziemlich jämmerlichen Loch, und seine Zukunftsaussichten sind auch nicht unbedingt so ganz rosig: Er muss eigentlich jeden Tag damit rechnen, zum Tode verurteilt und hingerichtet zu werden. Ja, in solch einer Situation kann man dankbar sein, wenn man Zeichen erhält, dass man nicht vergessen ist, dass andere an einen denken; ja, in solch einer Situation kann man auch schlicht und einfach dankbar sein, wenn man ein Fresspaket erhält, endlich mal was Anständiges zu essen bekommt und dort im Gefängnis mal nicht hungern muss.
Schwestern und Brüder: Ihr merkt schon: Da verbietet es sich von selbst, vorschnell Parallelen zu ziehen zu einem Pastor, der in einem schönen Pfarrhaus sitzt, ein festes Gehalt bekommt und darüber hinaus von der Gemeinde so sehr durchgefüttert wird, dass er immer mehr in die Breite geht. Eher erinnern mich die Worte unserer heutigen Predigtlesung an manche E-Mails, die ich von unserer Lkhamaa aus der Mongolei bekomme, wenn wir ihr wieder einmal Geld überwiesen haben. Da bringt Lkhamaa genau wie der Apostel Paulus immer wieder zum Ausdruck, dass sie sich nicht nur über die materielle Hilfe von Herzen freut, die sie so dringend braucht, sondern dass sie sich darüber freut, dass sie von uns nicht vergessen ist, dass sie von ihren Glaubensgeschwistern weiterhin getragen und gehalten ist.
Aber nun wage ich es nach diesem Vorspann nun doch, die Worte des Apostels Paulus auch auf uns, auf unsere Gemeinde, ja auch auf das Verhältnis von Gemeinde und Pastor zu beziehen – bei aller gebotenen Vorsicht. Denn es ist ja schon spannend wahrzunehmen, dass in der Heiligen Schrift eben auch diese ganz praktische Frage der leiblichen Versorgung eines Pastors, ja der Fresspakete, angesprochen und behandelt wird. Über dreierlei freut sich der Apostel Paulus hier in den Worten unserer Predigtlesung:

- über die Gemeinde
- über die Gaben
- über die Frucht

I.

Da freut sich ein Pastor über eine Gemeinde. Das ist ja eigentlich eine schöne Sache; doch in dem vorliegenden Fall scheint diese Freude auf den ersten Blick doch etwas problematisch zu sein: Denn der Pastor, der hier diese Zeilen schreibt, ist eben nicht bloß für eine Gemeinde verantwortlich, sondern für ganz viele. Und das weiß er auch. Und doch erklärt er hier ganz unumwunden diese eine Gemeinde in Philippi zu seiner Lieblingsgemeinde, zu der Gemeinde, mit der er noch einmal in ganz anderer Weise Gemeinschaft übt, als er dies mit anderen Gemeinden zu tun pflegt: Fresspakete hat er nur aus Philippi bekommen und angenommen. Ja, Paulus ist offenbar kein Prinzipienreiter. Wenn ihm und der Gemeinde das Geschenk einer besonderen persönlichen Beziehung zueinander zuteil wird, dann wehrt er sich nicht dagegen, bleibt nicht aus Prinzip auf Abstand, sondern freut sich auch an diesem besonderen persönlichen Miteinander.
Ich empfinde diese Worte des Apostels auch für mich selber als sehr ermutigend. Nein, ich habe nicht viele verschiedene Gemeinden, ich habe nur euch als einzige Gemeinde, kann euch von daher nicht vor anderen Gemeinden bevorzugen. Aber natürlich gibt es eigentlich die Regel, dass ein Pastor in seiner Arbeit immer einen gewissen Abstand zur Gemeinde halten sollte, sich nicht zu sehr persönlich in sie einbringen sollte. Schließlich ist er ja nur Bote seines Herrn, von daher auch jederzeit auswechselbar, ersetzbar, ganz gewiss. Doch nun halte ich selber diesen Abstand zu euch nicht unbedingt so ein, empfinde euch als meine Familie, gehe entsprechend mit euch um. Das ist prinzipiell problematisch, ich weiß. Aber wenn der Apostel Paulus kein Prinzipienreiter gewesen ist, brauche ich es auch nicht zu sein; wenn er das Geschenk einer besonderen persönlichen Beziehung zu einer Gemeinde zu schätzen wusste, dann darf ich das auch. Ja, wenn der Apostel Paulus sich über den liebevollen persönlichen Umgang, den er von einer Gemeinde erfuhr, freuen konnte, dann habe ich erst recht allen Grund dazu. Ja, freuen wir uns miteinander über dieses Extra-Geschenk, das uns Christus, unser Herr, damit gemacht hat, dass wir hier in unserer Gemeinde in dieser besonderen Gemeinschaft des Gebens und Nehmens stehen, sehen wir es nicht als selbstverständlich an, sondern als besondere Gabe, die uns unser reicher Herr gemacht hat.

II.

Über seine Gemeinde in Philippi freut sich Paulus; aber er freut sich hier auch ganz unumwunden über die ganz praktischen Gaben, die er von den Philippern bekommen hat und die er in der Tat gut brauchen konnte.
Ach, Schwestern und Brüder, wenn der Apostel Paulus hier aus dem Gefängnis angesichts seines Fresspakets schreibt: Ich habe alles erhalten und habe Überfluss – was soll ich dann erst sagen? Dass ich ein festes Gehalt habe, dass ich kranken- und rentenversichert bin, dass ich nicht wie Paulus auf spontane Fresspakete angewiesen bin, das liegt daran, dass ihr Monat für Monat abgebt von dem, was ihr habt, dass ihr so reichlich abgebt, dass damit unser ganzes Gemeindeleben, die Kinder- und Jugendarbeit und vieles mehr finanziert werden kann. Nein, für goldene Wasserhähne reicht das Geld, das wir als Gemeinde bekommen, sicher nicht, und doch wären wir zutiefst undankbar, wenn nicht auch wir bekennen würden: Wir haben alles erhalten, und wir haben Überfluss. Es geht uns finanziell so gut wie wenigen anderen Gemeinden unserer Kirche, wir haben finanzielle Spielräume, von denen andere Gemeinden nur träumen können. Ja, Überfluss haben wir, wenn wir daran denken, unter was für Bedingungen andere Gemeinden auch in unserer Kirche arbeiten müssen; und doch ist kein Euro, den ihr an die Gemeinde gebt, überflüssig, ist jede Gabe eine Hilfe, nicht nur für mich persönlich, sondern viel mehr noch für all das, was wir in der Gemeinde miteinander tun. Ja, wenn ich das bedenke, was ihr für diese Gemeinde einsetzt, an Zeit, an Kraft, an Geld, dann kann ich mich immer wieder nur von Herzen freuen.

III.

Aber nun blickt der Apostel Paulus zugleich tiefer: Ihm geht es in seiner Freude eben nicht bloß um das Fresspaket selber: „Nicht, dass ich das Geschenk suche, sondern ich suche die Frucht“, so formuliert er es selber hier. Darum kann er sich über all die Gaben freuen, weil er weiß, was dahintersteht: kein Geltungsstreben der Philipper, auch nicht bloß persönliche Sympathie, sondern der Glaube an Christus, die Freude, von Christus selber so reich beschenkt zu sein. Und weil Paulus das erkennt, weil er sieht, dass auch so ein ganz handfestes Fresspaket Frucht des Glaubens ist, darum kann er sich darüber hier so vorbehaltlos freuen, es gerne und dankbar annehmen.
Ihr wisst, dass ich den Früchten eures Glaubens in Form von Fresspaketen in der Vergangenheit immer einmal Einhalt gebieten musste, weil ich sonst von euren Liebesgaben fast erschlagen worden wäre. Da musste ich bei allem auch immer wieder mal meinen Verstand einschalten. Aber das ändert nichts daran, dass ich in all dem, was ihr hier in die Gemeinde einbringt an Zeit, an Kraft, an Geld und an Liebe, dass ich in all dem ebenfalls die Frucht zu erkennen vermag, die Frucht des Glaubens an Christus, die Frucht eurer Freude über all das, was Christus euch geschenkt hat. Nein, das ist nicht selbstverständlich, das ist etwas Besonderes, Grund zur Freude, ja auch Grund zur Erwähnung, so wie Paulus das hier in seinem Brief ja auch erwähnt. Und darum erwähne ich es auch jetzt hier in der Predigt, werde es auch sonst euch gegenüber immer wieder erwähnen, auch wenn ich weiß, dass all dies bei euch auch im Tiefsten Frucht des Glaubens ist. Paulus scheut sich jedenfalls nicht davor, auch solch ganz praktische Dinge und seine Freude darüber anzusprechen. Ja, auch dies gehört zum Zusammenleben in der Gemeinde mit dazu. Ja, wie gut, dass wir uns so immer wieder aneinander – und mehr noch miteinander an Christus und Seinen Gaben freuen dürfen! Amen.