23.11.2011 | St. Johannes 5,24-29 | Mittwoch nach dem Ewigkeitssonntag

Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos werden nicht vor Gericht gestellt werden, werden nicht verurteilt werden für die zehn Morde, die sie mutmaßlich begangen haben. Denn sie leben nicht mehr, haben sich selber getötet, bevor sie von der Polizei verhaftet und für ihre Taten zur Rechenschaft gezogen werden konnten. Haben die beiden es nicht ganz geschickt angestellt? Ungezügelt den eigenen Hass ausleben, ein spannendes Leben führen und dann rechtzeitig abtreten, bevor es unangenehm werden könnte? Und die Opfer, die Hinterbliebenen, wir alle, die wir voller Wut und Entsetzen auf das zurückblicken, was da in den vergangenen gut zehn Jahren in unserem Land geschehen ist – kommen wir alle miteinander einfach zu spät, müssen uns begnügen mit der Analyse der Fehler, die dazu beigetragen haben, dass diesen Verbrechern das Handwerk nicht früher gelegt werden konnte?

Nein, damit müssen wir uns nicht begnügen. Auch Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos werden schließlich doch einmal vor Gericht gestellt werden, werden dann nicht untertauchen, nichts schön reden können, werden sich einmal verantworten müssen für das, was sie in ihrem Hass getan haben, ja, werden dann auch die Konsequenzen aus dem Urteil über ihr Handeln erleiden müssen.

Schwestern und Brüder, es gehört mit zu dem Grundbestand der Verkündigung des ganzen Neuen Testaments, dass nicht nur Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos, sondern wir alle, alle Menschen ohne Ausnahme, dem letzten Gericht entgegengehen, dass es keinen Menschen gibt, der sich nicht für sein Leben vor seinem himmlischen Richter wird verantworten müssen. Nicht nur rassistische Morde werden dann einmal zur Sprache kommen, sondern ein jedes unnütze Wort, das wir geredet haben, Worte der Verachtung gegenüber anderen Menschen, Worte der Lieblosigkeit, Worte der Undankbarkeit, ja, überhaupt alles, was wir in unserem Leben gesagt, getan, gedacht haben. Uwe Böhnhardt, Uwe Mundlos, wir alle miteinander werden uns dafür zu verantworten haben, denn der Tod ist für ihn, den himmlischen Richter, eben keine letzte Fluchtmöglichkeit. Er, der Richter, wird sie, wird uns alle aus unseren Gräbern wieder hervorholen, wird uns vor sich stellen, wird den Prozess führen, dem wir uns dann nicht durch die Flucht in einen anderen Tod werden entziehen können. Genau so stellt es auch Christus hier in der Predigtlesung des heutigen Abends ganz klar und eindeutig dar: Das letzte Gericht, es findet statt – und weh dem, der in seinem Leben davor die Augen verschließt und glaubt, ihm auf irgendeine Weise oder mit irgendeinem guten Argument doch entkommen zu können!

Nun ist die Ankündigung eines Jüngsten Gerichtes an und für sich noch nichts typisch Christliches: Auch der Islam weiß beispielsweise von solch einem Jüngsten Gericht, hat diesen Gedanken aus der christlichen Verkündigung übernommen. Und irgendwo steckt die Ahnung eines solchen Gerichtes in uns allen drin; sonst würden wir nicht immer wieder solch ein Bedürfnis verspüren, uns selber zu rechtfertigen, uns selber als unschuldig gegenüber anderen zu präsentieren.

Ja, es steckt auch etwas Tröstliches in dieser Verkündigung des letzten Gerichts: Gott wird einmal endgültig Recht schaffen; Unrecht und Terror werden nicht das letzte Wort in dieser Welt behalten, werden zur Sprache kommen, und die, die dafür verantwortlich sind, werden zur Rechenschaft gezogen und gerichtet werden. Und doch spüren wir zugleich, wie schnell sich dieser Trost zugleich auch gegen uns selber zu wenden beginnt: Und was ist mit uns selber? Wie werden wir einmal in diesem Gericht dastehen, wie wird es uns selber einmal ergehen, wenn wir nach unserem Leben gefragt werden? Wir ahnen es, dass die Tatsache, dass wir in aller Regel nicht schon zehn Menschen umgebracht haben, für unseren Freispruch allein nicht ausreichen wird.

Doch genau, wenn wir diese Frage stellen, wie es denn mit uns selber in diesem letzten Gericht bestellt sein wird, fangen die Worte unserer heutigen Predigtlesung noch einmal ganz besonders an zu leuchten:

Da wird uns zunächst vor Augen gestellt, wer denn der Richter sein wird, der uns nach unserem Leben fragen wird: Nicht einfach Gott allgemein, sondern ganz konkret Jesus Christus, der Sohn des Vaters, der auferstandene Herr, der, der für unsere Schuld und für unser Versagen am Kreuz gestorben ist. Der wird der Richter sein. Ja, es ist richtig, vor jedem menschlichen Gericht könnte man gegen diesen Richter einen Befangenheitsantrag stellen; allzu eng und eindeutig sind die Beziehungen zwischen uns, den Angeklagten, und ihm, dem Richter. Doch da gibt es in jenem letzten Gericht eben niemanden, der solch einen Antrag stellen könnte – und genau das ist unser Glück, das ist unsere Rettung. Wichtig ist einzig und allein, dass wir tatsächlich in dieser Beziehung zum Richter stehen, dass wir mit ihm verbunden sind, dass wir sein Wort hören und ihm glauben.

Ja, was mit denen geschieht, die an ihn, Christus, glauben, die auf sein Wort hören, das bringt Christus selber hier mit Worten zum Ausdruck, angesichts derer wir die Luft anhalten mögen, wenn wir uns klarmachen, was die eigentlich bedeuten: Christus sagt: „Wer mein Wort hört und glaubt dem, der mich gesandt hat, der hat das ewige Leben und kommt nicht in das Gericht, sondern er ist vom Tode zum Leben hindurchgedrungen.“ Wer das Wort Jesu hört und in ihm Gottes Stimme selber vernimmt, der kommt nicht in das Gericht, dem wird zuteil, was Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos für sich vergeblich erhofften, ja, dem wird noch unendlich mehr zuteil: nicht bloß Verschonung vor Verurteilung, nicht bloß ein Versinken im Nichts, sondern ewiges Leben, ewige Freude in der Gemeinschaft mit Christus.

Du hörst das Wort Christi hier und jetzt in dieser Predigt, du begegnest ihm, deinem Herrn und Richter, jetzt gleich wieder leibhaftig im Heiligen Mahl. Halte dich an dieses Wort deines Herrn, an sein Versprechen, tröste dich dessen, dass er, dein Herr und Gott, nun gleich wieder von Neuem in dir lebt. Dann darfst du gewiss sein: Du kommst nicht in das Gericht; all deine Schuld und all dein Versagen wird dir einmal nicht zu deinen Ungunsten angerechnet werden. Dein Leben wird im letzten Gericht nur als gut befunden werden, weil in diesem letzten Gericht das, was Christus für dich getan hat, an die Stelle dessen treten wird, was du selber getan und angerichtet hast.

Gewiss: Wer an Christus glaubt, wer sein Wort hört, der kann kein Rassist sein, dessen Leben kann nicht von Hass getrieben sein. Doch wir, wir brauchen eben gerade nicht damit zu beginnen,  bei uns selber nun eine geistliche Nabelschau zu betreiben. Wichtig ist und bleibt nur eins: Dass wir immer wieder auf Christus und sein Wort hören und mit ihm verbunden bleiben. Dann kannst auch du dich darauf berufen und darauf verlassen: Du kommst nicht in das Gericht. Denn du hast es schon hier und jetzt: Das ewige, unvergängliche Leben in der Gemeinschaft mit deinem Herrn. Und das wirst du dann auch einmal sehen dürfen, wenn er, dein Herr, auch dich bei deinem Taufnamen rufen wird, ja das wirst du auch einmal sehen dürfen, wenn dich dieser Ruf schon in deinem Grab ereilt. Denn das Wort deines Herrn hat Macht, hat Kraft, neues Leben zu schaffen, hat darum auch Kraft, Glauben zu wirken, auch bei dir. Amen.