28.10.2012 | St. Johannes 15,17-25 | Tag der Hl. Apostel Simon und Judas

Ob der Pastor Behnam Irani noch am Leben ist, während wir hier in der Kirche zusammensitzen, wissen wir nicht. Nachdem er im April 2010 während eines Gottesdienstes in Karaj in der Nähe von Teheran verhaftet worden war, wurde er wegen Abfalls vom Islam und Verbreitung des christlichen Glaubens zu einer fünfjährigen Haftstrafe verurteilt. Seitdem sitzt er in einem Gefängnis, das dafür bekannt ist, dass in ihm die Häftlinge besonders brutal gefoltert und misshandelt werden. Es wird berichtet, dass er mittlerweile schwerkrank ist, zum Teil schon bewusstlos geworden ist und keine angemessene medizinische Behandlung erhält. Dabei müsste er einfach nur dem christlichen Glauben entsagen und könnte zurück zu seiner Frau und seiner zehnjährigen Tochter und seinem vierjährigen Sohn.

Warum tun Menschen einem anderen Menschen so etwas an? Warum hassen sie einen Menschen, dessen einziges Verbrechen darin besteht, dass er an Jesus Christus als seinen Herrn und Retter glaubt? Es ist letztlich nicht zu begreifen, letztlich nicht nachzuvollziehen, warum Menschen, die sich zu Christus, ihrem Herrn, bekennen, ein solcher Hass trifft.

Heute feiern wir den Tag der heiligen Apostel Simon und Judas. Sie gehören zu dem Kreis der zwölf Apostel, die Jesus während der Zeit seines irdischen Wirkens um sich gesammelt und nach seiner Auferstehung in alle Welt gesandt hat. Viel wissen wir von den beiden nicht. Simon trägt in der Heiligen Schrift den Beinamen: „der Zelot“. Das heißt: Bevor er von Jesus zum Apostel berufen wurde, gehörte er zu einer militanten Widerstandsbewegung in Israel, die die römischen Besatzer mit Gewalt und Terroranschlägen aus dem Land zu jagen versuchte.

Nachdem er ein Apostel Jesu geworden war, wusste er natürlich, dass das nicht der richtige Weg war. Und er wusste auch, dass Christen den Glauben gerade nicht mit Gewalt verbreiten und verkünden. Und dann gab es da auch noch den Judas. Damit ist natürlich nicht der Judas gemeint, der Jesus verraten hat, sondern ein anderer Judas mit dem Beinamen Thaddäus. Die beiden, Simon und Judas, sind dann nach Ostern und Pfingsten tatsächlich losgezogen, um anderen Menschen Christus, den gekreuzigten und auferstandenen Herrn, zu verkündigen. Bis nach Persien sind sie gekommen, so berichtet es die kirchliche Überlieferung, und dort in Persien haben sie den Märtyrertod erlitten: Simon wurde der Überlieferung zufolge bei lebendigem Leibe zersägt, Judas mit einer Keule erschlagen. Und so kann man in der kirchlichen Kunst den Simon immer an einer Säge erkennen, die er in der Hand hält, und den Judas an einer Keule, zur Erinnerung an die Werkzeuge, mit denen sie um ihres Bekenntnisses zu Christus willen dort in Persien ermordet wurden.

Warum machen Menschen das, warum gehen sie immer wieder gerade auf die Christen los? Das ist eine Frage, die nicht wenige unter uns ganz direkt bewegt. Furchtbares haben auch nicht wenige von unseren neuen Gemeindegliedern schon durchgemacht, haben diesen Hass der Welt am eigenen Leibe erfahren, mussten darum aus ihrer persischen Heimat fliehen und wissen zum Teil nicht, was aus ihren Ehepartnern, ihren Freunden, den Brüdern und Schwestern in ihrer Hauskirche geworden sind. Ja, warum werden Christen so gehasst, nur weil sie Christen sind?

Diese Frage ist gar nicht neu; mit dieser Frage befasst sich auch schon Christus, unser Herr, im Heiligen Evangelium dieses Aposteltages. Da bereitet er seine Jünger schon vor seiner Verhaftung und Hinrichtung auf das vor, was nicht nur ihm, Christus, sondern auch ihnen, den Aposteln, und so vielen anderen Christen in der Zukunft bevorstehen wird. Hochaktuell sind seine Worte, die wir gehört haben, hochaktuell nicht nur für diejenigen unter uns, die in ihrem Leben ganz direkt Verfolgung erfahren haben, sondern für uns alle miteinander. Ja, uns geht es hier in Deutschland so gut, dass wir nun wahrlich nicht über unser schweres Geschick als Christen klagen können. Und doch spüren wir es auch hier in unserem Land, wie uns Christen allmählich der Wind ins Gesicht zu blasen beginnt, wie offener Hass gegen Christen immer salonfähiger wird und Christen damit rechnen müssen, auch öffentlich verhöhnt zu werden, wenn sie versuchen sollten, sich gegen diesen Hass mit friedlichen Mitteln zur Wehr zu setzen. Schon Konfirmanden berichten mir davon, wie sie in ihrer Klasse als Christen blöde angemacht werden, von Mitschülern, zum Teil auch von Lehrern. Ja, es ist gut und wichtig, dass wir vorbereitet sind, dass wir wissen, womit wir als Christen zu rechnen haben. Wer nur darum Christ ist oder wird, weil er glaubt, das würde ihm Vorteile im Leben verschaffen, der hat in der Tat noch nicht viel von dem verstanden, was wir als Christen zu erwarten haben. Trösten und Mut machen will Christus uns mit den Worten unserer heutigen Predigtlesung, ganz gleich, ob wir in unserem Leben schon etwas von diesem Hass der Welt, wie er ihn nennt, selber etwas erfahren haben oder nicht. Dreierlei macht uns Christus hier deutlich:
Ihr müsst als Christen in eurem Leben mit Ablehnung rechnen,
- weil Menschen Gott nicht ertragen können
- weil ihr nicht mit der Masse schwimmt
- weil ihr einander lieb habt.

I.
Das erste, was Christus uns hier deutlich macht, ist dies: Ihr dürft die Ablehnung, die Aggression, die euch als Christen entgegenschlägt, nicht persönlich nehmen. Die Leute, die so auf euch reagieren, die meinen in Wirklichkeit gar nicht euch selber. Die kommen in Wirklichkeit mit Gott nicht klar. Die können es nicht ertragen, dass ihnen gesagt wird, dass Gott mit ihnen, mit ihrem Leben zu tun haben will, dass Gott mit ihnen Verbindung aufnehmen will und darum seinen Sohn Jesus Christus zu uns Menschen geschickt hat. Sie wollen in ihrem Leben von diesem Gott nicht gestört werden, der ihnen so nahe kommen will. Ja, absurd ist diese Reaktion eigentlich, denn Gott kommt doch nicht zu uns Menschen, um uns zu bedrohen, um unser Leben zu zerstören, er kommt doch im Gegenteil, um uns zu retten, um uns neues, unvergängliches Leben zu schenken. Doch dieser Wunsch steckt in uns Menschen eben ganz tief drin, ohne Gott auskommen zu wollen, in unserem Leben ohne ihn klarzukommen. Und wenn Menschen dann hören, dass Gott sich von unserer Ablehnung nicht beeindrucken lässt, dass er uns trotzdem nahekommen will, uns trotzdem nicht aufgibt, dann empfinden sie diese Botschaft als Bedrohung ihrer Autonomie, als Infragestellung ihres bisherigen Lebens. Und da sie sich nicht direkt gegen Gott wehren können, wehren sie sich eben gegen diejenigen, die zu ihm gehören, ihnen diese Botschaft übermitteln. Ja, so kann man irgendwie diese so unsinnige Reaktion erklären, weshalb Menschen oft so aggressiv werden, wenn sie mit der christlichen Botschaft konfrontiert werden. Doch letztlich lässt es sich eben doch nicht erklären, warum Menschen sich auf diese Weise der guten Botschaft verweigern, ja sich dem verweigern, der doch auch aus Liebe zu ihnen seinen Sohn für sie hat am Kreuz sterben lassen. Und so zitiert Jesus hier auch aus dem 69. Psalm: „Sie hassen mich ohne Grund.“

Und doch darfst du daran denken, wenn du um deines Glaubens willen angefeindet wirst, wenn du mal wieder siehst, wie über Christus und den christlichen Glauben in der Öffentlichkeit hergezogen wird: Das liegt daran, dass diese Menschen, die das tun, Probleme haben, Probleme mit Gott und damit auch mit ihrem eigenen Leben. Sie sind arm dran, nicht du, der du doch weißt, was du an Gott, was du an Jesus Christus, was du an deiner Taufe hast. Sei nicht überrascht, wenn dir der Wind ins Gesicht bläst, weil du Christ bist. Christus hat es dir doch schon längst gesagt: „Gedenkt an das Wort, das ich euch gesagt habe: Der Knecht ist nicht größer als der Herr. Haben sie mich verfolgt, so werden sie euch auch verfolgen.“ Wenn jemand allergisch auf dich reagiert, weil du Christ bist, dann sei stolz darauf. Denn er stellt dir damit ein wunderbares Zeugnis aus. Er sagt damit: Dieser Mensch gehört zu Jesus Christus, das spüre ich ihm ab. Was könnte man eigentlich Besseres von dir sagen?

II.
Damit sind wir auch schon beim Zweiten: Christus erinnert dich hier im Heiligen Evangelium daran, was er mit dir gemacht hat, ja ganz konkret in deiner Heiligen Taufe: Er hat dich erwählt, hat dich in seine Gemeinschaft gerufen, hat dir ein neues Leben mit einer ganz neuen Lebensperspektive geschenkt. Aber eben damit unterscheidest du dich natürlich von den Menschen in deiner Umgebung, die von dieser Lebensperspektive nichts wissen wollen. Das fällt auf, wenn dir Christus, dein Herr, so wichtig ist, dass du seiner Einladung in die Kirche, an seinen Altar immer wieder folgst. Das fällt auf, wenn du zu erkennen gibst, dass es dich trifft, wenn Menschen sich über Christus und den Glauben an ihn lustig machen. Das fällt auf, wenn du nicht bei allem mitmachst, was alle anderen auch machen. Und genau darauf reagieren die anderen damals genauso wie heute immer wieder aggressiv.

Da leben wir heute in einer Zeit, in der Toleranz immer wieder ganz groß geschrieben wird – und das ist ja auch gut und richtig so. Doch es fällt auf, dass so viele Menschen, die das Wort „Toleranz“ im Munde führen, diese Toleranz oft genug auf diejenigen beschränken, mit denen sie einer Meinung sind, die ihre Vorstellungen teilen. Auch in unserer heutigen Zeit können Menschen, die gegen den Strom schwimmen, nicht unbedingt mit Zustimmung rechnen. Doch auch hier gilt nun wieder: Sei froh, wenn andere Menschen das an dir erkennen, dass du anders bist, dass du offenbar eine andere Hoffnung, eine andere Lebensperspektive hast als sie, dass sich das auswirkt an dir, dass du Christ bist und zu Jesus Christus gehörst. Du brauchst doch keine Angst davor zu haben, nicht mit der Masse zu schwimmen. Nur weil sie die Mehrheit sind, müssen sie noch längst nicht recht haben. Lass dir von Christus darum immer wieder ein festes Rückgrat schenken: Du hast es doch so gut, dass du ein Christ sein darfst. Lass die anderen sich ruhig darüber aufregen. Sie wissen nur noch nicht, was sie zurzeit noch verpassen!

III.
Und dann nennt Christus hier noch einen dritten Grund, weshalb uns Christen von anderen immer wieder Ablehnung und Spott, ja auch Aggression entgegenschlägt: Es ist ausgerechnet die Liebe, die wir untereinander als Christen haben und leben.

Es bewegt mich immer wieder, wenn Menschen, die neu zu unserer Gemeinde hinzukommen, davon sprechen, dass sie von dieser Liebe hier in unserer Mitte etwas spüren, ja dass diese Liebe sie wesentlich dazu bewegt hat, Christen zu werden, in unsere Gemeinde zu kommen. Ja, genauso hat Christus es seinen Jüngern selber gesagt: Daran wird jedermann erkennen, dass ihr meine Jünger seid, wenn ihr Liebe untereinander habt.

Doch diese Liebe, die wir untereinander haben, die sich auswirkt in unserem Umgang miteinander, stößt eben nicht nur auf begeisterte Zustimmung. Es gibt Menschen, die können genau das nicht ertragen, dass es das bei uns gibt, was ihnen in ihrem Leben fehlt. Und so reagieren sie ausgerechnet auf Liebe mit Hass. Wir können daran von uns aus nichts ändern, können nur Gott bitten, dass er uns die Kraft schenken möge, diesem Hass dennoch weiter mit Liebe zu begegnen, nicht Gleiches mit Gleichem zu vergelten. Und bitten können und sollen wir Gott, dass er gerade den Christen immer wieder neu die Kraft schenken möge, bei ihm zu blieben und sich zu ihm zu bekennen, die in so vielen Ländern dieser Welt unter Verfolgung zu leiden haben. Bitten sollen wir Gott, dass er sie erkennen lasse, dass sie ihren Weg gemeinsam mit Christus gehen und dass er, Christus, sie auf diesem Weg auch zum Ziel führen wird, dorthin, wo es einmal endgültig keinen Hass mehr geben wird, wo die Liebe endgültig das letzte Wort haben wird. Ja, Liebe ist stärker als Hass. Christus hat es seinen Jüngern selber gezeigt, als er nach seinen Worten, die wir eben gehört haben, sich verhaften und töten ließ, den Hass der Welt ganz auf sich zog. Ja, das hat er gemacht, aus Liebe zu uns. Wie wunderbar, dass wir zu diesem Herrn gehören dürfen! Amen.