16.09.2012 | Galater 5,25-26; 6,1-3.7-10 | 15. Sonntag nach Trinitatis

Zurzeit ist die Firma Microsoft gerade dabei, ihr neues Computer-Betriebssystem Windows 8 auf dem Markt einzuführen. Man muss kein Prophet sein, um vorauszusagen, dass dieses Betriebssystem in absehbarer Zeit weltweit auf den meisten Computern laufen wird und dass entsprechend den Herstellern von Computerprogrammen gar nichts anderes übrig bleiben wird, als ihre Programme so zu gestalten, dass man sie mit diesem Betriebssystem nutzen kann. Alle Programme müssen sich entsprechend anpassen, müssen kompatibel sein.

Um so etwas Ähnliches, Schwestern und Brüder, geht es auch in der Predigtlesung des heutigen Sonntags. Da redet der Apostel Paulus davon, dass unser menschliches Leben grundsätzlich auch erst einmal mit einem bestimmten Betriebssystem läuft. Und dieses Betriebssystem, das heißt nicht „Windows“, sondern das heißt „Fleisch“. Wenn der Apostel Paulus hier in unserer Predigtlesung von „Fleisch“ redet, dann denkt er dabei also weder an einen Metzgerladen noch an ein Playboy-Magazin. Sondern er beschreibt damit, wie gesagt, gleichsam das Betriebssystem, nach dem unser ganzes menschliches Leben tickt. Und der Kern dieses Betriebssystems, der lautet: Von dir, von deiner Leistung, von deinem Bemühen hängt alles in deinem Leben ab. Du musst genug tun, um in deinem Leben bestehen zu können. Du musst auch genug Gutes tun, um schließlich mit deinem Leben vor Gott bestehen zu können. Am Ende zählt nur, was du geschafft hast.

Dieses Betriebssystem funktioniert, gar keine Frage. Unsere ganze Gesellschaft basiert letztlich auf diesem Betriebssystem: Du musst etwas leisten, dann geht es dir gut; und wenn du nichts leistest, wenn du versagst, dann bleibst du auf der Strecke. Und nun gibt es viele Menschen, die gehen ganz selbstverständlich davon aus, dass natürlich auch die Religion und der Glaube mit diesem Betriebssystem kompatibel sind, genau nach diesem System funktionieren: Wer immer brav und anständig war und sich an die Zehn Gebote gehalten hat, der kommt in den Himmel, und wer nicht brav war, nicht genügend Gutes getan hat, der fällt eben durch, der kommt in die Hölle. Oder zumindest dient die Religion dann dazu, Leute, die bei ihren Bemühungen, Leistung zu bringen, gescheitert sind, zu trösten und wieder aufzubauen, dass sie schließlich doch wieder so funktionieren können, wie es das unser menschliches Betriebssystem erwartet: Die Religion als ein Programm unter vielen, das dazu dient, das Leben im Rahmen dieses Betriebssystems vielleicht ein wenig netter und angenehmer zu gestalten.

Schwestern und Brüder: Machen wir uns nichts vor: Die große Mehrzahl der Menschen in unserem Land kann sich das überhaupt nicht vorstellen, dass unser Leben nach einem anderen Betriebssystem überhaupt funktionieren könnte. Ich erlebe das in letzter Zeit immer wieder einmal, wenn ich mit Leuten, die nicht viel Ahnung von Kirche und Glauben haben, darüber spreche, dass in letzter Zeit so viele Menschen aus dem Iran in unsere Gemeinde kommen, um sich taufen zu lassen. Das können diese Leute dann oft gar nicht verstehen: Die hatten doch schon eine Religion, die hatten doch schon einen festen Halt im Leben, der ihnen helfen konnte, mit den Problemen im Leben besser fertig zu werden. Wieso haben die denn dann ihre Religion gewechselt? Letztlich dienen doch alle Religionen demselben Zweck: der seelischen Erbauung, damit man im Leben ein wenig besser funktionieren kann!

Doch genau das bestreitet der Apostel Paulus hier in unserer heutigen Predigtlesung ganz grundlegend. Er stellt fest: Der christliche Glaube ist nicht eines von vielen Programmen, das man mit dem so weit verbreiteten Betriebssystem namens „Fleisch“ laufen lassen kann. Der christliche Glaube ist nicht bloß so eine Art von religiösem Computerspiel, das man ja auch immer wieder bei sich im Leben mal laufen lassen kann, wenn man sonst nichts Besseres zu tun hat. Sondern der christliche Glaube ist nicht weniger als ein ganz alternatives Betriebssystem für unser Leben, das mit dem Betriebssystem „Fleisch“ überhaupt nicht kompatibel ist, weil es von völlig anderen Grundlagen ausgeht. Dieses ganz neue Betriebssystem für unser Leben nennt der Apostel Paulus hier „Geist“. Und damit meint er nicht unseren mehr oder weniger vorhandenen Verstand, damit meint er auch nicht irgendetwas Göttliches in uns, auf das wir selber stoßen können, wenn wir uns nur lange genug darauf konzentrieren. Sondern mit „Geist“ meint der Apostel hier das Leben aus einer Quelle, die nicht in uns selber sprudelt, sondern an die wir immer wieder angeschlossen werden, ja, an der wir immer wieder angeschlossen bleiben müssen, damit wir dieses neue Leben tatsächlich auch führen können. Ja, der Kern dieses neuen Betriebssystems, von dem der Apostel hier spricht, der lautet: Von Christus, von der Verbindung zu ihm hängt alles in deinem Leben ab. Er gibt dir, was du brauchst, um in deinem Leben bestehen zu können. Ja, er hat alles getan, damit du mit deinem Leben vor Gott bestehen kannst. Das allein zählt am Ende, sonst nichts. Weil alles im Leben davon abhängt, dass du mit Christus verbunden bist, darum hänge immer wieder von ihm und bei ihm ab, schöpfe immer wieder aus dieser Quelle! Das lässt dich ein Leben führen, von dem all diejenigen keine Ahnung haben, deren Leben immer noch nach dem alten Betriebssystem läuft.

Ja, wer dieses neue Betriebssystem nicht kennt, wessen Leben nicht nach diesem neuen Betriebssystem läuft, der kann sich das gar nicht vorstellen, dass man auch ganz anders leben kann, ja, dass dieses Leben nach dem neuen Betriebssystem uns ganz andere Möglichkeiten und Chancen bietet, von denen diejenigen, die immer noch nach dem Betriebssystem „Fleisch“ arbeiten, gar nichts wissen.

Denn, so beschreibt es der Apostel hier in unserer Predigtlesung sehr eindrücklich: Wer mit diesem Betriebssystem „Fleisch“ arbeitet, der wird am Ende einmal den ganz großen Absturz erleben, der wird erleben, dass dieses Betriebssystem schließlich eben doch nicht funktioniert und im Gegenteil in einer Katastrophe endet. Ja, ich weiß: Paulus spricht noch nicht von Computern; er gebraucht stattdessen ein Bild aus der Landwirtschaft. Aber der Inhalt ist genau derselbe: „Wer auf sein Fleisch sät, der wird von dem Fleisch das Verderben ernten“, so schreibt er hier. Wer sich in seinem Leben darauf verlässt, dass er ja genügend geleistet hat, um am Ende vor Gott bestehen zu können, wer überhaupt in seinem Leben sich immer nur auf das verlässt, was er geschafft hat, wie viel besser er vielleicht war als andere, der wird am Ende in seinem Leben die ganz große Pleite erleben. Wer in seinem Leben nicht aus der Verbindung mit Christus gelebt hat, wer meinte, ohne die Kraftquelle des Heiligen Geistes auskommen zu können, dessen Betriebssystem wird am Ende zusammenbrechen, wird sich am Ende als nicht zukunftsfähig erweisen.

Es gibt, gottlob, viele Menschen, die das in ihrem Leben noch rechtzeitig merken. Ich denke etwa an unsere Brüder und Schwestern aus dem Iran, die das in ihrem Leben eindrücklich erfahren haben, dass ein religiöses Betriebssystem, das nur darauf aus ist, Menschen unter Druck zu setzen, ihnen Angst einzujagen, von ihnen immer wieder religiöse Leistung zu verlangen, dass solch ein Betriebssystem auf die Dauer nicht funktionieren kann. Ja, auch der Islam läuft mit dem Betriebssystem „Fleisch“ und nicht mit dem Betriebssystem „Geist“, so wird aus dem, was Paulus uns hier vor Augen stellt, ganz deutlich. Und was für eine Freude ist es dann für unsere Brüder und Schwestern, wenn sie in ihrem Leben umsteigen dürfen, wenn sie nach dem neuen Betriebssystem leben dürfen, erfahren dürfen, dass nicht sie alles tun müssen, sondern dass Gott alles für sie tut, dass er sie beschenkt, dass sie von ihm geliebt sind, längst bevor sie auch nur irgendetwas geleistet haben!

Oder ich denke an Menschen, die in ihrem Leben erfahren, wie zynisch dieser Spruch klingen kann, dass jeder seines Glückes Schmied ist, weil sie von einem Schicksalsschlag, von einer schweren Krankheit getroffen werden. Ich denke an Menschen, die erfahren, wie ihre Kräfte schwinden und sie eben gerade keine Leistung bringen können. Ich denke an Menschen, die in ihrem Leben erfahren haben, dass sie versagt haben, Schuld auf sich geladen haben, die sie nicht mit verstärkter Leistung wiedergutmachen können. Ja, wie befreiend ist es für sie, nach dem neuen Betriebssystem leben zu dürfen, erfahren zu dürfen, wie ihnen ihre Schuld vergeben wird, wie sie von Christus getragen und gehalten werden, auch und gerade wenn sie selber gar nichts mehr leisten können!

Doch, dass wir uns nicht missverstehen: Das neue Betriebssystem „Geist“ ist nicht nur für Leute gedacht, die in ihrem Leben irgendwann nicht klarkommen. Es ist das einzige, das deshalb Zukunft hat, weil es sich selbst durch den Tod nicht zerstören lässt, weil es selbst dann noch funktioniert, wenn menschlich gesprochen unser Leben endgültig an sein Ende gekommen zu sein scheint. Wer sein Leben nach dem neuen Betriebssystem führt, wer mit Christus verbunden ist und bleibt, der hat schon das neue Leben in sich, das nie mehr endet, der kann jetzt schon ganz anders leben, weil er weiß, dass seine Lebensperspektive nicht immer enger, sondern im Gegenteil immer weiter wird.

Wie wirkt sich dieses neue Betriebssystem ganz praktisch in unserem Leben aus? Der Apostel Paulus nennt hier eine Reihe von ganz konkreten Beispielen. Zwei davon will ich hier zum Abschluss noch kurz benennen:
Beispiel eins: Wer sein Leben mit dem neuen Betriebssystem namens „Geist“ führt, der geht barmherzig mit den Verfehlungen anderer Menschen um, gerade auch in der Gemeinde. Wir haben es als Christen nicht nötig zu zeigen, dass wir besser sind als andere Menschen. Wir werden doch nicht deshalb von Gott angenommen, weil es glücklicherweise Leute gibt, die noch schlechter sind als wir. Wir leben doch selber ganz aus Gottes Vergebung, aus seinem Erbarmen, wir wissen doch, wie oft wir in unserem Leben doch wieder das alte Betriebssystem „Fleisch“ anwenden, selber doch immer wieder meinen, ohne Christus, ohne Gottes Geist auskommen zu können, und damit vom Weg abkommen. Wenn wir das bei anderen mitbekommen, dann sollen und dürfen wir ihnen helfen, wieder den Anschluss an Christus, an seine Vergebung zu finden, statt sie abzukanzeln und uns über sie zu empören. Im Gegenteil: Wer sein Leben nach dem neuen Betriebssystem, nach dem Gesetz Christi führt, der wird die Päckchen und Pakete wahrnehmen, die andere Schwestern und Brüder in der Gemeinde auf ihrem Rücken tragen, und wird ihnen helfen, diese Lasten zu tragen, wird sie damit nicht allein herumlaufen lassen. Ja, der wird in Liebe auch diejenigen in der Gemeinde tragen, die nicht nur Lasten mit sich herumschleppen, sondern vielleicht überhaupt eine Last für die anderen sind. Ja, das können wir, weil wir die Kraftquelle Christus haben, weil wir daraus schöpfen dürfen, weil wir keine Angst haben müssen, im Leben etwas zu verpassen.

Und damit sind wir schon beim zweiten Beispiel, das der Apostel hier nennt: „Solange wir noch Zeit haben, lasst uns Gutes tun an jedermann, allermeist aber an des Glaubens Genossen“, schreibt St. Paulus hier. Wer mit dem neuen Betriebssystem lebt, der weiß: Die Zeit, die ich habe, ist ein Geschenk, das mir Gott anvertraut hat, damit ich es entsprechend nutze. Und nutzen kann und darf ich es dazu, jedermann Gutes zu tun, schreibt der Apostel hier, auch wenn unsere Zuwendung natürlich in besonderer Weise denen gelten soll, mit denen wir gemeinsam in der Gemeinde zu Hause sind.

Das heißt für uns ganz praktisch: Wenn Menschen sich in ihrer Not an uns in unserer Gemeinde wenden, dann fragen wir nicht zuerst nach ihrem Taufschein oder legen ihnen eine Verpflichtungserklärung zur Teilnahme am Taufunterricht vor. Wir versuchen ihnen zu helfen, weil Gott uns die Zeit und Gelegenheit schenkt, ihnen Gutes zu tun, ja, weil Gott uns dazu auch die Kraft schenkt durch seinen Geist. Wir helfen diesen Menschen auch nicht, weil wir hoffen, sie damit hinten durch die Brust ins Auge doch als neue Gemeindeglieder rekrutieren zu können. Wir machen das nicht für uns; das brauchen wir nicht, denn Gott hat doch schon alles für uns gemacht. Aber dann erleben wir es in der Tat, wie solch ein Leben aus dem Geist, solch ein Leben mit dem neuen Betriebssystem tatsächlich missionarisch wirkt, wie die, die unsere Zuwendung erfahren, dann tatsächlich immer wieder auch zu Hausgenossen des Glaubens werden, umsteigen von ihrem alten Betriebssystem auf das neue.

Ja, Gott geb’s, dass wir das auch selber immer wieder erkennen, wie gut wir es als Christen haben, wie gut wir es haben, dass wir anders leben dürfen als die, die von Christus, die von der Kraftquelle des Heiligen Geistes nichts wissen! Es geht eben nicht bloß um einen Computer, um ein Hobby; es geht um uns selber, um unsere ewige Zukunft und damit auch um unser Leben hier und jetzt. Lasst euch von diesem neuen Leben, von diesem neuen Betriebssystem von nichts und niemand abbringen! Ja, nutzt die Kraftquellen, die euch damit zur Verfügung stehen, tankt immer wieder auf, ja, ganz konkret hier im Gottesdienst! Jawohl, ihr könnt tatsächlich ganz anders; darum tut’s auch – um Christi willen! Amen.