12.09.2012 | Philipper 4,15-20 | Mi. nach dem 14. Sonntag nach Trinitatis

Mir ist bewusst, dass ich ein nicht unbedeutendes Risiko damit eingehe, dass ich euch eben die Verse unserer heutigen Predigtlesung, der Abendlesung des heutigen Tages, vorgetragen habe: Da bedankt sich ein Pastor dafür, dass seine Lieblingsgemeinde ihm eine ziemlich umfangreiche Unterstützung, möglicherweise auch in Form eines Fresspakets, hat zukommen lassen. Da ist natürlich die Gefahr groß, dass diese Predigtlesung missverstanden und als biblischer Beweis dafür angeführt wird, dass man dem Pastor doch möglichst jede Woche Tüten und Taschen mit Essen verschiedenster Art vor die Wohnungstür stellen sollte. Wenn das die Philipper damals mit Paulus gemacht haben, dann können das die Zehlendorfer ja wohl erst recht!

Von daher müssen wir uns doch noch einmal etwas genauer anschauen, was der Apostel Paulus hier schreibt – und was er vor allem auch gemacht hat. Dann stellen wir zunächst einmal fest: Paulus hat sich aus Prinzip niemals irgendwie unterstützen lassen von einer Gemeinde, in der er gerade tätig war. Keinesfalls wollte er den Eindruck erwecken, als sei er mit seiner Arbeit hinter dem Geld der Gemeindeglieder oder auch nur hinter ihren Pralinen her. Von daher erarbeitete er sich seinen Lebensunterhalt selber, sodass die Finanzen oder sonstige Zuwendungen in seinem Verhältnis zu der Gemeinde, in der er Dienst tat, erst einmal überhaupt kein Thema waren. Die einzige Ausnahme, von der er berichtet, ist die Gemeinde in Philippi. Mit der war er besonders herzlich verbunden, und so ließ er es zu, dass sie ihn nach seiner Abreise von dort bei seiner weiteren missionarischen Tätigkeit immer wieder einmal extra unterstützte. Das hatte die Gemeinde schon gleich das erste Mal gemacht, als er noch in Thessalonich tätig war. Dann war es für sie praktisch schwierig geworden, diese Unterstützung ihm noch weiter zukommen zu lassen. Aber jetzt hatte eine solche Unterstützung ihn, Paulus, im Gefängnis erreicht. Und darüber freut sich der Apostel und bestätigt den Eingang dieser Unterstützung nun gleichsam mit einer Art von geistlicher Quittung, die er den Philippern am Ende seines Briefes an sie zukommen lässt.

Halten wir also fest: Wer sich auf den Philipperbrief berufen möchte, könnte mir den Fresskorb erst vor die Tür stellen, wenn ich diese Gemeinde wieder verlassen habe. Vor allem aber bin ich im Unterschied zum Apostel Paulus deshalb nicht auf Fresskörbe angewiesen, weil ich zum einen nicht im Gefängnis sitze und zum anderen ohnehin schon im Unterschied zum Apostel Paulus von der Kirche sehr angemessen finanziell unterstützt werde, sodass ich vollständig darauf verzichten kann, mir meinen Lebensunterhalt bei McDonalds oder in einer Dönerbude selber zu verdienen. Dass in unserer Kirche die Gemeinde den Pastor nicht direkt finanziell unterstützt, ist eine sehr weise Lösung, die durchaus der Absicht des Apostels entspricht, dass das Thema der Finanzen nicht zwischen dem Pastor und der Gemeinde stehen sollte und deren Verhältnis zueinander nicht belasten sollte. Aber natürlich macht ihr alle miteinander genau das, was die Philipper damals auch gemacht haben: Ihr nehmt aus geistlichen Gründen eure finanzielle Verantwortung für die Verkündigung des Evangeliums wahr, unterstützt mit euren Gaben diejenigen, die das Evangelium verkündigen, damit sie dies auch weiter tun können.

Und damit sind wir nun schon bei der ganz aktuellen Bedeutung, die die Worte unserer heutigen Predigtlesung auch für euch, ja für uns alle miteinander haben:
„Nicht, dass ich das Geschenk suche“, schreibt der Apostel. Ja, das gilt auch heute noch, dass die christliche Kirche und diejenigen, die in ihr Dienst tun, alles vermeiden sollten, was den Eindruck erwecken könnte, als wären sie hinter dem Geld der Leute her. Paulus wusste, wie fatal sich ein solcher Eindruck auswirken kann, wie leicht Menschen sich dadurch davon abstoßen lassen können, auf die Botschaft des Evangeliums zu hören. Und aus der Geschichte der Kirche wissen wir zu Genüge, was für Folgen es immer wieder gehabt hat, wenn die Kirche sich nicht an diese Vorsichtsmaßregel des Apostels gehalten hat. Doch zugleich spricht der Apostel hier von der Frucht, die aus der Verkündigung des Evangeliums erwächst: Da, wo Menschen die frohe Botschaft hören, dass sie gerade nichts tun müssen, um von Gott angenommen zu werden, dass sie erst recht dafür kein Geld zahlen müssen, da verändert die Freude darüber, verändert der Glaube das Herz der Menschen, macht sie offen und bereit dafür, eben dies zu unterstützen, dass auch andere Menschen diese gute Nachricht hören können. Das ist mit der Frucht gemeint, von der der Apostel hier redet. Die beste Weise, Gemeindeglieder dazu zu bewegen, die Evangeliumsverkündigung auch finanziell zu unterstützen, besteht also darin, schlicht und einfach das Evangelium zu verkündigen und eigentlich gar nicht über die Finanzen zu reden. Frucht wächst von allein; diesem Wachstum muss man nicht mit leichtem Druck noch nachhelfen. Doch dann kann tatsächlich auch der Zeitpunkt gekommen sein, um mit Gemeindegliedern auch über diese ganz praktischen Fragen der Finanzen zu reden, wie Paulus das hier auch tut – doch immer so, dass der Bezug zum Glauben, zum Evangelium erkennbar bleibt, dass klar bleibt: Es geht hier nicht darum, dass die Kirche Kasse macht, sondern dass Gemeindeglieder dazu angeleitet werden, ihrem Glauben und ihrer Liebe auch in dieser ganz praktischen Weise Ausdruck zu verleihen.

Ja, es ist ein Ausdruck geistlicher Reife, wenn ich erkenne, dass ich nicht ärmer, sondern reicher werde, wenn ich von dem, was ich besitze, kräftig abgebe. Es ist ein Ausdruck geistlicher Reife, wenn ich erkenne, dass die geistlichen Güter, die Christus mir schenkt, nicht weniger real sind als der 20 Euro-Schein in meiner Tasche, dass ich also immer schon überreich beschenkt bin, bevor ich auch nur angefangen habe, mein Portemonnaie zu öffnen. Nein, es geht gerade nicht darum, dass ich mir mit meiner Kollekte oder meinem Kirchenbeitrag den Himmel erkaufe. Aber es liegt umgekehrt Segen darauf, wenn ich das Loslassen des Irdischen einübe und meinen Blick immer wieder auf die himmlischen Reichtümer lenken lasse.

Eines ist allerdings auch klar: Weil das Abgeben derer, die vom Evangelium erreicht worden sind, immer wieder aus Liebe geschieht, aus Liebe zu Gott und aus Liebe zur Kirche, lässt sich diese Liebe oft genug schlecht bremsen und kanalisieren. Man sieht den Apostel da gleichsam vor sich, wie er versucht, doch noch zu bremsen, was sich offenbar nur begrenzt bremsen lässt: „Ich habe alles erhalten und habe Überfluss, ich habe in Fülle, nachdem ich empfangen habe, was von euch gekommen ist“, schreibt er. Etwas Anderes kann ich euch auch nicht sagen: Jawohl, ich habe Überfluss, ich habe in Fülle, ich habe jetzt schon mehr, als ich eigentlich brauchen kann. Und das liegt an dem, was ihr abzugeben bereit gewesen seid. Und wenn ich den Überschwang eurer Liebe dann doch wieder einmal nicht bremsen kann, dann will ich mich freuen – freuen über die Frucht, darüber, was das Evangelium in eurem Leben gewirkt hat: Glauben, der euch teilhaben lässt am Reichtum des ewigen Lebens. Da kann ich dann nur wie der Apostel schließen: Gott aber, unserm Vater, sei Ehre von Ewigkeit zu Ewigkeit! Amen.