23.05.2012 | St. Lukas 12,8-12 | Mittwoch nach Exaudi

Vor einigen Tagen bekam einer unserer iranischen Taufbewerber einen Brief vom Gericht. Darin wurde er aufgefordert, zur Vorbereitung auf das Gerichtsverfahren, das ihn erwartet, die Motive zu nennen, die ihn dazu veranlasst hätten, Christ werden zu wollen. Die Frage klingt zunächst einmal harmlos, ja geradezu berechtigt. Doch in Wirklichkeit ist es eine durch und durch problematische, um nicht zu sagen: vergiftete Frage, die dieser Taufbewerber da beantworten soll. Sie setzt nämlich voraus, dass man den christlichen Glauben annimmt, weil man sich davon auf irgendeinem Gebiet Vorteile erhofft, dass also letztlich der Glaube durch irgendetwas Anderes motiviert ist als nur durch seinen Inhalt selber. Genau davon gehen die Vertreter der Bundesrepublik in dem Gerichtsverfahren auch ganz offen aus: Sie unterstellen dem Taufbewerber, das Motiv für seine Taufe sei nur die Hoffnung, dadurch als Asylbewerber anerkannt zu werden. Doch wie kann man sich gegen diese Unterstellung wehren? Wenn man der Anfrage des Gerichts auf den Leim geht und andere „Motive“ für den Wunsch, sich taufen zu lassen, benennt, macht man den christlichen Glauben schnell auf andere Weise zum Mittel zum Zweck, verfehlt damit, was der christliche Glaube selber über die Begründung des Glaubens sagt.

Eigentlich kann man auf die Anfrage des Gerichts nicht besser antworten als mit Luthers Erklärung des dritten Glaubensartikels im Kleinen Katechismus: „Ich glaube, dass ich nicht aus eigener Vernunft noch Kraft an Jesus Christus, meinen Herrn, glauben oder zu ihm kommen kann. Sondern der Heilige Geist hat mich durch das Evangelium berufen, mit seinen Gaben erleuchtet, im rechten Glauben geheiligt und erhalten.“ So ähnlich habe ich es dann auch dem Gericht in meinem Antwortschreiben nahezubringen versucht: Wir Christen glauben nicht, weil wir ein Motiv haben, sondern weil der Heilige Geist den Glauben in uns gewirkt hat.

Ich weiß nicht, wie sehr das die Richter in Cottbus beeindrucken wird und wie viel sie überhaupt mit dem Heiligen Geist anfangen können. Ich hätte ihnen vielleicht noch unsere heutige Predigtlesung als Zusatzlektüre empfehlen sollen. Darin wird nämlich deutlich, dass diejenigen, in denen der Heilige Geist den Glauben gewirkt hat, nicht unbedingt damit rechnen können, aus diesem Glauben praktisch erkennbare Vorteile für ihr Leben ziehen zu können.

Der Glaube an Jesus Christus äußert sich, so macht es Christus selber uns hier deutlich, im Bekenntnis vor den Menschen zu ihm. Mit solch einem Bekenntnis verschafft man sich nicht unbedingt Vorteile – nicht hier in Deutschland, und erst recht nicht im Iran. Doch weil es eben nicht „Motive“ sind, die Menschen zu Christus führen, sondern weil es der Heilige Geist ist, der dieses Werk tut, bekennen sich Menschen überall auf der Welt, nicht selten auch unter Gefährdung ihres Lebens, zu diesem Jesus Christus als ihrem Herrn. Wenn Asylbewerber davon berichten, dass sie für ihr Bekenntnis zu Christus ihr Leben riskiert haben, stoßen sie in den Anhörungen hier in Deutschland oft genug auf blankes Unverständnis: Wer wird denn so dumm sein, für ein solches Bekenntnis sein Leben aufs Spiel zu setzen? Doch diejenigen, die dieses Bekenntnis sprechen, wissen, worum es bei diesem Bekenntnis geht: „Wer mich bekennt vor den Menschen, den wird auch der Menschensohn bekennen vor den Engeln Gottes.“ Ja, ein Motiv ist das, allerdings nur eines, das denen einleuchtet, die der Heilige Geist mit seinem Wirken schon erreicht hat.

Für Menschen, die vom Heiligen Geist keine Ahnung haben, mag der Heilige Geist nur eine fromme Formel sein, mehr nicht. Doch als Christen wissen wir, dass er eben nicht bloß eine Formel, eine Worthülse ist, sondern die tragende Grundlage unseres Lebens. Der erhält uns im Glauben, auch ohne Motiv, ja mehr noch: Der schenkt uns, wenn es darauf ankommt, die Kraft zum Bekennen, eine Kraft, die wir selber zuvor vielleicht gar nicht für möglich gehalten hätten. Genau so habe ich es auch in unserer Gemeinde schon erlebt, wenn Gemeindeglieder vor die Obrigkeit geführt wurden, vor Gericht gestellt und dort einem Glaubensverhör unterzogen wurden: „Der Heilige Geist wird euch in dieser Stunde lehren, was ihr sagen sollt.“ Er tut’s – und um sein Wirken, darum, dass er zur rechten Stunde die rechten Worte eingibt, sollen und dürfen wir immer wieder bitten, gerade auch für die Geschwister aus unserer Gemeinde, die nun morgen früh in Moabit für ihren christlichen Glauben vor Gericht werden einstehen müssen, und für unseren Bruder, der morgen vor dem Bundesamt seine Anhörung hat, dass der Heilige Geist auch sie die rechten Worte lehren möge.

Doch natürlich ist da immer auch noch dieser alte Mensch in uns, der zum Christusbekenntnis in der Öffentlichkeit zu feige ist, der ihn, Christus, verleugnet, aus unserem Munde dann doch auch immer wieder Worte kommen lässt, die gewiss nicht vom Heiligen Geist gewirkt sind. Doch Christus tröstet uns: Auch wer ein Wort gegen ihn, den Menschensohn, sagt, dem soll vergeben werden. Christus schenkt uns die Möglichkeit, immer wieder zu ihm umzukehren und seine Vergebung zu empfangen, auch für unsere Feigheit, dafür, dass wir so wenig aus der Kraft des Heiligen Geistes gelebt haben. Nur vor einem warnt er uns: Dass wir uns dem wichtigsten Wirken des Heiligen Geistes, eben dem Empfang der Vergebung, verweigern, dass wir endgültig von Gottes Vergebung nichts wissen wollen. Wer so den Heiligen Geist lästert, dass er sich endgültig Gottes Vergebung verschließt, dem zwingt Gott seine Vergebung nicht auf.

Wichtig und heilsam ist es darum für uns, nun bald wieder Pfingsten zu feiern, Gott um seinen Heiligen Geist zu bitten, dass er uns den Glauben schenken und uns zum Bekenntnis befähigen möge, ja dass er uns vor allem immer wieder den Weg zu seiner Vergebung finden lassen möge. Ja, wichtig und heilsam ist es für uns, nicht nur um Gottes Geist zu bitten, sondern ihn dann auch dort zu empfangen, wo er uns geschenkt wird: im Hören auf Gottes Wort und in den Heiligen Sakramenten. Dann dürfen wir ganz unbesorgt sein: Der Heilige Geist wird auch weiter – nein, nicht bloß ein Motiv für unseren Glauben, sondern vielmehr der Motor unseres Glaubens sein und bleiben. Amen.