06.01.2012 | Kolosser 1,24-27 | Epiphanias

„Sind Sie ein Steinbock? Dann sind Sie vermutlich schweigsam und nachdenklich, fleißig, starrköpfig, ehrgeizig und kaltherzig. Der Planet, der Sie beherrscht, ist der Saturn.“ – So und so ähnlich kann man es im Internet auf zahllosen Astrologie-Seiten nachlesen. Es ist wirklich faszinierend wahrzunehmen, wie viele durchaus auch gebildete Menschen auf solch einen Schwachsinn hereinfallen und allen Ernstes glauben, dass irgendwelche Sternzeichen, die Menschen sich in einer Zeit ausgedacht haben, als sie den Himmel noch für eine Käseglocke hielten, auf unser Leben einen Einfluss haben können, ja sogar unseren Charakter prägen können.

Ja, solche Gedanken sind gerade heute wieder sehr beliebt: Vorstellungen, wonach es jenseits unserer sichtbaren Welt alle möglichen geistigen Kräfte und Mächte gibt, die unser Leben bestimmen und die wir umgekehrt zu unseren Gunsten nutzen und auch anzapfen können. Und wer auf solch ein Denken abfährt, der ist dann auch leicht geneigt, allem möglichen astrologischen Humbug Glauben zu schenken, und sei er noch so abstrus.

Von Astrologen haben wir eben auch im Heiligen Evangelium dieses Festtages gehört. Die glaubten auch an die Macht der Sterne – und siehe da, mit ihrem astrologischen Wissen erkennen sie schon im fernen Iran die Geburt des großen Königs der Juden und finden früher und schneller als viele andere den Weg zu ihm, Christus, an seine Krippe. Ist die Geschichte von den Weisen aus dem Morgenland also vielleicht doch ein Beleg dafür, dass an der Astrologie, dass an den Sternzeichen, an der Macht der Sterne mehr dran ist, als wir aufgeklärten Menschen zunächst wahrhaben wollen? O nein, genau das Gegenteil ist der Fall, so erkennen wir, wenn wir die Geschichte genauer betrachten: Nicht die Sterne am Himmel bestimmten die Geburt des Messias in Bethlehem, geschweige denn dass sie irgendeinen Einfluss auf seinen Charakter gehabt hätten. Sondern genau umgekehrt benutzt Gott den Irrglauben der Astrologen, um sie auf die Geburt seines Sohnes aufmerksam zu machen. Dabei lässt er sie aber erst einmal an der falschen Adresse ankommen, bis sie schließlich in Jerusalem erfahren, dass nicht ein Sternzeichen, sondern allein das prophetische Wort Gottes ihnen sagen kann, wo der wahre König Israels wirklich zu finden ist. Vom Glauben an kosmische Mächte führt der Weg die Weisen zur Anbetung eines kleinen Babys in der Krippe. Genau dahin will Gott auch uns, will er alle Menschen führen, so macht es uns der Apostel Paulus in der Predigtlesung des heutigen Festtages deutlich:
Von einem Geheimnis spricht St. Paulus hier in seinem Brief an die Christen in Kolossä. Geheimnisse werden von denen, die sie kennen und die in sie eingeweiht sind, in aller Regel gut gehütet, in vielen Fällen auch deshalb, weil es für die, die diese Geheimnisse verbergen, nicht gerade vorteilhaft wäre, wenn diese öffentlich bekannt würden. So mancher Politiker hat sich schon darüber geärgert, wenn die Medien wohlgehütete Geheimnisse publik gemacht haben, und hat im Vorfeld alles versucht, um eine Veröffentlichung dieser Geheimnisse zu verhindern. Denn durch die Veröffentlichung dieser Geheimnisse stand er mit einem Mal in einem ganz anderen Licht als zuvor, zerstörte das, was nun an die Öffentlichkeit gelangte, das schöne Image, das er sich die ganze Zeit zuvor aufzubauen versucht hatte.

Bei Gott ist das alles genau umgekehrt: Der hatte auch ein Geheimnis, das er lange Zeit gut gehütet hatte. Doch mit diesem Geheimnis versuchte nicht Gott krampfhaft, sein mühsam aufgebautes Image gegenüber irgendwelchen Enthüllungen zu verteidigen, sondern dieses Geheimnis widersprach genau umgekehrt dem wenig vorteilhaften Image, dem Bild, das Menschen sich im Laufe der Zeit immer wieder von Gott gemacht hatten: Gott, der Ferne, der Unnahbare, der Unberechenbare, der Furchtbare, den man mit allen möglichen Mitteln besänftigen muss.

Aber nun verkündigt Paulus die Enthüllung dieses so lange gehüteten Geheimnisses Gottes: Nicht ein findiger Journalist ist dahintergekommen, nicht ein Unbefugter ist in Gottes Privatsphäre vorgedrungen und hat ihm irgendwelche Exklusivinformationen entrissen. Sondern Gott selber ist bei dieser Enthüllung tätig geworden, nicht weil er unter Druck gewesen wäre, nicht weil er einer Enthüllung durch andere zuvorkommen wollte oder musste. Sondern Gott hatte diese Enthüllung immer schon vorgesehen in seinem Heilsplan, hatte immer schon gewusst, wann der geeignete Zeitpunkt sein würde, um sein großes Geheimnis öffentlich zu machen. Und nun ist es soweit, so verkündigt es der Apostel Paulus hier: Ich darf euch dieses Geheimnis im Auftrag Gottes bekanntgeben: Gott ist nicht ein unendlich ferner, unberechenbarer, furchtbarer, bedrohlicher Gott. Er ist auch nicht bloß der Gott eines ganz bestimmten Volkes. Sondern Gott ist, so verkündigt es der Apostel Paulus hier staunend, ein Gott, der sich für uns Menschen, ja, für alle Menschen ganz klein macht, uns gerade so ganz nahekommt, uns gerade so zeigt, wer er wirklich ist: die Liebe in Person, ein Gott, der nur eine Sehnsucht, nur einen Wunsch hat: dass wir Menschen für immer mit ihm in seiner Gemeinschaft, in seiner Herrlichkeit leben. Ein Gott in einem Futtertrog, ein Gott am Kreuz hängend – auf die Idee wäre wirklich kein vernünftiger Mensch gekommen, das ist schon eine solch unglaubliche Botschaft, dass sie ein echtes Geheimnis ist und bleibt, sogar noch nach dessen Veröffentlichung. Die Krippe und der Kruzifixus als Gottes Image, als sein Bild – diese Enthüllung ist wirklich der Hammer, da kommt kein noch so günstiger Hausbaukredit für Bundespräsidenten mit.

Doch das ist noch nicht einmal die ganze Enthüllung, die uns der Apostel Paulus hier präsentiert. Gott im Futtertrog, Gott am Kreuz – da könnten wir ja immer noch meinen, wir seien bei dieser ganzen Geschichte nur Zuschauer, die sich lässig zurückgelehnt überlegen könnten, ob sie diese Enthüllungsstory nun gut und interessant finden oder nicht. Doch Gott ist noch weitergegangen: Der hat sich nicht nur als kleines Baby in einen Futtertrog legen lassen, sondern der ist sich für eine noch größere Zumutung nicht zu schade: Der lässt sich dir in den Mund legen, auch heute Abend wieder, verhüllt in einem Stück Brot und einem Schluck Wein, der lässt sich dir in den Mund legen, ja mehr noch, der lebt in dir, leibhaftig, jawohl, in dir, in deinem Körper mit all seinen Macken und Schwächen, in deinem Herzen, in dem sich so viele dunkle Bereiche finden, von denen du nur hoffen kannst, dass von ihnen niemals jemand anders erfährt. Ja, genau da, in dir, lebt der fleischgewordene Gott, Jesus Christus, und das ist keine erschreckende Nachricht, sondern die allerbeste Nachricht deines Lebens. Christus lebt nicht in dir, um dich bloßzustellen und zu blamieren, er lebt nicht in dir, um dich zu vernichten, sondern er lebt in dir, damit du für immer mit ihm leben kannst, damit dein Leben im hellen Licht der ewigen Herrlichkeit endet. Mit den Worten des Apostels Paulus selber: „Gott wollte kundtun, was der herrliche Reichtum dieses Geheimnisses unter den Heiden ist, nämlich Christus in euch, die Hoffnung der Herrlichkeit.“

Christus in euch – das ist das entscheidende Geheimnis, das Gott gelüftet hat, das entscheidende Geheimnis, für das er dir heute Abend wieder neu die Augen öffnen will. Die entscheidende Wirklichkeit deines Lebens kannst du nicht irgendwo an den Sternen ablesen, und du findest sie auch nicht, indem du ganz tief in dich hineinhorchst. Christus lebt nicht automatisch in dir, nicht von Natur aus. Sondern er hat seine Mittel, seine Geheimnisse, auf Lateinisch: seine Sakramente, um in dir zu leben, um dich und dein Leben zu bestimmen, um deinem Leben eine solch fantastische Zukunftsperspektive zu geben. Christus in dir, der fleischgewordene Gott in dir – darum und um nicht weniger geht es am Epiphaniasfest; erst wenn dir das aufgeht, weißt du, wohin Gott auch die weisen Männer aus dem Iran am Ende ihrer Reise geführt hat.

Christus in dir – was bedeutet das nun für dich, für dein Leben? Heißt das etwa, dass du jetzt schon in deinem Leben ein Stück abheben kannst, alle Probleme, Sorgen, Krankheiten, ja, den Tod schon hinter dir lassen kannst? Genau das Gegenteil ist richtig, so stellt es der Apostel Paulus hier den Christen in Kolossä vor Augen: Mit Christus verbunden zu sein, bedeutet eben auch, an seinen Leiden Anteil zu gewinnen, dieselbe Ablehnung, dieselbe Anfeindung zu erfahren, wie Christus auch. So erfuhr es der Apostel damals jedenfalls ganz unmittelbar. Gewiss, was Christus am Kreuz für uns erlitten hat, das bedarf keiner Ergänzung, das ist vollkommen, unsere ganze Rettung. Doch die Geschichte des gekreuzigten Christus geht auch nach Ostern weiter, er lebt in seiner Kirche weiter, die sein Leib ist; sie, die Kirche und ihre Glieder, erleiden die Ablehnung, die Christus gilt, und sie dürfen zugleich wissen: Wenn sie dies alles erleiden, sind sie darin nie allein, sind sie gerade auch in ihrem Leid mit ihm, Christus, untrennbar verbunden.

Schwestern und Brüder, unser Leiden ist gewiss mit dem Leiden des Apostels Paulus und so vieler verfolgter Christen auf dieser Erde nicht zu vergleichen. Auch ein dicker Schnupfen lässt sich nicht unbedingt als Martyrium für Christus deuten. Doch auch uns gilt der Trost: Was wir auch in unserem Leben erfahren mögen: Wir bleiben mit Christus untrennbar verbunden, auch in allem Dunklen, was wir in unserem Leben durchmachen müssen. Denn das Geheimnis bleibt doch: Christus in euch – die Hoffnung der Herrlichkeit.

Schwestern und Brüder: Dieses Geheimnis kennen immer noch längst nicht genügend Menschen, und selbst diejenigen, die von diesem Geheimnis erfahren haben, haben es dringend nötig, dass es ihnen immer und immer wieder verkündigt und ausgeteilt wird. Und dafür hat Christus selber das apostolische Amt gestiftet, von dem Paulus hier in unserer Predigtlesung ebenfalls spricht, das apostolische Amt, das genau diesen Auftrag hat: das Geheimnis Christi zu predigen und auszuteilen. Zu diesem apostolischen Hirtenamt wird an diesem Abend des Epiphaniasfestes einige tausend Kilometer westlich von hier unser Bruder Jonathan Mumme berufen, gesegnet und gesandt, wenn ihm heute Abend in der Heiligen Ordination die Hände aufgelegt werden und er zu einem Diener der einen, heiligen, allumfassenden und apostolischen Kirche geweiht wird. Wir können heute Abend bei diesem Gottesdienst nicht dabei sein. Aber wir dürfen gewiss sein: Die Kirche Jesu Christi ist eine, sie ist sein einer Leib, in Chicago genauso wie in Berlin. Und so wollen wir Christus, den Herrn der Kirche, an diesem Abend preisen für das heilige Amt, durch das er sein Geheimnis Menschen überall auf der Welt erfahren lässt. Und wir wollen für unseren Bruder Jonathan Mumme und für alle, die in das Amt der Kirche gerufen sind, bitten, dass sie nichts anderes verkündigen und predigen als ihn, Christus allein, ja, ihn, Christus in euch – die Hoffnung der Herrlichkeit. Amen.