30.01.2014 | St. Matthäus 8,5-13 | Donnerstag nach dem 3. Sonntag nach Epiphanias
Pfr. Dr. Gottfried Martens

Könnt ihr euch das vorstellen, dass es etwas gibt, was selbst Jesus zum Staunen bringt, womit selbst er nicht gerechnet hatte? Genau das wird uns im Heiligen Evangelium dieses Dritten Sonntags nach Epiphanias beschrieben: Jesus staunt über einen Menschen, der kein Jude ist, der nicht immer schon zum Volk Gottes gehört hatte, der eigentlich doch gar keinen Zugang zu Gott, auch keinen Zugang zu ihm, Jesus, haben konnte, und der doch einen solch tiefen Glauben an Jesus an den Tag legt, dass auch er, Jesus, selber sich nur darüber wundern kann.

Von einem Hauptmann berichtet St. Matthäus hier, einem militärischen Vorgesetzten in dem von den Römern besetzten Land. Und dieser Hauptmann hat nun einen Sohn, der offenkundig schwer erkrankt ist, Lähmungserscheinungen hat, unter Schmerzen leidet. Völlig hilflos muss der Hauptmann das mit ansehen; all das Lametta, das er da vor der Brust hängen haben mag, nützt ihm nichts, wenn es um die Frage von Leben und Tod geht. Nur einem traut der Hauptmann zu, hier noch helfen zu können: ihm, Jesus. Und so wendet er sich an ihn in seiner Not. Er äußert zunächst einmal gar keine Bitte, schildert einfach nur die verzweifelte Situation, in der er sich befindet. Und Jesus – der bietet ihm einen Hausbesuch an. Dies ist in der Tat ein ungewöhnliches Angebot, denn ein frommer Jude betrat normalerweise nicht das Haus eines Nichtjuden. Und dann kommt die Antwort des Hauptmanns, die Jesus so sehr in Erstaunen versetzt: Er traut Jesus zu, dass er nicht extra zu ihm ins Haus kommen muss. Er erwartet von Jesus keine Heilungsshow, kein großes Tamtam. Ein Wort soll Jesus nur sprechen – das reicht, um Krankheit und Tod zu besiegen, um seinen Sohn wieder gesund zu machen. Dass Worte etwas zu bewirken vermögen, kennt der Hauptmann aus seinem eigenen Beruf: Wenn er ein Kommando gibt, ist es selbstverständlich, dass dann auch passiert, was er sagt. Aber dass er nun Jesus als Kommandeur über Leben und Tod anerkennt und sich an ihn in dieser Eigenschaft wendet, das ist in der Tat schon erstaunlich. Solch ein Glaube bei jemandem, bei dem dies doch eigentlich keiner erwarten konnte! Ja, Jesus geht sogar noch einen Schritt weiter:

Er vergleicht den Glauben des Hauptmanns mit dem Glauben, den er üblicherweise in seinem eigenen Volk, dem Volk Gottes, erlebt, und stellt fest, dass er solch einen Glauben wie den des Hauptmanns nirgendwo in Israel gefunden habe. Und so sehr Jesus zunächst auch über den Glauben des Hauptmanns gestaunt hat, vermag er dann doch sofort auch wieder einzuordnen, was er eben erlebt hat: Er weiß: Menschen, die nicht zum Volk Gottes gehören, werden aus dem Osten und Westen herbeiströmen und teilhaben am großen Fest im Reich Gottes, während andere, die sich so fest darauf verlassen hatten, dass ihnen ein Platz bei diesem Fest sicher sei, am Ende feststellen müssen, dass sie draußen vor bleiben, weil sie den verstoßen haben, der doch zunächst einmal zu ihnen gekommen war. Jetzt, mit diesem Hauptmann, geht die Bewegung los, ach, eigentlich war sie ja auch schon längst losgegangen, seit die persischen Sterndeuter bei ihm, Jesus, schon kurz nach seiner Geburt aufgekreuzt waren. Aber jetzt erleben wir, wie jemand seinen Glauben an Jesus in wunderbarer Weise in Worte fasst – und darauf reagiert Jesus, spricht das Wort, das der Hauptmann ihm zugetraut hat. Und in der Tat: Das Wort bewirkt, was es sagt, erweist sich als wirksames Wort, ja als Wort Gottes selber.

Können wir noch so staunen wie Jesus, staunen darüber, dass Menschen ihren Glauben an ihn, Jesus, zum Ausdruck bringen, bei denen man damit doch eigentlich überhaupt nicht rechnen konnte? Ja, freuen wir uns über diesen Glauben so, wie Jesus sich damals über den Glauben des heidnischen Hauptmanns gefreut hat? Ja, mehr noch: Nehmen wir wahr, dass sich in dem, was wir nun auch hier in unserer Dreieinigkeitskirche erleben, erfüllt, was Jesus damals schon angekündigt hat: Dass Menschen von Osten kommen werden und mit am Tisch im Reich Gottes sitzen werden? Die Versprechen des Reiches Gottes gelten eben nicht nur einem Volk allein, weder dem jüdischen Volk allein und erst recht nicht bloß den Deutschen – aber natürlich auch nicht den Persern allein. Doch diejenigen, die glauben, sie würden gleichsam automatisch ins Reich Gottes gehören, sollen aufpassen, dass sie sich nicht zu sicher fühlen, dass sie sich nicht mehr auf ihre Herkunft, auf ihre Abstammung verlassen als auf ihn, Jesus, allein. Ja, diejenigen, die meinen, sie würden ja sowieso mit dabei sein im Reich Gottes, müssen es auch heute noch ertragen, dass Jesus ihren Glauben vergleicht mit dem Glauben derer, die neu hinzukommen, müssen damit rechnen, dass Jesus bei ihnen einen Glauben entdeckt, den er so bei denen, die immer schon mit dabei waren, nicht erkennen kann. Ja, das gilt auch für uns, gilt auch für unsere Gemeinde. Fühlen wir uns durch Jesu Vergleichen nicht auf den Schlips getreten, lassen wir uns durch den Glauben derer, die so überraschend zu uns hinzugekommen sind, vielmehr in unserem eigenen Glauben stärken, im Vertrauen auf die Macht des Wortes Jesu, das solch unglaubliche Kraft hat, dass es Herzen von Menschen zu verändern vermag, ja, dass es zu bewirken vermag, dass wir in einem kleinen Stück Brot den Leib Jesu Christi und in einem kleinen Schluck Wein das heilige Blut des Gottessohnes empfangen. Gemeinsam sind wir auch heute Abend an den Tisch im Himmelreich geladen, Menschen aus dem Osten und Menschen aus dem Westen, und gemeinsam beten wir mit dem Hauptmann von Kapernaum: Herr, ich bin nicht wert, dass du unter mein Dach eingehst, aber sprich nur ein Wort, so wird meine Seele gesund. Was Jesus angekündigt hat, erfüllt sich hier in unserer Mitte. Hören wir ja nicht damit auf, gemeinsam mit Jesus darüber zu staunen! Amen.