25.07.2007 | St. Matthäus 20, 20-23 (Tag des Apostels St. Jakobus des Älteren)

TAG DES APOSTELS ST. JAKOBUS D.Ä. – 25. JULI 2007 – PREDIGT ÜBER ST. MATTHÄUS 20,20-23

Da trat zu ihm die Mutter der Söhne des Zebedäus mit ihren Söhnen, fiel vor ihm nieder und wollte ihn um etwas bitten. Und er sprach zu ihr: Was willst du? Sie sprach zu ihm: Lass diese meine beiden Söhne sitzen in deinem Reich, einen zu deiner Rechten und den andern zu deiner Linken. Aber Jesus antwortete und sprach: Ihr wisst nicht, was ihr bittet. Könnt ihr den Kelch trinken, den ich trinken werde? Sie antworteten ihm: Ja, das können wir. Er sprach zu ihnen: Meinen Kelch werdet ihr zwar trinken, aber das Sitzen zu meiner Rechten und Linken zu geben steht mir nicht zu. Das wird denen zuteil, für die es bestimmt ist von meinem Vater.

„Das könnte glatt meine Mutter sein!“ – Vielleicht sind einigen von euch solche Gedanken durch den Kopf gegangen, als ihr eben das Heilige Evangelium dieses Aposteltages gehört habt: Eine Mutter, die vorsichtshalber einmal selber die Initiative für ihre beiden Söhne ergreift. Gewiss, die beiden sind eigentlich schon erwachsen; aber als Mutter weiß sie irgendwie doch noch besser, was für ihre Söhne gut ist, und kann das vor allem auch noch besser durchsetzen, als wenn sie, die Söhne, dies selber täten – davon ist sie jedenfalls offenkundig überzeugt.
Und aus ihrer Sicht bestand ja nun auch tatsächlich dringendster Handlungsbedarf: Da befand sich Jesus auf seinem letzten entscheidenden Weg nach Jerusalem, und was dort geschehen würde, war doch klar: Er würde dort die Römer vertreiben und seine messianische Herrschaft errichten. Und dann brauchte er natürlich auch Minister – und da könnte es ja theoretisch sein, dass Jesus dort in dem ganzen Trubel übersehen könnte, dass ihre beiden Söhne als Innen- und Außenminister nun doch wirklich besonders geeignet waren. Gewiss, Jesus hatte Jakobus und Johannes schon in der Vergangenheit in seinen engeren Jüngerkreis aufgenommen, hatte die beiden kurz zuvor gemeinsam mit Petrus auf den Berg mitgenommen, wo sie ihn in seiner Verklärung schauen durften. Aber man konnte ja nie wissen – besser war es allemal, wenn man jetzt schon mal konkrete Absprachen traf und den Platz links und rechts von Jesus schon mal reservieren ließ. Dann musste sie sich als Mutter auch nicht mehr so viele Sorgen um ihre Söhne machen.
Nun findet sich hier im Heiligen Evangelium keinerlei Hinweis darauf, dass das Vorpreschen der Mutter den beiden Jüngern irgendwie peinlich gewesen wäre, dass sie irgendwie versucht hätten, die Mutter davon abzuhalten. Nein, sie kommen ja auch mit, und Jesus spricht entsprechend in seiner Antwort auch gar nicht mehr die Mutter an, sondern die Söhne ganz direkt: „Ihr wisst nicht, was ihr bittet!“ Und dann folgt eine Antwort, die sehr deutlich macht, dass die Mutter des Jakobus und Johannes mit ihren Vorstellungen von dem, was sich da nun in Jerusalem abspielen würde, doch ziemlich danebenlag: Keine Revolution, keine Ministerposten, keine Karrierechancen liegen vor Jesus und seinen Jüngern, sondern das Leiden, der Kelch, der Tod. Was für eine unsinnige Vorstellung, sich da noch vordrängeln zu wollen, als erster gemeinsam mit Jesus drankommen zu wollen! Immerhin: Die Jünger ziehen ihre Meldung nach ihrer Aufklärung durch Jesus nicht zurück. Sie sagen nicht: Ach nein, so hatten wir uns das nicht vorgestellt; dann gehen wir lieber woanders hin. Nein, sie bekunden hier ihre Bereitschaft, ihm, Jesus auch auf seinem Leidensweg zu folgen: „Ja, das können wir!“ Ob sie da schon ahnten, was in der Folgezeit auf sie zukommen würde? Jesus wusste es jedenfalls schon, wie bereits kurz darauf Jakobus und Johannes dort im Garten Gethsemane liegen und schlafen würden, wie sie nach seiner Verhaftung abhauen würden, nicht gerade ein enormes Maß an Leidensbereitschaft zeigen würden. Doch Jesus lässt ihre Antwort hier einfach so stehen, bestätigt nur noch einmal, dass der Kelch, dass das Leiden tatsächlich auch auf sie zukommen werde. Und in der Tat ist Jakobus dann der erste der Apostel gewesen, der um seines Glaubens willen das Martyrium erlitten hat, so berichtet es die Apostelgeschichte. Ja, ihr werdet den Kelch trinken, sagt Christus. Doch für die Vergabe von Posten, so fährt er fort, ist er ohnehin nicht zuständig: Das besorgt sein Vater im Himmel; dem will er hier gar nicht hereinpfuschen und austeilen, was auszuteilen ihm gar nicht zusteht.
Eine ganz aktuelle Geschichte ist das, die uns St. Matthäus hier erzählt – nein, nicht bloß was das fürsorgliche Verhalten der Mutter für ihre Söhne angeht. Gewiss, der Kampf um einen Ehrenplatz neben Jesus mag uns heutzutage nicht ganz so vordringlich erscheinen; etwas verbreiteter sind da schon eher Kämpfe um den gewünschten Sitzplatz in der Kirche oder, sehr viel bescheidener, das Begehren, an der Seite des Pastors sitzen zu dürfen. Aber zu auffällig würde man das auch nicht unbedingt vorbringen wollen. Nein, aktuell ist diese Geschichte, weil sich in ihr eine ganz grundlegende Frage artikuliert, die sich auch uns in verschiedenen Varianten immer wieder stellen mag, die Frage: „Was bringt mir eigentlich der Glaube? Was habe ich eigentlich davon?“
In ganz unterschiedlichen Zusammenhängen mag sich diese Frage ergeben: Es mag sein, dass wir sie ansprechen, weil wir sie ganz positiv beantworten können: Ja, ich habe eine Menge vom Glauben; der gibt mir einen festen Halt für mein Leben, der lässt mich in einer Gemeinschaft mit netten Menschen leben, der sorgt dafür, dass ich mich geborgen und sicher fühle. Ja, weil ich an Gott, an Jesus glaube, geht es mir in meinem Leben gut, bin ich vor so vielem Schweren und in so vielem Schweren bewahrt worden. Schwestern und Brüder, diese Antworten sind als solche ja gar nicht unbedingt falsch. Aber wenn sie gleichsam zur Motivation werden, weshalb ich glaube, dann wird es ganz schwierig, dann gilt auch für uns die Antwort Jesu auf die Frage der Mutter der Söhne des Zebedäus: „Ihr wisst nicht, was ihr bittet. Ihr wisst nicht, was ihr da eigentlich fragt.“ Nein, es muss sich gerade nicht an unserem Leben ablesen lassen können, dass es sich lohnt zu glauben, so macht es Christus hier sehr eindrücklich deutlich. Im Gegenteil: Der Glaube an Christus, das Leben in der Gemeinschaft mit ihm kann überhaupt erst Probleme schaffen, die wir sonst gar nicht hätten. Und der Glaube an Christus bewahrt eben auch gerade nicht vor Schicksalsschlägen und tiefen Tälern, durch die wir hindurchmüssen, vor Tälern, in denen wir dann mitunter von der Geborgenheit und dem Glück des Glaubens gar nichts mehr fühlen.
Was würde wohl ein nordkoreanischer Christ auf diese Frage, was ihm der Glaube bringt, antworten, wenn er da in seinem Konzentrationslager sitzt und weiß: Er muss nur dem Glauben an Christus abschwören, dann wird er freigelassen; ansonsten wird er in diesem Lager in den kommenden Jahren qualvoll verrecken? Der kann mit unserer Wohlstandsfrage, was uns der christliche Glaube wohl für Vorteile verschafft, nichts anfangen. Wohl aber kann er etwas anfangen mit der Antwort Jesu: Meinen Kelch werdet ihr trinken. Ja, dieser nordkoreanische Christ weiß etwas davon, dass der Glaube nichts anderes ist als Gemeinschaft mit Christus, eine Gemeinschaft, die ihren Sinn und ihre Erfüllung in sich selber trägt, auch und gerade dann, wenn diese Gemeinschaft mit Christus auch Gemeinschaft mit seinem Leiden bedeutet. Doch dass er in der Gemeinschaft mit seinem Herrn leben darf, das wiegt für ihn alles auf, was er ansonsten an bitteren Nachteilen zu erfahren hat.
„Was bringt mir der Glaube?“ – Wenn wir so fragen, dann kann es leicht passieren, dass wir es dann mit dem Glauben eben bleiben lassen, wenn wir merken, dass er uns nichts bringt, jedenfalls nichts Positives, nichts, was wir gerne möchten. Doch das Vorbild der heiligen Apostel, der Märtyrer aller Zeiten stellt uns vor Augen, was für ein kostbarer Schatz die Gemeinschaft mit Christus selber ist, die uns alles Schielen auf Lohn und Vorteil vergehen lässt: Gemeinschaft mit ihm, dem lebendigen, auferstandenen Herrn, die uns ein Leben schenkt, das nichts und niemand, das noch nicht einmal der Tod zerstören kann. Was für ein Geschenk, was für eine Hoffnung, was für eine Freude auch in allem Leide, mit ihm, unserem Heiland, leben zu dürfen!  Ja, wenn ich nur dich habe, so frage ich nichts nach Himmel und Erde, so bekannte es schon der Psalmbeter im Alten Testament. Nein, das gilt nicht nur für die Christen in Nordkorea, nicht bloß für die, die ganz akut damit rechnen mussten und müssen, um ihres Glaubens willen getötet zu werden. Das gilt auch für uns in unserem ganz normalen Alltag. Und wenn uns das vor Augen steht – ob sich dann nicht auch so manche Gewichtungen in unserem Leben noch einmal verändern? Amen.