21.09.2007 | St. Matthäus 9, 9-13 (St. Matthäus)

ST. MATTHÄUS – 21. SEPTEMBER 2007 – PREDIGT ÜBER ST. MATTHÄUS 9,9-13

Und als Jesus von dort wegging, sah er einen Menschen am Zoll sitzen, der hieß Matthäus; und er sprach zu ihm: Folge mir! Und er stand auf und folgte ihm. Und es begab sich, als er zu Tisch saß im Hause, siehe, da kamen viele Zöllner und Sünder und saßen zu Tisch mit Jesus und seinen Jüngern. Als das die Pharisäer sahen, sprachen sie zu seinen Jüngern: Warum isst euer Meister mit den Zöllnern und Sündern? Als das Jesus hörte, sprach er: Die Starken bedürfen des Arztes nicht, sondern die Kranken. Geht aber hin und lernt, was das heißt (Hosea 6,6): »Ich habe Wohlgefallen an Barmherzigkeit und nicht am Opfer.« Ich bin gekommen, die Sünder zu rufen und nicht die Gerechten.

„Können Sie mir einen guten Arzt empfehlen?“ – Vielleicht habt ihr solch eine Frage auch schon einmal in eurem Bekanntenkreis gestellt. Normalerweise sind wir ja nicht unbedingt scharf darauf, zum Arzt zu gehen; aber es gibt eben Situationen im Leben, da geht es nicht anders, da müssen wir einen Arzt aufsuchen und sind dann auch sehr froh und dankbar, wenn der Arzt uns helfen kann, wieder gesund zu werden.
Im Heiligen Evangelium des heutigen Aposteltages wird uns nun auch ein Arzt empfohlen, der beste Arzt überhaupt, einer, zu dem wir nicht nur kommen sollten, wenn es uns mal so richtig dreckig geht, sondern der so gut ist, dass es sich lohnt, immer wieder zu ihm zu kommen, ganz freiwillig, auch ohne dass eine bestimmte Not uns treibt. Derjenige, der diesen Arzt hier empfiehlt, der weiß, wovon er redet. Der hat von diesem Arzt nicht nur irgendwie um fünf Ecken herum per Buschfunk gehört, sondern der hat sich selber von diesem Arzt behandeln lassen, weiß, was dieser Arzt drauf hat. Ja, mehr noch: Der, der diesen Arzt empfiehlt, berichtet hier nun die Geschichte seiner eigenen Behandlung, berichtet, wie dieser Arzt ihn selber gesund gemacht, ihn selber geheilt hat. Ein dreifaches Vorgehen dieses Arztes wird uns hier geschildert:

- Er stellt die Diagnose.
- Er spricht das heilende Wort.
- Er therapiert in der Gruppe.

I.

Wir dürfen froh und dankbar sein, dass es hier in unserer Stadt Ärzte gibt, an die wir uns wenden können, Ärzte, die etwas von ihrem Fach verstehen, die uns mit ihren Diagnosen weiterhelfen. Es ist zwar heute chic, auf Ärzte zu schimpfen; aber ohne sie auskommen möchten wir dann doch lieber nicht. Aber selbst wenn wir einem Arzt grundsätzlich sehr vertrauen, bleibt doch bei vielem, was er sagt, letztlich ein kleiner Zweifel bei uns zurück: Ob er jetzt wirklich die richtige Diagnose gestellt hat, ob er wirklich erkannt hat, woran das liegt, dass es mir so schlecht geht? Ja, viele von uns haben es vermutlich schon erlebt, dass sich ein Arzt mit einer Diagnose bei uns auch mal ganz schön vertan hat.
St. Matthäus schildert uns hier im Heiligen Evangelium, wie auch Jesus, unser Arzt, eine Diagnose erstellt, eine Diagnose, die ihn, Matthäus, betrifft. Nein, bei Jesus ist diese Diagnose nicht das Ergebnis einer langen Untersuchung, des Einsatzes aller möglichen technischen Hilfsmittel. Jesu Diagnose erfolgt ganz schnell und präzise: Er sah einen Menschen am Zoll sitzen, so schreibt St. Matthäus hier. Jesus sieht einen Menschen und weiß sofort, was mit ihm los ist, wo es bei ihm krankt, weiß sofort, wie dieser Mensch behandelt werden muss. Ein Blick reicht, und die Diagnose ist erstellt – eine Diagnose, die eine 100%ige Treffergenauigkeit hat. Nein, Jesus vertut sich nie mit seinem Blick, der sieht ganz klar, was Sache ist.
Und diese Diagnose erstellt Jesus nun auch nicht erst, als der Matthäus zu ihm kommt und ihn um diese Diagnose bittet, weil er sich doch so schlecht fühlt. Davon, dass Matthäus sich auch nur irgendwie unwohl gefühlt hätte, dass er irgendwie schon vorher auf die Idee gekommen war, dass er einen Arzt gebrauchen könnte, ist hier keine Rede. Jesus erstellt die Diagnose ohne die Mitwirkung des Matthäus, sieht, wie dringend nötig er die Heilung hat, bevor der auch nur irgendetwas davon ahnt.
Dass man selber schwerkrank sein kann, ohne selber etwas davon zu spüren, ist eine Erfahrung, die schon viele Menschen haben machen müssen. Die Diagnose des Arztes und unser persönliches Wohlbefinden müssen nicht unbedingt miteinander übereinstimmen. Aber Jesus geht eben noch weiter: Erbarmen ist es, was ihn antreibt, sich in das Leben von Menschen einzumischen, die von ihm selber doch eigentlich gar nichts wissen wollten, die keine Ahnung davon hatten, dass sie solch eine Diagnose jemals brauchen könnten.
Ja, schau ihn dir an, deinen Arzt Jesus Christus, wie er hier vorgeht. Genauso behandelt er auch dich. Der blickt dich an, und wenn er dich anschaut, dann schaut er bis in das Innerste deines Herzens hinein, dann sieht er, was mit dir los ist, dann sieht er, wie dringend du Heilung brauchst. Nein, es geht hier in seiner Arztpraxis, in seiner Kirche, nicht darum, ob du gerade mal das Bedürfnis nach ihm verspürst. Die Kirche ist keine Bedürfnisanstalt. Sondern es geht hier um nicht weniger als um die Heilung von einer absolut tödlichen Krankheit, von der Krankheit deiner Sünde und Schuld. Da muss was unternommen werden, und da will Christus auch etwas bei dir unternehmen – so schnell wie möglich.

II.

Und dann schreitet der Arzt zur Tat, zur Heilung. Auch das geht wieder sehr schnell: Zwei Worte spricht er, und diese Worte haben eine unglaubliche Wirkung, verändern das Leben des Kranken von Grund auf: Folge mir, sagt Jesus, und Matthäus steht auf und folgt ihm nach.
Folge mir, sagt Jesus. Nein, er sagt nicht: Ach, wenn du dich in deinem Beruf als Zöllner ganz wohlfühlst, dann mach da ruhig weiter, dann betrüge die Leute ruhig weiter. Ich versteh das schon; irgendwie musst du ja auch deinen Lebensunterhalt sichern, und du kannst ja nichts für die Umstände, die dich nun mal dazu getrieben haben, Zöllner zu werden. Nein, Jesus ruft ihn aus seinem bisherigen Leben heraus, von seiner bisherigen Ausrichtung auf Geld und Besitz, mutet ihm einen radikalen Bruch in seinem Leben zu, eine radikale Wendung. Aber er spricht ihn eben an, schreibt ihn nicht ab, gibt ihn nicht auf, erklärt ihn nicht zu einem hoffnungslosen Fall, bei dem es sich doch ohnehin nicht mehr lohnt, sich mit ihm zu befassen. Bei Jesus gibt es keine hoffnungslosen Fälle. Durch sein Wort kann er das Leben von Menschen in Ordnung bringen, selbst von solchen, die sich vielleicht selber schon längst aufgegeben haben. Denn das Wort, das Jesus spricht, ist eben kein Gerede, sondern das hat Kraft, das setzt eine neue Wirklichkeit, das verändert den Matthäus so sehr, dass er gar nicht anders kann, als dieser neuen Wirklichkeit zu entsprechen, als sich auf den Weg zu begeben hinter Jesus her.
Genauso verfährt Jesus auch bei dir: Da sieht er die tödliche Krankheit deiner Schuld, deiner Abwendung von Gott. Nein, da verharmlost er nichts, tut nicht so, als sei das ja alles gar nicht so schlimm, schließlich würden das heute ja alle so machen; Hauptsache, du kannst dich selber annehmen in dem, was du da denkst, sagst und tust, Hauptsache, du findest dich selber okay. Nein, er ruft dich immer wieder heraus aus deiner Abwendung von Gott, ruft dich immer wieder neu in die Gemeinschaft mit ihm. Aber dieses Wort, das er an dich richtet, ist eben nicht bloß ein Appell, sondern es ist zugleich eine Zusage, eine Zusage, die eine neue Wirklichkeit setzt: Dir sind deine Sünden vergeben. Dieses Wort macht auch dein Leben neu, schenkt dir die Kraft zur Umkehr, die Kraft, von nun ab wieder neu in der Gemeinschaft mit Christus, deinem Herrn und deinem Arzt, zu leben. Nichts Sensationelles passiert hier, so wenig, wie das sensationell aussah, was damals an der Zollstation des Matthäus geschah, und doch geschieht hier nicht weniger als deine Heilung, als deine Rettung vor dem ewigen Tod. Christus spricht – und es geschieht. So heilt er dich, dein Arzt.

III.

Doch damit ist die Geschichte noch nicht zu Ende. Der Weg Jesu und der Weg des Matthäus führen nun zu einem großen Festessen, bei dem sich nun gleich ein ganzes Lazarett versammelt: viele Zöllner und Sünder erscheinen da zu diesem Mahl, viele Leute, die es in den Augen der Frommen und Anständigen gar nicht verdient hatten, mit ihm, Jesus, zusammen zu sein, lauter Leute, von denen man sich als gerechter Mensch doch nur distanzieren konnte.
Doch Jesus sieht das anders: Er weiß: Zur Therapie der Kranken gehört das gemeinsame Essen mit ihm; die Heilung findet statt in der Tischgemeinschaft. Ja, eben dazu ist er gekommen, um Sünder, um Menschen, die tödlich an ihrer Schuld erkrankt sind, in diese Gemeinschaft einzuladen, um sie gerade so gesund zu machen.
Und genau diese Behandlungsmethode wendet er, dein Arzt Jesus Christus, eben auch heute noch an, wendet sie an auch bei dir. Heil werden sollst du an seinem Tisch, an seinem Altar, heil werden sollst du in der Gemeinschaft mit anderen Sündern, die gemeinsam mit dir beschenkt werden mit der Gegenwart des Herrn. Zieh dich darum nicht zurück aus dieser Gemeinschaft, als ob du sie nicht bräuchtest, zieh dich nicht zurück und bestehe auf einer Privatbehandlung deines Herrn, zieh dich nicht zurück, weil dir die anderen, mit denen du gemeinsam am Tisch des Herrn Platz nehmen sollst, nicht gefallen. Christus will dich in dieser Gemeinschaft und nicht anders gesund machen, in der Gemeinschaft seiner Kirche. Die Kirche ist und bleibt ein Lazarett, besteht aus lauter Leuten, über die man als Gerechter tatsächlich nur die Nase rümpfen könnte, die man als Gerechter tatsächlich nur als unter Niveau einordnen könnte. Nur: ein solcher Gerechter bist du selber eben auch nicht. Sondern du gehörst auch zu denen, die nur darüber staunen können, dass Christus auch sie in seine Therapiegruppe, in sein Lazarett aufgenommen hat, dass er sie nicht abgewiesen hat, sondern sie, ausgerechnet sie gesund machen will, sie immer wieder speisen und tränken will mit dem Heilmittel der Unsterblichkeit, mit seinem Leib und Blut.
Haltet euch darum an diesen Arzt, lasst euch von ihm immer wieder sagen, wie es um euch steht, hört sein heilendes Wort und entzieht euch nicht der Gemeinschaft, in der er euch genesen lassen will. Dann wird selbst dein Tod nichts ändern können an der abschließenden Diagnose, die er, dein Arzt Jesus Christus, einmal über dein Leben fällen wird: Du bist nun kerngesund, frei von aller Sünde und Schuld, und darfst nun für immer leben mit mir – und mit all den anderen, die ich auch gerufen und geheilt habe, genau wie dich! Amen.