21.01.2007 | St. Johannes 4, 5-14 (3. Sonntag nach Epiphanias)

DRITTER SONNTAG NACH EPIPHANIAS – 21. JANUAR 2007 – PREDIGT ÜBER ST. JOHANNES 4,5-14

Jesus kam in eine Stadt Samariens, die heißt Sychar, nahe bei dem Feld, das Jakob seinem Sohn Josef gab. Es war aber dort Jakobs Brunnen. Weil nun Jesus müde war von der Reise, setzte er sich am Brunnen nieder; es war um die sechste Stunde. Da kommt eine Frau aus Samarien, um Wasser zu schöpfen. Jesus spricht zu ihr: Gib mir zu trinken! Denn seine Jünger waren in die Stadt gegangen, um Essen zu kaufen. Da spricht die samaritische Frau zu ihm: Wie, du bittest mich um etwas zu trinken, der du ein Jude bist und ich eine samaritische Frau? Denn die Juden haben keine Gemeinschaft mit den Samaritern. - Jesus antwortete und sprach zu ihr: Wenn du erkenntest die Gabe Gottes und wer der ist, der zu dir sagt: Gib mir zu trinken!, du bätest ihn und er gäbe dir lebendiges Wasser. Spricht zu ihm die Frau: Herr, hast du doch nichts, womit du schöpfen könntest, und der Brunnen ist tief; woher hast du dann lebendiges Wasser? Bist du mehr als unser Vater Jakob, der uns diesen Brunnen gegeben hat? Und er hat daraus getrunken und seine Kinder und sein Vieh. Jesus antwortete und sprach zu ihr: Wer von diesem Wasser trinkt, den wird wieder dürsten; wer aber von dem Wasser trinken wird, das ich ihm gebe, den wird in Ewigkeit nicht dürsten, sondern das Wasser, das ich ihm geben werde, das wird in ihm eine Quelle des Wassers werden, das in das ewige Leben quillt.

Als ich in der vorletzten Woche während meines Urlaubs im Thermalbad lag, las ich an einer Wand des Bades den schönen Spruch: „Wasser ist Leben.“ Ach wie schön, dachte ich, da bekomme ich jetzt schon gleich im Urlaub die perfekte Anleitung zum Verständnis der Predigtlesung vom 21. Januar geliefert: „Wasser ist Leben“ – Ja, genau das ist der Schlüssel zum Verständnis dessen, was wir da eben gehört haben.
„Wasser ist Leben“ – Diesen Spruch kann man falsch und kann man richtig verstehen. Da erkunden ja nun schon seit einiger Zeit Wissenschaftler den Mars, um dort vor allem eines zu finden: Wasser. Denn, so folgern sie, wenn wir dort Wasser finden, dann finden wir dort auch Leben. Doch so einfach ist das eben nicht. Selbst wenn man auf dem Mars Wasser finden würde, hieße das noch längst nicht, dass man dort auch Leben finden würde. Denn aus H2O und ein paar anderen chemischen Elementen allein entsteht eben kein Leben, auch wenn man das Zeug dort oben auf dem Mars ein paar Milliarden Jahre lagern würde. Leben kann nur aus Leben entstehen, so lautet ein alter naturwissenschaftlicher Satz, der bis heute seine Gültigkeit nicht verloren hat.
Aber an dem Satz „Wasser ist Leben“ ist natürlich dennoch eine Menge dran. Wer einmal selber die Hitze im Heiligen Land miterlebt hat, der weiß, was es bedeutet, Wasser zu haben oder eben auch kein Wasser zu haben, der weiß, wie unser Leben am Wasser hängt. Wir können das hier in unseren Breitengraden vielleicht nur begrenzt nachvollziehen, weil wir doch scheinbar immer Wasser im Überfluss zur Verfügung haben. Dass das allerdings auch nicht immer so der Fall sein muss, habe ich im letzten Jahr bei den Umbauarbeiten in unserem Gemeindehaus erfahren. Da ist es mir häufiger passiert, dass ich den Wasserhahn andrehen wollte, dass ich die Dusche aufdrehen wollte – und dann kam da kein Wasser raus, weil unten mal wieder ein Handwerker unangekündigt das Wasser abgedreht hatte. Nun ja, das war alles nicht so dramatisch; nach ein paar Stunden war das Wasser wieder da. Aber die Erfahrung machte mich schon nachdenklich: Was wäre eigentlich, wenn das Wasser nicht wiederkäme? Wie lange könnte ich eigentlich ohne Wasser auskommen? Wie lange könnten wir alle miteinander ohne Wasser auskommen, wenn eben nicht mehr bloß in einem Haus das Wasser abgestellt ist, sondern es überhaupt nicht mehr irgendwo aus der Leitung fließt? Wie weit würden wir eigentlich fahren, um irgendwo an Wasser, an lebendiges, brauchbares Wasser heranzukommen – aber was sage ich: Ohne Wasser würde ja noch nicht mal der Motor unseres Autos lange funktionieren!
„Wasser ist Leben“ – Die Frau, von der in unserer heutigen Predigtlesung die Rede ist, die wusste etwas von der Wahrheit dieses Satzes. So sehr brauchte sie das Wasser, dass sie sich mitten in der sengenden Mittagssonne auf den kilometerlangen Weg zum Jakobsbrunnen begibt, um dort Wasser zu schöpfen, gutes, frisches Quellwasser, Wasser zum Leben, Wasser zum Überleben. Und dann begegnet ihr dort an diesem Brunnen Jesus, verwickelt sie in ein Gespräch, redet mit ihr über das Wasser, macht ihr in diesem Gespräch deutlich, dass der Satz „Wasser ist Leben“ bei ihm noch eine ganz andere, noch eine viel tiefere Bedeutung hat. Nein, Jesus redet hier nicht bloß von H2O, er redet hier nicht bloß von frischem, kühlem Quellwasser, geschöpft aus dem tiefen Schacht eines alten Brunnens, sondern er redet von Wasser, das in einem viel weitergehenden Sinn tatsächlich Leben ist. Er redet von Wasser,

- das jeder Mensch braucht
- das nur er, Jesus, hat
- das unseren Durst für immer löscht.

I.

Jesus befindet sich auf dem Weg von Judäa im Süden nach Galiläa im Norden. Etwa drei Tage dauerte es, von Judäa nach Galiläa zu ziehen, wenn man den kürzesten Weg nahm. Und dieser kürzeste Weg, der führte quer durch Samarien. Genau das stellte für einen frommen Juden allerdings nun auch ein echtes Problem dar, denn mit den Einwohnern dieser Gegend, mit den Samaritern, wollte man nun wirklich nichts zu tun haben. Die gehörten nicht zu Gottes Volk, die Samariter, so behaupteten die Juden und ärgerten sich umso mehr darüber, dass sie, die Samariter, behaupteten, eben doch dazuzugehören, denselben Gott zu verehren, dieselbe Heilige Schrift, die Fünf Bücher Mose, anzuerkennen. Nein, all das änderte nichts daran, dass die Samariter erst nach der Eroberung und Zerstörung Jerusalems dort in Samarien ansässig geworden waren, dass sie ursprünglich heidnischen Völkern entstammten und damit eben keine Juden waren. Und so hegte man auf beiden Seiten eine herzliche Abneigung gegeneinander, pflegte keinerlei Gemeinschaft miteinander, geschweige denn, dass man auf die Idee gekommen wäre, als Jude mit einem Samariter gemeinsam zu essen oder zu trinken.
Ungewöhnlich ist es daher, was von Jesus hier berichtet wird: Da kommt er nach einem mehrstündigen Marsch in der heißen Mittagssonne fix und fertig, total erschöpft in Sychar an und begibt sich dort erst einmal zu dem Brunnen, aus dem einst schon der Erzvater Jakob geschöpft hatte. Und was macht Jesus? Er spricht dort am Brunnen eine Samariterin an – eine Angehörige dieser Volksgruppe, mit der man als anständiger Jude doch nichts zu tun haben sollte, und dann auch noch eine Frau! Eine Frau sprach ein jüdischer Rabbi von sich aus nun erst recht nicht an. Doch Jesus kratzt das alles nicht; der redet die Frau auch nicht bloß an, damit die ihn bedient, damit die ihm seinen Durst löscht. Nein, er spricht sie an, weil er weiß, weil er sieht, dass gerade auch diese Frau das Wasser braucht, das man nicht aus dem Jakobsbrunnen schöpfen kann und das doch sogar noch lebenswichtiger ist als das kühle Nass, das dort unten im Brunnen aus einer Quelle sprudelte. Dieses Wasser, um das es Jesus geht, braucht jeder Mensch, brauchen nicht nur Juden, sondern auch Samariter, brauchen nicht nur Männer, sondern auch Frauen, ja, das braucht jeder Mensch, ganz gleich, ob er es gerade fühlt und spürt oder nicht.
Ob die Frau, die Jesus dort am Brunnen trifft, gerade von besonderer religiöser Sehnsucht erfüllt war, wissen wir nicht, dürfen wir vielleicht sogar bezweifeln. Das ist auch gar nicht wichtig. Gewiss, so stellt es sich in den Versen, die unserer Predigtlesung folgen, heraus: Im Leben dieser Frau war offenbar eine ganze Menge kaputtgegangen: Fünf gescheiterte Beziehungen liegen hinter ihr, und nun lebt sie mit einem Mann zusammen, ohne mit ihm verheiratet zu sein. Jesus weiß es, und er nimmt auch kein Blatt vor den Mund, was er davon hält: Der, den du jetzt hast, ist nicht dein Mann. Sehnsucht nach Leben, immer wieder von neuem enttäuscht und nicht befriedigt in jeder neuen Beziehung – klar, da hatte es Jesus nicht schwer, einen Anknüpfungspunkt zu finden.
Doch das Wasser, das Leben, das er, Jesus, zu bieten hat, das ist eben nicht bloß da für Leute, die merken, was für Probleme sie haben. Das ist nicht bloß da für Leute, die kaputt und am Ende sind. Ja, für die ist dieses Wasser des Lebens, das Jesus bringt, auch da, natürlich. Aber ich muss mich nicht erst ganz mies fühlen, ich muss mir nicht erst irgendwelche besonderen Probleme in meinem Leben einreden, damit das Wasser, das Jesus bringt, auch für mich eine Bedeutung gewinnt. Nein, dieses Wasser, dieses Leben braucht jeder, das brauchen nicht nur Juden und Samaritaner, das brauchen Deutsche und Russen, Mongolen und Ukrainer, Chinesen und Südafrikaner, das brauchen Kinder und obercoole Jugendliche, das brauchen erfolgreiche Manager und frustrierte Arbeitslose, das brauchen Säuglinge und alte Menschen, aktive und pflegebedürftige, das brauchen alle, ob sie es fühlen und spüren oder nicht, dieses Wasser braucht ein jeder und eine jede von euch, die ihr heute Morgen hier in der Kirche sitzt, und das brauchen die, die jetzt in dieser Stunde draußen an der Kirche vorbeijoggen oder ihren Hund ausführen.
Wenn man dort im Heiligen Land in der Hitze tagsüber unterwegs ist, entzieht diese trockene Hitze dem Körper bis zu fünf Liter Wasser, ohne dass man das überhaupt sofort merken muss. Darum ist es so wichtig, dort im Heiligen Land auch dann zu trinken, wenn man keinen Durst hat, wenn man es nicht spürt, dass man das Wasser braucht. Und so ist das auch mit dem Wasser, von dem Jesus redet: Das brauchen wir auf jeden Fall, wer wir auch sind und wie wir uns auch fühlen mögen.

II.

Etwas merkwürdig klingt das Gespräch zunächst einmal, das Jesus da mit dieser Frau am Jakobsbrunnen beginnt. Da bittet er sie zunächst einmal darum, ihm zu trinken zu geben. Einmal abgesehen davon, dass er da eine Frau anspricht und dazu auch noch eine Samariterin, ist die Bitte nachvollziehbar: Jesus hat selber Durst, ist selber ausgetrocknet, ist als wirklicher Mensch auch auf ganz reales Quellwasser aus solch einem Brunnen angewiesen, um nicht zu verdursten. Doch derselbe Mensch, der da mit hängender Zunge am Brunnen ankommt, sagt gleich darauf zu der Frau: „Wenn du erkenntest die Gabe Gottes und wer der ist, der zu dir sagt: Gib mir zu trinken!, du bätest ihn, und der gäbe dir lebendiges Wasser.“ Aus dem Bittsteller wird hier unter der Hand der Spender, der, der etwas zu geben vermag, was die Frau nicht hat und selber nicht geben kann.
Jesus spricht die Frau zunächst auf das an, was sie kann, und macht ihr dann doch auch sofort deutlich, was sie nicht kann und hat, was er allein zu bieten hat. Und genauso geht Jesus auch mit uns um, genauso spricht er auch uns an.
Ihr könnt ja wirklich eine Menge, habt wirklich eine Menge geschafft, so sagt es Jesus zu uns heute: Ihr könnt auf dem Mond herumlaufen und auf dem Mars nach Wasser forschen; ihr könnt überall im Land Haushalte mit Wasser versorgen und mit Infusionen das Leben von Menschen retten; ihr könnt Thermalbäder bauen, Bedürfnisse bei Menschen hervorrufen und sie dann auch gleich wieder befriedigen. Doch das Wasser des Lebens, das ich habe, das habt ihr nicht, das könnt ihr auch niemals selber herstellen. Leben, ewiges Leben, nein, das können wir auch mit allen Fortschritten in der Medizin nicht schaffen. Leben, ewiges Leben, nein, das liegt nicht schon in uns selber angelegt, auch nicht in unserer angeblich unsterblichen Seele. Nein, niemand von uns trägt von Natur aus einen Keim des ewigen Lebens in sich drin. Leben, ewiges Leben bekommst du nicht dadurch, dass du etwas leistest, wofür dich Gott dann belohnt. Leben, ewiges Leben bekommst du erst recht nicht, wenn du dich in irgendwelchen anderen Religionen umschaust und auf ihre Heilsversprechen hereinfällst. Nein, Wasser des Lebens, ewiges Leben können auch wir nur bekommen, wenn wir erkennen, wer der ist, der damals mit der Frau am Jakobsbrunnen in Sychar geredet hat und der nun auch heute und hier zu uns, zu dir redet, um dir deutlich zu machen, wer er ist: Er, Jesus, das Leben in Person, die Quelle des Wassers des Lebens, er, der sich mit dir verbinden will, damit du an diesem Wasser, an diesem Leben auch Anteil gewinnst, damit du am Ende deines Lebens nicht auf dem Trockenen sitzt, sondern dahin gelangst, wo dir aller Durst nach Leben einmal endgültig gestillt werden wird.

III.

Was für ein wunderbares Bild für das ewige Leben stellt uns Jesus hier vor Augen: Hast du das auch schon mal erlebt, dass du einen irren Durst hattest, dass dir die Zunge am Gaumen klebte, dass der Mund völlig ausgetrocknet war – und dann reicht dir jemand ein Glas mit kaltem Wasser, und du trinkst den ersten Schluck?! So ähnlich wird das in der Ewigkeit sein: Du wirst es für immer genießen dürfen, wie dein Durst nach Leben gelöscht wird, wie alle Not, aller Schmerz, alle Entbehrung, alle Traurigkeit, alle Angst endgültig von dir abfallen und du nichts anderes als vollkommenes Glück empfindest, Glück, das nie mehr endet.
Ja, dieses Leben kann allein Jesus dir schenken, dieses Leben wird allein Jesus dir schenken und niemand sonst, ja dieses Leben schenkt dir Jesus jetzt schon, hier und jetzt, so macht er es deutlich. Da, wo er ist, dürfen wir schon mit dem Trinken anfangen, da bricht es schon an, das ewige Leben, dürfen wir jetzt schon einen Vorgeschmack dessen erleben, was wir dann einmal in Vollendung werden genießen dürfen.
„Wasser ist Leben“ – ja, das gilt schon für dich seit dem Tag deiner Heiligen Taufe, als dieses gnadenreiche Wasser des Lebens dich mit ihm, Christus, der Quelle des Lebens, verbunden hat, als Christus angefangen hat, in dir Wohnung zu nehmen und in dir zu einer Quelle des lebendigen Wassers zu werden.
„Wasser ist Leben“ – ja, das gilt auch für das Heilige Abendmahl, das du auch heute wieder empfangen darfst. Nein, natürlich trinken wir da kein Wasser im Sinne von H2O, essen und trinken wir dort Brot und Wein als irdische Elemente. Aber was wir dort empfangen, ist doch zugleich lebendiges Wasser, Wasser des Lebens, Speise und Trank, die uns retten vor dem ewigen Tod und uns Anteil geben an dem Leben, in dem unser Lebensdurst für immer gelöscht werden wird. Ja, jedes Mal, wenn Du hier vom Altar zurückkehrst, darfst du es dir sagen: Ich habe es empfangen, das Wasser des Lebens, den Leib und das Blut des Herrn, und darum werde ich einmal in alle Ewigkeit keinen Durst mehr haben, wird mir einmal nie mehr irgendetwas fehlen. Christus lebt in mir, und der wird auch in mir zu einer Quelle des Wassers, das in das ewige Leben quillt. Ich trage das ewige Leben in mir, und, Gott geb’s, das werden dann auch andere mitbekommen, werde ich auch für andere zu einem Christusträger werden, werden auch andere durch mich in Kontakt kommen mit diesem Wasser, das unendlich mehr vermag als alle Heilmittel und Erfindungen, die es sonst noch auf dieser Welt geben mag.
Christus löscht deinen Lebensdurst für immer, in alle Ewigkeit. Nein, du brauchst nicht mehr hinter deinem Leben herzulaufen, du brauchst dich nicht zu begnügen mit allen möglichen Ersatzerlebnissen, die dir das wahre Leben versprechen und dieses Versprechen doch nicht halten können, du brauchst deinen Durst nach Leben nicht zu löschen mit Alkohol und anderen Drogen, ja, du brauchst überhaupt keine Angst zu haben, du könntest in deinem Leben etwas verpassen. Komm hierher an seinen Altar; dort bekommst du, was alle Menschen brauchen und was er, Christus, allein dir schenken kann: Leben, unendlich beglückendes Leben, Leben, das nie mehr aufhört und noch unendlich erfrischender ist als ein Schluck Wasser an einem brütend heißen Tag. Amen.