14.09.2008 | Psalm 36, 6 (Taufpredigt)

TAUFPREDIGT – 14. SEPTEMBER 2008 – PREDIGT ÜBER PSALM 36,6

HERR, deine Güte reicht, so weit der Himmel ist, und deine Wahrheit, so weit die Wolken gehen.

Gott ist kein Marsmännchen. Er wohnt nicht irgendwo in den Fernen des Weltalls und versteckt sich immer noch gerade rechtzeitig, wenn ihm ein Raumschiff durchs Wohnzimmer fliegt. Er ist auch kein lieber, alter Opa, der irgendwo auf einer kuschlig weichen Wolke sitzt und milde lächelnd auf die Menschheit herabblickt. Nein, das ist ganz sicher nicht gemeint mit dem Taufspruch für W.: „HERR, deine Güte reicht, so weit der Himmel ist, und deine Wahrheit, so weit die Wolken gehen.“
Und Gott ist auch nicht einfach identisch mit allem, was uns umgibt, mit der Luft, mit den Bäumen, mit den Menschen; er erfüllt nicht einfach alles, was existiert, so mit seiner Gegenwart, dass er von dem, was uns umgibt, gar nicht mehr unterschieden werden könnte, so als ob Gott nur ein anderes Wort für die Natur oder für das All wäre. Solche pantheistischen Spekulationen sind zwar heute sehr in; aber sie sind mit den Worten von W.s Taufspruch ebenfalls nicht gemeint.
W.s Taufspruch handelt nicht einfach von Gott, sondern er spricht ganz konkret von seiner Güte und seiner Wahrheit, gemeint ist vom Hebräischen her: von seiner Treue. Das setzt aber voraus, dass Gott nicht einfach mit uns oder mit der Welt identisch ist, sondern dass er unser Gegenüber ist, ja, das Gegenüber überhaupt, auf das unser ganzes Leben zugeordnet und ausgerichtet ist, ob wir dies wahrhaben wollen oder nicht. Ja, wie es mit unserem Verhältnis zu Gott, besser noch: wie es mit Gottes Verhältnis zu uns bestellt ist, das ist die große Schicksalsfrage unseres Lebens, das ist auch die entscheidende Schicksalsfrage für das Leben von W.. Wie steht Gott, dem die ganze Welt, dem wir alle, dem auch W. sein Leben verdankt, wie steht er zu uns, was will er von uns und für uns?
Auf diese Frage gibt es keine logische, selbstverständliche Antwort, und auch W.s Taufspruch ist nicht als solch eine logische, selbstverständliche Antwort gemeint. Dass Gottes Güte uns umgibt, dass sie bis an den Himmel reicht, das ist ja gerade nicht etwas, was wir Menschen so einfach erkennen, so einfach an unserem Leben, an den Geschicken dieser Welt ablesen könnten. Im Gegenteil: Da gibt es so viele Erfahrungen in unserem Leben, die den Worten von W.s Taufspruch erst einmal ganz und gar zu widersprechen scheinen: Herr, deine Güte reicht, so weit der Himmel ist – diese Worte mögen uns schwer über die Lippen kommen, wenn wir von Schicksalsschlägen getroffen werden, wenn uns Krankheiten zu schaffen machen, wenn wir am Grab eines geliebten Menschen stehen. Da können wir die Güte Gottes erst einmal gar nicht erkennen. Ja, mehr noch: Wir Menschen sind von uns aus erst einmal überhaupt nicht dazu in der Lage, Gottes Güte, seine Liebe zu uns zu erkennen, so macht es uns die Heilige Schrift deutlich. Denn wir werden schon getrennt von Gott geboren, als Menschen, die blind sind für Gott, ganz weit weg von ihm, unfähig, sich ihm zuzuwenden, ihn so wahrzunehmen, wie er wirklich ist. Begrenzt und endlich ist dieses Leben, in das wir hineingeboren werden – begrenzt und endlich in unserer Fähigkeit, Gott zu erkennen, und begrenzt und endlich auch, was die Dauer unseres Lebens betrifft. Ganz gleich, wie alt wir sein mögen, ob wir altersmäßig noch relativ dicht an W. dran sind oder schon auf ein langes Leben zurückblicken können – wir gehen unausweichlich dem Ende unseres Lebens entgegen, dem keiner von uns entkommen kann.
Wir können daran nichts ändern, was wir auch versuchen mögen. Aber Gott selber möchte nicht, dass es dabei bleibt. Er möchte nicht, dass wir blind bleiben für seine Liebe und Güte, er möchte nicht, dass unser Leben am Ende einfach nur im Dunkel des Todes versinkt. Und eben darum hat er selber die unendliche Distanz zwischen Himmel und Erde überbrückt, hat Himmel und Erde verbunden in seinem Sohn Jesus Christus. Da in ihm, Christus, ist Gott für uns ganz fassbar, im wahrsten Sinne des Wortes begreifbar geworden, da hat uns Gott gezeigt, wie weit seine Güte reicht: so weit, dass er seinen eigenen Sohn für uns hat am Kreuz sterben lassen, dass er ihn auch all das Dunkel unseres Leben selber hat erfahren und durchmachen lassen.
Und genau darum geht es nun auch ganz konkret in der Heiligen Taufe von W.. Was Gott auch für ihn in Christus getan hat, das soll W. nun ganz persönlich geschenkt werden, das soll auch die Realität seines Lebens werden: Im Wasser der Heiligen Taufe überwindet Gott die Distanz zwischen ihm und sich, nimmt alles weg, was W. von ihm trennen könnte, umfängt ihn nun gleich mit seiner Liebe und Güte – so, dass W. von nun an „in Christus“ ist, von ihm umgeben wie von einem Gewand. Seinen Heiligen Geist schenkt Gott eurem W. heute Nachmittag in der Taufe, seinen Heiligen Geist, der nun auch weiter an ihm und in ihm wirken soll und ihm die Augen für die neue Realität seines Lebens öffnen soll und kann. Ja, von heute an hat W. tatsächlich allen Grund, die Worte seines Taufspruchs nachzusprechen: „HERR, deine Güte reicht, so weit der Himmel ist, und deine Wahrheit, so weit die Wolken gehen“: Was ich auch in meinem Leben sehe und erfahre – alles darf ich als Zeichen der Liebe und Zuwendung meines Vaters im Himmel zu mir wahrnehmen. Wenn ich um mich blicke, dann erkenne ich: Ich bin umfangen von Gottes Liebe – ja, auch in all dem, was ich im Alltag erfahre. Aber weil mir dafür immer wieder so schnell der Blick getrübt wird, habe ich es immer wieder nötig, auf Gottes Wort zu hören, mir wieder neu den Blick schärfen zu lassen, wie weit Gottes Güte in meinem Leben reicht: so weit, dass sie Himmel und Erde, ja, dass sie mich mit Gott verbindet, dass es nichts gibt, was größer und gewaltiger wäre als Gottes Versprechen, das er mir in der Taufe gegeben hat.
Eure Aufgabe ist es, liebe Eltern und Paten, eurem W. genau dies immer wieder zu bezeugen, ihn dies immer wieder erfahren zu lassen, was es bedeutet, getauft zu sein. Erzählt ihm immer wieder von seinem Vater im Himmel, der ihm das Leben geschenkt und ihn in der Taufe zu seinem Kind gemacht hat, erzählt ihm immer wieder von seinem Herrn Jesus Christus, mit dem er seit seiner Taufe verbunden ist, erzählt ihm von der Güte Gottes, ja, auch von seiner Treue, davon, dass W. sich in seinem Leben immer auf die Zusage seiner Taufe verlassen kann, weil Gott zu seinem Wort steht, weil er niemals zurücknehmen wird, was er ihm hier und heute in der Taufe verspricht: Dass er, W., einmal für immer mit Gott in seiner Gemeinschaft wird leben dürfen. Ja, Gott geb’s, dass W. in seinem Leben die Welt, die ihn umgibt, immer wieder mit den Augen seines Taufspruchs zu sehen vermag. Gott geb’s, dass Gottes Güte und Treue für W. immer das feste Fundament seines Lebens bleiben werden. Dann wird W. am Ende seines Lebens auch den allertiefsten Sinn seines Taufspruchs erfahren, wird erleben, wie weit Gottes Güte tatsächlich reicht: so weit, dass sie ihn selbst durch den Tod hindurchträgt – bis in den Himmel. Amen.