02.07.2008 | St. Lukas 1, 39-45 (Mariae Heimsuchung)

MARIAE HEIMSUCHUNG – 2. JULI 2008 – PREDIGT ÜBER ST. LUKAS 1,39-45

Maria aber machte sich auf in diesen Tagen und ging eilends in das Gebirge zu einer Stadt in Juda und kam in das Haus des Zacharias und begrüßte Elisabeth. Und es begab sich, als Elisabeth den Gruß Marias hörte, hüpfte das Kind in ihrem Leibe. Und Elisabeth wurde vom Heiligen Geist erfüllt und rief laut und sprach: Gepriesen bist du unter den Frauen, und gepriesen ist die Frucht deines Leibes! Und wie geschieht mir das, dass die Mutter meines Herrn zu mir kommt? Denn siehe, als ich die Stimme deines Grußes hörte, hüpfte das Kind vor Freude in meinem Leibe. Und selig bist du, die du geglaubt hast! Denn es wird vollendet werden, was dir gesagt ist von dem Herrn.

Ohne Maria geht es nicht. Wir können nicht ohne Maria an Christus glauben. Schwestern und Brüder: Das klingt jetzt erst mal sehr römisch-katholisch. Doch in Wirklichkeit ist es eine Zusammenfassung dessen, was der heilige Lukas im Evangelium des heutigen Festtags uns vor Augen stellt.
Ich weiß: In der Frömmigkeit des heutigen Protestantismus spielt Maria praktisch keine Rolle. Einmal im Jahr, in der Christvesper, hat sie ihren großen Auftritt; aber den Rest des Jahres kommt ein anständiger Protestant ganz gut ohne Maria aus. Wichtig scheint doch nur, was Jesus gesagt und gelehrt hat, wichtig scheint doch nur, was am Ende seines irdischen Lebens geschehen ist. Was da so am Anfang alles war, das weiß man doch nicht mehr so genau, und in unserer heutigen aufgeklärten Zeit redet man dann eben doch nicht so gerne davon, dass Jesus angeblich von einer Jungfrau geboren sein soll. Heute wissen wir das aufgrund von neusten naturwissenschaftlichen Erkenntnissen doch besser, dass zum Zustandekommen eines Kindes immer ein Mann und eine Frau gehören; also scheint das doch viel einleuchtender zu sein, dass Joseph der Vater Jesu war und dass Gott sich dann bei der Taufe Jesu entschieden hat, Jesus als seinen Sohn zu adoptieren. So kann man dann doch auch ganz gut ohne Maria an Christus glauben.
St. Lukas sieht das ganz anders. In den Worten, die wir eben gehört haben, zeigt er uns, wie sich in Maria die ganze Heilsgeschichte des Alten Testamentes zu erfüllen beginnt, wie uns das Heil nur durch Maria und nicht ohne sie erreicht.
Da macht sich Maria nach dem Besuch des Engels bei ihr auf den Weg über das Gebirge von Nazareth nach Judäa, um ihre Verwandte Elisabeth zu besuchen. Schwangere Frauen besuchen einander und sprechen miteinander gern, das ist bis heute so geblieben. Aber hier geht es im Haus der Elisabeth eben nicht bloß um einen netten Schwangerentreff, hier begegnen sich nicht einfach bloß zwei Frauen in gleicher froher Erwartung, sondern hier geschieht Einmaliges: Beim Eintreffen Marias hüpft der noch ungeborene Johannes der Täufer im Leib seiner Mutter vor Freude herum, und Elisabeth selber begrüßt ihre Verwandte mit den Worten: Wie geschieht mir das, dass die Mutter meines Herrn zu mir kommt!
Das mit dem Hüpfen vor Freude, das wird schon einmal im Alten Testament geschildert: Der König David, der hüpfte vor Freude vor der Bundeslade, als die über das Gebirge in seine Stadt gebracht wurde: Der heilige Gott, er selber hielt Einzug in der Bundeslade, erwählte nun Jerusalem zum Ort seiner Gegenwart. Und jetzt hüpft Johannes der Täufer auch wieder vor der neuen Bundeslade, vor dem neuen Ort der Gegenwart Gottes, hüpft vor der „Mutter meines Herrn“, wie Elisabeth es formuliert, vor der Mutter Gottes, die den ewigen Gott in ihrem Leibe trägt.
Nein, ohne Maria geht es nicht. Denn so und nicht anders wirkt Gott unser Heil, dass er selber Mensch wird, nein, nicht nur in einem ganz allgemeinen, übertragenen Sinne, sondern so konkret, dass er, der ewige Gott, ein Embryo wird, dass die Mutter, die ihn in ihrem Schoße trägt, als seine Mutter, als Mutter des Herrn, als Mutter Gottes angeredet werden kann. So und nicht anders wirkt Gott unser Heil, dass er sich an einem ganz konkreten Ort auf dieser Welt finden lässt, im Leib des Kindes, das Maria unter ihrem Herzen trägt, und damit in diesen Monaten vor seiner Geburt im Leib Marias selbst. Maria – Ort der Gegenwart Gottes, die neue Bundeslade: kein Wunder, dass Elisabeth ausruft: Gepriesen bist du unter den Frauen, und gepriesen ist die Frucht deines Leibes! Weil der, den sie unter ihrem Herzen trägt, höchster Verehrung würdig ist, gilt auch Maria ein Lobpreis, der sie aus allen Frauen dieser Welt heraushebt.
Nein, ohne Maria geht es nicht. Denn wer die Menschwerdung Gottes im Leib der Gottesmutter Maria leugnet, der stellt damit unser ganzes Heil in Frage. Gott hat uns nicht dadurch erlöst, dass er uns ein paar gute Tipps gegeben hat, wie wir uns anständig verhalten sollen; er hat uns auch nicht dadurch erlöst, dass er uns Jesus als unser Vorbild gesandt hat. Ja, selbst der Tod Jesu am Kreuz würde uns nichts, aber auch gar nichts nützen, wenn in diesem Leib, der da am Kreuz hängt, nicht Gott selber gegenwärtig wäre, wenn Gott nicht so ganz und gar Mensch geworden wäre, dass sich eben auch am Kreuz Gott und Mensch nicht auseinanderreißen lassen, wenn wir von daher nicht mit Recht am Karfreitag singen könnten: O große Not: Gott selbst liegt tot. Gott rettet uns leibhaftig, so lässt er es dich ja immer wieder ganz persönlich erfahren im Heiligen Mahl: Da kommt er zu dir, nicht weniger real, als wie er damals in Maria gegenwärtig war, nimmt in dir Wohnung, genau wie er damals in Maria leibhaftig Wohnung genommen hat, um dich mit Leib und Seele hineinzuretten ins ewige Leben.
Maria – sie ist die neue Bundeslade; in ihr finden wir Gott. Und sie ist zugleich die neue Eva. Eva – die Mutter aller, die da leben, so nennt Adam seine Frau. Doch dieses Leben, das von Eva an alle Menschen erhalten, ist und bleibt ein begrenztes Leben, ein Leben, das vom Tode gezeichnet bleibt. Doch nun trägt Maria, die neue Eva, den einen Nachkommen Evas in ihrem Schoß, den Gott Eva schon im Paradies verhieß, den einen Nachkommen, dem die Schlange in die Ferse sticht, der selber den Tod erleidet wie alle anderen Evaskinder auch und der doch zugleich das Leben in Person ist, das auch der Tod nicht zunichte machen kann. Ja, Maria, die neue Eva, die Mutter des wahren Lebens – in ihr findet die Geschichte des Alten Testaments ihre Erfüllung und ihren Abschluss. Und noch in einer anderen Hinsicht ist Maria die neue Eva: Die erste Eva misstraute dem Wort Gottes, glaubte nicht, dass Gott es in seinem Wort gut mit ihr meinte, und übertrat Gottes Gebot. Maria, die neue Eva, glaubt Gottes unglaublichem Wort und spricht: Mir geschehe, wie du gesagt hast. Und so preist Elisabeth Maria hier nun selig: Ja, selig bist du, die du geglaubt hast!
Nein, dieser Glaube ist keine freie Entscheidung Marias gewesen, erst recht kein Grund dazu, Maria zur Miterlöserin zu erklären, weil an ihrem Ja angeblich das Heil der Menschheit gehangen habe. Glaube ist nicht Tat und Entscheidung des Menschen, sondern die Art und Weise, wie Gottes Heil bei uns Menschen ankommt. Der Engel spricht Gottes schöpferisches Wort aus, und Maria kann nur darüber staunen, was dieses Wort an ihr bewirkt, was für eine neue Wirklichkeit es damit gesetzt hat – ohne menschliche Mitwirkung, ganz konkret auch ohne die Mitwirkung eines Mannes. Glaube – nicht Tun, nicht Entscheidung, sondern reines Empfangen: Genau das ist die Art und Weise, wie Gott sein Rettungswerk an uns vollzieht, wie er uns an seinem Heil Anteil gibt. Bei Maria ging es damals los: Sie wird selig gepriesen, weil sie geglaubt hat. Und so werden auch wir selig werden allein durch den Glauben, der nicht unsere Tat ist, sondern die Gemeinschaft mit dem lebendigen Christus, den Maria hier noch unter ihrem Herzen trägt.
Ohne Maria geht es nicht, so hat es Gott selber entschieden. Er hat entschieden, die Menschheit so zu retten, dass er in Maria und nirgendwo anders Mensch wird, er hat entschieden, uns dadurch zu retten, dass er unser Menschenschicksal teilt bis in die letzte Konsequenz. Wenn wir darum mit dem Bekenntnis unserer lutherischen Kirche feststellen, dass Maria allerhöchster Ehren wert ist, dann preisen wir damit Gott selber, ihn, der unser Heil durch die Menschwerdung seines Sohnes gewirkt hat und der uns Anteil gibt an diesem Heil allein durch den Glauben, durch die Gemeinschaft mit Christus, die er uns schenkt in seinem Wort und Sakrament. Wir merken schon: Wer meint, in seinem Glauben ohne Maria auskommen zu können, bei dem droht der Glaube sich irgendwie ins Geistige zu verflüchtigen. Und dem will Maria wehren, indem sie uns immer wieder auf den verweist, der die Frucht ihres Leibes und zugleich doch auch ihr Herr ist: auf Christus, den fleischgewordenen Gott. Amen.