20.07.2008 | 1. Petrus 4, 7-11 (9. Sonntag Nach Trinitatis)

9. SONNTAG NACH TRINITATIS – 20. JULI 2008 – PREDIGT ÜBER 1. PETRUS 4,7-11

Es ist aber nahe gekommen das Ende aller Dinge. So seid nun besonnen und nüchtern zum Gebet. Vor allen Dingen habt untereinander beständige Liebe; denn »die Liebe deckt auch der Sünden Menge« (Sprüche 10,12). Seid gastfrei untereinander ohne Murren. Und dient einander, ein jeder mit der Gabe, die er empfangen hat, als die guten Haushalter der mancherlei Gnade Gottes: Wenn jemand predigt, dass er's rede als Gottes Wort; wenn jemand dient, dass er's tue aus der Kraft, die Gott gewährt, damit in allen Dingen Gott gepriesen werde durch Jesus Christus. Sein ist die Ehre und Gewalt von Ewigkeit zu Ewigkeit! Amen.

Wie viel kostet ein guter englischer Fußballclub? Der FC Chelsea London kostete vor fünf Jahren 210 Millionen Euro, als er von dem russischen Milliardär Roman Abramowitsch gekauft wurde. Seitdem hat der frühere Gouverneur der russischen Region Tschukotka nicht weniger als 764 Millionen Euro in den Verein investiert, um ihn zu einem internationalen Spitzenclub zu machen. Doch auch mit diesem Geld gelang es ihm in diesem Frühjahr nicht, den FC Chelsea zum englischen Meister oder zum Champions League-Sieger zu machen. Aber das wird Abramowitsch nicht daran hindern, noch mehr Geld in den Verein zu pumpen; er kann es sich auch leisten, denn mit etwa 16 Milliarden Euro Vermögen gehört Abramowitsch zu den fünfzehn reichsten Menschen der Welt überhaupt.
Aber was ist schon Roman Abramowitsch im Vergleich zu dem Sponsor, von dem in unserer heutigen Predigtlesung die Rede ist! Nein, Sponsor nannte man damals die Leute noch nicht, sondern „Choregos“. Der Choregos war im antiken Theater derjenige, der die Kosten für die Aufführung des Chores und des ganzen Dramas aufbrachte und aus seinem Vermögen Gaben schenkte, vor allem auch die ganzen Kostüme finanzierte und der nicht zuletzt auch für die Finanzierung des Essens für alle Beteiligten nach der Aufführung zu sorgen hatte. Und als solch ein Choregos wird nun im griechischen Text unserer heutigen Predigtlesung Gott selber bezeichnet: Er sponsert die Kraft, die wir brauchen, um in der Gemeinde einander dienen zu können. Was für ein wunderbares Bild: Gott hat sich unseren Verein, die Kirche, gekauft, und, steinreich, wie er ist, investiert er nun kräftig in diesen Verein, holt sich die Leute, die er braucht, um mit ihnen am Ende gewinnen zu können. Und im Unterschied zu Roman Abramowitsch hat Gott mit seinem Vorgehen Erfolg: Sein Engagement endet nicht in einer großen Enttäuschung, sondern in einem, ja in dem ganz großen Sieg: „Es ist aber nahe gekommen das Ende aller Dinge“, so formuliert es der heilige Petrus hier. Nein, Petrus will mit diesen Worten hier keine Weltuntergangsstimmung, sondern vielmehr Hoffnung bei uns wecken, Hoffnung darauf, dass nun schon bald auch sichtbar erkennbar wird, dass Christus der große Sieger, der Herr der Welt ist, dass niemand ihm wird widerstehen können. Ja, der Sieg steht schon fest; nur die ganz große Siegesfeier steht uns noch bevor. Noch läuft das Spiel allerdings, das Spiel, das viel mehr ist als bloß ein Spiel, in dem es um nicht weniger als um unser Schicksal, ja um das Schicksal der ganzen Welt geht. Und in diesem Spiel lässt Gott uns nun mitmachen. Nein, der Sieg in diesem Kampf hängt nicht an uns, an unserer Kraft, an unserem Einsatz; aber Gott will uns doch mit dabei haben, ganz konkret mit drei „G“s:

- mit unserem Gebet
- mit unserer Gastfreundschaft
- mit unseren Gaben

I.

Das klingt ja erst mal ganz stark nach den Zeugen Jehovas, was der Apostel Petrus hier schreibt: „Es ist aber nahe gekommen das Ende aller Dinge.“ Ja, so arbeiten Sekten immer wieder, dass sie den drohenden Weltuntergang ankündigen, um ihre Anhänger unter Druck zu setzen, um Angst zu erzeugen, die Menschen in die Arme der Sekte treibt. Dem Apostel Petrus geht es jedoch hier um etwas völlig Anderes: Er nennt hier keinen Weltuntergangstermin; den kann er gar nicht nennen, denn Christus selbst hatte ja seinen Aposteln bei seiner Verabschiedung gesagt, dass sie Tag und Stunde seiner Wiederkunft nicht wissen könnten und sollten. Und vor allen Dingen würde durch die Nennung irgendeines Weltuntergangstermins die Botschaft von der Wiederkunft Christi ja verharmlost, weil mit der Nennung dieses Termins ja behauptet würde, dass Christus jedenfalls bis zu diesem Termin noch nicht wiederkommen würde. Und das geht nicht: Wir können keinen Tag und keine Stunde nennen, in der wir nicht mit der Wiederkunft unseres Herrn und damit verbunden mit dem Ende aller Dinge rechnen müssten. Als Christen leben wir in der Gewissheit, dass Christus an jedem Tag, zu jeder Stunde wiederkommen kann.
Aber wichtig ist nun, wie wir mit dieser Aussicht umgehen sollen und dürfen: Eben nicht so, dass wir jetzt in Panik oder Hektik verfallen, auch nicht so, dass wir nun vor lauter Vorfreude auf den kommenden Christus ausflippen und gar nichts mehr tun: Nein, so schreibt St. Petrus stattdessen: „So seid nun besonnen und nüchtern zum Gebet.“ Die Aussicht auf das Kommen des Herrn ist für uns Christen gerade kein Grund zum Durchdrehen, sondern lässt uns das, was in der Welt geschieht, vielmehr nüchtern und besonnen wahrnehmen. Wer um den wiederkommenden Herrn weiß, der wird nicht auf die Idee kommen, selber hier auf Erden ein Paradies errichten zu wollen, kein Paradies der Werktätigen und auch kein Tausendjähriges Reich. Der weiß, wie vorläufig all das ist, was wir hier auf Erden mit unseren Mitteln erreichen und bewirken können, der weiß, dass wir die Welt nicht retten können und auch nicht zu retten brauchen – und der ist gerade darum auch frei, seine Kräfte ganz dem Dienst an anderen Menschen zu widmen, gerade weil er weder in Schwärmerei noch in Resignation verfallen wird. Nüchtern und besonnen dürfen wir feststellen, dass Geld und Besitz nicht das Ziel und der Inhalt unseres Lebens sein können und dürfen, weil das alles vergehen wird, wenn Christus kommen wird. Nüchtern und besonnen dürfen wir feststellen, dass die Dinge in unserem Leben erst dann im rechten Licht erscheinen und ihren rechten Wert zeigen, wenn wir sie im Schein des wiederkommenden Christus betrachten: Ist dann das, worüber ich mich im Augenblick aufrege, diese Aufregung wirklich wert? Und könnte es sein, dass Dinge, die ich bisher als gar nicht so wichtig angesehen habe, eben doch für mein Leben entscheidend wichtig sein könnten, wenn ich bedenke, dass das Ende aller Dinge nahe gekommen ist? Es muss ja auch nicht nur die Wiederkunft des Herrn sein, auf die wir warten; das Ende aller Dinge kann mich ja auch erst einmal persönlich in meinem Leben ereilen, weil ja keiner von uns wissen kann, ob er morgen überhaupt noch am Leben sein wird. Ja, was zählt dann, was ist in dieser Perspektive wirklich wichtig?
Wir merken schon: Wenn wir unser Leben so nüchtern und besonnen wahrnehmen, dann führt uns diese Wahrnehmung wie von selbst zum Gebet: Dann beten wir ganz fröhlich und getrost: „Dein Reich komme“, dann warten wir ganz bewusst auf das Kommen des Reiches Gottes, das allen Dingen ein Ende bereiten wird. Und dann bitten wir damit zugleich für andere Menschen, dass Gott sie hier und jetzt noch mit seinem Wort, mit seiner frohen Botschaft erreichen möge, bevor mit dem Kommen Christi einmal die letzte Entscheidung fallen wird. Wir bitten damit für andere Menschen, dass Gott ihnen einen klaren Blick schenken möge, um erkennen zu können, was in unserem Leben wirklich wichtig ist, und wir bitten das alles dann auch für uns selber.
Ja, genau dazu kann und will Gott uns brauchen in seinem Verein, der Kirche, dass wir so im Gebet für andere eintreten; das ist eine Aufgabe, die wir als Christen haben an jedem Tag unseres Lebens, bis das Ende aller Dinge kommen wird.

II.

Eine zweite Aufgabe weist uns der heilige Petrus sodann zu angesichts des kommenden Endes aller Dinge: „Seid gastfrei untereinander ohne Murren.“
Das mag uns dann doch überraschen, dass dem Apostel die Gastfreundschaft untereinander so wichtig erscheint, dass er sie in diesem Zusammenhang an so hervorgehobener Stelle erwähnt.
Nun kann man natürlich darauf verweisen, dass Gastfreundschaft damals in der Antike, zumal im Vorderen Orient, eine viel wichtigere Rolle spielte als heute in unserer weithin anonymen Gesellschaft, in der erst einmal jeder für sich bleibt und man sich sehr genau aussucht, mit wem man denn nun näheren Kontakt pflegen möchte und mit wem nicht. Und man kann natürlich auch darauf verweisen, wie wichtig es damals gerade für Christen war, bei Reisen durch das römische Reich jeweils bei Christen in anderen Gemeinden aufgenommen werden zu können, zumal nicht wenige Unterkünfte, die ansonsten zur Verfügung gestanden hätten, damals zugleich auch als Freudenhäuser dienten.
Doch es geht dem Apostel hier noch um viel mehr: Er weiß, wie wichtig es für uns Christen ist, unseren Glauben nicht nur persönlich für uns, sondern in einer Gemeinschaft leben zu können, die uns hält und trägt. Wer glaubt, er könne sich aus der Gemeinde ausklinken und seinen christlichen Glauben nur für sich ganz allein und privat pflegen, der muss damit rechnen, dass von diesem Glauben schließlich nicht mehr viel übrigbleibt. Und das wäre tatsächlich fatal angesichts dessen, dass das Ende aller Dinge nahe ist. Und das heißt umgekehrt nun positiv: Wir helfen einander in der Gemeinde, bei Christus zu bleiben, wenn wir unsere Herzen und unsere Wohnungen ohne Murren für die anderen öffnen, wenn wir den Gottesdienst nicht bloß zu einer geistlichen BVG-Fahrt verkommen lassen, bei der wir am Anfang einsteigen und am Ende aussteigen, ohne dass uns die anderen Mitreisenden sonderlich zu interessieren bräuchten. Darum freue ich mich darüber, dass wir hier in unserer Gemeinde so häufig nach dem Gottesdienst zum gemeinsamen Mittagessen zusammenbleiben oder uns anderswo nach dem Gottesdienst zum Essen zusammenfinden und genau diese Gemeinschaft pflegen, von der der Apostel hier spricht. Darum freue ich mich darüber, wenn an diesen gemeinsamen Mahlzeiten immer wieder auch Gäste teilnehmen und etwas von dieser Gemeinschaft in unserer Gemeinde erleben. Darum freue ich mich darüber, wenn Gemeindeglieder sich auch während der Woche untereinander treffen und besuchen und miteinander feiern. Und darum bin ich besonders froh, wenn es nicht immer nur dieselben sind, die einander einladen und zeigen, wie gastfrei sie sind, sondern wenn dabei immer wieder auch andere Gemeindeglieder mit einbezogen werden. Ja, gerade auch so kann und will Gott, unser großer Sponsor, uns gebrauchen, gerade auch so können und dürfen wir mitmachen bei ihm, in seinem Verein, der Kirche, können und dürfen wir mitmachen als Leute, die schon wissen dürfen, dass sie sich auf der Siegerstraße befinden.

III.

Und dann formuliert es der Apostel Petrus hier noch einmal ganz grundsätzlich: Dient einander, ein jeder mit der Gabe, die er empfangen hat, als die guten Haushalter der mancherlei Gnade Gottes.
Ja, Gott, unser Choregos, ist ein äußerst spendabler Sponsor: Er hat uns alle miteinander reich mit den verschiedensten Gaben ausgestattet, die wir nun in der Gemeinde brauchen können. Nein, nicht alle haben dieselben Gaben abbekommen. Da gibt es diejenigen, die die Gabe und den Auftrag haben, der Gemeinde zu predigen. Dann, so betont es der Apostel, sollen sie diese Gabe auch nutzen und diesen Auftrag ausführen und der Gemeinde Gottes Wort predigen und nichts anderes. Nein, sie sollen nicht darauf abzielen, sich mit dem, was sie da predigen, bei den Leuten beliebt zu machen, sie sollen nicht darauf achten, ob das, was sie da verkündigen, auch gut bei den Leuten ankommt, sondern sie sollen allein darauf acht haben, dass sie Gottes Wort unverfälscht ausrichten, sollen damit auch wissen, was sie für eine Verantwortung mit diesem Dienst wahrnehmen: Sie leiten und binden damit die Gewissen ihrer Hörer, und genau dafür werden sie sich als Haushalter dann einmal vor Gott verantworten müssen. Aber da gibt es daneben eben so viele andere Dienste und Aufgaben in der Gemeinde: Da gibt es Menschen, denen Gott eine musikalische Begabung geschenkt hat, die sie im Gottesdienst einbringen können. Da gibt es Menschen, denen Gott die Gabe geschenkt hat, gut mit Kindern und Jugendlichen umgehen zu können, und die diese Gabe hier in der Gemeinde nutzen können. Da gibt es Menschen, denen Gott die Gabe gegeben hat, sich gut mit anderen Menschen unterhalten zu können, und die diese Gabe in der Gemeinde gut einsetzen können. Da gibt es andere, denen Gott ganz praktische Begabungen gegeben hat, ohne die viele Dinge in unserer Gemeinde gar nicht laufen würden, wenn es nicht diejenigen gäbe, die immer wieder im Hintergrund tätig und sich für keine praktische Arbeit zu schade sind – in der Küche, beim Saubermachen, beim Altarblumenschmuck, bei handwerklichen Arbeiten. Da gibt es Menschen, die Auto fahren können und mit ihrem Auto andere zur Kirche befördern, da gibt es Menschen, die in besonderer Weise dazu in der Lage sind, unsere Gemeinde auch finanziell mit ihren Gaben zu unterstützen. Schwestern und Brüder, als ich vor einigen Monaten von einer Journalistin gefragt wurde, wie viele ehrenamtliche Mitarbeiter wir hier eigentlich in der Gemeinde haben, da habe ich mal durchgerechnet, dass mir allein gut 80 Gemeindeglieder einfallen, die ganz direkt konkret benennbare Aufgabenbereiche in unserer Gemeinde wahrnehmen – und wenn wir dann noch all die anderen spontanen freiwilligen Helfer dazu nehmen, dann kommen wir ganz locker auf weit über hundert Gemeindeglieder, die genau das praktisch umsetzen, was der Apostel hier schreibt: Dient einander, ein jeder mit der Gabe, die er empfangen hat. Und dabei habe ich die noch gar nicht eingerechnet, die den allerwichtigsten Dienst in unserer Gemeinde wahrnehmen und für unsere Gemeinde und ihre Glieder täglich neu die Hände falten!
Dient einander – darum geht es bei diesen Gaben, nicht darum, sich selber in den Vordergrund zu spielen, nicht darum, sich vor anderen zu profilieren. Im Gegenteil: Diese Gaben, diese Dienste, von denen der Apostel hier spricht, gründen alle in der Liebe, so betont es St. Petrus hier, in der Liebe, die dazu bereit ist, auch über Fehler und Versagen anderer hinwegzusehen, sich auch durch Enttäuschungen und Widerstände nicht entmutigen zu lassen.
Ja, genau so stellt sich Gott, unser großer Sponsor, das mit seiner Mannschaft vor, die er zusammengestellt hat, zu der wir dazugehören und in die er auch weiter noch jede Menge Mitspieler einkaufen will: Gemeinsam spielen wir in dieser Mannschaft so, dass jeder sich mit seinen Gaben darin einbringen kann, dass wir untereinander auch die Gaben der anderen wahrnehmen und zum Einsatz bringen, dass wir nicht als Einzelkämpfer dastehen, sondern zusammengeschlossen sind durch die Liebe, diese wertvollste Investition, die unser Choregos für uns getätigt hat. Das hat ihn noch viel mehr gekostet als bloß eine knappe Milliarde Euro; das hat ihn nicht weniger gekostet als das Leben seines einzigen Sohnes. Dass Menschen etwas von dieser Liebe erfahren, dazu hat Gott uns so reichlich mit Gaben ausgestattet, und so lässt er uns immer weiterspielen, schenkt uns immer wieder neu die nötige Kraft, um miteinander am Ball zu bleiben, um füreinander da zu sein. Nein, verzieh du dich bloß nicht auf die Zuschauertribüne, denke nicht, du seiest überflüssig, du würdest nicht gebraucht; sieh zu, wo auch du mit deinen Gaben den anderen in der Gemeinde dienen kannst. Gott hat auch dich in seine Mannschaft gerufen. Darum komm, spiel mit; der Schlusspfiff kann schon bald erfolgen. Denn es ist nahe gekommen das Ende aller Dinge. Amen.