29.06.2008 | Jeremia 16, 16-21 (Tag der Heiligen Apostel Petrus und Paulus)

TAG DER HEILIGEN APOSTEL PETRUS UND PAULUS – 29. JUNI 2008 – PREDIGT ÜBER JEREMIA 16,16-21

Siehe, ich will viele Fischer aussenden, spricht der HERR, die sollen sie fischen; und danach will ich viele Jäger aussenden, die sollen sie fangen auf allen Bergen und auf allen Hügeln und in allen Felsklüften. Denn meine Augen sehen auf alle ihre Wege, dass sie sich nicht vor mir verstecken können, und ihre Missetat ist vor meinen Augen nicht verborgen. Aber zuvor will ich ihre Missetat und Sünde zwiefach vergelten, weil sie mein Land mit ihren toten Götzen unrein gemacht und mein Erbland mit ihren Gräueln angefüllt haben. HERR, du bist meine Stärke und Kraft und meine Zuflucht in der Not! Die Heiden werden zu dir kommen von den Enden der Erde und sagen: Nur Lüge haben unsere Väter gehabt, nichtige Götter, die nicht helfen können. Wie kann ein Mensch sich Götter machen? Das sind doch keine Götter! Darum siehe, diesmal will ich sie lehren und meine Kraft und Gewalt ihnen kundtun, dass sie erfahren sollen: Ich heiße der HERR.

Eigentlich esse ich ganz gerne Thunfisch. In letzter Zeit ist mir allerdings der Appetit auf Thunfisch ziemlich vergangen, seit ich mitbekommen habe, mit welchen Methoden Thunfisch oftmals gefangen wird: In den riesigen Netzen, die zum Thunfischfang eingesetzt werden, verfangen sich auch viele andere Fische; so sind beim Thunfischfang im Ostpazifik in den vergangenen Jahrzehnten schätzungsweise mehr als sechs Millionen Delfine umgekommen. Ja, diesen riesigen Netzen entgeht nichts, und so werden unsere Meere mit Netzen, deren Öffnung oft so groß ist wie fünf Fußballfelder, immer leerer gefischt.
Fischen kann Tod und Verderben mit sich bringen; es gibt allerdings auch Fischen, das Leben rettet. Da konnten wir es auch in den letzten Wochen im Fernsehen wieder mitverfolgen, wie Menschen in Überschwemmungsgebieten mitunter im wahrsten Sinne des Wortes aus dem Wasser gefischt wurden, wie sie an Seilen aus dem Wasser gezogen wurden in einen Hubschrauber, der über dem Wasser kreiste. Ja, da sind wir von Herzen froh, wenn solches Fischen gelingt, und wir sind im Gegenteil empört, wenn eine Regierung, wie in Birma geschehen, solche lebensrettenden Fischereimaßnahmen unterbindet und Menschen in dem Wasser, das sie umgibt, umkommen lässt.
Um Fischer und Fischerei geht es auch in der alttestamentlichen Lesung des heutigen Festtags. Nein, die Fischer, die der Prophet Jeremia damals seinem Volk ankündigte, kamen nicht, um Leben zu retten, sondern sie kamen, um über das verbliebene Volk Israel Tod und Verderben zu bringen: Die Babylonier werden kommen, so predigte es Jeremia den Einwohnern Jerusalems, und wenn sie kommen werden, dann werdet ihr keine Chance haben, ihnen zu entkommen. Höchst effektiv werden sie euch fangen, und wenn ihr meint, ihr könntet euch irgendwo vor ihnen verstecken, so täuscht ihr euch: Sie werden euch verfolgen und finden, selbst wenn ihr irgendwo ins Umland von Jerusalem flieht, euch in irgendwelchen Felsklüften verbergt. Zunächst werden sie als Fischer kommen, dann als Jäger. Ja, die Babylonier werden kommen, werden Jerusalem erobern und damit Gottes Strafgericht an euch vollziehen, so verkündigt es Jeremia. Gottes Werkzeug sind die Babylonier, denn Gott selber ist es, der genau hinschaut, der genau erkannt hat, wie die Israeliten, wie die Bewohner Jerusalems von ihm nichts wissen wollten, alle möglichen anderen Götter verehrt haben, von denen sie sich Glück und Wohlstand und Wohlbefinden erhofften. Und darum vollzieht Gott nun sein Gericht an Israel, schickt die Babylonier als Fischer und Jäger aus, sorgt dafür, dass sich diesem Gericht niemand entziehen kann.
Um einen Fischer geht es auch heute am Tag der heiligen Apostel Petrus und Paulus. Petrus war schon Fischer, als er noch Simon hieß, fischte im See Genezareth, nein, nicht mit riesigen Treib- und Schleppnetzen, sondern ökologisch damals durchaus verträglich. Und so waren es auch keine umweltpolitischen Gründe, die Jesus dazu veranlassten, Petrus von seiner Arbeit als Fischer am See Genezareth zu entbinden. Sondern er brauchte ihn, den Petrus, als Fischer, um Menschen zu fischen, um Menschen zu retten, solange dafür noch Zeit war und ist. Ja, dringend nötig war und ist diese Art der Fischerei angesichts dessen, was uns Menschen allesamt bevorsteht: Gottes letztes Gericht, dem sich kein Mensch auf dieser Welt entziehen kann. Was Jeremia damals im Auftrag Gottes angekündigt hatte, ist dann auch eingetroffen: Die Babylonier sind gekommen, haben die Israeliten gefischt und gejagt und nach Babylon verschleppt, ohne Erbarmen. Doch ganz vielleicht ist es damals dem einen oder anderen doch gelungen, sich irgendwo in einer Höhle zu verstecken, in der ihn die Babylonier nicht finden konnten. Das wird bei Gottes Gericht anders sein: Das wird ebenso gewiss kommen, wie damals die Babylonier gekommen sind – aber ein Verstecken wird es dann für keinen Menschen geben, ganz gleich, ob er dann schon gestorben ist oder nicht. Alle Menschen werden sich dann einmal vor Gott für ihr Leben verantworten müssen, werden sich fragen lassen müssen, wer in ihrem Leben die Nummer eins war: Gott oder irgendjemand oder irgendetwas anderes. Darum hat Jesus damals den Petrus losgeschickt, um zunächst einmal Israel zu sammeln. Israel, Gottes auserwähltem Volk, gilt Gottes Liebe doch zunächst und als erstes. Israel soll in Gottes kommendem Gericht nicht untergehen, sondern gerettet werden. Und eben darum hat Jesus damals den Petrus und die anderen Apostel berufen und sie zu Fischern gemacht, zu Fischern für das Volk Israel. Aber dann, nach seiner Auferstehung, hat Jesus den Arbeitsauftrag des Petrus und der anderen Apostel erweitert: Weil Gottes Gericht allen Menschen gilt, darum gilt auch der Auftrag der Apostel weltweit: Menschen zu fischen und sie zu retten, dass sie in Gottes Gericht nicht umkommen. Und zu den Fischern hat Christus dann auch Jäger ausgesandt, nicht, um Menschen zu erlegen und umzubringen, sondern auch wieder, um sie aufzuspüren, und wenn sie noch weit entfernt von Gott und seinem Volk sein sollten. Der Paulus ist solch ein Jäger, den Christus damals losgeschickt hat, um Menschen zu erreichen, auch weit jenseits der Grenzen des Volkes Israel.
Und nun feiern wir fast 2000 Jahre später das heutige Fest der heiligen Apostel Petrus und Paulus. Ja, was machen wir da eigentlich? Schauen wir voll Interesse zurück auf historische Begebenheiten damals vor zweieinhalbtausend Jahren, als die Babylonier Jerusalem eroberten? Ist dieser Gottesdienst von daher so eine Art von kultureller Begleitveranstaltung zur neuen großen Babylonausstellung im Pergamonmuseum, die in diesen Tagen eröffnet wurde? Und schauen wir ebenso voll Interesse zurück darauf, wie damals vor 2000 Jahren Jesus dieses Bild von den Fischern noch einmal ganz neu aufgenommen und umgewandelt hat, schauen wir darauf zurück, wie die Leute damals auf Gottes Gericht gewartet und in dieser Erwartung Menschen das Evangelium gepredigt haben?
Nein, Schwestern und Brüder, was der Prophet Jeremia damals verkündigte, was Jesus damals getan hat, als er Petrus und Paulus zu seinen Aposteln berief, das ist auch für uns heute ganz aktuell: Ohne diese Fischer Petrus und Paulus würden wir heute nicht hier in der Kirche sitzen, gäbe es überhaupt keine Kirche, die doch, wie wir es eben in der Epistel gehört haben, erbaut ist auf den Grund der Apostel und Propheten. Und der Auftrag, den wir als Kirche heute haben, ist eben kein anderer als der, den damals auch schon Petrus und Paulus hatten: Auch wir sind von Christus ausgesandt, zu fischen und zu jagen, Menschen die Rettung nahezubringen angesichts des kommenden Gerichts Gottes.
Man könnte ja geneigt sein zu vermuten, dass sich die Sache mit dem Gericht Gottes mittlerweile endgültig erledigt hat: Was seit 2000 Jahren angekündigt wird und immer noch nicht eingetroffen ist, das muss man wohl nicht mehr ganz ernst nehmen, möchte man meinen, das taugt doch höchstens noch als running gag. Doch in Wirklichkeit ist Gottes Gericht uns gerade nicht ferner gerückt, sondern was Gott damals durch den Propheten Jeremia verkündigen ließ, gilt für uns heute noch genauso: „Meine Augen sehen auf alle ihre Wege, dass sie sich nicht vor mir verstecken können.“ Ich kann Gottes Gericht nicht dadurch entgehen, dass ich es für eine zeitbedingte Vorstellung halte, mit der ich heute nichts mehr anfangen kann. Ich kann Gottes Gericht nicht dadurch entgehen, dass ich aus der Kirche austrete oder die Existenz Gottes leugne. Und ich kann Gottes Gericht auch nicht dadurch entgehen, dass ich mich bemühe, immer brav und anständig und hilfsbereit zu sein. Nein, Gott wird auch mich und dich nach unserem Leben fragen, danach, was uns wichtig, was für uns entscheidend gewesen ist. Damals waren es die Fruchtbarkeitsgötter und -göttinnen, die auf die Bewohner Jerusalems so eine Faszination ausübten, dass sie sich der Verehrung von Baal und Astarte nicht entziehen konnten. Ja, und auch damals gab es schon die Einstellung, man dürfe das alles ja nicht so ernst nehmen, was Gott in seinem Wort sagt; das bräuchte man alles nicht ganz so eng zu sehen; wenn man neben allem anderen auch etwas an den Gott Israels glauben würde, würde das schon reichen. Was für ein tödlicher Irrtum, so erkannten die Israeliten bald darauf.
Nun könnte man meinen, wir seien da heute weiter, hätten längst die Aufklärung verinnerlicht, die aus den Worten Jeremias damals schon sprach: „Wie kann ein Mensch sich Götter machen? Das sind doch keine Götter!“ Ja, Recht hat Jeremia – und doch benennt er damit ein Problem, das heute so aktuell ist wie damals: Dass Menschen Dinge in ihrem Leben an die erste Stelle setzen, die ihnen am Ende doch nicht helfen können. Die Frage danach, was ich am Sonntagmorgen mache, ist immer wieder eine gute Testfrage, um erkennen zu können, was mir im Leben wirklich wichtig ist. Oder auch die Frage danach, worüber ich in meinem Leben eigentlich aufrege, was mein Herz gefangen nimmt. Wie Pastor Neumann es neulich so schön beim Gemeindeseminar formulierte: „Beim ersten Kratzer am neuen Auto zeigt sich, was uns eigentlich Christus und der Glaube an ihn bedeutet.“
Ja, Götzendienst, die Frage, ob wir Gott über alle Dinge fürchten, lieben und vertrauen oder doch auf anderes unsere Hoffnung setzen, ist und bleibt das zentrale Thema unseres Lebens, und eben um diese Frage geht es auch im kommenden Gericht Gottes. Erschütternd ist es, wenn wir auch in unserer Umgebung es immer wieder miterleben müssen, auf was für vergängliche Dinge Menschen eigentlich ihr Leben gegründet haben und wie ihnen dann der Boden unter den Füßen wegbricht, wenn ihnen das, was immer ihr Lebensinhalt gewesen war, einmal genommen wird. Erschütternd ist es, wenn sie dann nicht mit Jeremia sprechen können: „Herr, du bist meine Stärke und Kraft und meine Zuflucht in der Not!“ Ja, wie hohl ist und bleibt ein Leben letztlich, dem dieses Bekenntnis als Mitte fehlt; ja, wie will ein Mensch, der um diese Mitte in seinem Leben nichts weiß, am Ende vor Gott bestehen wollen?
Und eben darum sind auch wir von Gott gerufen, Fischer und Jäger zu sein, um Menschen diese eine Botschaft nahezubringen: welche Hoffnung in unserem Leben am Ende allein trägt, ja was allein uns am Ende rettet, nein: wer allein uns am Ende rettet: ER, Christus, allein.
Fischer und Jäger sollen wir sein – nein, gerade nicht zu unserem eigenen Vorteil. Das ist ja eine Gefahr, in der wir immer wieder stehen, dass wir versucht sind, als Kirche Mission zu treiben, um unsere Mitgliederstatistik aufzupolieren, vielleicht gar um neue Kirchenbeitragszahler zu gewinnen. Weh uns, wenn wir solche Fischer und Jäger werden sollten, die auf der Jagd nach Beutestücken sind, die gleichsam für sich selber fischen und jagen!
Nein, unsere Aufgabe ist eine andere: Menschen aus dem Wasser zu ziehen, die sonst am Ende untergehen würden. Es mag sein, dass diese Menschen sich im Augenblick im Wasser noch pudelwohl fühlen und gar nicht merken, dass dieses Wasser sie am Ende doch nicht tragen wird. Und es mag sein, dass andere Menschen schon sehr wohl merken, wie sehr ihnen der Boden unter ihren Füßen fehlt. Wie auch immer: Unsere Aufgabe als Kirche ist es, hinter diesen Menschen her zu sein, sie dort aufzuspüren, wo sie sind. Wenn Menschen bei Flutkatastrophen aus dem Wasser gezogen werden, dann geschieht dies oft so, dass ein Mensch von dem Hubschrauber herabgelassen wird nach unten und sich dort unten den Menschen, der vor dem Ersaufen ist, schnappt, ihn an sich drückt und ihn so mit sich wieder nach oben zieht. Das ist ein gutes Bild für unseren Auftrag als Kirche: Wir haben den Auftrag, zu den Leuten hinzukommen, nicht auf Distanz zu ihnen zu bleiben, sondern sie da zu packen, wo sie gerade sind in ihrer Not, ganz gleich ob sie die nun selber wahrnehmen oder nicht.
Ach, Schwestern und Brüder, nun klingt das schon wieder so, als müssten wir das alles selber tun, als seien wir die Retter. Dabei dürfen wir als Kirche doch immer arbeiten unter der Verheißung Gottes, die wir hier am Ende unserer Predigtlesung vernehmen: „Siehe, diesmal will ich sie lehren und meine Kraft und Gewalt ihnen kundtun, dass sie erfahren sollen: Ich heiße der HERR.“ Gott erweist seine Kraft und Gewalt an den Menschen, erweist sie immer wieder durch merkwürdige und scheinbar mickrige Gestalten, hat damals seine Kraft und Gewalt kundgetan durch den großmäuligen Versager Petrus und den chronisch kranken und menschlich schwierigen Paulus. Sie hat er damals als seine Werkzeuge benutzt, und das Wort, das sie verkündigt haben im Auftrag ihres Herrn, das hat eben auch heute noch Kraft und Gewalt, weil dieses Evangelium nicht Menschenwort, sondern Gotteswort ist. Und so kann Gott eben auch uns, kann er auch euch und mich als seine Werkzeuge gebrauchen, als seine Fischer und Jäger, um Menschen einzusammeln in die Gemeinschaft der Kirche, in die Schar derer, die durch Christus aus dem Wasser gezogen worden sind in ihrer Heiligen Taufe und die auf ihn als ihre Zuflucht in der Not vertrauen. Was Jeremia damals ankündigte, ist ja schon längst Wirklichkeit geworden: „Die Heiden werden zu dir kommen von den Enden der Erde und sagen: Nur Lüge haben unsere Väter gehabt, nichtige Götter, die nicht helfen können.“ Ja, überall geschieht dies auf der Welt, dass Menschen durch den Dienst von Fischern und Jägern den Weg zu Christus finden und erkennen, wie hohl ihr Leben ohne Christus war, wie allein Christus ihnen helfen kann. Überall geschieht dies auf der Welt: in Ulaanbaatar und in Riga, in China und in Botswana, in Leipzig und auch hier in Berlin. Hört darum nicht auf, euch als Fischer und Jäger zu betätigen, hört nicht auf, Menschen hier in die Gemeinde zu bringen, hört nicht auf, Menschen einzuladen, und hört vor allem nicht auf, selber eure Hoffnung immer wieder ganz auf Christus zu setzen. Denn diese Hoffnung trägt, trägt selbst noch im Tod. Denn auch da wird Christus euch nicht untergehen lassen, sondern sich selber ganz fest an euch klammern und euch selbst dort noch herausziehen – direkt in den Himmel. Amen.