25.06.2008 | 1. Timotheus 6, 11b-16 (Gedenktag der Augsburgischen Konfession)

GEDENKTAG DER AUGSBURGISCHEN KONFESSION – 25. JUNI 2008 – PREDIGT ÜBER 1. TIMOTHEUS 6,11b-16

Jage aber nach der Gerechtigkeit, der Frömmigkeit, dem Glauben, der Liebe, der Geduld, der Sanftmut! Kämpfe den guten Kampf des Glaubens; ergreife das ewige Leben, wozu du berufen bist und bekannt hast das gute Bekenntnis vor vielen Zeugen. Ich gebiete dir vor Gott, der alle Dinge lebendig macht, und vor Christus Jesus, der unter Pontius Pilatus bezeugt hat das gute Bekenntnis, dass du das Gebot unbefleckt, untadelig haltest bis zur Erscheinung unseres Herrn Jesus Christus, welche uns zeigen wird zu seiner Zeit der Selige und allein Gewaltige, der König aller Könige und Herr aller Herren, der allein Unsterblichkeit hat, der da wohnt in einem Licht, zu dem niemand kommen kann, den kein Mensch gesehen hat noch sehen kann. Dem sei Ehre und ewige Macht! Amen.

Heute geht es mal um ein anderes Bekenntnis, nicht um das Apostolische Glaubensbekenntnis, dessen Textgestalt uns in unserer Gemeinde in den vergangenen Monaten so sehr bewegt hat. Heute geht es um das Augsburger Bekenntnis, das heute vor 478 Jahren auf dem Reichstag in Augsburg dem deutschen Kaiser vorgetragen wurde und auf dessen unveränderte Fassung – ja, auch beim Augsburger Bekenntnis gibt es eine inhaltlich problematische veränderte Fassung! – die Pastoren unserer Lutherischen Kirche bis heute bei ihrer Ordination verpflichtet werden, ja dessen unveränderte Fassung auch in der Gemeindeordnung unserer St. Mariengemeinde als Grundlage allen Lehrens und Bekennens angeführt wird. Ja, das Augsburger Bekenntnis ist das einzige Bekenntnis in unseren Lutherischen Bekenntnisschriften, für das es einen eigenen Gedenktag im Kirchenjahr gibt, und so wollen wir uns an diesem Abend wieder neu darauf besinnen, was es eigentlich mit dem Bekennen und dem Bekenntnis auf sich hat.
Und eben dazu kann uns nun auch die Epistel des heutigen Festtags aus dem ersten Brief des heiligen Paulus an Timotheus eine wichtige Hilfe sein. Gewiss, die Verse, die wir eben in der Epistel gehört haben, sind ursprünglich eine Ordinationserinnerung gewesen: Paulus erinnert seinen Schüler Timotheus an das Bekenntnis, das er damals bei seiner Heiligen Ordination vor vielen Zeugen abgelegt hatte, und an die Worte, die ihm daraufhin bei seiner Ordination zugesprochen worden waren. Doch in dieser Ordinationserinnerung, in dieser Ermutigung an Timotheus, auch weiter aus der Gabe seiner Ordination zu leben, wird auch einiges Grundsätzliche über das christliche Bekenntnis deutlich, was auch uns heute weiterhelfen kann, auch wenn den meisten von uns nicht das Amt übertragen worden ist, das damals Paulus an Timotheus weitergereicht hatte. Das Bekenntnis ist, so zeigt es uns St. Paulus hier, immer

ein umkämpftes Bekenntnis
ein verantwortetes Bekenntnis
ein gebetetes Bekenntnis

I.

Wozu braucht man eigentlich ein Bekenntnis? Ganz einfach, man braucht es, weil das, was man da in und mit diesem Bekenntnis bekennt, bestritten und in Frage gestellt wird, weil dieses Bekenntnis von daher immer ein umkämpftes Bekenntnis ist.
Dieser Kampf hat dabei ganz verschiedene Gegenüber: Es ist zunächst einmal ganz grundlegend ein Kampf mit dem Teufel und den Mächten des Bösen, die uns davon abhalten wollen, uns zu Christus, unserem Herrn, zu bekennen. Und so gehört zum Taufbekenntnis der Kirche bereits von den ersten Zeiten an zugleich die Absage an den Teufel und all sein Werk und Wesen. Wer sich zu Christus bekennt, entsagt damit zugleich dem Satan, begibt sich damit zugleich in den Kampf mit ihm. Zum Bekenntnis sind wir aber zugleich auch immer wieder herausgefordert gegenüber der Welt, gegenüber den Menschen, die von Christus nichts wissen und nichts wissen wollen. Ja, solches Bekenntnis, solches Christusbekenntnis erwartet Christus, unser Herr, von uns, so haben wir es eben im Heiligen Evangelium gehört: Wer mich bekennt vor dem Menschen, den will ich auch bekennen vor meinem himmlischen Vater. Und schließlich dient das Bekenntnis auch der Unterscheidung von wahrer und falscher Lehre innerhalb der Kirche, hat das Bekenntnis als seine Kehrseite immer auch die Verwerfung der falschen Lehre.
Vom guten Kampf des Glaubens spricht auch Paulus hier in unserer Epistel, ermutigt Timotheus dazu, diesen guten Kampf des Glaubens zu kämpfen, ermutigt ihn durch die Erinnerung daran, dass er, Timotheus, doch bei seiner Ordination das gute Bekenntnis vor vielen Zeugen abgelegt hat. Ja, auch in diesem guten Kampf des Glaubens steckt alles drin: Er ist der Kampf zwischen Satan und Christus, in den wir alle durch unsere Taufe gestellt sind, und es ist zugleich auch der Kampf mit der Welt, in den wir uns automatisch begeben, wenn wir mit unserem Bekenntnis ihren oft so wenig reflektierten Bekenntnissen widersprechen. Paulus erinnert den Timotheus an das gute Bekenntnis, das Christus unter Pontius Pilatus bezeugt hat, ein Bekenntnis vor der heidnischen Öffentlichkeit, ein Bekenntnis, das ihm schließlich den Tod am Kreuz eingebracht hat. Und ebenso warnt Paulus den Timotheus in seinen beiden Briefen eindringlich vor den falschen Lehren, die auch damals schon in die Kirche eindrangen, etwa vor der falschen Lehre, dass die Auferstehung nur eine geistige Auferstehung sei und keine Auferstehung des Fleisches, des Leibes. Das gab es auch damals alles schon vor fast 2000 Jahren.
Umkämpft war auch das Bekenntnis, das die Bekenner von Augsburg damals vor 478 Jahren vor dem Kaiser ablegten. Ja, auch sie mussten damit rechnen, dass sie dieses Bekenntnis möglicherweise das Leben kosten konnte. Gewiss, das besondere Anliegen der Bekenner von Augsburg war gerade nicht, sich abzugrenzen, sondern im Gegenteil deutlich zu zeigen, dass sie mit ihrer Lehre die Lehre der wahren katholischen Kirche vertraten, dass sie in der Kontinuität der Kirche aller Zeiten standen. Eben darum wiederholen sie in ihrem Bekenntnis auch die Lehrverwerfungen der Kirche der ersten Jahrhunderte, machen deutlich, dass sie keinesfalls gewillt sind, eine neue Kirche zu gründen. Aber gerade mit ihrem Anspruch, selber katholisch zu sein und zu bleiben, gerieten sie in Konflikt mit der römischen Kirche der damaligen Zeit, ja, auch ganz konkret mit dem, was sie über die Rechtfertigung des Sünders vor Gott lehrten und verkündigten. Und so wurde und blieb auch das Augsburger Bekenntnis ein umstrittenes Bekenntnis.
Wundern wir uns also nicht darüber, wenn auch wir als lutherische Bekenntniskirche immer wieder auf Widerspruch stoßen, wundern wir uns nicht, wenn wir in unserem Festhalten am Christusbekenntnis angefochten werden – vom Teufel, von der Welt, die uns umgibt, ja auch innerhalb der christlichen Kirche. Unser Bekenntnis ist und bleibt ein umkämpftes Bekenntnis.

II.

Unser Bekenntnis ist zweitens, so können wir es den Worten des heiligen Paulus entnehmen, ein verantwortetes Bekenntnis.
Wir stehen heutzutage ja leicht in der Gefahr, das Bekenntnis, an das wir uns als lutherische Kirche gebunden haben, als eine Art von Verhandlungsmasse anzusehen: Das ist unsere Tradition, von der wir herkommen, und jetzt schauen wir mal, wie weit wir möglicherweise einer Kirche, die etwas Anderes lehrt, entgegenkommen können. Was können wir von dem, was wir bisher bekannt haben, aufgeben? Und enthält das, was die andere Seite behauptet und bekennt, wirklich explizite Irrlehre? Vielleicht kann man das ja doch auch irgendwie richtig verstehen, und dann brauchen wir das, was wir bisher bekannt haben, ja nicht mehr ganz so klar zu formulieren wie bisher! Und wenn bestimmte Glaubenssätze, die wir bisher bekannt haben, in der Gesellschaft, die uns umgibt, nun überhaupt nicht mehr akzeptiert werden – kann man da nicht auch manches etwas unanstößiger formulieren und denen, die sich damit schwertun, etwas entgegenkommen? Muss man heute beispielsweise immer noch vom Opfertod Jesu am Kreuz reden? Reicht es nicht, wenn man bekennt, dass Gott die Liebe ist?
Der heilige Paulus lehrt uns, unser Bekenntnis noch einmal aus einer ganz anderen Perspektive wahrzunehmen: Wir legen dieses Bekenntnis zuerst und vor allem nicht vor anderen Menschen ab, sondern zuerst und vor allem vor Gott selbst. Vor ihm, der alle Dinge lebendig macht, vor ihm, Jesus Christus, dem Bekenner unter Pontius Pilatus, haben wir uns zunächst und vor allem zu verantworten. Ja, der Richtpunkt all unseres Bekennens ist der wiederkommende Christus, der uns nach unserem Bekenntnis fragen wird. Nein, es geht nicht darum, dass Bekenntnisse im Laufe der Zeit veralten und durch neue ersetzt werden müssen, sondern es geht darum, dass das Bekenntnis zu ihm, Christus, zu dem, was er für uns getan hat und uns immer wieder neu schenkt, immer aktueller wird angesichts der Erscheinung unseres Herrn Jesus Christus, wie Paulus es hier formuliert. Genau diesen Richtpunkt, diese Verantwortung vor dem Richterstuhl Christi, benennen auch die Herausgeber des Konkordienbuchs, der Sammlung der Lutherischen Bekenntnisschriften, am Ende des 16. Jahrhunderts in ihrer Vorrede, und genau das muss auch der Richtpunkt aller Lehre und Verkündigung der Kirche heute sein: nicht: Was kommt bei den Leuten gut an, was ist kirchenpolitisch klug, wobei fühlen wir uns gut? Sondern: Was kann ich vor Christus verantworten, wenn er kommt? Habe ich tatsächlich an seinem Wort festgehalten, oder habe ich gemeint, ich könne daran etwas verändern oder abschwächen, was mir gegen den Strich geht? Nein, unser Bekenntnis darf niemals zur Verhandlungsmasse werden; es ist und bleibt verantwortetes Bekenntnis, verantwortet vor keinem Geringeren als dem wiederkommenden Herrn.

III.

Und dann machen die Worte unserer Epistel hier noch ein Drittes deutlich: Unser Bekenntnis ist immer auch gebetetes Bekenntnis.
Da geht hier in den Worten des heiligen Paulus die Ermahnung an seinen Schüler direkt über in einen Lobpreis des lebendigen Gottes, des Königs aller Könige und Herrn aller Herren, wie Paulus es hier in bewusstem Kontrast zu den Selbstansprüchen der römischen Kaiser formuliert. Gott wird gepriesen und angebetet – Das ist die letzte und tiefste Gestalt, die das christliche Bekenntnis hat.
Nein, wenn wir uns als lutherische Kirche als Bekenntniskirche bezeichnen und verstehen, dann heißt das nicht, dass wir irgendwo in einer kirchlichen Ordnung eine Reihe von Bekenntnisschriften aufgelistet haben oder dass in jedem anständigen lutherischen Pfarramt irgendwo eine Ausgabe der Lutherischen Bekenntnisschriften herumsteht. Sondern dass wir lutherische Bekenntniskirche sind, das erweist sich bei uns im Gottesdienst, das erweist sich in den Bekenntnissen, die dort gebetet werden, das erweist sich in der Liturgie, die doch nichts Anderes als gebetetes Dogma ist. Nein, ich kann über den Inhalt des Bekenntnisses nicht einfach bloß referierend berichten wie über den Verlauf eines Fußballspiels. Sondern wenn ich von Gott rede, wenn ich von Christus rede, wenn ich bekenne, was er, der dreieinige Gott, für uns getan hat und tut, dann werde ich gleichsam von selbst übergehen in den Lobpreis Gottes, in die Anbetung, wie das hier auch in unserer Epistel geschieht. Wenn das, was in unseren Lutherischen Bekenntnisschriften steht, was etwa auch im Augsburger Bekenntnis steht, in unseren Gottesdiensten nicht mehr vorkommt, dann können wir uns noch so sehr Lutherische Bekenntniskirche nennen, dann sind wir es nicht. Befassen wir uns darum immer wieder neu mit den Bekenntnissen unserer Kirche – nicht weil es interessante historische Dokumente sind, sondern weil sie uns anleiten zum Gebet, zur Feier des Gottesdienstes, zur Anbetung des Dreieinigen Gottes, auf die doch alles Bekennen letztlich zielt. Ja, ihm, dem Dreieinigen Gott, sei Ehre und ewige Macht! Amen.