21.05.2008 | 1. Korinther 8, 1b-6 (Mittwoch nach Trinitatis)

MITTWOCH NACH TRINITATIS – 21. MAI 2008 – PREDIGT ÜBER 1. KORINTHER 8,1b-6

Die Erkenntnis bläht auf; aber die Liebe baut auf. Wenn jemand meint, er habe etwas erkannt, der hat noch nicht erkannt, wie man erkennen soll. Wenn aber jemand Gott liebt, der ist von ihm erkannt.
Was nun das Essen von Götzenopferfleisch angeht, so wissen wir, daß es keinen Götzen gibt in der Welt und keinen Gott als den einen. Und obwohl es solche gibt, die Götter genannt werden, es sei im Himmel oder auf Erden, wie es ja viele Götter und viele Herren gibt, so haben wir doch nur einen Gott, den Vater, von dem alle Dinge sind und wir zu ihm; und einen Herrn, Jesus Christus, durch den alle Dinge sind und wir durch ihn.

In unserem Land treten in den letzten Jahren immer mehr Deutsche zum Islam über. Als Begründung dafür geben viele von ihnen an, dass ihnen der Islam logischer erscheine, weil sie mit der Lehre von der Trinität, von der Dreifaltigkeit Gottes nichts anfangen könnten. Diese Begründung mag uns schmerzen, vielleicht gar empören; doch sie sollte für uns vor allem eine Anfrage an uns selber, an unsere eigene kirchliche Praxis sein: Wie kann es dazu kommen, dass Menschen das Bekenntnis zu dem dreieinigen Gott als etwas Fremdes, Abstoßendes empfinden, statt wahrzunehmen, was für eine wunderbare, beglückende Botschaft in diesem Bekenntnis beschlossen liegt?
Der frühere Erlanger Professor für Kirchengeschichte, Karl-Christian Felmy, ein Bruder des vor kurzem verstorbenen Tatort-Kommissars, hat kürzlich auf einer theologischen Tagung behauptet, die Trinitätslehre habe in evangelischen Gottesdiensten häufig keinen zentralen Stellenwert mehr, ja sie werde oftmals sogar verschwiegen, weil man der Ansicht sei, so etwas Kompliziertes könne man den Leuten heute nicht mehr zumuten. Felmy hat daraus auch seine Konsequenzen gezogen und ist vor einigen Jahren ebenfalls konvertiert, allerdings gerade nicht zum Islam, sondern in die orthodoxe Kirche. Dazu erklärte er: „Der evangelische Christ geht in die Kirche, um zu verstehen. Der orthodoxe Christ geht in die Kirche, um Gott zu erfahren.“
Und damit sind wir nun schon mitten drin in der Predigtlesung dieses Abends. Da befasst sich der Apostel Paulus eigentlich mit einem ganz praktischen Problem, das uns nicht besonders naheliegend erscheinen mag, mit der Frage, ob man Fleisch essen dürfe, das zuvor in einem heidnischen Tempel einer Gottheit geopfert worden war. Aber im Zusammenhang mit dieser Frage macht St. Paulus hier in diesen Versen nun einige ganz grundsätzliche Ausführungen, die uns dazu helfen können, auch als lutherische Christen das Bekenntnis zum dreieinigen Gott nicht verschämt zu verschweigen, sondern es wieder neu als Zentrum unseres Glaubens wahrzunehmen.
Der Islam wirbt ja immer wieder damit, dass seine Lehre von Gott so einfach zu verstehen, so logisch sei – im Unterschied zum christlichen Glauben. Doch der Apostel Paulus hält dagegen: „Wenn jemand meint, er habe etwas erkannt, der hat noch nicht erkannt, wie man erkennen soll.“ Das heißt auf Deutsch: Wenn jemand meint, er sei dazu in der Lage, Gott zu erkennen und zu verstehen, der hat in Wirklichkeit noch überhaupt keine Ahnung vom lebendigen Gott. Der lässt sich nämlich nicht einfach mit unserem Verstand erfassen, der lässt sich auch nicht dadurch erfassen, dass ich ganz intensiv meditiere und dabei irgendwelche Gotteserfahrungen mache. Nein, von mir aus schaffe ich es überhaupt nicht, an Gott, an ihn, den lebendigen Gott, heranzukommen, nicht mit meinem Verstand, nicht mit meinen seelischen Kräften, nicht mit meinem Geist. Sondern Gott erkennen kann ich nur so, dass Gott sich mir zu erkennen gibt, nein, nicht bloß als ein höheres Wesen, sondern als der, der er in Wirklichkeit ist: als die Liebe in Person. Gott erkennen kann ich nur so, dass Gott sich in seiner Liebe mir zuwendet, mich mit seiner Liebe umgibt und es mir so ermöglicht, ihn zu lieben. „Wenn aber jemand Gott liebt, der ist von ihm erkannt“, so formuliert es der Apostel hier. Solange ich Gott nur verstehen will, habe ich noch überhaupt nicht kapiert, wer Gott in Wirklichkeit ist, mache ich mir selber von vornherein ein völlig falsches eigenes Bild von Gott. Erst da, wo ich Gott liebe, weil ich seine Liebe empfangen habe, kann ich überhaupt anfangen, Gott dann auch verstehen zu wollen, weil dann klar ist, dass Gott nicht ein unendlich ferner Gott ist, sondern mein Vater. Ja, da gehen die Wege zwischen Islam und christlichem Glauben tatsächlich schon ganz am Anfang, ganz grundsätzlich auseinander, und da hat natürlich zugleich auch der Professor Felmy Recht: Wir kommen nicht bloß in die Kirche, um etwas zu verstehen; wir kommen als lutherische Christen in den Gottesdienst, um Gottes Liebe zu empfangen, fühlbar, fassbar in den Gestalten von Brot und Wein im Heiligen Mahl, wenn wir darin den Leib und das Blut unseres Herrn empfangen, aus Liebe zu uns am Kreuz geopfert.
Ein Zweites macht uns der Apostel Paulus hier deutlich: Es gibt in dieser Welt viele Götter. Es ist ja heutzutage ein verbreitetes Missverständnis, wonach es ja klar und logisch sei, dass es nur den einen Gott gibt und dass entsprechend auch alle Religionen an denselben Gott glauben. Dagegen sagt Paulus: Es gibt nicht bloß einen Gott, es gibt viele Götter, und dadurch, dass ich an einen Gott glaube, glaube ich noch längst nicht an den, der in Wahrheit der lebendige Gott ist. Nur weil Muslime an einen Gott glauben und Christen an einen Gott glauben, muss ihr Gott noch nicht derselbe sein. Ja, man kann sogar noch einen Schritt weitergehen: Alle Menschen glauben an einen Gott, es gibt keine gottlosen Menschen. Denn woran du dein Herz hängst, das ist dein Gott, so hat es Martin Luther einmal treffend formuliert. Es geht nicht darum, ob wir an Gott glauben, sondern an welchen Gott wir glauben: Wer sein Herz an Geld und Besitz hängt, wer nur an sich selber glaubt, wem das Hobby, der Garten, die Familie das Wichtigste im Leben ist, der glaubt auch an einen Gott, nur eben nicht an den lebendigen Gott, sondern an etwas sehr Vergängliches. Der Glaube an den dreieinigen Gott ist auch von daher nicht einfach logisch, sondern er ist immer zugleich Absage an die vielen anderen Götter, die den Anspruch erheben, auch Gott zu sein, und es in Wirklichkeit eben doch nicht sind. Er ist Absage an diese anderen Götter, weil nur er, der dreieine wahre Gott, sich von sich aus mir zu erkennen gegeben hat, indem er mich mit seiner unendlichen Liebe umfangen, mir an seinem göttlichen Leben Anteil gegeben hat. Kein anderer sogenannter Gott vermag dies, und an keinen anderen Gott lohnt es sich von daher zu glauben.
Aber warum glauben wir nun, dass dieser lebendige Gott dreieinig ist? Im Prinzip haben wir die Antwort schon gehört: Das Bekenntnis zu dem dreieinigen Gott besagt: Er, der lebendige Gott, will mit uns Menschen zu tun haben, mit uns Gemeinschaft haben. Er ist kein in sich selber verschlossener Gott, sondern ein Gott, der sich uns Menschen öffnet, sich uns zu erkennen gibt. Und dies hat er eben getan, indem er seinen Sohn Jesus Christus zu uns Menschen gesandt hat, dass wir in ihm selber diesem lebendigen Gott begegnen können, durch ihn in die Gemeinschaft mit dem lebendigen Gott aufgenommen werden können. Ja, da stoßen wir dann schnell an die Grenzen des logisch Aussagbaren: Wir haben einen Gott, den Vater, und einen Herrn, Jesus Christus, so formuliert es St. Paulus hier: ein Gott, ein Herr – nein, es sind nicht zwei Götter, sondern es ist ein Gott; und doch gilt auch für Christus, dass er der Herr ist, trägt er den Namen, mit dem sich der lebendige Gott im Alten Testament seinem Volk zu erkennen gegeben hat. Nein, Christus ist nicht bloß ein Geschöpf wie wir auch; durch ihn sind alle Dinge gemacht; er ist schon aus dem Vater geboren vor aller Zeit und Welt. Verstehen können wir das nicht, bekennen können wir das von uns auch nicht, denn niemand kann Christus den Herrn nennen außer durch den Heiligen Geist, so formuliert es St. Paulus im 1. Korintherbrief bald darauf.
Der eine Gott – Vater, Sohn und Heiliger Geist: Nein, das ist kein verrückter Gedanke, auf den irgendwelche verschrobenen Theologen im Verlauf der Kirchengeschichte mal gekommen sind, sondern das ist die Realität des lebendigen Gottes, der die Liebe in Person ist und uns Menschen in diese Gemeinschaft der Liebe aufnehmen will. Ach, wie armselig erscheint dagegen die Gotteslehre des Islam, und wie armselig wären auch unsere Gottesdienste, wenn es nur darum ginge, dass uns hier etwas beigebracht wird, was wir verstehen sollen. Nein, hier begegnen wir dem lebendigen Gott, werden mit ihm verbunden, von seiner Liebe umfangen, dass wir gar nicht anders können, als ihn zu lieben und in dieser Liebe zu bekennen: Ich glaube an den einen Gott, den Vater, den Sohn und den Heiligen Geist. Amen.