01.05.2008 | Epheser 1, 20b-23 (Christi Himmelfahrt)

CHRISTI HIMMELFAHRT – 1. MAI 2008 – PREDIGT ÜBER EPHESER 1,20b-23

Gott hat Christus von den Toten auferweckt und eingesetzt zu seiner Rechten im Himmel über alle Reiche, Gewalt, Macht, Herrschaft und alles, was sonst einen Namen hat, nicht allein in dieser Welt, sondern auch in der zukünftigen. Und alles hat er unter seine Füße getan und hat ihn gesetzt der Gemeinde zum Haupt über alles, welche sein Leib ist, nämlich die Fülle dessen, der alles in allem erfüllt.

In Brasilien ist der römisch-katholische Priester Adelir de Carli spurlos verschwunden. Er hatte sich nicht bloß an 99 Luftballons, sondern gleich an tausend angeschnallt und war damit gen Himmel gestartet. Zwanzig Stunden lang wollte er mit ihnen in der Luft bleiben und damit eine Eintragung ins Guinness-Buch der Rekorde erreichen und zugleich damit Geld für eine christliche Raststätte für LKW-Fahrer sammeln. Doch irgendwie ist der Priester bei seiner Himmelfahrt wohl vom Kurs abgekommen; man fand lediglich einige der Luftballons 150 Kilometer vom geplanten Landepunkt entfernt mitten auf dem Meer. Dort dürften dem Priester auch die Müsliriegel, die er für alle Fälle mitgenommen hatte, nicht sehr lange weiterhelfen. Fünfzig Rettungskräfte waren an der Südküste Brasiliens mit Booten, Hubschraubern und einem Militärflugzeug im Einsatz – doch den Priester fanden sie nicht.
So ähnlich wie mit dem fliegenden Priester stellen sich das ja viele Menschen auch mit der Himmelfahrt Christi vor: Der ist damals auch auf dem Ölberg abgehoben – nun gut, im Unterschied zu jenem Brasilianer ganz ohne Luftballons. Aber das Ergebnis ist scheinbar dasselbe: Jesus ist spurlos verschwunden, er ist nicht mehr zu sehen. Scheinbar bleibt uns nichts Anderes übrig, als uns damit abzufinden, dass wir künftig nun mal ohne ihn werden auskommen müssen. Ein ehrendes Andenken sollten wir ihm bewahren, schließlich hat er sich auch für viele gute Zwecke eingesetzt, die uns vielleicht sogar noch einleuchtender erscheinen mögen als eine christliche LKW-Raststätte. Doch das ändert nichts daran, dass der heutige Tag ein Tag des Abschieds bleibt – ein sehnsüchtiger Blick gen Himmel; das war’s dann auch.
Schwestern und Brüder, wir wissen als Christen, dass dies ein völliges Missverständnis der Himmelfahrt Christi wäre, dass Christus sich nicht irgendwo in Regionen verirrt hat, wo er vom Wind abgetrieben werden konnte. Wir wissen, dass der Himmel, von dem wir als Christen sprechen, etwas Anderes ist als die Luftschichten, die wir meteorologisch oder vielleicht auch astronomisch erforschen können. Doch in unserem Leben verhalten wir uns als Christen oftmals auch nicht viel anders als diejenigen, die in diesen Tagen die Nachrichten von dem verschwundenen Priester gehört haben: Futsch ist futsch; in meinem alltäglichen Leben muss ich jedenfalls allein klarkommen; das hat mit diesem Jesus, der da gen Himmel gefahren ist, nicht viel zu tun. Doch genau dagegen wendet sich nun der Apostel Paulus in der Predigtlesung des heutigen Festtags in aller Deutlichkeit: Nein, so macht er deutlich, Jesus ist kein verunglückter Ballonkünstler, sondern seit seiner Himmelfahrt ist er

- Herr über den Kosmos
- Herr über alle Mächte
- Haupt der Kirche

I.

Nun habe ich euch eben also noch mal klarzumachen versucht, dass der Himmel, um den es bei der Himmelfahrt Christi geht, nicht identisch ist mit dem Himmel, den wir über uns sehen, wenn wir nach draußen an die frische Luft gehen, dass er auch nicht identisch ist mit unserem Sonnensystem oder der Milchstraße.
Aber nun muss ich gleich hinzufügen: um all dies geht es bei der Himmelfahrt Christi auch. Nein, natürlich ist Jesus bei seiner Himmelfahrt nicht auf eine Erdumlaufbahn geschossen worden, natürlich hat der gute Juri Gagarin nicht Recht, als er damals nach seinem Weltraumflug behauptete, er habe Gott dort nicht gesehen, also könne es ihn auch nicht geben. Der Himmel, der Herrschaftsbereich Gottes, lässt sich eben nicht hinter dem Mond lokalisieren. Aber wenn St. Paulus uns hier in unserer Predigtlesung schildert, was bei der Himmelfahrt Christi eigentlich geschehen ist, dann merken wir schnell, dass das auch mit dem Weltraum, ja mit dem gesamten Weltall zu tun hat, denn er, Christus, ist von Gott durch seine Auferstehung eingesetzt worden zum Allherrscher, zum Herrscher auch über das gesamte All.
Brüder und Schwestern, das müssen wir uns mal vorstellen, was das eigentlich heißt: Da dringen Forscher in immer tiefere Bereiche des Weltalls vor, ohne auch nur annähernd an seine Grenze stoßen zu können, da rechnen Forscher mit immer neuen Dimensionen, die unser menschliches dreidimensionales Denken bei weitem übersteigen, da können wir über das, was uns Astrophysiker an Erkenntnissen weitergeben, immer wieder nur staunen. Und über all dies, was sie da beschreiben und entdecken und erkennen, ist Christus der Herr. Nein, Christus sitzt nicht irgendwo in einer dunklen Ecke des Weltalls und hofft, dass er nicht irgendwann von den klugen Forschern auf der Erde aufgespürt und entdeckt wird, er ist nicht bloß irgendein Lückenbüßer für die Fragen, die wir im Augenblick noch nicht beantworten können, ein Lückenbüßer, der mit jeder beantworteten Frage dann ein Stück weit überflüssiger würde. Sondern er beherrscht es alles geradezu spielend: das, was Forscher im Weltall und auf der Erde schon entdeckt und erkannt und beschrieben haben, und das, was uns im Augenblick noch völlig rätselhaft bleibt. Er, Christus, beherrscht dies alles so, dass er selber nicht an die drei Dimensionen des Raumes gebunden ist. Sondern als der Herr über den Kosmos kann er alles in allem erfüllen, kann er in den Tiefen des Weltalls genauso gegenwärtig sein wie in jeder Hostie, die uns hier am Altar gereicht wird. Was uns auch an Realität in dieser Welt umgibt – in der Natur hier auf Erden und im Weltall: keinen Bereich gibt es, der von der Herrschaft Christi ausgenommen wäre, keinen Bereich gibt es, den Christus nicht mit seiner Gegenwart erfüllen könnte. Und das gilt nicht nur für den Raum, das gilt auch für die Zeit. Er, Christus, ist als der Herr des Kosmos auch der Herr über die Zeit. Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft, die sich für uns wie auf einer langen Linie erstrecken und voneinander getrennt sind, sie sind bei Christus und in ihm eins: Die Zukunft, die aus unserer Perspektive noch vor uns liegt, die ist bei ihm schon Gegenwart. Du magst im Augenblick gar nicht erkennen können, wie es mit deinem Leben weitergehen soll, du magst dir alle möglichen Sorgen und Gedanken machen über dich selber, deine Familie und auch über unsere Kirche. Doch Christus ist und bleibt der Herr über den Kosmos und damit der Herr auch über die Zeit. Er sieht schon längst den Weg, den du geführt werden wirst, sieht, wie er auch dich an das Ziel bringen wird, an dem du die Realität seiner Herrschaft einmal mit eigenen Augen erkennen und einmal endgültig verstehen wirst, was es heißt, dass er, Christus, der Herr über den Kosmos ist, über die jetzige Welt und auch über die neue Welt, die er, Christus, selber einmal schaffen wird. Ach, Schwestern und Brüder, ahnen wir wenigstens, wie kleinkariert wir auch als Christen oftmals denken im Vergleich zu den Dimensionen, die St. Paulus uns hier eröffnet, wie kleinkariert wir mitunter meinen, alles hinge doch von uns, von unserem Einsatz ab, während er, der Herr unseres Lebens doch nicht weniger als das gesamte Weltall bis in die fernste Galaxie hinein im Griff hat!?  Ja, wie sollten wir vor diesem Herrn nicht anbetend auf die Knie sinken!

II.

Nun präzisiert der Apostel Paulus das Gesagte hier noch einmal und stellt uns Christus zugleich auch als Herrn über alle Mächte vor Augen.
Nein, der Apostel Paulus predigt uns hier in diesen Worten nicht einen naiven romantischen Pantheismus, so nach dem Motto: in jedem grünen Blatt im Grunewald begegnet dir Jesus. Gewiss, dieser auferstandene Jesus vermag auch jedes grüne Blatt im Grunewald mit seiner Gegenwart zu durchdringen, ganz klar. Aber das allein würde uns noch nicht viel nützen, denn wir sind, so macht es uns St. Paulus gerade im Epheserbrief sehr eindrücklich deutlich, als Christen zugleich mitten in einen Kampf gestellt, der ebenfalls geradezu kosmische Dimensionen hat: Von Reichen, Gewalt, Macht und Herrschaft redet Paulus hier und meint damit Mächte des Bösen, die diese Welt, die auch unser Leben zu beherrschen versuchen.
Von allem, was einen Namen hat, spricht St. Paulus hier. Wir wissen, wie immer wieder Menschen sich selber einen Namen zu machen versuchen, wie sie versuchen, berühmt zu werden, wie sie versuchen, ihr Gedächtnis der Nachwelt zu erhalten. Und wir wissen auch, wie Menschen sich immer wieder zu Herren über Leben und Tod aufgespielt haben und zugleich geglaubt haben, sie könnten sich selber mit dem, was sie tun, unsterblich machen. Gerade im letzten Jahrhundert haben wir erfahren, wie solche Herrschaft geradezu dämonische Züge annehmen konnte. Und auch wenn wir zurzeit davon verschont bleiben, in einem Tausendjährigen Reich oder in einem Paradies der Werktätigen leben zu müssen, mögen doch auch wir uns in unserer heutigen Welt so völlig hilflos und ausgeliefert vorkommen angesichts der globalen Entwicklungen, die sich um uns herum abspielen und auf die wir so gar keinen Einfluss ausüben können.
Doch Paulus tröstet uns: Dass Christus gen Himmel gefahren ist, heißt eben auch, dass er allein allmächtig ist, dass er die Macht hat auch über all diejenigen, die sich selber gerne als allmächtig aufspielen und ihren eigenen Allmachtsfantasien freien Lauf lassen. Es heißt, dass die Frage nicht mehr offen ist, ob am Ende Gott oder die widergöttlichen Mächte die Herrschaft über diese Welt erringen werden. Was uns in dieser Welt auch beeindrucken und Angst einjagen mag: Alles, wirklich alles ohne jede Ausnahme steht unter der Herrschaft Jesu Christi, dem Gott alles unter seine Füße getan hat. Das mag jetzt noch so wenig zu unserer alltäglichen Lebensrealität, zu unseren Ohnmachtserfahrungen und Ängsten passen. Doch es ist schon jetzt eine Wirklichkeit, der wir uns trösten können: Christus ist stärker als alle Machthaber dieser Erde, stärker als alle Atomwaffen, stärker als alle islamistischen Terrorkommandos, stärker als alle Krankheiten und Seuchen, stärker als alle Weltkonzerne, stärker auch als dein Tod. Darum brauchen wir uns am heutigen Tag nicht damit zu begnügen, gegen die Ungerechtigkeit in dieser Welt zu protestieren; darum brauchen wir uns an diesem Tag erst recht nicht irgendwo im Grünen die Hucke voll zu saufen. Sondern darum dürfen wir feiern, dass unser Herr der Herr über alles ist, auch über alle Mächte dieser Welt, woher auch immer sie stammen mögen.

III.

Nun mag dir das alles ein bisschen abgehoben geklungen haben, was ich hier gerade über Christus als den Herrn über den Kosmos und als den Herrn über alle Mächte vorgetragen habe. Und in der Tat: Das wäre auch alles total abgehoben, wenn Paulus am Ende nicht noch ein Drittes deutlich machen würde: Er, Christus, ist zugleich auch das Haupt der Kirche.
Wenn Christus einfach nur überall wäre und alles, was es gibt, erfüllen würde, dann brächte uns das überhaupt nichts, dann wäre er letztlich für uns überhaupt nicht fassbar oder greifbar. Was hätte ich schon davon, wenn ich wüsste, dass Jesus auch in jedem Regenwurm und in jedem Hamburger bei McDonalds gegenwärtig ist?! Doch Christus lässt sich in dieser Welt nun eben doch leiblich fassbar und greifbar finden, so, dass sich seine Gegenwart von seiner Allgegenwart unterscheiden lässt. Fassbar und greifbar wird er in seiner Kirche, die nicht nur funktioniert wie ein Leib, die seinen Leib nicht nur symbolisiert, sondern die sein Leib ist, mit dem er, das Haupt des Leibes, untrennbar verbunden ist.
Schwestern und Brüder, der Gegensatz zwischen der Erfahrung, die die Christen, an die der Epheserbrief damals gerichtet war, machten, die auch wir immer wieder machen, und der Wirklichkeit, für die uns Gottes Wort hier die Augen öffnet, könnte nicht größer sein: Da gab es damals in der Westtürkei eine Reihe von kleinen, mickrigen Gruppen, die sich in irgendwelchen Privathäusern zum Gottesdienst trafen. Und denen schreibt der Apostel: Ihr seid der Leib Christi, in eurer Mitte, ja, in euch ist der Allherrscher Christus, der Herr über das gesamte Weltall gegenwärtig, wird bei euch und in euch fassbar. Was auch im gesamten Weltall geschehen mag – es ist alles letztlich ausgerichtet und konzentriert auf das Geschehen, das sich in eurer Mitte abspielt, ist alles ausgerichtet auf die Feier des Heiligen Mahles, in der ihr immer wieder den Leib des Herrn empfangt, der euch gemeinsam zum Leib des Herrn werden lässt. Und das und nicht weniger ist eben auch die Realität unserer Gemeinde hier in Zehlendorf. Wenn wir gleich wieder das Mahl des Herrn feiern, dann ist der gesamte Kosmos auf unseren Altar ausgerichtet, weil der Weltherrscher in unsere Mitte kommt, fassbar wird und uns zu seinem Leib verbindet.
Nein, Christus ist durch seine Himmelfahrt nicht spurlos verschwunden wie Adelir de Carli. Wir können ihn finden, wir können ihn lokalisieren, auch hier in der Riemeisterstraße 10. Und darum ist jeder Gottesdienst, den wir feiern, ein Ereignis von kosmischen Dimensionen, von kosmischer Bedeutung, geht es hier um unendlich mehr als bloß um gute Unterhaltung oder darum, ob uns das gefällt, was der Pastor da sagt oder macht. Und dabei werden wir zugleich immer wieder daran erinnert, dass die Kirche, die der Leib Christi ist, größer ist als bloß unsere Gemeinde, dass sie den gesamten Erdkreis umfasst, ja darüber hinaus auch all diejenigen, die den jetzt schon mit eigenen Augen sehen dürfen, der alles in allem erfüllt. Was für ein Trost ist das für uns, wenn wir an der Kirche, wie wir sie erfahren, immer wieder zu verzagen, ja zu verzweifeln drohen: Die Zukunft der Kirche hängt nicht ab von der Fähigkeit derer, die sie leiten, sie hängt erst recht nicht ab von den Mehrheitsentscheidungen von Synoden. Die Zukunft der Kirche liegt in ihm, Christus, beschlossen, der der Herr über Millionen Sonnensysteme ist und bleibt, der Herr über Raum und Zeit, der Herr auch über alle Mächte, die seine Herrschaft in Frage stellen und beenden wollen. Diesem Christus wollen wir nun wieder begegnen in seinem Heiligen Mahl, wollen ihn da ganz persönlich fassen und empfangen und wieder neu dies Wunder erfahren, das sich mit unserem Verstand niemals erfassen lässt, das wir nur immer wieder staunend anbeten können: Dass er in unserem begrenzten Körper Wohnung nimmt, er, der doch alles in allem erfüllt! Amen.