30.03.2008 | Jesaja 40, 26-31 (Quasimodogeniti (Erstkommunion))

QUASIMODOGENITI (ERSTKOMMUNION) – 30. MÄRZ 2008 – PREDIGT ÜBER JESAJA 40,26-31

Hebet eure Augen in die Höhe und seht! Wer hat dies geschaffen? Er führt ihr Heer vollzählig heraus und ruft sie alle mit Namen; seine Macht und starke Kraft ist so groß, daß nicht eins von ihnen fehlt. Warum sprichst du denn, Jakob, und du, Israel, sagst: «Mein Weg ist dem HERRN verborgen, und mein Recht geht vor meinem Gott vorüber»? Weißt du nicht? Hast du nicht gehört? Der HERR, der ewige Gott, der die Enden der Erde geschaffen hat, wird nicht müde noch matt, sein Verstand ist unausforschlich. Er gibt dem Müden Kraft, und Stärke genug dem Unvermögenden. Männer werden müde und matt, und Jünglinge straucheln und fallen; aber die auf den HERRN harren, kriegen neue Kraft, daß sie auffahren mit Flügeln wie Adler, daß sie laufen und nicht matt werden, daß sie wandeln und nicht müde werden.

„Red Bull verleiht Flüüüügel!“ – Der Werbespot für den Energydrink mit Koffein und Taurin ist mittlerweile Kult und hat seine erhoffte Wirkung nicht verfehlt: Red Bull zu trinken ist in; im Jahr 2006 wurden weltweit bereits drei Milliarden Dosen verkauft; das heißt: Es werden mittlerweile auf der Welt 90 Dosen Red Bull pro Sekunde konsumiert. Mit Red Bull schafft man es, so wird dem Verbraucher zumindest eingeredet, die Nacht zum Tage zu machen, ohne Ende Party zu machen, vor Examensarbeiten durchlernen zu können, rund um die Uhr Taxi zu fahren und vieles mehr – und das alles auf die ganz coole Art. Red Bull verleiht eben Flügel.
Heute feiert ihr, liebe Konfirmanden, das große Fest eurer Erstkommunion, dürft heute zum ersten Mal den Leib und das Blut eures Herrn empfangen. Und an diesem Tag ist nun eine Predigtlesung vorgesehen, in der ebenfalls Menschen das Versprechen gegeben wird, „dass sie auffahren mit Flügeln wie Adler“. Verleiht also nicht nur dieser Energydrink Flügel, sondern ist vielleicht das Heilige Abendmahl so etwas wie eine fromme Version von Red Bull? Kann man sich da etwa denselben Kick holen, wie wenn man sich ein paar Dosen von diesem klebrigen Energyzeug reinzieht?
Nein, ganz so einfach ist das natürlich nicht. Im Gegenteil: Wenn wir mal genauer hinschauen, dann stellen wir fest, dass es zwischen dem Heiligen Abendmahl und Red Bull eben doch ganz entscheidende Unterschiede gibt. Das erkennen wir, wenn wir fragen,

- wozu das Heilige Abendmahl gut ist
- was wir im Heiligen Abendmahl empfangen
- wie sich das Heilige Abendmahl auswirkt.

I.

Wozu nimmt man Red Bull zu sich? Um kurzfristig aufgeputscht zu werden, um in den nächsten Stunden mehr schaffen, mehr leisten zu können. Mag sein, dass Red Bull bei manchen, die es trinken, tatsächlich diese Wirkung hat, dass sich die Konsumenten vielleicht tatsächlich sogar beflügelt vorkommen. Aber mehr als ein paar Stunden hält die Wirkung von Red Bull nicht an – und oft genug folgt dann darauf der Absturz, wenn die Party, wenn der Spaß vorbei ist, für die man sich mit diesem Gesöff aufgedreht hatte.
Das Heilige Abendmahl, das ihr heute empfangt, ist kein kurzfristiges Aufputschmittel. Es ist nicht dazu da, euch in Form zu bringen für die Mathearbeit, die ihr morgen schreibt. Es ist nicht dazu da, irgendwelche Glücksgefühle in euch hervorzurufen. Und das Heilige Abendmahl ist auch kein Mittel, mit dem ihr eure Leistung in der Schule oder anderswo steigern könntet. Seine Wirkungen sind viel langfristiger.
Das Leben, das jetzt noch vor euch liegt, wird für euch eben nicht bloß eine einzige Party sein, für die ihr euch immer wieder neu in Form bringen müsst. Sondern in diesem Leben werdet ihr oft genug ganz ähnliche Erfahrungen machen wie die Leute, denen der Prophet Jesaja als ersten die Worte verkündigte, die euch eben vorgelesen habe. Die hatten den Eindruck: Gott hat uns vergessen, der kümmert sich überhaupt nicht um uns. Uns geht es so dreckig – und Gott unternimmt überhaupt nichts dagegen. Ja, das sind Erfahrungen, die auch euch in eurem Leben nicht erspart bleiben werden. Da wird euch dann überhaupt nicht nach Party zumute sein und auch nicht nach Red Bull; da werdet ihr stattdessen vielleicht den Eindruck haben: Ich pack das alles nicht mehr, ich kapiere das alles nicht mehr. Wie gesagt: Red Bull hilft euch dann nicht mehr weiter. Aber das Heilige Abendmahl, das behält auch und gerade dann seine Kraft, wenn alle Energydrinks versagen. Das lässt euch immer wieder neu erfahren: Gott hat mich nicht verlassen, auch wenn ich ihn im Augenblick gar nicht kapiere. Das lässt euch erfahren: Gott lässt mich auch dann nicht fallen, wenn ich von ihm gar nichts spüre. Nein, natürlich braucht ihr das Heilige Abendmahl nicht bloß, wenn es euch mal richtig dreckig geht und ihr am Boden seid. Das braucht ihr immer, auch wenn es euch richtig gut geht. Aber wie ihr euch auch fühlen mögt: Das Heilige Abendmahl hat eine Langzeitwirkung, das wird euch durch euer Leben hindurchtragen, das werdet ihr mit 15 Jahren noch genauso brauchen wie mit 50 oder 95. Denn Kraft zum Leben, die braucht ihr in jeder Phase eures Lebens, Kraft, die euch geschenkt wird durch die Begegnung mit dem lebendigen Gott.

II.

Und damit sind wir schon beim Zweiten:
Was man mit Red Bull zu sich nimmt, kann man der Auflistung der Inhaltsstoffe auf der Dose schnell entnehmen: ein paar Aufputschmittel und viel Zucker. Das regt an, das macht einen für ein paar Stunden munter, das kann man schnell mal in sich hineinkippen.
Beim Heiligen Abendmahl ist das etwas ganz Anderes: Gewiss, wenn man die Elemente, die ihr hier empfangt, in einem Lebensmittellabor untersuchen lassen würde, dann würden die feststellen: Das bringt nicht viel: die kleine Hostie führt dem Körper kaum Energie zu, und der kleine Schluck Wein, den ihr zu euch nehmt, reicht nun wirklich nicht aus, um euch in irgendeiner Weise anzutörnen. Doch in Wirklichkeit empfangt ihr nun gleich hier unendlich mehr als bloß ein bisschen Brot und einen Schluck Wein. Sondern ihr empfangt jetzt gleich mit eurem Mund nicht weniger als den heiligen Leib und das heilige Blut eures Herrn, berührt jetzt gleich mit euren Lippen den lebendigen Gott.
Um zu erahnen, was das heißt, ist es nicht schlecht, wenn ihr euch, wie die Israeliten damals im Exil in Babylon, mal in einer sternenklaren Nacht nach draußen begebt und euch den Sternenhimmel anschaut und versucht euch vorzustellen, wie riesig das Weltall ist, von dem ihr ja nur einen ganz kleinen Ausschnitt zu sehen vermögt. Und dann macht euch klar: Der, der dieses gesamte Weltall geschaffen hat, der kommt in dieser kleinen Hostie, in diesem Schluck Wein zu euch, um in euch zu leben und zu wohnen. Weißt du nicht? Hast du nicht gehört? – So fragt der Prophet auch dich, wie er die Israeliten damals gefragt hat. Und du kannst antworten: Doch, ich weiß es, ich habe es gehört, jetzt in den letzten Monaten im Konfirmandenunterricht, jetzt auch wieder auf der Konfirmandenfreizeit. Ja, ich weiß es, dass ich nicht bloß Brot und Wein, nicht bloß ein Symbol zu mir nehme, sondern Christus, den lebendigen Gott, leibhaftig hier empfange. Ja, genau so werdet ihr es gleich miteinander mit den Worten aus Martin Luthers Kleinem Katechismus bekennen. Ja, ihr wisst es, ihr habt es gelernt – und doch: Verstehen können wir dieses Wunder alle miteinander nicht, dass sich der unendlich große Gott so klein macht, dass er in solch einer kleinen Hostie zu uns kommt. Aber dass wir es nicht verstehen können, heißt ja nicht, dass Gott nicht dazu in der Lage wäre, im Gegenteil: Sein Verstand ist unausforschlich, so betont es der Prophet hier. Für Gott ist möglich, was uns völlig unmöglich erscheint, und wir – wir können über dieses Wunder nur staunen.
Und von daher ist es auch völlig klar, dass wir das Heilige Abendmahl ganz anders zu uns nehmen, als wir eine Dose Red Bull zu uns nehmen. Das Heilige Abendmahl kann ich mir nicht einfach mal schnell reinziehen. Sondern dafür nehme ich mir bewusst Zeit, eben weil ich hier keinem Geringeren als Gott selber begegne. Nein, ich nehme das Heilige Abendmahl nicht so zu mir, dass ich dabei gleichzeitig an alle möglichen anderen Sachen denke. Sondern wenn der Herr der Welt leibhaftig zu mir kommt, dann gelten meine Gedanken, meine Sinne ganz ihm und keinem sonst, das ist doch klar. Da wird doch alles Andere unwichtig, wenn ich mit Christus, meinem Herrn, eins werde. Ja, auch das wisst ihr, auch das habt ihr gehört.

III.

Und wie ist das nun mit den Flügeln, die Gott uns im Heiligen Abendmahl verleihen will?
Nein, diese Flügel sind nicht irgendwelche Glücksgefühle, die das Heilige Abendmahl in dir hervorruft. Fühlen musst du gar nichts, wenn du das Heilige Abendmahl empfängst. Christus kommt zu dir, ganz gleich, was du dabei empfindest oder spürst. Nein, überlegen wir uns das mit den Flügeln noch einmal genauer, und stellen wir uns mal einen Menschen vor, der mit seinem Gleitschirm fliegt. Der macht ja eigentlich etwas scheinbar Wahnsinniges: Der rennt an einem Berghang entlang, und dann springt er einfach ins Nichts – und siehe da, er stürzt nicht ab, sondern er fliegt, fliegt nach oben. Sehen kann er nichts von dem, was ihn da hält und trägt, und doch erfährt er es: Ich werde von einer unsichtbaren Kraft gehalten.
Und so ähnlich ist das auch mit dem Heiligen Abendmahl: Da kannst du auch überhaupt nichts sehen von dem, was du da in Wirklichkeit empfängst. Doch wenn du dich darauf einlässt, dieses Heilige Mahl immer wieder zu empfangen, dann wirst auch du es erfahren: Auf unsichtbare Weise hält und trägt mich Gott durch dieses Heilige Mahl, führt mich so durch mein Leben. Glauben – so nennt die Bibel dieses Vertrauen darauf, dass Gott dich auf eine Weise hält und trägt, die du mit deinem Auge nicht erkennen kannst. Nein, von deinem Glauben ist nicht die Gegenwart deines Herrn im Heiligen Abendmahl abhängig, so wenig, wie der Wind unter den Flügeln des Gleitschirmfliegers von dessen Glauben abhängig ist. Der Wind ist da, ob er an ihn glaubt oder nicht. Christus ist auch leibhaftig da im Brot und Wein des Heiligen Mahles, auch wenn du es gar nicht glauben kannst. Aber gerade darum möchte Gott eben, dass du seiner Zusage vertraust und dich darauf verlässt, ja, dass du vor allem immer und immer wieder zu seinem Heiligen Mahl kommst.
Bei Red Bull gibt es in einigen Ländern Warnhinweise, dass man keine Überdosis von dem Zeug zu sich nehmen soll. Beim Heiligen Abendmahl braucht ihr keine Angst zu haben, dass ihr davon eine Überdosis bekommen könntet, dass ihr irgendwann zu oft zum Heiligen Abendmahl kommen könntet. Ihr braucht von nun ab an keinem Sonn- oder Feiertag darauf zu verzichten, dürft ihn, euren Herrn, von nun ab immer wieder empfangen und euch dadurch im Vertrauen auf ihn stärken lassen. Ja, Flügel will euch Christus durch das Heilige Mahl verleihen. Wenn euch in eurem Leben eure Schuld und euer Versagen zu Boden drückt, dann will er euch dies alles abnehmen, dass ihr wieder befreit nach oben aufsteigen könnt, und wenn schließlich der Tod den Flug eures Lebens endgültig zu beenden droht, dann werdet ihr’s erfahren, wie Christus euch auch durch den Tod hindurch nicht abstürzen lässt, sondern euch weiterfliegen lässt bis in den Himmel. Nein, das ist kein flotter Werbespruch, kein Werbegag – das ist Realität, nicht weniger wirklich als der Sternenhimmel, den ihr nachts über euch sehen könnt. Denn es ist derselbe Herr, der diesen Himmel geschaffen hat und der euch jetzt gleich zu sich ruft: Kommt, denn es ist alles bereit! Amen.