24.03.2008 | Apostelgeschichte 10, 34a.36-43 (Ostermontag)

OSTERMONTAG – 24. MÄRZ 2008 – PREDIGT ÜBER APOSTELGESCHICHTE 10,34a.36-43

Petrus aber tat seinen Mund auf und sprach: Gott hat das Wort dem Volk Israel gesandt und Frieden verkündigt durch Jesus Christus, welcher ist Herr über alle. Ihr wißt, was in ganz Judäa geschehen ist, angefangen von Galiläa nach der Taufe, die Johannes predigte, wie Gott Jesus von Nazareth gesalbt hat mit heiligem Geist und Kraft; der ist umhergezogen und hat Gutes getan und alle gesund gemacht, die in der Gewalt des Teufels waren, denn Gott war mit ihm. Und wir sind Zeugen für alles, was er getan hat im jüdischen Land und in Jerusalem. Den haben sie an das Holz gehängt und getötet. Den hat Gott auferweckt am dritten Tag und hat ihn erscheinen lassen, nicht dem ganzen Volk, sondern uns, den von Gott vorher erwählten Zeugen, die wir mit ihm gegessen und getrunken haben, nachdem er auferstanden war von den Toten. Und er hat uns geboten, dem Volk zu predigen und zu bezeugen, daß er von Gott bestimmt ist zum Richter der Lebenden und der Toten. Von diesem bezeugen alle Propheten, daß durch seinen Namen alle, die an ihn glauben, Vergebung der Sünden empfangen sollen.

Da klingelt bei mir eines Tages das Telefon. Am anderen Ende der Leitung meldet sich ein Imam aus einer Kreuzberger Hinterhofmoschee. In etwas gebrochenem Deutsch erklärt er: „Können Sie bitte zu uns kommen und uns etwas von Jesus erzählen. Wir möchten auch ihn glauben. Aber wir wissen nicht, wie und was.“ Ich atme tief durch: Nun also auch noch Türken in unserer Gemeinde; na, ob das gut geht? Ob das die anderen Gemeindeglieder so einfach akzeptieren werden? Aber dann ziehe ich los, klar, das ist ja meine Aufgabe, allen Menschen etwas von Jesus Christus zu erzählen.
Schwestern und Brüder, ich sehe, dass einige von euch jetzt gerade leicht erblasst sind, während andere vor Aufregung einen leicht roten Kopf bekommen haben: Mensch, das fehlt uns gerade noch: Türken hier bei uns in der Gemeinde; aber das kriegt der Pastor auch noch glatt fertig, die auch noch in unsere Gemeinde zu holen!
Um eines gleich von vornherein klarzustellen: Ich bekomme selber überhaupt nichts fertig; wenn das geschehen sollte, dann läge das sicher nicht an mir. Aber ich kann diejenigen, die jetzt eben ein leichtes Unwohlsein verspürt haben, ganz vorläufig beruhigen: Noch handelt es sich nur um eine ausgedachte Geschichte, die ich euch da eben zu Beginn erzählt habe. Nein, noch habe ich solch einen Anruf nicht erhalten.
Erzählt habe ich euch diese Geschichte nicht, weil es mir Spaß machen würde, euch ein bisschen zu schocken. Sondern ich habe euch diese Geschichte erzählt, damit ihr euch vielleicht ein wenig in den Petrus hineinversetzen könnt, wie es dem damals ging, als der seine Predigt hielt, die wir eben in unserer Predigtlesung gehört haben. Das eine war ihm als frommem Juden wie der ganzen ersten Gemeinde eigentlich doch immer klar gewesen: Mit Nichtjuden, mit Heiden sollten sie nichts zu tun haben, sollten sich von ihnen fern halten. Ja, innerlich ekelte es den Petrus vermutlich sogar bei dem Gedanken, mit einem Heiden gemeinsam in einem Haus am Tisch zu sitzen und zu essen. Doch nun schickt Gott selber den Petrus in das Haus des römischen Hauptmanns Kornelius, macht ihm auf dem Weg dorthin klar, dass eben auch Nichtjuden, auch Heiden ihren Platz im neuen Volk Gottes, in der Gemeinde Jesu Christi haben sollen. Ja, das kostete den Petrus einiges an Überwindung, zu dem Kornelius hinzugehen, und die Gemeinde in Jerusalem wird es erst einmal überhaupt nicht verstanden haben, was der Petrus da machte. Aber Petrus macht’s trotzdem – und wenn er und die anderen Apostel es nicht gemacht hätten, wenn sie nicht über den Schatten ihrer Vergangenheit gesprungen wären und das Evangelium auch denen verkündigt hätten, die nach ihrem bisherigen Verständnis als unrein galten, dann würden wir heute Morgen hier nicht in dieser Kirche sitzen und miteinander Gottesdienst feiern.
Ja, hochaktuell ist diese Geschichte vom Besuch des Petrus bei Kornelius, hochaktuell ist die Predigt, die Petrus dort damals gehalten hat. „Jesus ist Herr über alle!“ – So lautet seine Botschaft. Keinen Menschen gibt es, dem die frohe Botschaft von Christus nicht gelten würde, keinen Menschen gibt es, der die Rettung durch Christus nicht brauchen würde, ohne sie auskommen könnte. Und das gilt auch für uns hier in Berlin im Jahr 2008, in dieser Stadt, in der Menschen aus so vielen Völkern und Kulturen zusammenkommen, Menschen mit so ganz unterschiedlichen Lebensgeschichten. Doch die Botschaft, die wir auch ihnen auszurichten haben, ist immer dieselbe, so zeigt es uns Petrus hier in seiner Predigt. Sie lautet:

Jesus ist Herr
- über den Teufel
- über den Tod
- über die Sünde.

I.

In der Predigt, die der Petrus im Haus des Hauptmanns Kornelius hält, kommt der Apostel gleich zur Sache, erzählt gleich das Wichtigste, worum es im christlichen Glauben geht: Er erzählt von Christus, von dem, was er getan hat und was an ihm geschehen ist. Eine Urform des Apostolischen Glaubensbekenntnisses ist das, was wir hier eben gehört haben, und so manche Formulierung hat von daher dann auch tatsächlich in unser Apostolisches Glaubensbekenntnis Eingang gefunden. Doch einige Formulierungen lassen dann doch aufhorchen, weil sie so im Glaubensbekenntnis nicht auftauchen. Dazu gehört, dass Petrus ausdrücklich erwähnt, dass Christus die heilte, die in der Gewalt des Teufels waren. Zum christlichen Glauben gehört also für Petrus offenbar ganz elementar dazu, dass Christus der Herr auch über den Teufel ist.
Schwestern und Brüder, wenn wir als christliche Gemeinde heute im Jahr 2008 Menschen das Evangelium bezeugen, dann ist es auch für uns ganz wichtig, dass wir dabei immer auch mit dem Teufel zu tun haben und mit Christus, der der Herr über den Teufel bleibt. Das heißt nicht, dass wir da, wo wir das Evangelium verkündigen, immer auch gleich vom Teufel reden müssen. Der Teufel ist ja heutzutage zu so einer merkwürdigen Witzfigur oder zu einer Gruselgestalt entartet, dass die Leute sich erst einmal etwas ganz Falsches unter dem Teufel vorstellen, wenn man anfängt, von dem zu reden. Da müsste man immer erst mal etwas klarstellen. Aber wissen sollen wir als Christen, dass wir uns da, wo wir Christus bezeugen, immer in einen Kampf mit Mächten begeben, die um alles in der Welt verhindern wollen, dass Menschen den Weg in die Gemeinschaft mit Christus finden. Wir drängen den Leuten eben keine Rheumadecken zu unserem eigenen Vorteil auf, sondern wir müssen bei der Verkündigung des Evangeliums immer mit Widerständen ganz anderer Art rechnen, die wir nicht unterschätzen sollten.
Da stellen sich das ja viele Leute mit den Religionen so vor: Da haben sich verschiedene Menschen so ihre Gedanken über Gott gemacht, und daraus sind eben alle möglichen Religionen entstanden, und so hat jede Religion eben ihren eigenen Weg zu Gott. Ach, wenn das nur so einfach wäre! Doch Petrus lehrt uns hier, die Dinge ganz anders wahrzunehmen: Wo Menschen einer Religion verhaftet sind, die von Christus nichts wissen will, da sind diese Menschen letztlich im Machtbereich des Teufels, auch wenn sie sehr fromm sind und sich selber dabei sehr gut fühlen. Ja, in diesem Machtbereich der gottfeindlichen Mächte befinden sich überhaupt erst einmal alle Menschen seit ihrer Geburt, so haben wir es heute Morgen ja wieder sehr eindrücklich miterleben können: „Fahre aus, du unreiner Geist, und gib Raum dem Heiligen Geist!“ – So haben wir es eben bei der Taufe des kleinen Arthur gehört. So klein und süß er jetzt auch noch ist – Auch er hatte es nötig, dass Christus als sein Retter, als Herr auch über den Teufel in sein Leben trat.
Und in dieser Vollmacht unseres Herrn Jesus Christus dürfen wir als Kirche, als Christen immer wieder wirken, dürfen darauf vertrauen, dass Christus durch sein Wort, durch die Taufe Menschen auch heute den Mächten des Bösen zu entreißen und unter seine Herrschaft zu stellen vermag. Und darum sind Menschen, die einer anderen Religion angehören oder die überhaupt nichts von irgendeiner Religion wissen wollen, für uns als Christen niemals Gegner, die wir bekämpfen müssten. Sondern wir sollen und dürfen sie immer ansehen als Leute, die das befreiende Evangelium dringend nötig haben, auch wenn sie selbst davon noch gar nichts spüren und wahrnehmen. Und das gilt übrigens auch für Türken.

II.

Alle Menschen brauchen Christus als Herrn über den Teufel. Und alle Menschen brauchen Christus auch als Herrn über den Tod.
Es ist ja interessant, wovon der Petrus hier in seiner Predigt redet und wovon nicht. Er redet hier zum Beispiel überhaupt nicht davon, was Jesus alles so erzählt und verkündigt hat. Das ist sicher auch nicht unwichtig, aber das Wichtigste ist, was er getan hat, genauer gesagt: Das Wichtigste ist, dass er, Christus, auferstanden ist und lebt. Darauf legt Petrus hier in seiner Predigt das Schwergewicht.
Heutzutage ist für viele Menschen ja nur noch interessant, was Jesus so gesagt hat: dass er dafür war, dass sich die Menschen lieben und nicht hassen sollen, und dass er auch für die Kinder war. Und das stimmt ja auch, und das ist ja auch schön. Aber wenn Jesus nicht mehr gemacht hätte, als ein paar gute Sprüche fürs Poesiealbum abzusondern, dann könnten wir ihn letztlich doch vergessen. Das haben andere kluge Leute auch schon hingekriegt. Nein, das Allerwichtigste, was wir von Jesus wissen sollen, ist, dass er den Tod besiegt hat, dass er aus seinem Grab auferstanden ist, nein, nicht bloß irgendwie so geistig, sondern leibhaftig, so, dass er sich vor seinen Jüngern nach seiner Auferstehung einen Fisch-Mäc reinziehen konnte.
Und das ist nun in der Tat für alle Menschen auf der Welt entscheidend wichtig, dass sie das erfahren. Denn so unterschiedlich die Menschen auch sein mögen – das eine haben sie alle gemeinsam: Dass sie nämlich alle einmal werden sterben müssen, ja dass der Tod das Grundproblem ihres Lebens bleibt. Und dieses Grundproblem kriegen wir nun nicht dadurch in den Griff, dass wir uns irgendwelche netten Vorstellungen davon machen, wie es nach dem Tod mit uns wohl irgendwie weitergehen könnte. Sondern dieses Grundproblem hat nur einer, nämlich er, Christus, in den Griff gekriegt, indem er gezeigt hat, dass er stärker ist als der Tod, dass der Tod ihn nicht festhalten konnte. Und eben darum ist es für jeden Menschen wichtig, dass er von diesem Christus erfährt, ja mehr noch: dass er mit diesem Christus in der Taufe verbunden wird, wie heute Morgen nun auch Arthur. Da hat Arthur nun auch Anteil bekommen an dem Leben, das stärker ist als der Tod, das auch der Tod nicht zerstören kann. Ja, da ist es für Arthur nun heute tatsächlich ganz konkret Ostern geworden, als der auferstandene Christus im Wasser der Taufe in sein Leben hineingetreten ist. Ja, ganz real ist diese Gemeinschaft mit dem lebendigen Christus, die uns allen in unserer Taufe geschenkt worden ist, so real wie der Fisch-Mäc, den Christus damals zu Ostern verspeist hat. Und diese reale Gemeinschaft mit Christus, die braucht jeder Mensch, damit er nicht einfach irgendwo unter den Stiefmütterchen endet, und das war es dann. Darum hat Christus damals den Petrus und die anderen Apostel losgeschickt, um zu taufen und zu lehren. Und darum schickt er auch uns als Kirche los zu allen Völkern, auch zu allen Völkern hier in unserer Stadt Berlin, um zu taufen und zu lehren, um Menschen Anteil zu geben an Christi Sieg über den Tod. Ja, jeder Mensch, der irgendwann mal sterben muss, braucht das, jedes Baby und jeder Erwachsene, der noch nicht getauft ist, jeder Deutsche, jeder Iraner, jeder Russe – und übrigens auch jeder Türke.

III.

Und dann redet Petrus hier auch noch von der Sünde. Nun ja, damit erfüllt er ja scheinbar genau das Klischee, das viele Menschen sich von der Verkündigung der Kirche machen, dass da immer von der Sünde geredet wird und den Leuten da irgendwelche Moralpredigten gehalten werden, was sie alles nicht dürfen und warum sie sich immer ganz schlecht fühlen sollen, wenn sie es dennoch tun.
Doch davon redet Petrus hier gar nicht. Der redet hier nicht von Moral, sondern davon, dass Christus von Gott bestimmt ist zum Richter der Lebenden und der Toten. Das heißt: Vor Christus werden sich einmal alle Menschen verantworten müssen, werden sich einmal von ihm nach ihrem Leben fragen lassen müssen. Und dann wird Christus nicht fragen: Wie viele Stücke Sahnetorte hast du in deinem Leben gegessen, und wie oft hast du im Halteverbot geparkt, und bist du auch immer schön artig gewesen? Nein, dann, wenn Christus uns mal nach unserem Leben fragen wird, dann geht es ihm nur um eins: ob wir in unserem Leben mit ihm verbunden oder von ihm getrennt waren. Denn, so wisst ihr Konfirmanden es ja auch schon, genau das ist ja Sünde: Trennung von Gott. Und genau so geschieht umgekehrt Vergebung unserer Sünde, dass wir mit Gott wieder verbunden werden, in der Beichte und im Heiligen Abendmahl.
Ja, diese Vergebung haben alle Menschen nötig, nicht etwa, weil Nichtchristen schlechtere Menschen wären als Christen – ach nein, das wäre völliger Quatsch. Christen sind nicht besser als andere Menschen; aber sie haben es besser, weil sie wissen, wo sie ihre Schuld und ihr Versagen loswerden können, weil sie immer wieder von vorne anfangen können, weil sie nicht versuchen müssen, ihre Schuld zu verdrängen oder kleinzureden. Gott vergibt dir deine Schuld; er verbindet sich mit dir – davon wirst du nichts hören im Islam, davon wirst du nichts hören im Buddhismus, davon wirst du nichts hören in der Leistungsreligion unserer Tage, bei der die Schwachen, die Versager auf der Strecke bleiben. Nein, diese Vergebung findest du nur bei Christus, so verkündigte es damals der Petrus dem Kornelius, so dürfen auch wir es den Menschen heute bezeugen.
Gewiss, wo und wie Gott bei den Menschen dann den Glauben wirkt, wenn wir ihnen dies erzählen, das haben wir nicht in der Hand. Damals, als der Petrus predigte, da fiel der heilige Geist auf alle, die dem Wort zuhörten, so beschreibt es St. Lukas hier. Ja, dieser heilige Geist ist auch heute am Werk, wenn wir von Christus predigen und erzählen, wenn wir in unserer Verkündigung wirklich zur Sache kommen. Aber wo und wie er dann bei den Menschen Herzen öffnet, das können wir nicht beeinflussen. Doch damit rechnen sollen wir allemal, dass Gott auch durch unser oft so mickriges Zeugnis von Christus Menschen erreichen kann und will. Denn was Christus getan hat, das gilt doch für alle Menschen: für alle Deutschen, für alle Russen, für alle Iraner – und auch für alle Türken! Amen.