26.02.2008 | St. Lukas 9, 51-56 (Dienstag Nach Okuli)

DIENSTAG NACH OKULI – 26. FEBRUAR 2008 – PREDIGT ÜBER ST. LUKAS 9,51-56

Es begab sich aber, als die Zeit erfüllt war, dass er hinweggenommen werden sollte, da wandte er sein Angesicht, stracks nach Jerusalem zu wandern. Und er sandte Boten vor sich her; die gingen hin und kamen in ein Dorf der Samariter, ihm Herberge zu bereiten. Und sie nahmen ihn nicht auf, weil er sein Angesicht gewandt hatte, nach Jerusalem zu wandern. Als aber das seine Jünger Jakobus und Johannes sahen, sprachen sie: Herr, willst du, so wollen wir sagen, dass Feuer vom Himmel falle und sie verzehre. Jesus aber wandte sich um und wies sie zurecht. Und sie gingen in ein andres Dorf.

Der Countdown war schon angelaufen; es schienen nur noch Tage, ja Stunden zu sein, bis der deutsche Astronaut Hans Schlegel im Dezember letzten Jahres endlich mit der Raumfähre „Atlantis“ ins All starten sollte. Doch dann gab es immer wieder neue Probleme mit der Tankanzeige und mit dem Wetter. Immer wieder musste der Start verschoben werden, bis der Countdown schließlich ganz abgebrochen wurde. So kam Hans Schlegel im Jahr 2007 doch nicht mehr ins All.
Von einem Countdown ist auch in der Predigtlesung des heutigen Tages die Rede: Lukas benennt hier gleich zu Beginn den entscheidenden Wendepunkt im Wirken Jesu: Nun sind die Tage seiner Aufnahme erfüllt, wie es hier wörtlich heißt, nun setzt der Countdown ein, der Jesus nicht ins All, sondern ans Kreuz und von dort zum neuen Leben und zur Aufnahme in den Himmel befördern wird. Nein, Jesus steht kein aufregendes Erlebnis, nicht die Erfüllung eines Lebenstraumes bevor, wie Hans Schlegel, ganz im Gegenteil: Wenn er nun sein Angesicht Richtung Jerusalem richtet, dann muss er sein Angesicht hart machen wie einen Kieselstein, wie dies der Gottesknecht schon im Buch des Propheten Jesaja angekündigt hat. Nein, hart machen muss er sein Angesicht nicht bloß, weil ihm so Furchtbares, so Schreckliches dort in Jerusalem bevorsteht. Sondern hart machen muss er sein Angesicht noch viel mehr, weil es da so vieles gibt, was ihn daran hindern könnte und hindern will, diesen Weg nach Jerusalem immer weiterzugehen und damit unser Heil zu wirken. Nein, an Versuchen fehlt es wahrlich nicht, den Countdown auf dem Weg zum Kreuz zu unterbrechen, ja, nach Möglichkeit sogar den Abbruch des ganzen Unternehmens zu erzwingen. Alles unternehmen die Mächte der Finsternis, was in ihrer Macht steht, um Jesus davon abzuhalten, dort in Jerusalem, dort am Kreuz anzukommen.
Einen ersten Vorgeschmack davon erhält Jesus nun schon gleich am Anfang, kaum dass er sich auf den Weg nach Jerusalem begeben hat. Durch Samarien führt ihn sein Weg von Galiläa nach Judäa, und da man diesen Weg durch Samarien nicht an einem Tag schafft, muss für eine nächtliche Unterbringung gesorgt werden. Und so sendet Jesus Boten vor sich her, die sich schon einmal um die Quartierbeschaffung kümmern sollen. Doch statt einer gastfreundlichen Aufnahme, mit der es doch eigentlich rechnen konnte, erfährt das Vorauskommando Jesu eine barsche Zurückweisung: Pilger auf dem Weg zum Tempel nach Jerusalem waren nicht willkommen in dem Dorf, in dem sie übernachten wollten, denn Pilger auf dem Weg zum Tempel nach Jerusalem brachten damit ja zum Ausdruck, dass eben dieser Tempel in Jerusalem der Ort der wahren Gottesverehrung sei, während sie, die Samaritaner, doch davon überzeugt waren, dass der Garizim eben der Ort war, wo man Gott verehren sollte. Die Brüder Jakobus und Johannes regen sich darüber mächtig auf und wissen auch gleich, wie Jesus darauf reagieren soll: Er soll den Bewohnern des Dorfes zeigen, was eine Harke ist, soll genauso reagieren, wie Elia damals mit den Boten des Königs Ahasja umgegangen war: Er soll Feuer vom Himmel fallen lassen und sie alle umbringen. Was Elia konnte, das schafft Jesus doch erst recht ganz locker. Das konnte man sich doch einfach nicht gefallen lassen, so von diesen Leuten brüskiert zu werden. Doch Jesus gefällt dieser Vorschlag überhaupt nicht. Statt dort einen Feuerzauber zu veranstalten, nimmt er sich die beiden Herren Apostel zur Brust und bedroht sie, bedroht sie, wie er sonst Dämonen zu bedrohen pflegte. Nein, was die beiden da geäußert haben, das war keine fromme Idee, das war im Gegenteil teuflisch. Nein, Jesus zielt mit seinem Weg doch nicht darauf, Menschen verderben zu lassen; er ist doch gekommen, um Menschen zu retten, ist gekommen, zu suchen und selig zu machen, was verloren ist. Und darum vollbringt er hier kein Strafwunder, sondern zieht einfach weiter, zieht mit seinen Jüngern in ein anderes Dorf, wo sie unterkommen konnten.
Gleich zwei Versuche, den Countdown des Leidensweges Jesu zu stoppen, stellt uns St. Lukas hier vor Augen: die Ablehnung der Samaritaner und die Ungeduld und Rachsucht seiner eigenen Jünger. Doch Jesus lässt sich nicht aufhalten, ist nicht bereit, auch nur die geringste Verzögerung seines Countdowns hinzunehmen: Die Samaritaner, die ihn nicht aufnehmen wollen, lässt er mit ihrer Ablehnung ins Leere laufen, und die eigenen Jünger weist er zurecht.
Wenn wir nun auch in diesem Jahr wieder die Fastenzeit begehen, dann tun wir dies in eben diesem Wissen, dass niemand es am Ende geschafft hat, Gott dazu zu bewegen, den Countdown des Weges Jesu abzubrechen. Er, Jesus, ist den Weg unaufhaltsam weitergegangen, bis ans Kreuz und schließlich durch den Tod ins Leben der Auferstehung. Damit hat er ein für allemal alles erwirkt, was für uns nötig ist, um selig zu werden, um gerettet zu werden. Die Entscheidung ist gefallen.
Aber nun ist seit seiner Aufnahme in den Himmel ein neuer Countdown angelaufen: Nun läuft der Countdown bis zu seiner Wiederkunft. Wie lang Gott noch weiterzählen wird – wir wissen es nicht. Jedenfalls sollte uns dies in unserem Dienst immer wieder bewusst sein, dass wir arbeiten, während der Countdown unaufhörlich weiterläuft. Nein, das ist gerade keine Drohung: Es geht doch unserem Heil, unserer Rettung entgegen. Doch auf dem Weg dorthin stellen sich auch uns nun wieder die gleichen Hindernisse entgegen, die uns davon abhalten sollen und könnten, unseren Weg zu diesem Ziel unbeirrt fortzusetzen: Da erleben wir es als Vorauskommando unseres Herrn in unserer Arbeit eben auch immer wieder, dass wir abgelehnt, weggeschickt werden um unseres Herrn willen, weil man von dem nichts wissen will, erst recht nichts von seinem Weg ans Kreuz. Und da können wir uns noch so oft sagen, dass wir ja nur das Schicksal der ersten Jünger, ja das Schicksal Jesu selber teilen, wenn uns das passiert: Es wurmt uns immer wieder, regt uns auf, kränkt uns vielleicht gar, lässt uns vielleicht gar resignieren: Hat ja doch alles keinen Zweck! Und dann ist der Weg nicht mehr weit, dass auch wir uns auf diese blöden, eingebildeten Menschen, die uns wie den letzten Dreck behandeln, Feuer herabwünschen, dass der liebe Gott ihnen ganz kräftig eins auf die Mütze gibt oder sie vielleicht gar möglichst intensiv in der Hölle schmoren lassen möge. Wenn ich da zum xten Mal einen Besuch bei einem Gemeindeglied versuche und wieder nur sehe, wie die Gardine wackelt, und niemand öffnet; wenn ich vielleicht sogar hereingelassen werde und mir dann im Gespräch doch schnell signalisiert wird, wie primitiv ich doch bin mit meinen Ansichten im Vergleich zu der viel geistreicheren Weltsicht meiner Gastgeber; wenn mir ein Gemeindeglied zum zwanzigsten Mal versprochen hat, endlich in die Kirche zu kommen und mich dann doch wieder blöde dastehen lässt: Ach, da wäre doch ein bisschen Feuer vom Himmel mehr als angemessen. Und wenn der liebe Gott das schon nicht tut, dann können wir sie doch wenigstens aus der Gemeindekartei entfernen und so unseren kleinen Beitrag dazu leisten, dass diese Leute am Ende auch dort landen, wo sie hingehören!
Doch eben damit werden wir unserem Auftrag als Vorauskommando unseres Herrn nicht gerecht. Wir sind nicht dazu gesandt, um Menschen zu verdammen, um sie aufgeben, sondern um sie immer wieder einzuladen mit der Botschaft von unserem Herrn, von seiner Liebe und Geduld, die er uns Menschen immer wieder zeigt. Es mag sein, dass wir immer wieder auf Ablehnung stoßen, dass wir bei so vielen nicht weiterkommen, wie wir dies möchten. Nicht verdammen, sondern weitergehen, sagt Jesus, weitergehen in ein anderes Dorf, anderen die Botschaft vom Reich Gottes nahebringen. Die Ernte ist so groß, dass wir uns durch Misserfolge und Frustrationserfahrungen nicht davon abhalten lassen sollen und dürfen, weiterzumachen, weiterzuziehen als Boten unseres Herrn. Wir haben ihn, unseren Herrn, doch in unserem Dienst stets im Rücken; er zieht doch mit uns mit, wird uns immer wieder auch das Wunder erfahren lassen, dass er Türen öffnet, statt Feuer vom Himmel fallen zu lassen. Nichts kann Christus daran hindern, seinen Heilsplan auch bei uns, mit uns und vielleicht oft genug auch gegen uns durchzusetzen, Menschen selig werden zu lassen in der Kraft dessen, was er für sie am Kreuz erlitten hat. Und genau diese Botschaft vom Kreuz sollen und dürfen wir auch weiter den Menschen verkündigen – solange der Countdown noch läuft. Amen.