25.01.2008 | Jesaja 45, 22-25 (Tag der Bekehrung des Apostels Paulus)

TAG DER BEKEHRUNG DES APOSTELS PAULUS – 25. JANUAR 2008 – PREDIGT ÜBER JESAJA 45,22-25

Wendet euch zu mir, so werdet ihr gerettet, aller Welt Enden; denn ich bin Gott, und sonst keiner mehr. Ich habe bei mir selbst geschworen, und Gerechtigkeit ist ausgegangen aus meinem Munde, ein Wort, bei dem es bleiben soll: Mir sollen sich alle Knie beugen und alle Zungen schwören und sagen: Im HERRN habe ich Gerechtigkeit und Stärke. Aber alle, die ihm widerstehen, werden zu ihm kommen und beschämt werden. Im HERRN wird gerecht werden Israels ganzes Geschlecht und wird sich seiner rühmen.

„Wolle mer se eroilasse?“ – Wollen wir sie hereinlassen? Diese Frage wird in diesen Tagen bei den Sitzungen der Mainzer Fassnacht immer wieder gestellt. Und natürlich will das Publikum die Büttenredner hereinlassen, klatscht und jubelt, wenn diese unter den Klängen des Narhallamarsches einmarschieren. Schließlich kennt man die, die da einmarschiert kommen; sie gehören ja mit dazu!
Wollen wir sie hereinlassen? Wenn diese Frage nicht beim Karneval gestellt wird, sondern in der Politik, wenn es darum geht, Menschen aus anderen Ländern in unser Land hereinzulassen, da hört das Schunkeln dann in aller Regel sehr schnell auf, da hört man dann nicht unbedingt sofort ein fröhliches Ja, hört man vielmehr alle möglichen Bedenken und Einwände, weshalb man die, die da hereinkommen wollen, eben lieber doch nicht hereinlassen sollte.
Wollen wir sie hereinlassen? Diese Frage stellt sich auch uns als Kirche und Gemeinde immer wieder. Da kommen immer wieder Menschen an, die wir nicht kennen, wollen in unsere Gemeinde hinein – und wir, wir wissen ja eigentlich, dass wir nicht das Recht dazu haben, irgendjemanden nicht hereinzulassen. Aber vielleicht kommen uns dann manchmal doch Bedenken, ob das denn wirklich gut, ob das wirklich noch verkraftbar ist, wenn wir so viele Menschen immer wieder bei uns hereinlassen sollen.
Und damit sind wir nun schon mitten drin in der alttestamentlichen Lesung des heutigen Aposteltages. Die Worte, die wir eben vernommen haben, gehören zu den atemberaubendsten Worten des ganzen Alten Testaments überhaupt, auch wenn uns das vielleicht beim ersten Hören gar nicht so aufgefallen war. Da saßen die verschleppten Israeliten im babylonischen Exil, ein kleines Häuflein im Vergleich zu den großen Völkerscharen, die sie dort umgaben. Aussichtslos schien ihre Lage auf die Dauer zu sein; was ihnen noch blieb, war, dass man fest zusammenhielt, sich von der Außenwelt so weit wie möglich abschottete und so das kulturelle und religiöse Erbe bewahrte, das man aus Jerusalem mit ins Exil genommen hatte.
Doch nun tritt der Prophet Jesaja im Auftrag Gottes bei ihnen auf und verkündigt eine schier unfassliche Nachricht: Der Gott Israels wird die mächtigen Babylonier stürzen und sich damit als der Herr der Geschichte, wird sich als der Herr der Welt erweisen. Die, die im Augenblick noch als Sieger auf die Israeliten herabblicken, werden bald schon selber Besiegte sein, werden nicht mehr verhindern können, dass die Israeliten in ihre Heimat, nach Jerusalem werden zurückkehren dürfen. Und dann folgen die Worte unserer Predigtlesung. Eigentlich könnte man erwarten, dass Gott ankündigt, es denen heimzuzahlen, die sein Volk verschleppt und im Exil festgehalten hatten, dass er sich an ihnen nun rächt, wie sie es verdient haben. Doch stattdessen fängt Gott an, all diese anderen Völker, die Babylonier, die Perser, die Ägypter, zu sich einzuladen, fängt an, ihnen Heil und Rettung zu verkündigen. Aus dem kleinen mickrigen Häuflein der Exilierten in Babylon soll ein großes Volk aus Menschen aus allen Völkern werden, die alle miteinander dies eine vereint: Das Bekenntnis zu dem einen Gott und Herrn, in dem allein Gerechtigkeit und Stärke zu finden sind. Geradezu irrsinnig muss das damals für die Israeliten geklungen haben: Sie, die ihre Identität dort durch ihre Abgrenzung von anderen Völkern mühsam bewahrt hatten, sollten nun alle Völker bei sich aufnehmen, gemeinsam mit ihnen die Knie vor dem Gott Israels beugen? Wie sollte das denn möglich sein?
Gott machte bald darauf sein Wort wahr, erwies sich als Herr der Geschichte, schickte den Perserkönig Kyros, der die Israeliten befreite und in die Heimat zurückkehren ließ. Doch die Worte aus Jesaja 45 – sie blieben für Israel zunächst noch Zukunftsmusik. Noch musste man sich immer wieder gegen Überfremdung zur Wehr setzen, war nicht besonders geneigt, nun alle möglichen anderen Völker bei sich hereinzulassen. Gewiss, im Laufe der Jahrhunderte siedelten sich Juden überall im Mittelmeerraum an, lebten Tür an Tür mit Nichtjuden, und da geschah es im Laufe der Zeit, dass sich immer mehr Nichtjuden auch für die Botschaft der Bibel, für die Botschaft von dem einen, lebendigen Gott interessierten. Doch wer dann ins Volk Israel aufgenommen werden wollte, der musste sich damit auch verpflichten, das ganze jüdische Gesetz einzuhalten. Anders ging es nicht.
Genau so sah es auch der Rabbi Saul aus Tarsus damals. Nein, man konnte nicht einfach alle so ins Volk Gottes hereinlassen, das ging nicht. Denn auf keinen Fall durfte ja das Gesetz, diese wunderbare Gabe Gottes, in Frage gestellt werden, und wenn Menschen nicht dazu bereit waren, sich diesem Gesetz zu unterwerfen, dann hatten sie in Gottes Volk auch nichts verloren. Umso gefährlicher war es, was diese Leute da behaupteten, dass dieser Jesus von Nazareth, ein überführter Gotteslästerer, nach seiner Kreuzigung wieder auferstanden sei und dass er dazu aufgefordert habe, alle Menschen in die Gemeinschaft des Gottesvolkes einzuladen, weil ihm alle Macht gegeben sei im Himmel und auf Erden. Dagegen musste man einschreiten, das ging nicht, das hebelte doch das ganze Gesetz Gottes, die ganze Bibel aus. Denn dass Gott sich zu diesem Jesus bekennen könnte, ja dass dieser Jesus selber der Herr sein könnte, vor dem sich alle Knie beugen, das war doch vollkommen ausgeschlossen.
Doch dann kam sie, die entscheidende Wende im Leben des Rabbi Saul, von der wir eben in der Epistel des heutigen Festtags gehört haben: Er, der nach der festen Überzeugung dieses Saul doch gar nicht auferstanden sein konnte, erscheint ihm als der lebendige, auferstandene Herr, gibt sich ihm zu erkennen – und von einer Sekunde auf die andere ist es dem Saul klar: Das müssen alle Menschen wissen, dass dieser Jesus den Tod besiegt hat, ja, was er, Jesus, getan hat, das gilt für alle Menschen, ob sie aus dem Volk Israel stammen oder nicht. Und genau das war es ja auch, was der auferstandene Christus diesem Saul beibiegen wollte, so erzählt er es dem Hananias: Dieser ist mein auserwähltes Werkzeug, dass er meinen Namen trage vor Heiden und vor Könige und vor das Volk Israel, ja, eben auch vor die Heiden.
Musste Paulus also nun, nach jenem Ereignis vor den Stadttoren von Damaskus, mit dem Alten Testament brechen, konnte er es wegschmeißen, jetzt, wo er gesehen hatte, dass Christus des Gesetzes Ende ist? Nein, ganz und gar nicht, so erkannte Paulus, als er nun das Alte Testament noch einmal im Licht dessen studierte, was er da auf seinem Weg nach Damaskus gesehen hatte. Da in Jesaja 45 stand es doch schon längst: „Wendet euch zu mir, so werdet ihr gerettet, aller Welt Enden!“ Ja, aller Welt Enden sollen gerettet werden, allen Menschen, allen Völkern galt dieser Ruf Gottes doch schon im Alten Testament. Und diese Rettung, die geschieht einzig und allein, dass Menschen, vor ihm, dem wahren Gott, die Knie beugen, dass sie erkennen, wer dieser wahre Gott ist und wo man ihn finden kann. „Mir sollen sich alle Knie beugen und alle Zungen schwören und sagen: Im HERRN habe ich Gerechtigkeit und Stärke.“ – So heißt es hier bei Jesaja. Und wer dieser Herr denn ist, in dem wir Gerechtigkeit und Stärke finden, das hatte Paulus ja nun erfahren, und so zitiert er bald darauf in seinem Brief an die Christen in Philippi ein ganz altes Kirchenlied, das auf eben diese Worte des Jesaja Bezug nimmt: „Darum hat ihn, Jesus, auch Gott erhöht und hat ihm den Namen gegeben, der über alle Namen ist, dass in dem Namen Jesu sich beugen sollen aller derer Knie, die im Himmel und auf Erden und unter der Erde sind, und alle Zungen bekennen sollen: Jesus Christus ist der Herr, zur Ehre Gottes des Vaters.“ Ja, alle Völker sind eingeladen, mit Israel den einen Gott anzubeten, und alle Menschen, jeder einzelne, ist eingeladen, ihn, den einen Gott, eben dadurch anzubeten, dass er vor Christus die Knie beugt und bekennt: Er ist es, der Herr, der schon im Alten Testament gesprochen hat.
Wollen wir sie hereinlassen? Paulus hat in der Folgezeit auch in der Kirche große Kämpfe und Konflikte durchstehen müssen, weil es da auch so viele gab, die eben nicht alle hereinlassen wollten, die nicht zugestehen wollten, dass das Bekenntnis zu Christus als dem Herrn, dass die Taufe in seinem Namen ausreicht, um gerettet zu werden, um mit zum Volk Gottes zu gehören. Und herumgezogen ist Paulus, um tatsächlich allen Enden der Welt diese frohe Botschaft von ihrer Rettung durch Christus zu verkündigen.
Wollen wir sie hereinlassen? Was Gott damals den Israeliten im Exil verkündigte, was Paulus nach seiner Begegnung mit dem auferstandenen Christus neu entdeckte, betrifft auch uns unmittelbar. Ja, Gott hat auch uns hereingelassen in sein Volk, hat auch uns Rettung finden lassen in seinem Sohn Jesus Christus, die wir nicht aus dem jüdischen Volk stammen. Aus der kleinen Schar im Exil in Babylon ist ein Volk von mehr als einer Milliarde Menschen geworden, die sich zu Christus als ihrem Herrn bekennen, in ihm Gerechtigkeit und Stärke finden. Alle, wirklich alle Grenzen hat Gott selber damit gesprengt.
Und wir? Wir tun gut daran, von daher auch wirklich alle fröhlich bei uns hereinzulassen, die Gott in unsere Mitte führt, Menschen aus allen Völkern, Menschen, die wir jetzt im Augenblick vielleicht noch gar nicht wahrnehmen. Keinen wollen wir draußen vor lassen, der auf dem Weg zu Christus ist, der auch Anteil haben möchte an dem Heil, das er, der Herr, uns hier schenkt. Gott setzt seinen Willen durch, hat dazu damals den Paulus berufen und will auch uns wie ihn als seine Werkzeuge gebrauchen, dass noch viele die frohe Botschaft von Jesus Christus hören: „Wendet euch zu mir, so werdet ihr gerettet, aller Welt Enden; denn ich bin Gott, und sonst keiner mehr.“ Amen.