24.12.2009 | St. Lukas 2, 18 (Christvesper I)

CHRISTVESPER I – 24. DEZEMBER 2009 – PREDIGT ÜBER ST. LUKAS 2,18

Und alle, vor die es kam, wunderten sich über das, was ihnen die Hirten gesagt hatten.

„Die Hirten, die spinnen doch! Laufen herum und erzählen, ihnen seien Engel erschienen, und die hätten ihnen gesagt, dass da bei uns um die Ecke in einem Futtertrog unser Messias liegt, auf den wir so lange gewartet haben! Offenbar haben die da draußen bei der Kälte mal wieder einen zu viel gesoffen, bis sie nachher die Engelchen gesehen haben! Sonst wären sie wohl kaum auf die Idee gekommen, solch einen Quatsch weiterzuerzählen!“
Es mag sein, dass es nicht wenige Bewohner der kleinen Stadt Bethlehem gegeben hat, die am Morgen nach der Heiligen Nacht so auf die Worte der Hirten reagiert haben, als die ganz aufgeregt durch die Stadt liefen, um den Leuten zu erzählen, was sie da in der vergangenen Nacht erlebt hatten. Die Geschichte klingt ja eigentlich auch tatsächlich völlig verrückt: Wie würden wir wohl heute reagieren, wenn uns jemand erzählt, ihm seien gerade die himmlischen Heerscharen draußen bei einem Spaziergang begegnet?
Doch es mag sein, dass es damals in Bethlehem auch Menschen gegeben hat, die ein bisschen nachdenklicher waren und die Erzählungen der Hirten nicht gleich beiseite gepackt haben: „So durchgeknallt kamen uns die Hirten eigentlich gar nicht vor. Aber völlig verändert waren sie offenbar schon. Die strahlten eine Freude und einen Frieden aus – das passte doch eigentlich gar nicht zu diesen asozialen Typen, die da draußen vor der Stadt hausten. Also irgendwas Besonderes muss da offenbar schon passiert sein; sonst würden die so nicht reagieren!“
Und dann gab es vielleicht sogar manche, die sich noch an das erinnern konnten, was damals vor 700 Jahren der Prophet Micha einmal über ihre kleine Stadt geschrieben hatte: Aus dir soll mir der kommen, der in Israel Herr sei. Sollte sich Gottes Wort jetzt tatsächlich bei uns erfüllen? Das wäre ja unfasslich! Gott fängt mit uns noch einmal ganz von vorne an – Mensch, wenn das stimmen würde, dann müssten wir ja eigentlich genauso herumlaufen und das den anderen erzählen, wie das die Hirten auch getan haben!
Schwestern und Brüder, wir wissen nicht, was die Bewohner von Bethlehem damals tatsächlich im Einzelnen gedacht haben, als sie hörten, was ihnen die Hirten da erzählten. St. Lukas schreibt in der Weihnachtsgeschichte nur ganz kurz und knapp: „Und alle, vor die es kam, wunderten sich über das, was ihnen die Hirten gesagt hatten.“ Sie wunderten sich – kein Wunder, bei der Botschaft!
Nein, was die Bewohner von Bethlehem damals im Einzelnen gedacht haben, das braucht uns nicht sonderlich zu interessieren. Viel wichtiger ist dagegen, was wir darüber denken, was du darüber denkst. Du hast sie ja nun auch gehört, die Botschaft von der Geburt unseres Herrn Jesus Christus in Bethlehem, die Botschaft, die die Engel damals den Hirten verkündigt haben. Du hast sie ja nun auch gehört, vermutlich auch nicht zum ersten Mal. Und was denkst du darüber? Ein nettes, schönes Märchen, das jedes Jahr von neuem die Herzen der Menschen anrührt? Eine klassische Erzählung, die nun mal zur Allgemeinbildung eines anständigen Deutschen gehört? Oder ahnst du zumindest etwas davon, was das bedeuten würde, wenn das tatsächlich stimmen würde, was der Lukas hier berichtet, wenn das tatsächlich stimmen würde, was die Hirten damals den Leuten erzählt haben? Ahnst du zumindest etwas davon, dass das nicht ohne Folgen für dein Leben bleiben würde, wenn das tatsächlich stimmt, dass Gott zu uns Menschen gekommen ist, dass er Frieden schließen will zwischen dir und ihm, alles wegnehmen will, was dich von ihm trennt? Ahnst du zumindest etwas davon, dass du es hier nicht bloß mit einem Märchen zu tun hast, sondern mit einer Realität, nicht weniger real als der Tannenbaum und die Geschenke, die du heute Abend auspacken wirst? Ahnst du zumindest etwas davon, dass Gott auch dich ganz persönlich gemeint hat, als er dieses kleine Kind da im Stall von Bethlehem hat zur Welt kommen lassen? Ahnst du etwas davon, was Gott für dich eingesetzt hat, um dich in seine Gemeinschaft zurückzuholen?
Ja, du kannst natürlich antworten wie so mancher Einwohner von Bethlehem damals: Die Hirten, auf lateinisch: die Pastoren, die spinnen. Das liegt wohl an ihrem Job. Ja, du kannst dich natürlich nachher, wenn du aus der Kirche rausgehst, ein paar Mal kräftig schütteln und all das, was du jetzt hier gehört hast, hinter dir lassen, weil das jetzt anschließend für dich und dein Leben keine Bedeutung mehr hat. Doch Gott lädt dich ein, das ernst zu nehmen, was du heute Abend hier hörst. Er lädt dich ein, wie die Hirten den Weg zu Christus, seinem Sohn, zu finden, nicht nur heute Abend, sondern immer wieder, wenn dieses Kind in der Krippe dich einlädt, zu ihm zu kommen, ihm zu begegnen hier im Heiligen Abendmahl.
Die Bewohner von Bethlehem, die haben sich zumindest alle, so unterschiedlich sie auch waren, über das gewundert, was sie gehört hatten. Ja, das wünsche ich euch auch, dass ihr euch zumindest wundert über das, was ihr heute Abend hier hört, dass ihr darüber staunt und es nicht gleich wieder vergesst. Und dafür bekommt ihr, bekommen ganz konkret die Kinder jetzt gleich noch eine Gedächtnisstütze: Unser Bastelkreis hat in den letzten Wochen und Monaten wieder Weihnachtsgeschenke für euch gebastelt: wunderschöne Puppen, alle ganz unterschiedlich, alle bis in die kleinsten Details handgefertigt. Jede Puppe sieht ganz unterschiedlich aus, genauso, wie ihr alle auch ganz unterschiedlich seid. Aber die Puppen sollen eben nicht bloß Puppen sein. Sie sollen euch an die ganz unterschiedlichen Bewohner von Bethlehem erinnern, die doch dies eine gemeinsam hatten: Sie haben sich gewundert, haben gestaunt über das, was sie von den Hirten gehört hatten. Mögen euch auch diese Puppen immer wieder an das erinnern, was ihr hier gehört habt, dass ihr nicht nur morgen, sondern auch im kommenden Jahr immer noch dran denkt: Gottes Sohn ist auch für mich in Bethlehem geboren. Mensch, darüber kann man sich wirklich nur wundern! Amen.