21.05.2009 | St. Lukas 24, 44-53 (Christi Himmelfahrt)

CHRISTI HIMMELFAHRT – 21. MAI 2009 – PREDIGT ÜBER ST. LUKAS 24,44-53

Er sprach aber zu ihnen: Das sind meine Worte, die ich zu euch gesagt habe, als ich noch bei euch war: Es muss alles erfüllt werden, was von mir geschrieben steht im Gesetz des Mose, in den Propheten und in den Psalmen. Da öffnete er ihnen das Verständnis, sodass sie die Schrift verstanden, und sprach zu ihnen: So steht's geschrieben, dass Christus leiden wird und auferstehen von den Toten am dritten Tage; und dass gepredigt wird in seinem Namen Buße zur Vergebung der Sünden unter allen Völkern. Fangt an in Jerusalem und seid dafür Zeugen. Und siehe, ich will auf euch herabsenden, was mein Vater verheißen hat. Ihr aber sollt in der Stadt bleiben, bis ihr ausgerüstet werdet mit Kraft aus der Höhe.
Er führte sie aber hinaus bis nach Betanien und hob die Hände auf und segnete sie. Und es geschah, als er sie segnete, schied er von ihnen und fuhr auf gen Himmel. Sie aber beteten ihn an und kehrten zurück nach Jerusalem mit großer Freude und waren allezeit im Tempel und priesen Gott. 

Heute ziehen sie also wieder in Scharen los ins Grüne, bewaffnet mit Bollerwagen, alkoholischen Getränken und was eben sonst noch so dazugehört zu einem anständigen Vatertag. Ja, zum Vatertag ist das heutige Christusfest für die meisten Menschen in unserem Lande mittlerweile degeneriert, weil die Leute mit der Himmelfahrt Christi so gar nichts mehr anfangen können. Und so feiert man eben stattdessen den Vatertag, besser gesagt: An diesem Tag feiern sich in vielen Fällen die Väter selber, hauen ab aus der Familie, während es beim Muttertag ja gerade umgekehrt darum geht, dass sich die Familie bei der Mutter einfindet und sich um sie schart.
Die meisten Väter, die sich heute ins Grüne verziehen, werden voraussichtlich heute Abend wiederkommen – in welchem Zustand, ist natürlich noch mal eine andere Frage. Aber es gibt eben leider auch mehr als genügend Väter in unserem Land, die sich nicht bloß mal am Himmelfahrtsfest für ein paar Stunden verdrücken, sondern die sich insgesamt aus dem Staub machen, die Familie, für die sie doch eigentlich eine Verantwortung haben, im Stich lassen, für sie nicht mehr zu erreichen sind, jedenfalls dann nicht, wenn es drauf ankommt, wenn sie wirklich gebraucht werden. Ja, natürlich gibt es auch Mütter, die in ähnlicher Weise ihre Familie im Stich lassen, aber nach den Erfahrungen, die ich so gemacht habe, neigen Männer offenbar eher dazu, sich ihrer Verantwortung zu entziehen, sich zu verdünnisieren und die, die auf sie angewiesen sind, hilflos zurückzulassen.
Eine ganz ähnliche Geschichte wird uns scheinbar auch im Heiligen Evangelium dieses heutigen Festtags erzählt: Da macht sich auch einer aus dem Staub, entzieht sich den Blicken derer, die zu ihm gehören, ist für sie nicht mehr verfügbar, lässt sie scheinbar ganz allein zurück. Doch wenn wir genauer hinschauen, stellen wir fest, dass es hier im Evangelium eben doch nicht bloß um die sich immer wiederholende Geschichte eines Mannes geht, der die Seinen sitzen lässt. Denn diejenigen, die zurückbleiben, die stehen nicht traurig da, die sind nicht verzweifelt, sondern die jubeln und loben Gott angesichts dieses Abschieds, den sie da gerade erlebt haben. Dass eine Familie erleichtert aufatmet, wenn der Familientyrann endgültig auszieht, das gibt es ja durchaus – aber große Freude und großer Jubel brechen selbst in solchen Fällen in aller Regel bei den Zurückgebliebenen nicht auf.
Doch im Heiligen Evangelium des heutigen Festtags, da wird so richtig gefeiert. Denn der Abschied, den die Jünger hier miterleben, bedeutet eben gerade nicht, dass sie, die Jünger, nun von ihrem Herrn und Meister getrennt wären, dass sie nun ganz allein klarkommen müssten. Im Gegenteil: Jesus, ihr Herr, lässt ihnen nicht bloß einen Abschiedsbrief und ein paar Alimente zurück, sondern er sorgt dafür, dass es den Jüngern nicht schlechter geht als vorher, dass sie alles haben, was sie brauchen, um auch weiterhin ein Leben gemeinsam mit ihm, in seiner Gemeinschaft zu führen. Denn Jesus versorgt sie 

- mit seinem Wort
- mit seinem Geist
- mit seinem Segen

I.

Es ist ja schon ganz interessant zu sehen, was Jesus nach seiner Auferstehung mit seinen Jüngern macht: Er isst mit ihnen, und er erklärt ihnen die Heilige Schrift. Das sind offenbar die beiden Dinge, die Jesus für das zukünftige Leben der Jünger für besonders wichtig hält: Dass sie es einüben, beim Essen und Trinken seine Gegenwart zu erfahren, und dass sie es einüben, beim Lesen der Heiligen Schrift immer wieder ihn, Christus, zu entdecken und ihn dadurch immer besser zu verstehen. Eine Bibelstunde hält Jesus nach seiner Auferstehung erst mal mit seinen Jüngern ab – und die Jünger, sie stöhnen nicht darüber, weil das so langweilig klingt, weil sie doch eigentlich nun wirklich was Wichtigeres und Interessanteres zu tun hätten. Nein, denen brennt ihr Herz dabei, so bezeugen sie es selber, denen geht ein Licht nach dem anderen auf, die fangen dadurch überhaupt erst so richtig an zu kapieren, wer Jesus eigentlich ist, warum er den Weg gehen musste, den er gegangen ist, ja, wie dieser Weg für sie nun weitergehen soll.
Fast 2000 Jahre ist es mittlerweile schon her, seit Jesus sich damals am Ölberg von seinen Jüngern verabschiedet hat und nun nicht mehr sichtbar für uns zu erkennen ist. Und dennoch sind wir nicht in einer schlechteren Lage als die Jünger damals, als sie sich auf den Rückweg von Betanien nach Jerusalem machten. Denn auch wir haben sie immer noch, die Heilige Schrift, haben mittlerweile neben dem Alten Testament auch das Neue Testament, haben damit alles, was wir brauchen, um verstehen zu können, wer er, Jesus, ist, was er für uns getan hat, ja, was er heute noch für uns tut. Und diese Heilige Schrift können wir lesen und hören, können uns darin immer wieder von Neuem auf Entdeckungsreise begeben, werden feststellen, dass uns Christus dadurch immer besser und klarer vor Augen tritt. Nein, die Heilige Schrift ist eben nicht bloß ein Jahrtausende altes Buch, ein Buch aus ferner Vergangenheit. Sondern wenn wir uns damit beschäftigen, werden auch wir es erfahren: In diesem Wort der Heiligen Schrift ist der auferstandene Christus selber gegenwärtig, redet auch heute zu uns, spricht auch hier und jetzt in unser Leben hinein. Genau das geschieht in jeder Predigt, genau das geschieht, wenn wir zu Hause den Feste-Burg-Kalender lesen, das geschieht, wenn wir uns in Gemeindekreisen mit der Bibel befassen. Da entdecken wir es immer wieder neu: Christus hat sich damals am Himmelfahrtstag nicht einfach aus dem Staub gemacht, hat uns damals nicht sitzen lassen, sondern ist uns hier und jetzt noch viel näher, als er damals vor Ostern den Jüngern nahe gewesen ist. Und darum haben auch wir allen Grund, heute am Tag der Himmelfahrt Christi ganz fröhlich zu feiern, wie die Jünger damals fröhlich gewesen sind, weil Christus eben nicht in den Tiefen des Weltalls abgetaucht ist, sondern zu uns spricht und uns die Augen öffnet für ihn, für sein Wort, wie damals den Jüngern auch.

II.

Doch nun macht Christus seinen Jüngern hier zugleich deutlich, dass er ihnen bei seiner Verabschiedung noch mehr hinterlässt als sein Wort. Hätten wir nur das Wort an sich, dann hätten wir vielleicht trotz allem immer noch den Eindruck, Christus bliebe weit entfernt von uns, irgendwo in der Vergangenheit, weit weg von unserem Leben, von dem, was wir hier und jetzt erfahren. Doch eben darum verspricht Christus seinen Jüngern, verspricht er auch uns noch viel mehr: Er verspricht uns seinen Geist, den Geist Gottes, den Heiligen Geist. Gewiss, das Wort „Heiliger Geist“ nimmt Jesus hier nicht direkt in den Mund; aber was er meint, das wird auch so ganz klar: „Siehe, ich will auf euch herabsenden, was mein Vater verheißen hat“, so sagt es Christus hier zunächst. Der Geist Gottes, er wird schon im Alten Testament angekündigt als Gabe der neuen Zeit des Heils, die Gott am Ende heraufführen wird. Und dieser Geist, den Gott der Vater schon lange angekündigt hat, der wird nun von Christus gesandt. Wenn Gottes Geist zu uns kommt, dann erfahren wir durch dieses Kommen, dass Christus selber als der lebendige Herr bei uns am Werk ist, dass er sich um uns kümmert, uns nicht im Stich lässt. Nein, der Heilige Geist ist kein notdürftiger Ersatz dafür, dass Christus verschwunden ist, sein Kommen bedeutet auch nicht so eine Art von Gegenwart Christi in leicht verdünnter, vergeistigter Form. Sondern durch den Heiligen Geist ist Christus selber in unserer Mitte am Werk, arbeitet an uns, hilft uns, an ihn zu glauben, ja mehr noch: hilft uns dazu, ihn, Christus, auch anderen zu bezeugen. „Kraft aus der Höhe“ nennt Christus darum den Heiligen Geist hier auch. Ja, der Heilige Geist befähigt uns zu etwas, wozu wir allein überhaupt nicht in der Lage wären: an Christus zu glauben, von ihm zu reden, Kirche und Gemeinde zu bauen.
Zehn Tage nach seiner Himmelfahrt hat Christus damals seine Ankündigung eingelöst, hat den Jüngern den Heiligen Geist geschickt, hat mit dem Bau seiner Kirche begonnen, als sich damals zu Pfingsten gleich 3000 Menschen taufen ließen. Und seitdem macht Christus sein Versprechen immer und immer wieder in seiner Kirche wahr, ja, auch bei uns. Dass wir heute Morgen hier in der Kirche sitzen, ist kein Zufall, liegt nicht bloß daran, dass es nachher Pizza für die Jugendlichen gibt. Sondern es liegt daran, dass Christus durch seinen Geist auch euch den Glauben geschenkt hat, dass er euch, liebe Jugendliche, diesen Glauben bei eurer Konfirmation durch seinen Geist noch einmal neu gestärkt hat, dass ihr nun auch weiter fröhlich und gerne hierher zum Gottesdienst kommt. Nein, nicht mit Feuerflammen kommt der Heilige Geist zu uns; Christus wählt dafür bei uns viel unscheinbarere Wege: Er benutzt gerade dafür eben auch sein Wort, von dem wir eben schon gehört haben. Ja, wenn wir Gottes Wort hören und lesen, dann arbeitet dadurch eben der Heilige Geist an uns und in uns, und das heißt: Dann arbeitet gerade so Christus selber an uns und in uns, damit er für uns immer wichtiger wird. Und durch seinen Geist führt uns Christus dann eben auch immer wieder hier zu seinem Altar, wo wir ihn dann nicht bloß irgendwie geistig, sondern leibhaftig empfangen, wo wir es ganz direkt erfahren dürfen, dass Christus sich nicht aus dem Staub gemacht hat, uns nicht hat sitzen lassen, sondern auch weiter bei uns ist, ach: was sage ich! Nicht bloß bei uns, sondern in uns lebt er durch das Heilige Mahl, gerade weil er durch seine Himmelfahrt die Grenzen von Raum und Zeit endgültig hinter sich gelassen hat. Ja, eben darum ist der heutige Tag für uns Christen ein Freudenfest, weil der Heilige Geist uns die Augen dafür öffnet, dass Christus nicht verschwunden, sondern in unserer Mitte gegenwärtig ist, um uns alles zu schenken, was wir brauchen, um in seiner Gemeinschaft zu leben.

III.

Und dann schildert uns St. Lukas hier auf geradezu atemberaubende Weise die Himmelfahrt unseres Herrn. Nein, er zeigt uns hier keinen Raketenstart, wir sehen hier auch keine Beine, die unten aus einer Wolke herausbaumeln, sondern wir sehen Christus, wie er die Hände zum priesterlichen Segen erhebt: Christus segnet die Jünger, teilt ihnen seine Gegenwart, seine Lebensmacht mit, die stärker ist als der Tod und alle Mächte des Bösen – und während er dies tut, wird er aufgenommen in Gottes Welt, kann er von den Jüngern nicht mehr mit ihren Augen wahrgenommen werden. Christus segnet und segnet und segnet – und das tut er auch noch, als er nicht mehr zu sehen ist, ja er segnet immer weiter, segnet bis zum heutigen Tag.
Die Jünger, sie sanken damals auf die Knie, als Jesus seine Hände zum Segen erhob, knieten, bis er schließlich nicht mehr zu sehen war – und dann kehrten sie nach Jerusalem zurück. Schwestern und Brüder, ich hoffe, euch wird auf dem Hintergrund dessen, was St. Lukas hier schildert, klar, was auch am Schluss eines jeden Gottesdienstes hier bei uns geschieht: Da hebe ich am Schluss des Gottesdienstes ebenfalls meine Hände über euch, wie es Jesus damals bei seiner Himmelfahrt getan hat – und ihr, ihr sinkt, wenn es euch denn möglich ist, ebenfalls auf die Knie, wie es die Jünger damals getan haben. Nein, natürlich kniet ihr nicht vor mir nieder, sondern vor dem auferstandenen Christus, der euch durch meine aufgehobenen Hände selber segnet, weil er mit seinem Segnen seit seiner Himmelfahrt nicht mehr aufgehört hat.
Und dann dürft auch ihr ganz fröhlich nach Hause gehen, weil Christus auch euch durch seinen Segen seine Lebensmacht mitgeteilt hat, seine Gegenwart, die euch nun auch in den kommenden Tagen wieder begleitet und umgibt, euch Kraft schenkt, euer Leben als Christen im Alltag zu führen, euch Kraft schenkt auch im Kampf gegen all die Mächte, die euch wieder von ihm, Christus, wegziehen wollen.
Die Jünger sind dann nach ihrer Rückkehr vom Ölberg nicht doch noch mit dem Bollerwagen ins Grüne gezogen, sondern sie haben sich in Jerusalem gleich in den Tempel begeben, in das Haus Gottes. Denn das war ihnen klar: Der Gott Israels, der dort im Tempel verehrt und angebetet wurde, das war kein anderer als der Vater ihres Herrn Jesus Christus, ja, dort im Tempel konnten sie die Anbetung ihres Herrn Jesus Christus fortsetzen, mit der sie dort am Ölberg begonnen hatten.
Schwestern und Brüder, auch uns hat Christus nach seiner Himmelfahrt eine Adresse hinterlassen, wo wir ihn immer wieder finden und antreffen können, wo er sich uns nicht entzieht, sondern uns mit offenen Armen empfängt: Es ist die Riemeisterstraße 10, in die wir immer wieder zurückkehren dürfen und es immer wieder erleben dürfen: Christus hat sich nicht aus dem Staub gemacht; der ist nicht froh, uns endlich mal los zu sein. Sondern der wartet im Gegenteil auf uns, wartet darauf, uns hier schon bald wieder seinen Segen mitzuteilen, wartet darauf, in seinem Wort zu uns zu reden und uns mit seinem Geist zu beschenken. Nein, wir haben keinen Grund, uns verlassen vorzukommen, keinen Grund, enttäuscht zu sein, erst recht keinen Grund, in Panik zu geraten, weil wir jetzt allein dastehen. Das ist heute hier kein Abschiedsgottesdienst für Christus, sondern der Start einer wunderbaren Geschichte zwischen ihm und uns. Ja, Gott geb’s, dass man das auch von euch in Zukunft immer wieder wird sagen und schreiben können, was St. Lukas hier von den Jüngern berichtet: Sie kehrten zurück mit großer Freude und waren allzeit im Haus Gottes und priesen Gott. Amen.