10.04.2009 | St. Johannes 19, 16-30 (Karfreitag)

KARFREITAG – 10. APRIL 2009 – PREDIGT ÜBER ST. JOHANNES 19,16-30

Da überantwortete er ihnen Jesus, dass er gekreuzigt würde. Sie nahmen ihn aber und er trug sein Kreuz und ging hinaus zur Stätte, die da heißt Schädelstätte, auf Hebräisch Golgatha. Dort kreuzigten sie ihn und mit ihm zwei andere zu beiden Seiten, Jesus aber in der Mitte. Pilatus aber schrieb eine Aufschrift und setzte sie auf das Kreuz; und es war geschrieben: Jesus von Nazareth, der König der Juden. Diese Aufschrift lasen viele Juden, denn die Stätte, wo Jesus gekreuzigt wurde, war nahe bei der Stadt. Und es war geschrieben in hebräischer, lateinischer und griechischer Sprache. Da sprachen die Hohenpriester der Juden zu Pilatus: Schreib nicht: Der König der Juden, sondern dass er gesagt hat: Ich bin der König der Juden. Pilatus antwortete: Was ich geschrieben habe, das habe ich geschrieben. Als aber die Soldaten Jesus gekreuzigt hatten, nahmen sie seine Kleider und machten vier Teile, für jeden Soldaten einen Teil, dazu auch das Gewand. Das war aber ungenäht, von oben an gewebt in einem Stück. Da sprachen sie untereinander: Lasst uns das nicht zerteilen, sondern darum losen, wem es gehören soll. So sollte die Schrift erfüllt werden, die sagt (Psalm 22,19): »Sie haben meine Kleider unter sich geteilt und haben über mein Gewand das Los geworfen.« Das taten die Soldaten. Es standen aber bei dem Kreuz Jesu seine Mutter und seiner Mutter Schwester, Maria, die Frau des Klopas, und Maria von Magdala. Als nun Jesus seine Mutter sah und bei ihr den Jünger, den er lieb hatte, spricht er zu seiner Mutter: Frau, siehe, das ist dein Sohn! Danach spricht er zu dem Jünger: Siehe, das ist deine Mutter! Und von der Stunde an nahm sie der Jünger zu sich. Danach, als Jesus wusste, dass schon alles vollbracht war, spricht er, damit die Schrift erfüllt würde: Mich dürstet. Da stand ein Gefäß voll Essig. Sie aber füllten einen Schwamm mit Essig und steckten ihn auf ein Ysoprohr und hielten es ihm an den Mund. Als nun Jesus den Essig genommen hatte, sprach er: Es ist vollbracht!, und neigte das Haupt und verschied.

„Der Tod am Kreuz wird durch eine allgemeine Hyp- und Anoxie hervorgerufen, die durch traumatischen Schock, orthostatischen Kollaps, Ateminsuffienz und Herzbeuteltamponade verursacht werden und sich in ihren Auswirkungen gegenseitig verstärken.“ – So lautet das Ergebnis einer medizinischen Dissertation von Christoph Mario Pilz über den Tod am Kreuz aus dem Jahr 1986. Der Schock, den der Schmerz der durchbohrten Hände und Füße auslöst, das Blutabsacken in die untere Körperhälfte, das allmähliche Ersticken dadurch, dass man in der Kreuzigungshaltung nicht mehr richtig atmen kann, und die Ansammlung von Flüssigkeit im Herzen – sie alle miteinander führen schließlich zu einem Versagen der lebenswichtigen Organe.
Wissen wir damit also darüber Bescheid, was damals an jenem Karfreitag vor knapp 2000 Jahren draußen vor den Stadttoren Jerusalems auf dem schädelförmigen Hügel namens Golgatha tatsächlich passiert ist? Ja und nein. Auf der einen Seite lässt sich der Tod Jesu in der Tat auch medizinisch beschreiben; Jesus ist ja nicht bloß einen Scheintod gestorben, sondern er ist tatsächlich erstickt, bei ihm haben tatsächlich die Organe versagt, er hat nicht nur scheinbar, sondern wirklich gelitten, grausam gelitten, wie wir uns das alle miteinander kaum vorstellen können, und wenn wir an diesem Tag noch so sehr versuchen mögen, uns in ihn, Jesus, einmal hineinzuversetzen.
Doch in Wirklichkeit haben wir mit einer rein medizinischen Beschreibung des Endes Jesu eben doch noch gar nichts verstanden, so macht es uns St. Johannes im Heiligen Evangelium des heutigen Tages höchst eindrücklich deutlich. Unendlich mehr geschehen ist dort am Kreuz als bloß ein traumatischer Schock oder eine Herzbeuteltamponade bei einem bedauernswerten Menschen. Nein, St. Johannes lässt uns viel tiefer blicken, lässt uns erahnen, dass sich dort an jenem Karfreitag in Jerusalem nicht weniger als das wichtigste Ereignis der Weltgeschichte abgespielt hat, ein Ereignis, das seine Bedeutung bis an den letzten Tag dieser Welt und ihrer Geschichte behalten wird. Denn dort am Kreuz, so zeigt es uns St. Johannes,

- leidet Gott selber
- wird eine neue Familie gestiftet
- vollzieht sich die Wende der Zeiten

I.

Im Vergleich zu den Beschreibungen von Dr. Pilz über die medizinischen Vorgänge in einem gekreuzigten Menschen geht es hier im Heiligen Evangelium sehr viel appetitlicher zu. Sehr zurückhaltend schildert St. Johannes diesen brutalen Vorgang der Kreuzigung, so zurückhaltend, dass bestimmte neunmalkluge Ausleger allen Ernstes gemeint haben, Johannes würde in seinem Evangelium die Kreuzigung Jesu eigentlich gar nicht richtig ernst nehmen; die Kreuzigung wäre für Jesus als Sohn Gottes bei Johannes nicht viel mehr gewesen als ein etwas ungemütlicher Nachmittagsspaziergang: sich kurz mal kreuzigen lassen und dann ab in den Himmel.
Doch wer so etwas behauptet, der hat in Wirklichkeit nicht genau genug hingeschaut auf das, was St. Johannes hier schildert. Gewiss, Johannes wählt andere Mittel der Beschreibung der Kreuzigung als etwa Mel Gibson in seinem blutigen Film „Die Passion Christi“. Und richtig ist auch, dass St. Johannes in seinem ganzen Evangelium, auch hier in der Passionsgeschichte, uns vor Augen hält, dass Jesus eben nicht bloß ein großer Lehrer, ein weiser Mensch war, sondern der Sohn des lebendigen Gottes. Aber gerade auf diesem Hintergrund fangen die Aussagen des Evangelisten hier noch einmal besonders an zu leuchten:
„Er trug sein Kreuz“ – so beginnt der Evangelist hier seine Schilderung der Kreuzigung. „Er trug sein Kreuz“ – ja, natürlich wusste auch St. Johannes von Simon von Kyrene, wusste davon, dass der schließlich mitgeholfen hat auf dem Weg hoch nach Golgatha. Doch St. Johannes ist es wichtig festzuhalten, dass Jesus selber sich mit diesem Kreuz abgeschleppt hat, ganz gleich ob da noch jemand anders später dazugekommen ist oder nicht. Denn das Kreuz im tiefsten Sinne dieses Wortes, das konnte ihm keiner abnehmen, auch kein Simon von Kyrene, denn was da eigentlich auf den Schultern Jesu lastete, das hatte Johannes der Täufer ja schon gleich zu Beginn des Evangeliums verkündigt: Siehe, das ist Gottes Lamm, das der Welt Sünde trägt. Und nun schleppt sich das Lamm Gottes mit diesem Kreuz ab, mit der Sünde der ganzen Welt, die nur er tragen kann, keiner sonst. O nein, nie und nimmer war das bloß ein Nachmittagsspaziergang für Jesus, nie und nimmer bloß eine leichte Übung für einen Gottessohn. An diesem Tragen geht er schließlich zugrunde, stirbt daran, so schildert es auch Johannes.
Und dann hängt er da schließlich in der Luft, er, der ewige Gottessohn. Wir kennen Darstellungen des Gekreuzigten zu Genüge. Sehr unterschiedlich sehen sie aus; doch eines haben sie alle gemeinsam: überall trägt Jesus auf diesen Darstellungen ein Lendentuch. Jesus ohne Lendentuch - splitternackt: eine solche Abbildung könnten wir nicht ertragen. Stellt euch das nur mal vor, ihr müsstet hier in jedem Gottesdienst auf einen splitternackten Jesus blicken! Als geradezu gotteslästerlich würden wir möglicherweise solch eine Darstellung empfinden. Doch in Wirklichkeit, Schwestern und Brüder, hat Jesus genau so, splitterfasernackt, dort am Kreuz gehangen, so betont es St. Johannes ausdrücklich. Nichts hat man ihm gelassen, was seine Blöße bedeckt hätte, nichts, womit er seine Würde irgendwie hätte wahren können. Seine Kleider, sie werden verteilt, verlost, ohne Ausnahme, und währenddessen stehen die Gaffer schon unter dem Kreuz, machen sich lustig über diesen nach Luft schnappenden Nackedei. O nein, Schwestern und Brüder, diejenigen, die behaupten, bei Johannes würde Jesus ja gar nicht wirklich leiden, die haben nichts, aber auch gar nichts kapiert von dem, was hier geschildert wird, von der Entehrung Jesu, die St. Johannes hier mit so knappen und doch so eindrücklichen Worten schildert!
Und schließlich finden wir hier bei St. Johannes ein Wort Jesu, das nur er und keiner der anderen Evangelisten schildert: „Mich dürstet!“ – So spricht Jesus kurz vor seinem Tod. „Mich dürstet!“ – Ja, auch das lässt sich natürlich alles medizinisch erklären, und doch steckt in diesem kurzen Satz so viel mehr: Es ist eben nicht bloß ein Mensch, der da am Kreuz hängt und Durst hat. Es ist der ewige Gottessohn, es ist Gott selber, der da am Kreuz Durst hat, Durst, die wohl elementarste Mangelerfahrung, die ein Mensch überhaupt machen kann. Gott, der in sich selbst doch die Fülle, die Quelle des Lebens ist, leidet Mangel, leidet Durst, den er selber, festgenagelt am Kreuz, sich nicht mehr stillen kann: Ach, Schwestern und Brüder, da reicht eine Predigt gar nicht aus, um zu bedenken, was das eigentlich heißt: Ja, so verkündigt es St. Johannes dir, wenn du Gott finden willst, dann suche ihn nicht irgendwo hoch oben auf einer Wolke, dann suche ihn nicht irgendwo in deinen frommen Gedanken und Gefühlen, sondern dann suche ihn einzig und allein am Kreuz, dort, wo er sich nach einem Schluck von zu Essig gewordenem Wein sehnt, den wir sofort wieder ausspucken würden. Gott am Kreuz, japsend nach Flüssigkeit – nein, der Gottessohn, den St. Johannes uns vor Augen stellt, der schwebt nicht über diese Erde, der erfährt ihr Leid bis in die tiefste Tiefe, ja, will gerade in diesem Leid erkennbar werden, gerade dort zu finden sein. Wenn auch du Gott in deinem Leben so gar nicht verstehen kannst, wenn du ihn, seine Liebe und dein Leiden einfach nicht zusammenbekommst, dann schau auf ihn, den Gekreuzigten, wie gerade St. Johannes ihn dir zeigt. Da hängt er und versteht dich, versteht dich besser, als du es auch nur ahnst.

II.

Eine weitere Szene schildert uns St. Johannes hier, die wir sonst in keinem der anderen Evangelien finden: Da stehen vier Frauen unter dem Kreuz, die Jesus besonders nahegestanden haben, dazu ein einziger Mann, der Jünger, den Jesus lieb hatte. Und während seine Atemzüge immer kürzer werden, das Herz immer schwächer schlägt, die Schmerzen immer beißender werden, fängt Jesus hier an, noch etwas zu regeln, was für ihn offenbar besonders wichtig ist: Maria, seine Mutter, sie liegt ihm besonders am Herzen, für sie soll gesorgt sein, jetzt, wo er, der Sohn, für sie nicht mehr eintreten kann. Und so erklärt er den Jünger, den er lieb hatte, zu ihrem Sohn und damit zu seinem Bruder, nimmt ihn damit in die Pflicht, sich um Maria künftig zu kümmern.
Schwestern und Brüder, was Jesus hier macht, lässt sich alles menschlich gut erklären, mutet an wie ein rührender menschlicher Zug, den er, der sterbende Jesus, hier noch an den Tag legt: der Sohn, dem es fast das Herz bricht, mitzuerleben, wie die eigene Mutter sein Sterben betrauert, und der ihr Abhilfe zu schaffen versucht, so gut dies möglich ist. Doch wenn St. Johannes in seinem Evangelium etwas beschreibt, dann hat dies zugleich immer einen tiefen Hintersinn: Der Jünger, den Jesus lieb hat, er ist nicht nur eine historische Persönlichkeit – dies ist er sicher auch! –, sondern er steht für all diejenigen, die durch das Hören und Lesen des Evangeliums in dieses Geschehen der Kreuzigung Jesu mit hineingenommen werden. Ihnen und damit auch uns verkündigt er: Dort am Kreuz hat Jesus eine neue Familie gestiftet, hat euch zu seinen Brüdern und Schwestern erklärt, die nun füreinander da sein, miteinander leben sollen und dürfen. Nein, St. Johannes schwenkt hier nicht den moralischen Zeigefinger, fordert uns nicht dazu auf, wir sollten als Christen bitteschön immer auch lieb zueinander sein, schließlich habe der Mann am Kreuz uns ja immer wieder das Liebesgebot gepredigt.
Sondern Johannes will uns vielmehr die Augen öffnen, was für ein Privileg es für uns bedeutet, dass auch wir zur Gemeinde des Herrn, zur Kirche gehören dürfen. Die Kirche ist nicht bloß eine Versammlung von religiös interessierten Leuten, ein frommer Verein, sondern sie ist nicht weniger als Familie Gottes, gegründet von ihrem Herrn persönlich in der Stunde seines Todes. Dass wir einander in der Gemeinde Brüder und Schwestern sind, ist nicht bloß eine hübsche Floskel, sondern ist eine Realität, die darin begründet ist, dass Jesus damals diesen ersten Jünger zu seinem Bruder erklärte, indem er Maria zu seiner Mutter machte. Darum sind wir einander Brüder und Schwestern, weil Jesus unser Bruder geworden ist, ja, er, der ewige Gottessohn. Aus dem, was er am Kreuz erlitten hat, entspringt eine verbindliche Gemeinschaft, in die all diejenigen eingefügt werden, die mit dem gekreuzigten Christus verbunden werden durch die Heilige Taufe und durch das Heilige Mahl.
An den gekreuzigten Jesus zu glauben ohne die Kirche – das geht nicht, so ruft es uns St. Johannes hier in seiner Schilderung zu. Wer ernst nimmt, was Jesus am Kreuz erlitten, was er dort noch gesagt und getan hat, der lässt sich eben auch von ihm in diese Gemeinschaft rufen, lässt sich von Jesus in die Pflicht nehmen, wie es damals der Jünger, den Jesus lieb hatte, als erstes mit Maria gemacht hat. Maria, die Mutter Gottes, sie gehört als erste zu dieser neuen Gemeinschaft, zu dieser Familie dazu, die Jesus hier stiftet, und so können und wollen auch wir sie in unserer Kirche nicht draußen vorlassen, wollen sie ehren als Mutter des Herrn und Urbild der Kirche, an die Jesus auch uns in der Stunde seiner Kreuzigung weist. Nein, am Schluss der Kreuzigung Jesu steht nicht einfach bloß der Exitus, den der Mediziner in seiner Doktorarbeit konstatiert; am Schluss der Kreuzigung steht die Kirche, die Familie Gottes, in der er, der gekreuzigte Christus, zugleich dauerhaft gegenwärtig bleibt.

III.

Und dann berichtet uns St. Johannes schließlich auch noch das letzte Wort unseres Herrn: „Es ist vollbracht!“ O nein, wir würden dieses Wort völlig missverstehen, wenn wir darin nur einen Seufzer der Erleichterung erkennen würden: Jetzt habe ich es endlich geschafft, jetzt hat die Quälerei endlich ein Ende!
Unendlich mehr steckt in diesen Worten drin; sie markieren, so zeigt es uns der Evangelist, nicht weniger als die Wende der Zeiten, als das wichtigste Ereignis der Weltgeschichte.
Gleich dreimal ist in diesen letzten Versen des Heiligen Evangeliums vom „telos“ die Rede, vom Ziel, auf das nicht weniger als alles hinläuft und das nun erreicht wird. Durch den Tod Jesu kommt nicht weniger als alles zum Ziel, so schildert es der Evangelist, nicht weniger als die gesamte Geschichte seit der Erschaffung der Welt, seit dem Sündenfall, die ganze Geschichte Gottes mit seinem Volk. Indem Jesus ruft: „Mich dürstet“, wird die Schrift nicht nur „erfüllt“, wie Martin Luther übersetzt, sondern die Heilige Schrift des Alten Testaments kommt damit zugleich an ihr Ziel, so heißt es hier wörtlich. Jetzt, mit dem Tod Jesu am Kreuz, beginnt etwas grundlegend Neues, und auch das wird wieder aufgeschrieben, angefangen mit den Worten, die Pilatus über das Kreuz von Jesus setzen lässt, und fortgeführt in dem Evangelium, das von eben dieser Wende der Zeiten in dem Kreuzestod Jesu kündet.
„Die Welt wird nie mehr sein, wie sie vorher war“, so hören wir es immer wieder im Angesicht von welterschütternden Ereignissen, zumeist von furchtbaren, schrecklichen Ereignissen. Und an dieser Aussage ist natürlich etwas dran: Natürlich hinterlassen Menschheitsverbrechen wie etwa der Holocaust tiefe Wunden und Narben in der Menschheitsgeschichte, die nie mehr rückgängig zu machen sind, von denen wir uns nicht vorstellen können, dass sie jemals wieder in Vergessenheit werden geraten können. Aber eine Wende der Geschichte stellen all diese furchtbaren Ereignisse und Verbrechen nicht dar: Sie sind letztlich immer wieder nur in noch entsetzlicherer Steigerung Ausdruck der Bosheit des Menschen, nichts Neues, sondern immer wieder dasselbe Alte, nur immer noch furchtbarer. Nein, die einzige Wende der Geschichte, die diesen Namen wirklich verdient, ist das, was an jenem Karfreitag auf dem Hügel Golgatha geschehen ist, ist der Kreuzestod Jesu selber. Da hat Christus ein für allemal die Schuld der ganzen Welt, die Strafe auch für alle Menschheitsverbrechen, auf sich genommen und abgezahlt; da hat Gott sich in seiner Liebe zu uns endgültig festgelegt, hat uns Menschen, die wir verloren waren, endgültig den Weg zurück in seine Gemeinschaft eröffnet. Ja, seit jenem Karfreitag in Jerusalem ist die Welt nicht mehr, wie sie vorher war. Nun steht er fest, der Ort, an dem wir Hilfe, Heil und Rettung erfahren können, der Tempel des Leibes Jesu, der damals am Kreuz gehangen hat und uns nun immer wieder von Neuem ausgeteilt wird hier im Heiligen Mahl. Nein, die Bosheit der Menschen, die Welt in ihrer Abwendung von Gott, sie werden nicht das letzte Wort behalten. Das letzte und entscheidende Wort hat Jesus selber schon gesprochen. Es heißt: „Es ist vollbracht.“
Und genau diese Botschaft sollen nun alle Menschen hören, so stellt es uns St. Johannes schließlich auch noch vor Augen: Er ist der einzige Evangelist, der uns das „INRI“ schildert, die Kreuzesinschrift, die wir über so vielen Kreuzen finden. Gewiss, von einer Tafel, die über dem Kreuz Jesu hing und den Grund für seine Verurteilung nannte, wissen auch die anderen Evangelisten zu berichten. Aber nur Johannes schildert, dass diese Tafel auch auf Griechisch und auf Lateinisch verfasst war: INRI, Iesus Nazarenus, Rex Iudaeorum. Griechisch, die Weltsprache der damaligen Zeit, Lateinisch – die Verwaltungssprache des römischen Reiches. Alle Menschen sollen es erfahren, wer der ist, der da am Kreuz gehangen hat: der König der Juden und zugleich der Retter der Welt. Pontius Pilatus wird so unwissentlich zum ersten Missionar des gekreuzigten Christus, und wir als Kirche tun es ihm nach, verkündigen ihn, verehren ihn bis heute, ihn, unseren König, der am Kreuz seinen Thron bestiegen hat und dort ausgeharrt hat bis zum Ende: Ja, „es ist vollbracht.“ Amen.