17.01.2009 | St. Johannes 2, 1-11 (Vorabend zum 2. Sonntag nach Epiphanias)

VORABEND ZUM ZWEITEN SONNTAG NACH EPIPHANIAS – 17. JANUAR 2009 – PREDIGT ÜBER ST. JOHANNES 2,1-11

Und am dritten Tage war eine Hochzeit in Kana in Galiläa, und die Mutter Jesu war da. Jesus aber und seine Jünger waren auch zur Hochzeit geladen. Und als der Wein ausging, spricht die Mutter Jesu zu ihm: Sie haben keinen Wein mehr. Jesus spricht zu ihr: Was geht's dich an, Frau, was ich tue? Meine Stunde ist noch nicht gekommen. Seine Mutter spricht zu den Dienern: Was er euch sagt, das tut. Es standen aber dort sechs steinerne Wasserkrüge für die Reinigung nach jüdischer Sitte, und in jeden gingen zwei oder drei Maße. Jesus spricht zu ihnen: Füllt die Wasserkrüge mit Wasser! Und sie füllten sie bis obenan. Und er spricht zu ihnen: Schöpft nun und bringt's dem Speisemeister! Und sie brachten's ihm. Als aber der Speisemeister den Wein kostete, der Wasser gewesen war, und nicht wusste, woher er kam - die Diener aber wussten's, die das Wasser geschöpft hatten -, ruft der Speisemeister den Bräutigam und spricht zu ihm: Jedermann gibt zuerst den guten Wein und, wenn sie betrunken werden, den geringeren; du aber hast den guten Wein bis jetzt zurückbehalten. Das ist das erste Zeichen, das Jesus tat, geschehen in Kana in Galiläa, und er offenbarte seine Herrlichkeit. Und seine Jünger glaubten an ihn.

Hat Christus gelacht? Für den Mönch Jorge von Burgos in Umberto Ecos Roman „Der Name der Rose“ war eine positive Antwort auf diese Frage so undenkbar, dass er im wahrsten Sinne des Wortes dazu bereit war, über Leichen zu gehen, um zu verhindern, dass das Lachen in der Kirche Einzug hielt.
Hat Christus gelacht? Schwestern und Brüder, ich weiß, ihr würdet gewiss niemanden umbringen wollen, der diese Frage positiv beantwortet. Aber wie würdet ihr eigentlich selber diese Frage beantworten: Könnt ihr euch selber einen lachenden Christus vorstellen – oder liegt das jenseits eurer Vorstellungsmöglichkeiten, ja, kommt euch dieser Gedanke vielleicht gar ein wenig gotteslästerlich vor?
Eines ist natürlich richtig: Nirgendwo in der Bibel steht es direkt, dass Jesus gelacht hat. Die Evangelien sind sowieso recht zurückhaltend in der Schilderung von Gefühlsregungen bei Jesus. Davon, dass ihn Menschen jammerten, ja auch dass er geweint hat, berichtet die Heilige Schrift. Aber davon, dass Jesus gelacht hat, ist in der Tat nirgends die Rede. Aber dafür finden wir im Johannesevangelium diese wunderbare Geschichte von der Hochzeit zu Kana, die wir eben gehört haben. So vertraut mag uns diese Geschichte schon sein, dass wir uns vielleicht gar nicht mehr klar machen, was uns da eigentlich berichtet wird.
Jesus nimmt an einer Hochzeit teil, so schildert es uns St. Johannes. Nein, er nimmt nicht teil an einer kurzen Zeremonie im Standesamt mit einigen rührenden Worten eines Standesbeamten und anschließendem Reiswurf beim Verlassen des Gebäudes. Nein, eine anständige Hochzeitsfeier dauerte damals im Heiligen Land mindestens eine Woche, mitunter auch zwei Wochen, und da die Gastgeber dieser Hochzeit offenbar recht wohlhabend waren, könnte es sein, dass man sich bei dieser Feier doch eher an der Obergrenze orientierte. Zwei Wochen feiern: Das hieß: Zwei Wochen lang fröhlich sein, zwei Wochen lang tanzen, zwei Wochen lang lachen – und: zwei Wochen lang kräftig Wein trinken. Und Jesus, seine Mutter und seine Jünger sind mitten dabei, feiern kräftig mit. Nein, Jesus sitzt bei dieser Hochzeit nicht als fleischgewordene Spaßbremse am Rande und überlegt, ob er nach dem zweiten Becher, den die Gäste getrunken hatten, allmählich mal den Wein in Wasser verwandeln sollte. Im Gegenteil: Er war offenbar kein Kind von Traurigkeit. Als „Fresser und Weinsäufer“ bezeichnen ihn seine Gegner an anderer Stelle, und selbst wenn man berücksichtigt, dass dies sicher eine beleidigende Übertreibung war, mussten sie ja wohl irgendeinen Anhaltspunkt haben, der diesen Vorwurf rechtfertigte. Jesus stand offenbar nicht bloß auf Müsli und Kamillentee. Ja, auch wenn es uns schwerfällt, müssen wir uns wohl doch mit dem Gedanken anfreunden, dass Jesus bei dieser Hochzeit, und vermutlich nicht nur bei dieser Hochzeit mit all den anderen Gästen fröhlich gelacht, getanzt und gefeiert hat, nicht mit bittersaurer Miene dagesessen hat, sondern genauso ausgelassen war wie die anderen Gäste auch – ja, derselbe Jesus, der sehr wohl um seine Stunde wusste, um das Ziel seines Weges, um das Kreuz, das vor ihm lag. Aber der Weg zum Kreuz und die Feier der Hochzeit, die ausgelassene Freude und das Tragen der Schuld der Welt waren für ihn offenbar kein Widerspruch. Jesus konnte fröhlich lachen, obwohl und vielleicht gerade auch weil er um den tiefen Ernst seines Auftrags wusste.
Und damit nicht genug: Dass Jesus sich der Einladung zu einer Hochzeit nicht entzieht, würden wir ihm ja vielleicht noch innerlich durchgehen lassen. Aber dann schaut euch an, was er hier auf dieser Hochzeit macht: Er hält keine Bußpredigt, er heilt auch keine Kranken oder Besessenen, sondern er verwandelt 600 Liter Wasser in den Reinigungskrügen am Eingang des Hauses in besten Wein. Schwestern und Brüder – ihr nehmt das mit so unbewegter Miene zur Kenntnis; dabei sollte das für euch, für uns alle eigentlich ein Grund sein, um zumindest ein bisschen zu schmunzeln. 600 Liter besten Wein serviert er der Hochzeitsgesellschaft, die ja offenbar schon kräftig zuvor gepichelt hatte; dass den Gastgebern der Wein ausging, lag ja wohl nicht unbedingt daran, dass ihnen so viele Flaschen beim Transport zu Bruch gegangen wären. Nein, was Jesus hier macht, ist keine lebensrettende Maßnahme, keine Maßnahme, die einen besonderen moralischen Wert gehabt hätte. 600 Liter Wein – Ich gestehe, dass ich persönlich sogar ganz froh wäre, wenn Jesus nicht auf die Idee käme, solch ein Wunder einmal auf einer Jugendfreizeit in unserer Gemeinde zu vollbringen. Und ich stelle mir vor, wie die Jünger nach Ostern einmal zusammengesessen haben und selber noch einmal herzlich gelacht haben, als sie sich an den Abend erinnerten, an dem Jesus sie damals hektoliterweise mit Wein versorgte – wobei man natürlich nicht weiß, wie viele der Jünger sich anschließend an diesen Abend überhaupt noch hatten erinnern können.
Schwestern und Brüder: Ich weiß, es finden sich in der Heiligen Schrift genügend Stellen, die deutlich machen, dass es nicht in Ordnung ist, sich zu besaufen, dass es nicht in Ordnung ist, sich so mit Alkohol volllaufen zu lassen, dass man die Kontrolle über sich verliert oder von dem Zeug gar abhängig wird. Jesus hat damals das Wasser auch nicht in Alkopops oder in Wodka verwandelt. Aber er hat den Teilnehmern der Hochzeit damals auf jeden Fall Freude, Genuss und ein ausgelassenes Feiern gegönnt und ganz kräftig das Seine dazu beigetragen.
Und damit wird die Geschichte auch für uns ganz aktuell: Jesus findet das offenbar ganz in Ordnung, wenn auch wir als Christen fröhlich und ausgelassen feiern, wenn wir lachen und miteinander Spaß haben, er gönnt uns gutes Essen und gutes Trinken, und er hat auch nichts dagegen, wenn er uns mit einer Flasche Bier oder einem Glas Wein in der Hand sieht. Wir dürfen uns an den guten Gaben der Schöpfung Gottes erfreuen, und wir verraten unseren Glauben nicht dadurch, dass wir es als Christen verstehen, kräftig zu feiern. Im Gegenteil: Ich finde es schön, dass in unserer Gemeinde viel gefeiert wird; ich finde es schön, wenn es Gästen in unserer Gemeinde auffällt, dass bei uns so viel gelacht wird; ja, das ist ein guter und wichtiger Teil unserer Gemeindearbeit, dass Menschen einfach zusammenkommen, miteinander essen und Gemeinschaft haben, im Konfirmandenunterricht, in der Jugendarbeit, bei Freizeiten, bei den gemeinsamen Mittagessen am Sonntag nach dem Gottesdienst, bei Gemeindefesten und vielen anderen Gelegenheiten. Da müssen wir nicht die Kreuze verhängen, bevor wir anfangen zu feiern, im Gegenteil: Wir dürfen wissen: Jesus feiert gerne mit – wobei wir natürlich durchaus auch immer wieder einmal überlegen sollten, ob wir bei dem, was wir gerade tun, wirklich noch gerne Jesus mit dabei haben wollen. Und ich finde es besonders schön, wenn gerade auch Hochzeiten in unserer Gemeinde immer wieder ganz kräftig gefeiert werden. Die Ehe ist eine wunderbare, gute Gabe unseres Gottes – und wenn jemand Grund dazu hat, eine Hochzeit kräftig und fröhlich zu feiern, dann sind wir Christen es doch, die doch wissen, wem sie dieses wunderbare Geschenk zu verdanken haben. Ach, Schwestern und Brüder, ich finde es wunderbar, dass diese Geschichte von der Hochzeit zu Kana in der Heiligen Schrift steht, und wir sollten auch nicht zu schnell über das hinweggehen, was da steht, um zum angeblich eigentlichen Sinn dieser Geschichte zu kommen. Es geht hier durchaus auch erst einmal darum, dass Jesus uns unsere ganz irdische Freude gönnt und diese Freude gerne mit uns teilt.
Aber nun ist das Heilige Evangelium dieses Sonntags natürlich kein Manifest der Spaßgesellschaft. Die Botschaft, die uns St. Johannes hier nahebringen will, lautet auch nicht: „Schütt die Sorgen in ein Gläschen Wein“. Wie alle Geschichten, die uns St. Johannes erzählt, hat auch die Geschichte von der Hochzeit zu Kana sehr viel mehr Tiefgang, gleichsam einen doppelten Boden, den wir wahrnehmen müssen, damit wir diese Erzählung auch wirklich im Sinne des Johannes verstehen. Wenn wir genauer hingucken, ist ja in dieser Geschichte durchaus nicht allen Beteiligten immer nur nach Feiern zumute: Da sind beispielsweise die Gastgeber, die zwischendurch in höchsten Nöten sind, deren Planung des schönsten Festes des Lebens gründlich durcheinanderzugeraten scheint. Da ist Maria, die Mutter Jesu, die sich das alles so schön vorgestellt hatte, was ihr Sohn alles tun sollte, und nun von ihm erst einmal eine ziemlich heftige Abfuhr erhält, die sie sicher erst ein paar Mal kräftig schlucken ließ. Da sind die Diener, denen Jesus alle möglichen Verrücktheiten zumutet: Da müssen sie mitten während des Festes mit einem Mal die Reinigungskrüge mit Wasser füllen, und dann müssen sie den Inhalt dieser Reinigungskrüge mit einer Schöpfkelle zum Speisemeister, zum Festorganisator bringen, damit der den Inhalt der Reinigungskrüge kostet. Wie blöde werden die sich dabei wohl vorgekommen sein, als sie das machen mussten! Und da ist Jesus selbst, der auch mitten auf dem fröhlichen Fest doch seine Stunde nicht vergisst, die Stunde seiner Kreuzigung, das Ziel seines Weges, auf dem er hier in Kana nun einmal für einige Zeit Rast machen darf.
Nein, das Leben besteht eben nicht bloß aus Party, und wer meint, sein Leben durch dauernden Alkoholgenuss in eine Dauerparty verwandeln zu können, der irrt sich erst recht ganz gewaltig. Das erfahren wir in unserem Leben eben auch immer wieder, wie unsere schönen Lebensplanungen mit einem Mal ganz schön durcheinanderkommen können, dass alles ganz anders läuft, als wir uns dies gewünscht und vorgestellt haben. Das erfahren wir in unserem Leben immer wieder, dass wir Gott, dass wir Jesus um etwas bitten, was wir für so richtig und so vernünftig halten und was Jesus unserer Meinung nach doch nun wirklich ohne Probleme tun könnte – und dann reagiert er auf unsere so naheliegende, so vernünftige Bitte nicht so, wie wir uns das vorgestellt haben, lässt uns in unserem Leben scheinbar ganz blöde dastehen, mutet uns auch in unserem Gebetsleben immer wieder auch einmal eine kräftige Abfuhr zu. Und das erfahren wir in unserem Leben vielleicht auch immer wieder einmal, dass wir so gar nicht verstehen können, warum Jesus uns auf so merkwürdigen Wegen führt, solch merkwürdige Dinge in unserem Leben von uns erwartet, die doch aller Vernunft und Einsicht zu widersprechen scheinen. Ja, das erfahren wir in unserem Leben schließlich auch, dass auch unser Leben auf eine letzte Stunde hinausläuft, die keinem von uns erspart bleibt, auch wenn sie mit der letzten und entscheidenden Stunde Jesu nicht zu vergleichen ist.
All das blendet St. Johannes hier in der Geschichte nicht aus. Aber er hält es uns zugleich vor Augen: Jesus ist da, auch in all dem, was du an Schwerem in deinem Leben erfahren magst. Jesus ist da, auch wenn in deinem Leben alles durcheinandergerät und du gar nicht mehr weißt, wie es bei dir weitergehen soll. Jesus ist da, auch wenn er deine Bitten und Wünsche nicht so erfüllt, wie du es dir vorstellst. Jesus ist da, auch wenn du ihn mitunter so gar nicht kapieren kannst. Jesus ist da, ja, auch und gerade dann, wenn es einmal auf die letzte Stunde deines Lebens zugeht. Er, der selber die ganze Bandbreite des Lebens erfahren hat – höchste Freude und tiefstes Leid –, er ist auch und gerade dann an deiner Seite. Jesus ist da – nein, nicht als Stimmungskanone, nicht als Weinlieferant. Die 600 Liter Wein – sie sind für Johannes ja zugleich auch ein Bild für die Freude, die Jesus mit seiner Gegenwart den Menschen schenken will, für eine Freude, die nicht so schnell vergeht wie die 600 Liter Wein, die sich damals die Hochzeitsgesellschaft zu Gemüte geführt hat. Wo er, Jesus, ist, da bricht Gottes neue Welt schon an, in der wir einmal für immer feiern werden, nicht bloß für zwei Wochen, sondern in alle Ewigkeit – Gottes neue Welt, in der wir nur noch fröhlich sein werden, ja, uns vor Freude und Glück nicht mehr einkriegen werden, Gottes neue Welt, in der nie mehr irgendein Mangel herrschen wird, in der uns nie mehr etwas unklar und unverständlich bleiben wird, in der es keinen Tod, keine Trauer, keine Tränen, keinen Abschied mehr geben wird. Das, Schwestern und Brüder, lässt uns als Christen erst so richtig fröhlich feiern, weil unser Feiern keine Torschlusspanik ist, weil wir mit unserem Feiern nichts zu verdrängen brauchen, sondern im Gegenteil wissen: Selbst die allerschönste Feier, die wir hier auf Erden mitmachen, ist nur ein schwacher Vorgeschmack dessen, was uns einmal am Ziel unseres Lebens erwartet.
Laden wir darum Jesus als Gast immer wieder zu uns ein – vor jedem Essen, das wir zu uns nehmen, und erst recht vor jeder Feier, die wir halten. Und lassen wir uns umgekehrt von ihm, Jesus, einladen, wenn er schon hier und jetzt sein Fest mit uns feiern will. Ja, die Anweisungen, die er uns gibt, die klingen verrückt: Brot sollen wir nehmen und Wein, und seine Worte sollen wir darüber sprechen – und dann sollen wir’s essen und trinken. Das klingt genauso verrückt wie die Anweisung, die Jesus damals den Dienern gegeben hat. Doch wenn wir uns darauf einlassen, wenn wir es tun, dürfen auch wir das Wunder erfahren, dass Jesu Worte bewirken, was sie sagen, dass wir hier bekommen, was doch menschenunmöglich zu sein scheint: Nicht bloß leckeren Wein, sondern im Wein sein Blut, die wahre Reinigung für unsere Sünden. Und wer um dieses größte aller Wunder weiß, wer dieses Wunder immer wieder erfährt und sich dadurch seinen Glauben stärken lässt, der hat dann erst recht allen Grund, auch ansonsten fröhlich zu feiern und zu lachen. Jesus versteht das – ganz gewiss! Amen.