24.06.2010 | Apostelgeschichte 19, 1-7 (Tag der Geburt St. Johannes des Täufers)

TAG DER GEBURT ST. JOHANNES DES TÄUFERS – 24. JUNI 2010 – PREDIGT ÜBER APOSTELGESCHICHTE 19,1-7

Es geschah aber, als Apollos in Korinth war, dass Paulus durch das Hochland zog und nach Ephesus kam und einige Jünger fand. Zu denen sprach er: Habt ihr den Heiligen Geist empfangen, als ihr gläubig wurdet? Sie sprachen zu ihm: Wir haben noch nie gehört, dass es einen Heiligen Geist gibt. Und er fragte sie: Worauf seid ihr denn getauft? Sie antworteten: Auf die Taufe des Johannes. Paulus aber sprach: Johannes hat getauft mit der Taufe der Buße und dem Volk gesagt, sie sollten an den glauben, der nach ihm kommen werde, nämlich an Jesus. Als sie das hörten, ließen sie sich taufen auf den Namen des Herrn Jesus. Und als Paulus die Hände auf sie legte, kam der Heilige Geist auf sie und sie redeten in Zungen und weissagten. Es waren aber zusammen etwa zwölf Männer.

„Sie sind ja gar keine richtigen Christen. Bei Ihnen in der Gemeinde wird ja Kaffee getrunken!“ – So erklärte mir vor einiger Zeit eine Frau, die unverkennbar unter den Einfluss einer adventistischen Splittergruppe geraten war. Für sie war klar: Christen erkennt man daran, dass sie keinen Kaffee trinken. Nun hätte ich persönlich in dieser Frage ihre Kriterien für wahres Christsein ja sogar noch erfüllen können, da ich, um etwas mehr Ruhe auszustrahlen, schon seit längerer Zeit auf den Genuss von Kaffee und schwarzem Tee verzichtet habe. Dennoch widersprach ich der Frau in unserem Gespräch dann doch in aller Deutlichkeit: Nein, daran kann man einen Christen ganz gewiss nicht erkennen, ob er Kaffee trinkt oder nicht – im Gegenteil: Es ist geradezu absurd, Christsein an solch einer Äußerlichkeit festzumachen.
Es muss nicht immer Kaffee sein – doch die Auffassung, man könne das Christsein an ganz bestimmten moralischen Verhaltensweisen erkennen und festmachen, ist in vielen christlichen oder sich auch nur christlich nennenden Kreisen verbreitet: Da gab und gibt es fromme Gruppierungen, die behaupten, ein richtiger Christ sei daran zu erkennen, dass er nicht fernsehe. Da gibt es eine Sekte, die behauptet, nur der sei ein wahrer Christ, der sich dem Vertriebssystem einer traktatedruckenden Aktiengesellschaft namens Wachtturm-Gesellschaft angeschlossen habe. Und da gibt es auf der anderen Seite kirchliche Kreise, die meinen, das Christsein eines Menschen an bestimmten politischen Einstellungen, an seiner Haltung zu bestimmten politischen und gesellschaftlichen Fragen festmachen zu können, die dann zur Bekenntnisfrage hochstilisiert werden.
In der Epistel des heutigen Geburtstags St. Johannes des Täufers geht es auch um die Frage, ob Menschen eigentlich Christen sind oder nicht. Da ist der Apostel Paulus auf einer Missionsreise unterwegs und kommt in die große Stadt Ephesus in der heutigen Westtürkei. Dort stößt er auf eine Gruppe von Menschen, die sich selber „Jünger“ nennen. „Ach, das ist ja interessant“, denkt der Paulus: „Jünger – das ist doch eine typische Selbstbezeichnung für Christen. Da komme ich hier nach Ephesus, um dort Mission zu treiben – und dann stelle ich fest, dass da schon längst Christen sind. Mensch, mit denen muss ich sofort Kontakt aufnehmen!“ Und so geht er zu ihnen hin und stellt ihnen zunächst einmal eine Frage. Nein, er fragt sie nicht: Trinkt ihr Kaffee nach dem Gottesdienst? Er fragt auch nicht: Habt ihr zu Hause einen Fernseher? Er fragt nicht: Was haltet ihr von den Aktionen der römischen Armee? Er fragt nicht nach moralischen Haltungen oder Taten, sondern er stellt nur eine Frage: „Habt ihr den heiligen Geist empfangen, als ihr gläubig wurdet?“ Er fragt nicht nach dem, was diese Jünger da getan haben, sondern im Gegenteil nach dem, was sie empfangen haben, was ihnen geschenkt worden ist. Das allein macht für Paulus einen Christen aus: Dass er von Gott beschenkt worden ist mit seinem heiligen Geist, dass er teilhat an dem neuen Leben, das sich kein Mensch mit seinen guten Werken selber erwerben könnte. Die Reaktion der Jünger, die Paulus dort antrifft, ist bezeichnend: „Wir haben noch nie gehört, dass es einen heiligen Geist gibt.“ Keine Ahnung haben sie vom Heiligen Geist, von der Gabe, die der auferstandene Christus seinen Jüngern, seiner Kirche gesandt hat; keine Ahnung haben sie davon, dass mit der Auferstehung Christi etwas ganz Neues angebrochen ist, das auch ihr Leben unmittelbar betrifft. Keine Ahnung haben sie von dem allen – kurz gesagt: Sie sind offenkundig tatsächlich keine Christen, denn sie haben gerade das nicht erfahren, was einen Christen ausmacht: dass sie von Gott mit seinem Geist beschenkt sind.
Und nun hakt Paulus gleich nach: Wenn die Leute keine Ahnung haben vom heiligen Geist, könnten sie diesen heiligen Geist ja so missverstehen, als ob es sich bei ihm um irgend so ein Gefühl handelt, das man als frommer Mensch so hat, oder um irgend so etwas Göttliches, das jeder Mensch ganz tief in sich trägt. Und darum macht er mit seiner nächsten Frage gleich deutlich, woran man denn Gabe und Wirkung des Heiligen Geistes festmachen kann: an der Taufe natürlich. „Worauf seid ihr denn getauft?“ – So fragt Paulus diese sonderbaren Jünger. Und aus ihrer Antwort wird ihm nun sofort klar, wo bei diesen Leuten der Hase langläuft: „Auf die Taufe des Johannes“, so antworten sie. Um Jünger Johannes des Täufers handelt es sich also. Ja, das gab es damals ganz offenkundig, dass Menschen die Bußpredigt Johannes des Täufers gehört hatten, dass sie sich von ihm im Jordan hatten taufen lassen – und dass sie dann schlicht und einfach die Fortsetzung der Geschichte verpasst hatten. Sie fühlten sich als Jünger dieses großen Propheten Gottes, bildeten in anderen Städten bis hin nach Ephesus Gemeinden, in denen sie das Erbe des Märtyrerpropheten pflegten, bemühten sich vermutlich, so zu leben, wie Johannes es ihnen gepredigt hatte – und hatten bei all dem doch keine Ahnung von dem, auf den Johannes doch in seiner Predigt schon so deutlich hingewiesen hatte: „Ich taufe euch mit Wasser; es kommt aber einer, der ist stärker als ich, und ich bin nicht wert, dass ich ihm die Riemen seiner Schuhe löse, der wird euch mit dem Heiligen Geist und mit Feuer taufen.“ – So hatte Johannes diesen einen beschrieben, in dessen Dienst er sich mit seiner Verkündigung ganz bewusst stellte. Ja, mit dem Finger hatte er schließlich ganz direkt auf ihn gewiesen: „Siehe, das ist Gottes Lamm!“
Und so muss der Apostel Paulus die Jünger des Johannes erst einmal über die Fortsetzung der Geschichte aufklären, muss sie aufklären über das, was ihr großer Meister Johannes doch selber verkündigt hatte: „sie sollten an den glauben, der nach ihm kommen werde, nämlich an Jesus.“ Und als das die Johannesjünger hören, lassen sie sich nun taufen mit der Taufe im Namen Jesu, mit der Taufe, durch die sie mit dem Heiligen Geist beschenkt werden. Nein, sie lassen sich natürlich nicht wiedertaufen, denn die Johannestaufe, die sie schon empfangen hatten, war eben keine christliche Taufe, keine Taufe, die ihnen das vermittelt hätte, was sie zu Christen machte, eben den Heiligen Geist, das neue Leben in der Gemeinschaft mit dem gekreuzigten und auferstandenen Herrn. Zur Taufe zählte auch damals schon die Handauflegung, wie auch heute in unserer Taufliturgie, und in diesem Fall werden durch diese Handauflegung sogar noch einmal ganz besondere Gaben des Heiligen Geistes vermittelt, äußert sich der Heilige Geist in besonderen Formen des Lobpreises des lebendigen Gottes. Etwa zwölf Männer waren es, die nun endlich Christen waren – weil sie etwas empfangen hatten, was ihnen nur geschenkt werden konnte: Gottes Geist, die Gabe und Wirkung der Taufe.
Was damals in Ephesus galt, das gilt auch für uns heute noch: Christ werde und bin ich nicht durch mein anständiges moralisches Verhalten, erst recht nicht durch den Verzicht auf Dinge, die im Neuen Testament noch gar nicht bekannt waren. Christ werde und bin ich nicht dadurch, dass ich eine bestimmte politische Einstellung habe und mich zu bestimmten gesellschaftlichen Streitfragen in einer bestimmten Richtung positioniere. Sondern Christ bin und bleibe ich einzig und allein dadurch, dass ich getauft werde und getauft bin, dass ich nicht lebe aus dem, was ich tue, sondern aus dem, was mir von Gott geschenkt worden ist. Christ bin und bleibe ich dadurch, dass ich dort immer wieder hinkomme, wo mir Gottes Heiliger Geist auch nach meiner Taufe immer wieder geschenkt wird: in der Predigt des Evangeliums, im Zuspruch der Sündenvergebung, im Heiligen Mahl. Da wird unser Glaube immer wieder gestärkt – nein, nicht ein Allerweltsglaube, nicht ein Feld-, Wald- und Wiesenglaube, sondern der Glaube an den, den schon damals Johannes der Täufer verkündigt hatte und der nun selber in der Mitte seiner Kirche gegenwärtig ist: der Glaube an ihn, Jesus Christus, den auferstandenen Herrn.
Wenn wir also heute den Tag der Geburt St. Johannes des Täufers feiern, dann feiern wir Johannes nicht um seiner selbst willen, dann feiern wir nicht, dass er, als er größer war, so klare, unmissverständliche Worte zu moralischen Streitfragen gefunden hat, dann dient uns dieser Tag nicht dazu, ihn als unser großes Vorbild, als unsere moralische Autorität zu verehren. Sondern wir feiern diesen Tag einzig und allein deshalb, weil Johannes Vorläufer ist, der eine, letzte, entscheidende Vorläufer, der auf Gottes großes Kommen verwiesen hat, auf Gottes großes Kommen, das dann doch so unscheinbar geschah in der Erscheinung Jesu von Nazareth, das sich noch heute so unscheinbar vollzieht, wenn wir hier im Gottesdienst zusammenkommen. Um ihn, Christus, geht es in diesem Gottesdienst, um ihn, Christus, geht es in der Kirche überhaupt, und um ihn, Christus, allein, geht es auch, wenn sich die Frage stellt, ob ein Mensch ein Christ ist oder nicht: Christ ist, wer durch die Taufe mit Christus verbunden ist und dadurch an seinem Geist Anteil hat. Christ ist, wer die Gabe Christi, den heiligen Geist, empfangen hat und in der Kraft dieser Gabe an Christus glaubt.
Schwestern und Brüder – ob ihr Kaffee trinkt oder nicht, das ist mir völlig egal. Hauptsache, ihr seid getauft und wisst, was euch da in der Taufe geschenkt worden ist. Dann ist auch nicht mehr unklar, was ihr eigentlich seid – nämlich Christen, ganz gewiss! Amen.