07.03.2010 | Epheser 5, 1-8a (Okuli)

OKULI – 7. MÄRZ 2010 – PREDIGT ÜBER EPHESER 5,1-8a

So folgt nun Gottes Beispiel als die geliebten Kinder und lebt in der Liebe, wie auch Christus uns geliebt hat und hat sich selbst für uns gegeben als Gabe und Opfer, Gott zu einem lieblichen Geruch. Von Unzucht aber und jeder Art Unreinheit oder Habsucht soll bei euch nicht einmal die Rede sein, wie es sich für die Heiligen gehört. Auch schandbare und närrische oder lose Reden stehen euch nicht an, sondern vielmehr Danksagung. Denn das sollt ihr wissen, dass kein Unzüchtiger oder Unreiner oder Habsüchtiger - das sind Götzendiener - ein Erbteil hat im Reich Christi und Gottes. Lasst euch von niemandem verführen mit leeren Worten; denn um dieser Dinge willen kommt der Zorn Gottes über die Kinder des Ungehorsams. Darum seid nicht ihre Mitgenossen. Denn ihr wart früher Finsternis; nun aber seid ihr Licht in dem Herrn.

In den letzten Jahren habe ich in unserer Gemeinde und darüber hinaus viele Menschen kennengelernt, denen es nicht leicht fällt, hier in Berlin zu leben. Sie hatten in Russland oder in Kasachstan einen guten Beruf, hatten dort Freunde, Verwandte, Eltern, fühlten sich dort zu Hause. Aber dann haben sie sich doch auf den Weg gemacht hierher nach Deutschland – nein, in aller Regel nicht, weil sie für sich selber etwas erhofften. Sondern der Grund war für die meisten immer derselbe: Unsere Kinder sollen es einmal besser haben, die sollen eine bessere Zukunft haben. Und für die Kinder nahmen die Eltern dann dieses Opfer auf sich, in ein Land zu ziehen, in dem sich ihnen oftmals keine angemessenen beruflichen Chancen eröffneten und in dem es ihnen oftmals auch nicht leicht fiel, nun als Erwachsene noch einmal eine ganz neue Sprache zu erlernen.
Für die Kinder ein großes Opfer zu bringen, damit sie es besser haben – für viele Eltern hat sich das im Rückblick gelohnt. Ihre Kinder spürten, was ihre Eltern für sie auf sich genommen hatten und bemühten sich, ihre Eltern nicht zu enttäuschen, lebten so, wie ihre Eltern es ihnen vorgelebt hatten, wie ihre Eltern sie geprägt hatten. Und so hatten die Eltern schließlich allen Grund, auf ihre Kinder stolz zu sein, auf das, was sie aus dem Opfer der Eltern gemacht hatten. Doch ich kenne eben auch die anderen Geschichten: Da hatten die Eltern so viel für ihre Kinder getan, hatten solch ein Opfer auf sich genommen – doch die Kinder wollten schließlich von all dem nichts wissen, gingen ihre ganz eigenen Wege, bereiteten ihren Eltern jede Menge Kummer, weil die ihre Kinder in dem, was sie da redeten und taten, gar nicht mehr wiedererkannten. Ja, in manchen Fällen zerbrach die Verbindung zwischen Eltern und Kindern am Ende sogar ganz, wollten die Eltern nichts mehr von ihren Kindern oder auch die Kinder von ihren Eltern gar nichts mehr wissen. Die ganze Liebesmüh der Eltern – sie war am Ende doch vergeblich gewesen.
Solch eine ähnliche Geschichte erzählt uns auch St. Paulus in der Epistel des heutigen Sonntags Okuli. Von einem Vater erzählt er, der noch unendlich mehr geopfert hat als bloß seinen Beruf und seine Heimat, der nicht weniger als das Leben seines eigenen Sohnes geopfert hat – und das nur aus einem einzigen Grund: Damit es seine Adoptivkinder einmal besser haben sollten, damit sie eine Zukunft haben sollten, die ihnen sonst verschlossen geblieben wäre. Ja, Schwestern und Brüder, natürlich geht es dabei um uns, um das, was Gott, unser Vater, was Christus, sein Sohn, unser Bruder, für uns getan hat, um uns weit mehr zu eröffnen als bloß eine berufliche Zukunft, als Erfolg und Karriere, um uns nicht weniger zu eröffnen als ein Leben in der ewigen Gemeinschaft mit Gott, unserem Vater, persönlich. Ein unglaubliches Opfer hat Gott, unser Vater, für uns gebracht, ein Opfer, das ihn unendlich geschmerzt, ihm unendlich weh getan hat. Das war ihm nicht egal, das ließ ihn nicht kalt, als sein Sohn Jesus Christus sich für uns zu Tode foltern und hinrichten ließ. Und erst recht hat Christus selber das nicht teilnahmslos ertragen, was ihm da widerfuhr, hat geschrien vor Schmerzen, ja, vor Verzweiflung: Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen? Doch Christus hat es getan, für uns, aus Liebe; Gott, unser Vater, hat es getan, für uns, aus Liebe.
Und nun stellt Paulus hier in unserer Epistel die eine entscheidende Frage: Was machen wir als Kinder Gottes nun mit dem, was unser Vater da für uns getan hat, wie gehen wir damit um, was für Konsequenzen ziehen wir daraus in unserem Leben? Ja, was kann Gott, unser Vater, nun von uns erwarten, und was erwartet er tatsächlich von uns?
Gott erwartet eigentlich erst einmal gar nichts von uns, so macht es uns St. Paulus hier deutlich. Er erwartet von uns keine Spitzenleistungen, weder in der Schule noch im Beruf, noch was unseren Einsatz in der Kirche angeht. Er erwartet eigentlich nur etwas ganz Selbstverständliches: Dass wir als seine Kinder immer wieder seine Nähe suchen und uns so von ihm prägen lassen, mit den Worten des Apostels: „So folgt nun Gottes Beispiel als die geliebten Kinder!“
Kleine Kinder lernen bekanntlich dadurch, dass sie die Erwachsenen nachahmen. Ganz selbstverständlich tun sie das, lassen sich von den Erwachsenen, vornehmlich von ihren Eltern, dadurch prägen, dass sie in ihrer Nähe sind und nachmachen, was sie tun, nachsprechen, was sie sagen. Nein, die Eltern müssen ihre Kinder nicht zu dem antreiben und zwingen, was die Kinder ihnen da nachmachen. Hauptsache, die Kinder sind da bei ihnen und können sie imitieren, können ihnen hoffentlich etwas nachmachen, was gut für sie in ihrem weiteren Leben ist. Da sein und nachmachen, das reicht. Und so ist das auch bei uns. Hauptsache, wir befinden uns in der Nähe unseres Vaters, Hauptsache, wir kommen immer wieder hierher in seine Gegenwart, um sein Wort zu hören, um seine Liebe, seine Zuwendung, seine Vergebung zu empfangen, um von ihm zu erfahren, wie geduldig er, unser Vater, mit uns umgeht. Dann werden wir schließlich auch anfangen, ihn nachzuahmen, seinem Beispiel zu folgen.
Nein, das bleibt nicht ohne Folgen, wenn du regelmäßig hierher zum Gottesdienst kommst. Das wirkt sich aus in deinem Leben, wenn du immer und immer wieder erfährst, was es heißt, von Gott geliebt und angenommen zu sein, was es heißt, dass Gott dich niemals aufgibt, sich dir immer wieder von neuem zuwendet in unendlicher Geduld. Das wird auf dich abfärben, ja, diese Liebe wird dich prägen, wird dich anders mit anderen Menschen umgehen lassen, als wenn du diese prägenden Erfahrungen hier nicht machen würdest. Nein, das wird nicht ohne Folgen bleiben, wenn du hier im Gottesdienst immer wieder so reich beschenkt wirst, wenn du hier immer wieder das Allerwichtigste bekommst, was du für dein Leben brauchst. Das wird dich befreien von der Angst, nicht genug abzubekommen im Leben, das Wichtigste im Leben zu verpassen.
Komm darum immer wieder hierher zu deinem Vater. Er will dich hier doch nicht moralisch unter Druck setzen, er will dir doch kein schlechtes Gewissen bereiten, dass er so viel für dich getan hat und du nun so wenig für ihn leistest. Nein, er will dich einfach immer wieder mit seiner Liebe beschenken, mit seiner Vergebung, vertraut darauf, dass das bei dir nicht ohne Wirkung bleiben wird. Ja, komm darum immer wieder hierher zu deinem Vater und lass dich von ihm prägen. Eine bessere Prägung kannst du gar nicht bekommen, kannst du gar nicht in deinen Lebensalltag mitnehmen als diese Prägung, die Gott dir auch heute wieder schenkt in seinem Wort, dir er dir heute wieder schenkt, wenn er dir das größte und wichtigste Geschenk deines Lebens macht, dich speist und tränkt mit dem Leib und Blut seines Sohnes.
Doch du sollst hier natürlich nun nicht die ganze Woche lang sitzen bleiben. Gott schickt dich dann schon wieder los in deinen Alltag, erwartet nun von dir, dass du dich auch in deinem Alltag bewährst als sein Kind, erwartet von dir, dass er an deinem Leben und Verhalten, an deinem Reden und Tun etwas davon erkennen kann, wie wichtig dir sein Opfer ist, das er für dich gebracht hat, wie wichtig dir das ist, so reich von ihm beschenkt zu sein.
Und dann kommst du in deinem alltäglichen Leben immer wieder mit Menschen zusammen, die nicht unbedingt dieselbe gute Kinderstube genossen haben, die du hier bei deinem Vater genossen hast und immer wieder genießen darfst. Schon in dem, was sie reden, wird deutlich, aus was für einem Haus sie kommen, was sie geprägt hat. Blöde Sprüche, versaute Witze, Tratsch über andere, Angebereien, glatte Lügen. All das scheint doch so normal zu sein, dass man sich dem als einzelner doch gar nicht entziehen kann, dass man da doch einfach mitmachen muss, wenn man dazugehören will. Was würden die anderen bloß denken, wenn ich über den versauten Witz nicht mitlache, wenn ich mich an dem Tratsch über die anderen nicht beteilige? Die würden mich doch für langweilig und spießig halten, ja, da würde ich doch ganz schnell zum Außenseiter werden! Und das will ich doch nun wirklich nicht! Ich will doch dazugehören, will zeigen, dass ich normal bin, dass ich auch was kann! Ja, wie schnell passiert es dann, dass wir unsere gute Kinderstube bei Gott vergessen, dass wir vergessen, wie sehr wir unseren Vater im Himmel blamieren, wenn wir uns so ganz anders verhalten, als man dies von einem Kind Gottes doch eigentlich erwarten könnte!
Außenseiter zu sein – nein, davor brauchen wir als Christen doch wirklich keine Angst zu haben. Wir wissen doch: Wir müssen uns unsere Bestätigung und Anerkennung nicht durch das Urteil anderer Menschen über uns holen, erst recht nicht durch das Urteil von Menschen, die für unseren Vater im Himmel in ihrem Leben nur Verachtung übrig haben. Wir wissen doch, was wir an unserem Vater haben, wir wissen doch, was wir an den Brüdern und Schwestern in der Gemeinde haben, die von ihrem Vater im Himmel genauso geprägt sind wie wir. Ja, das kann uns helfen, so zu leben, so zu reden und handeln, dass Gott, unser Vater, sich darüber freut. Fragen wir uns einfach immer wieder bei dem, was wir reden: Würden wir das auch so sagen, wenn wir wüssten, dass unser leiblicher Vater, dass unsere leibliche Mutter jetzt neben uns stünde? Oder würden wir dann augenblicklich innehalten und zumindest hellrot anlaufen, weil wir das doch nicht gerne hätten, dass die das hören, was wir da gerade von uns geben? Und was ist mit Gott, unserem Vater im Himmel? Ist uns das egal, ob der uns zuhört oder nicht? Oder ist uns das im Gegenteil ein Anliegen, ihn nicht zu enttäuschen, ihn nicht zu blamieren? Ja, Eltern schämen sich für ihre Kinder, wenn die so ganz aus der Art schlagen. Und Gott, der schämt sich für uns, wenn wir in unserem Alltag aus der Art schlagen, und er ist traurig, wenn er, unser Vater, uns in unserem Leben so wenig bedeutet, wenn von der Prägung, die wir von ihm empfangen haben, so wenig zu erkennen ist.
Ja, Gott prägt uns für unser Leben, vor allem auch dadurch, dass er uns immer wieder so reich beschenkt, dass er uns so viel gibt und verspricht, dass wir in unserem Leben nie mehr Angst haben müssen, wir würden das Wichtigste verpassen. Aber eben darum passt das nicht zu unserem Leben als Kinder Gottes, wenn wir in dem beständigen Gefühl leben, wir würden nicht genügend abbekommen, wir bräuchten immer mehr, wenn wir von irgendwelchen Dingen in unserem Leben geradezu süchtig und abhängig werden.
Von Habsucht spricht der Apostel Paulus hier. Ja, damit meint er natürlich auch unsere menschliche Gier, immer mehr und mehr an Geld und Besitz haben zu wollen. Geschichten von Menschen, die einfach nicht den Hals voll bekommen konnten und können, werden uns ja gerade in letzter Zeit immer wieder in den Medien vor Augen geführt, Geschichten von Menschen, denen die Gier nach immer mehr den Anstand und den Verstand lahm gelegt hat. Ja, wir fragen uns, wie Menschen, die doch ohnehin schon mehr als genug haben, die ohnehin vielleicht schon Millionen verdient haben, sich so schwer tun, einmal zu verzichten und stattdessen immer noch mehr und mehr und mehr haben wollen. Doch so sind wir Menschen alle miteinander von Natur aus, so zeigt es uns die Heilige Schrift, auch wenn es bei uns vielleicht um viel kleinere Beträge geht; ja, das lässt sich nur durch eine gute Kinderstube im Hause Gottes ändern.
Doch wenn Paulus hier von Habsucht spricht, meint er eben nicht nur die Gier nach Geld und Besitz. Er meint jegliche Form von Suchtverhalten, dass wir im Laufe der Zeit mehr und mehr Suchtstoff brauchen, um unsere Sucht zu befriedigen. Das kann natürlich der Alkohol sein – nicht umsonst warnt der Apostel Paulus einige Verse nach unserer Predigtlesung ausdrücklich davor, sich voll Wein zu saufen. Und diese Warnung gilt eben nicht bloß für den Fall, dass man Bischöfin ist und anschließend noch Auto fahren will. Das kann aber auch beispielsweise das Internet, das können Computerspiele sein, die einen süchtig machen können, einen dann nach mehr und mehr und mehr verlangen lassen, das kann aber natürlich auch der Sexualtrieb sein, der Verstand und Anstand eines Menschen in den Unterleib rutschen lässt, ihn Dinge tun lässt, die er eigentlich doch gar nicht verantworten kann, die am Ende das Leben anderer und vielleicht auch sein eigenes Leben zerstören. Mensch, all das habt ihr als Kinder Gottes doch nicht nötig, so ruft es uns der Apostel zu. Ihr werdet von Gott in eurem Zuhause doch so reich beschenkt, dass ihr nicht immer alles haben müsst, dass ihr getrost auf so manches bewusst verzichten könnt, was in euch die Gier nach immer mehr wecken könnte. Ihr seid doch angenommen von Gott, ihr seid doch geliebt von ihm, habt euch doch von ihm prägen lassen, aus Liebe auch Verzicht zu üben. Ja, folgt doch Gottes Beispiel, lebt in der Liebe, wie ihr von ihm geliebt seid.
Ja, der Apostel Paulus nennt uns hier auch das beste Gegenmittel gegen Sucht und Gier. Dieses Gegenmittel ist der Dank. Wenn der Dank an Gott mein beständiger Begleiter durch den Tag ist, wenn ich Gott nicht nur zu den Mahlzeiten für das Essen danke, sondern auch sonst immer wieder dankbar wahrnehme, was er mir alles in meinem Leben geschenkt hat, dann werde ich mich nicht von meinen Süchten und Sehnsüchten, von meinen Trieben bestimmen lassen, dann wird mir das helfen, so zu leben, dass ich Gott, meinem Vater, keine Schande bereite, dass ich sein Vertrauen, das er in mich gesetzt hat, nicht enttäusche.
Vom Gegenteil spricht der Apostel Paulus hier in der Epistel allerdings auch ganz nüchtern: Wer seinen Vater dauerhaft enttäuscht, wer sich in seinem Leben nur groben Undanks schuldig macht, der muss am Ende damit rechnen, enterbt zu werden. Und das gilt auch für uns, so betont es der Apostel: Wenn ich beharrlich an einer Sünde festhalte und nicht von ihr lassen will, wenn mir das Vorbild meines Vaters, wenn mir auch seine mahnenden und warnenden Worte gar nichts bedeuten, dann kann ich das, was ich da tue, noch so schön reden: Ich verspiele damit meine Teilhabe am ewigen Leben, am Reich Christi und Gottes. Ja, ich muss mir schon klarmachen, was mir wichtiger ist: Was meine Freunde und Nachbarn über mich denken oder was Gott, mein Vater, über mich denkt. Nein, irren wir uns nicht: Gott ist es nicht egal, wie wir unsere Sexualität ausleben, der lässt sich auch nicht von Dr. Sommer beeindrucken. Gott ist es nicht egal, was für Worte aus unserem Munde kommen, der hört nicht vorsichtshalber weg, wenn wir uns da was zurechtquatschen. Und Gott sieht auch unser Herz, das sich an alle möglichen Dinge dieser Welt hängt und davon um keinen Preis lassen will, sondern sich davon so leicht gefangen nehmen lässt.
Ja, mächtig enttäuscht ist Gott eben doch immer wieder von uns. Aber er gibt uns immer noch nicht auf. Darum spricht er heute Morgen durch das Wort seines Apostels wieder zu uns, erinnert uns daran, wie gut wir es doch haben, bei ihm zu Hause sein zu dürfen, erinnert uns daran, was wir ihm bedeuten. Nein, wir haben doch keinen Vater, der uns das Leben schwer macht, auch keinen, der uns moralisch unter Druck setzt. Er liebt uns einfach, trotz all der Enttäuschungen, die er mit uns schon erlebt hat, hört nicht auf, uns immer noch sein Vertrauen zu schenken. Wir bleiben doch seine Kinder. Mensch, auf diesen Vater können wir doch wirklich stolz sein! Amen.