03.01.2010 | 1. Johannes 5, 11-13 (2. Sonntag nach Weihnachten)

ZWEITER SONNTAG NACH WEIHNACHTEN – 3. JANUAR 2010 – PREDIGT ÜBER 1. JOHANNES 5,11-13

Und das ist das Zeugnis, dass uns Gott das ewige Leben gegeben hat, und dieses Leben ist in seinem Sohn. Wer den Sohn hat, der hat das Leben; wer den Sohn Gottes nicht hat, der hat das Leben nicht. Das habe ich euch geschrieben, damit ihr wisst, dass ihr das ewige Leben habt, die ihr glaubt an den Namen des Sohnes Gottes.

Habt ihr noch einen Böller in der Tasche? Oder habt ihr sie alle schon in den letzten Tagen in die Luft gejagt? Ich bin ja immer froh, wenn ich euch nach Neujahr immer noch mit zehn Fingern an euren Händen hier in der Kirche sitzen sehe! Aber heute Morgen würde ich jetzt am liebsten einen richtig fetten Kanonenschlag nehmen und den hier zur Explosion bringen. Ja, ich weiß, da hätte unser Sicherheitsbeauftragter etwas dagegen, und darum werde ich das auch nicht machen. Aber ich würde das am liebsten machen, nicht um euch zu erschrecken, sondern um euch aufzuwecken, damit ihr auch wahrnehmt, was für ein Hammer euch hier eigentlich in den Versen unserer heutigen Predigtlesung präsentiert wird. Das klang ja alles eben so fromm, was wir da gehört haben, die Worte schienen einfach so dahinzuplätschern: Gott, ewiges Leben, Sohn Gottes, Glauben – kennen wir alles schon. Da können wir ruhig in der nächsten Viertelstunde ein wenig von dem Schlaf nachholen, den wir in der Silvesternacht versäumt haben. Und eben darum würde ich jetzt am liebsten einen Böller zünden, damit ihr merkt: Jetzt geht es gleich um die wichtigste Nachricht für das Jahr 2010, ja um die wichtigste Nachricht für euer Leben überhaupt.
Vom ewigen Leben spricht der heilige Johannes hier die ganze Zeit. Und da mögt ihr nun doch gleich wieder zu gähnen anfangen und feststellen: Das hat ja noch Zeit mit dem ewigen Leben: Erst mal will ich das Jahr 2010 überstehen, das Probehalbjahr in der Schule, die MSA-Prüfungen, erst mal will ich mein Studium abschließen oder zusehen, dass ich endlich wieder Arbeit finde. Erst mal will ich mich um meine Familie kümmern, um meine Kinder und Enkelkinder. Erst mal will ich endlich Zeit finden für meine Hobbys. Und dann irgendwann kann ich mich ja immer noch mit dem ewigen Leben befassen, wenn der Medizinische Dienst bei mir die Pflegestufe 2 bewilligt hat. Doch der heilige Johannes hat damals seinen Brief nicht an die Bewohner eines Seniorenheims geschrieben. Sondern da gab es unter seinen Gemeindegliedern damals auch, wie bei uns heute, viele junge Leute, Kinder, Jugendliche, junge Erwachsene. Und auch mit denen spricht er über das ewige Leben, nein, nicht um schon mal für später vorzubeugen, sondern weil dieses Thema hier und jetzt das entscheidende Thema unseres Lebens ist. Das ewige Leben fängt eben nicht erst irgendwann an, wenn ich meinen letzten Atemzug getan habe und mein Körper schließlich in einen Sarg gepackt wird. Sondern das ewige Leben, so betont es St. Johannes, das fängt jetzt und hier an, an dem hast du Teil auch schon am 3. Januar 2010, auch und gerade, wenn du jetzt noch quietschvergnügt in deiner Kirchenbank sitzt.
Dabei macht Johannes jedoch eines hier in unserer Predigtlesung ganz deutlich: Dieses ewige Leben hast du nicht automatisch, das steckt nicht einfach in dir drin, in das gehst du auch nicht automatisch über, wenn du mal stirbst. Da hatte sich der heilige Johannes damals schon mit Leuten auseinandersetzen müssen, die so etwas behaupteten: Die glaubten allen Ernstes, dass in uns Menschen so eine Art von göttlicher Kern steckt, eine Art von göttlichem Seelenfunken. Und wenn wir dann irgendwann mal sterben, dann geht dieser göttliche Kern, dieser Seelenfunken gleichsam automatisch in die himmlische Welt ein. So ähnlich stellen sich das viele Leute ja auch heute vor: Nein, mit Kirche und Glauben haben sie normalerweise nicht viel am Hut. Aber wenn dann ein Mensch in ihrer Verwandtschaft, in ihrer Familie stirbt, dann gehen sie ganz selbstverständlich davon aus, dass dieser Mensch jetzt wohl irgendwo im Jenseits lebt, als Engelchen auf uns herunterblickt oder sich sonst irgendwo da oben ganz gut amüsiert, auch wenn er in seinem Leben von einem ewigen Leben eigentlich gar nichts wissen wollte. Da starb vor ein paar Monaten auf Mallorca der Boyzone-Sänger Stephen Gately im Alter von 33 Jahren. Wie sich herausstellte, hatte er in der Nacht zuvor kräftig gesoffen und sich mit Drogen vollgestopft und war dann nach einem flotten Dreier mit seinem Ehemann und einem weiteren Herrn an seinem eigenen Erbrochenen gestorben. Und dann gab es, wie es sich in Irland so gehört, eine kirchliche Beerdigung für ihn, auf der ein Bandmitglied schluchzend erklärte, der Verstorbene sei solch ein guter Mensch gewesen, dass er nun als Engel weiterleben würde.
Schwestern und Brüder, ich maße mir nicht an zu beurteilen, was Gott einmal mit Stephen Gately machen wird. Aber es ist schon erstaunlich, wie selbstverständlich die Leute davon ausgehen, dass jemand, der stirbt, anschließend in den Himmel kommt, ganz gleich, wie er vorher gelebt hat. Nein, es ist nicht selbstverständlich, dass du in den Himmel kommst, auch wenn du nicht auf flotte Dreier mit wem auch immer stehst, dich nicht besäufst und keine Drogen nimmst und dich vielmehr vielleicht für einen ganz anständigen Menschen hältst. Du hast in dir keine genetische Anlage zu einem Leben, das über den Tod hinausreicht, und es gibt auch kein Naturgesetz, dass man nach dem Tod in eine jenseitige Welt wandert, um dort als Engel oder was auch immer Karriere zu machen.
Sondern das ewige Leben ist, so betont es St. Johannes hier ganz ausdrücklich, ein Geschenk, das uns gegeben wird. Ich kann mir also das ewige Leben auch nicht verdienen, indem ich Gott damit beeindrucke, dass ich so ein guter, hilfsbereiter Mensch bin, dass ich mir damit eine Belohnung in der jenseitigen Welt erwerben könnte. Nein, das ewige Leben wird mir schlicht und einfach geschenkt, ja, es ist uns schon geschenkt worden ganz konkret in unserer Taufe. Seitdem haben wir das ewige Leben schon, jawohl, hier und jetzt, nicht erst irgendwann, wenn man uns mit den Beinen zuerst aus dem Haus trägt.
Aber nun ist das mit Geschenken ja so eine Sache. In den vergangenen Tagen haben ja viele von euch Geschenke bekommen, sei es zu Weihnachten oder von Väterchen Frost zu Neujahr. Da waren hoffentlich Geschenke für euch mit dabei, über die ihr euch wirklich freuen konntet und die ihr auch künftig gebrauchen werdet. Aber vielleicht war da dann auch das eine oder andere Geschenk dabei, bei dem man schon beim Auspacken dachte: Was soll ich denn damit bloß anfangen? Und so manches Geschenk, was wir bekommen haben, landet dann doch sehr schnell irgendwann bei uns im Schrank, wird von uns vergessen und vielleicht dann erst irgendwann entsorgt, wenn mal jemand unsere Wohnung auflöst.
„Gott hat uns das ewige Leben gegeben“, so schreibt der Apostel Johannes hier. Was für ein wunderbares, was für ein großartiges Geschenk: Gott lässt uns in der Gemeinschaft mit seinem Sohn Jesus Christus leben, nein, nicht bloß für ein paar Jahre hier auf Erden, sondern über die Grenzen unseres Lebens hier auf der Erde hinaus, in seiner neuen Welt, in der es unsere jetzige Zeit nicht mehr geben wird, ja, Gott schenkt uns das ewige Leben!
Wie gesagt: Das Geschenk hast du auch. Die Frage ist nur: Wie gehst du mit diesem Geschenk um; machst du von ihm Gebrauch, oder hast du es längst irgendwo bei dir in die Ecke im Schrank gepackt, in der Hoffnung, dass du es da noch rechtzeitig wiederfindest, wenn du es am Ende deines Lebens mal brauchen wirst? O nein, so macht es uns St. Johannes deutlich: Das Geschenk des ewigen Lebens, das wir in unserer Taufe bekommen haben, das ist kein Geschenk auf Vorrat, nichts, was eigentlich jetzt noch viel zu früh kommt, was wir jetzt noch gar nicht brauchen können. Sondern das Geschenk des ewigen Lebens ist ein Gegenstand des täglichen Gebrauchs, so zeigt es uns St. Johannes, mit dem sollen und dürfen wir täglich umgehen. Denn ewiges Leben heißt, so führt der Apostel es hier aus, mit Jesus Christus zusammen sein, ja, in ihm leben. Das ewige Leben, das Gott uns schenkt, ist „in seinem Sohn“, so formuliert es St. Johannes hier. Von diesem ewigen Leben mache ich also Gebrauch, wenn ich immer wieder dorthin komme, wohin Gottes Sohn, Jesus Christus, mich einlädt, wenn ich mich mit ihm immer wieder von neuem verbinden lasse im Heiligen Abendmahl. Von diesem ewigen Leben mache ich Gebrauch, wenn ich Christus zuhöre, wenn der zu mir spricht im Wort der Heiligen Schrift. Von diesem ewigen Leben mache ich Gebrauch, wenn ich mit Christus, meinem Herrn, spreche im Gebet, wenn ich ihm da immer wieder alles vortrage, was mich bewegt, und ihn um seine Wegweisung für mein Leben bitte.
Johannes kann es hier auch so formulieren: „Wer den Sohn hat, der hat das Leben.“ Jawohl, so einfach ist das mit unserem christlichen Glauben, so einfach ist das mit dem ewigen Leben: Ich brauche einfach nur den Sohn, ich brauche einfach nur Jesus Christus zu haben. Und den bekomme ich eben mit seinem Leib und Blut hier an seinem Altar, den habe ich, wenn er in seinem Wort zu mir redet. Den habe ich, wenn er mich umhüllt mit seiner Vergebung in der Heiligen Beichte. Dann habe ich ihn – und zugleich bin ich in ihm, habe ich in ihm das ewige Leben.
Was für eine fantastische Lebensperspektive: Ich brauche in meinem Leben keine Angst zu haben, dass ich das Schönste und Wichtigste verpasse, dass ich nicht genügend abbekomme, dass die paar Jahre hier auf der Erde eigentlich gar nicht reichen. Mein Leben, mein wahres Leben endet nicht in ein paar Jahren, das endet nie mehr, das wird im Gegenteil immer schöner. Ich habe ein großartiges Ziel für mein Leben, selbst wenn sonst in meinem Leben ganz viel schief laufen sollte, selbst wenn ich sonst in meinem Leben versage und schuldig werde. Für das ewige Leben brauchen wir keine bestandene MSA-Prüfung, keinen Numerus clausus, keine Aufnahmegebühr, keine Verbindungen zu irgendwelchen einflussreichen Persönlichkeiten, von Christus selber mal abgesehen. Es ist und bleibt ein Geschenk, und wenn wir dieses Geschenk haben, wenn wir davon Gebrauch machen, dann sind wir allemal reicher als alle Ölscheichs und Mafiabosse zusammen.
„Wer den Sohn hat, der hat das Leben.“ – Das heißt aber eben umgekehrt auch, so betont es St. Johannes: „Wer den Sohn Gottes nicht hat, der hat das Leben nicht.“ Wer Jesus Christus nicht hat, wer nicht in seiner Gemeinschaft lebt, wer nicht an ihn als seinen Herrn und Retter glaubt, der hat das Leben nicht, das allein diesen Namen verdient.
Ja, da würde ich an dieser Stelle jetzt am liebsten gleich den nächsten Kanonenschlag zünden, damit euch das noch mal neu aufweckt: Ohne Jesus Christus kein Leben, kein Leben in Ewigkeit. Nein, es geht hier in der Kirche nicht bloß um nette Unterhaltung, die man von Zeit zu Zeit mal in Anspruch nehmen kann, wenn einem danach zumute ist. Der Gottesdienst ist nicht bloß ein unvermeidliches Rahmenprogramm, das man nun mal mitnehmen muss, wenn man Pizza essen und Schlittschuh laufen will. Der Glaube ist nicht bloß ein schönes Gefühl, das man so mit sich herumtragen kann. Sondern hier und jetzt fallen in deinem Leben Entscheidungen, Entscheidungen, bei denen alles für dich auf dem Spiel steht, ja, nicht weniger als dies, ob du das wahre, das ewige Leben hast oder nicht. Denke daran immer wieder in diesem neuen Jahr 2010, wenn es für dich darum geht, wie viel Platz du diesem Jesus Christus in deinem Leben einräumst: „Wer den Sohn hat, der hat das Leben; wer den Sohn Gottes nicht hat, der hat das Leben nicht.“
Und dann schau dir die Menschen in deiner Umgebung an, dann schau auf deine Freunde und Freundinnen, auf deine Verwandten und Bekannten: „Wer den Sohn Gottes nicht hat, der hat das Leben nicht.“ Kennst du Menschen, die noch nicht getauft sind, die noch nicht das Geschenk des ewigen Lebens empfangen haben? Dann lade sie ein, dann sprich sie an, erzähle ihnen von diesem größten aller Geschenke, von dem Leben in der Gemeinschaft mit Gott, das Gott auch ihnen schenken will. Es gibt keinen Menschen auf der Welt, der ohne das Geschenk dieses Lebens auskommen könnte, keinen, bei dem diese Einladung überflüssig wäre, weil er oder sie sie nicht nötig hätte. Kennst du Menschen, vielleicht auch hier aus unserer Gemeinde, die von Christus nichts mehr wissen wollen, die ihn längst in den Abstellraum ihres Lebens gepackt haben? Dann lade sie ein, wieder neu dieses Geschenk zu entdecken und davon Gebrauch zu machen! Und lass dich von diesen Worten des Apostels vor allem auch selber warnen, ja nicht den Anschluss an Christus, deinen Herrn, zu verlieren, ja nicht ohne Christus in deinem Leben auszukommen. Du gibst damit nicht bloß ein Hobby auf; das kostet dich sonst am Ende nicht weniger als dein Leben, dein wahres, ewiges Leben!
„Das habe ich euch geschrieben, damit ihr wisst, dass ihr das ewige Leben habt.“ – So schreibt es St. Johannes den Empfängern seines Briefes. Und genau das, so hoffe ich, wisst ihr nun auch wieder ganz neu: Ihr habt das ewige Leben, weil ihr Christus habt, weil ihr an ihn, an seinen Namen glaubt, weil ihr mit ihm verbunden seid und euch heute wieder mit ihm verbinden lasst im Heiligen Mahl. Ja, ihr habt das ewige Leben. Ich hoffe, das wisst ihr auch noch, wenn ihr heute Abend wieder zu Hause seid. Ich hoffe, das wisst ihr auch noch, wenn ihr euch überlegt, wo ihr den nächsten Sonntagmorgen zubringen werdet. Ihr habt das ewige Leben. Ja, ich hoffe, daran erinnert ihr euch euer ganzes Leben lang – auch ohne Böller und Kanonenschlag! Amen.