10.06.2012 | Jeremia 23,16-29 | 1. Sonntag nach Trinitatis

Erinnert ihr euch noch an die Krake Paul? Die sagte bei der Fußball-Weltmeisterschaft 2010 in Südafrika sämtliche Ergebnisse der Spiele der deutschen Fußball-Nationalmannschaft korrekt voraus. Jetzt bei der Fußball-Europameisterschaft wird sie dazu nicht mehr in der Lage sein, denn Paul verstarb wenige Monate nach der Weltmeisterschaft im Sea Life Center in Oberhausen, wo man noch heute die Urne mit seiner Asche und ein ihm gewidmetes Denkmal besichtigten kann.
War Paul auch ein Prophet – einzuordnen in die Reihe von Jesaja, Jeremia und Hesekiel? Jedenfalls passte Paul als Prophet in unsere heutige Zeit: Seine Prophezeiungen sorgten für gute Unterhaltung und mussten darüber hinaus nicht sonderlich ernst genommen werden.
Und damit befand und befindet sich Paul in guter Gesellschaft mit den heutigen Pastoren: Deren Predigten werden nämlich oft genug auch so ähnlich wahrgenommen wie die Prophezeiungen von Krake Paul: Sie sind hoffentlich ganz unterhaltsam und liefern vielleicht sogar den einen oder anderen Aufhänger für einen Plausch. Doch weiter ernst zu nehmen braucht man sie darüber hinaus eigentlich nicht.
Krakenwort und Menschenwort mögen sich in der Tat in vielem ähneln. Doch unsere heutige Predigtlesung möchte uns die Augen dafür öffnen, dass ihr hier und jetzt im Gottesdienst, hier und jetzt in der Predigt noch etwas ganz anderes geboten bekommt als bloß ein Krakenorakel, als nette Unterhaltung, als die persönlichen Ansichten eines Menschen. Ja, Jeremia will uns die Augen dafür öffnen, was es bedeutet, dass Gott selber durch Menschen zu uns Menschen spricht.
Und wenn Gott spricht, dann ist das in der Tat der Hammer, so lässt er es dem Volk Israel damals durch den Propheten Jeremia verkündigen. Wenn Gott spricht, dann ist das kein leeres Gequatsche oder Gesäusel, sondern dann geschieht etwas, dann zerbröseln Felsen, Abwehrmauern, die Menschen sich so schön um ihr Herz gebaut hatten, um ja nicht mit Gott, seinem Anspruch und seinen Versprechen konfrontiert zu werden. Wenn Gott spricht, dann erweist sich alles menschliche Gerede als hohl und nichtssagend, dann erfahren Menschen: Jetzt geht es um mich, um mein Leben.
Wenn Gott spricht – aber wo und wie spricht er denn nun? Genau um diese Frage ging es damals schon vor 2600 Jahren, als der Prophet Jeremia im Auftrag Gottes Gottes Wort verkündigte. Da stand er nämlich als Prophet nicht allein da, sondern er musste erleben, dass da neben ihm jede Menge andere Leute auftraten, sich auch als Propheten bezeichneten, auch behaupteten, Gottes Wort zu verkündigen, und doch genau das Gegenteil von dem sagten, was er, Jeremia, im Auftrag Gottes dem Volk mitteilen sollte. Wenn es nicht um eine so ernste Sache gehen würde, könnte man über das, was Jeremia da erlebte, beinahe herzhaft lachen: Das war fast so ähnlich wie die berühmte Szene in der Feuerzangenbowle mit Heinz Rühmann, als sich der Pfeiffer mit den drei f und Professor Schnauz gegenüberstehen und jeder von den beiden behauptet, der echte Chemielehrer zu sein. 
Doch was Jeremia hier erlebt, ist eben kein Spaß, sondern geradezu tödlicher Ernst: Wo ein Mensch sich anmaßt, im Namen Gottes aufzutreten, und dann doch seine eigenen Vorstellungen von Gott statt allein Gottes Wort verkündigt, da hört bei Gott der Humor auf. Denn wo Gottes Wort verkündigt wird, da geht es um Rettung oder Verderben, um Leben oder um Tod.
Jeremia weiß, dass er der echte Prophet ist, dass die anderen die Billigimitate sind. Doch er hat ein Problem: Wie soll er das seinen Hörern nachweisen, wenn die anderen Propheten genauso im Brustton der Überzeugung verkünden: „So spricht der HERR!“? Er kann nichts Anderes tun, als Gottes Gericht über sie zu verkündigen, anzukündigen, dass Gott selber einmal sie zur Rechenschaft ziehen wird für diesen furchtbaren Missbrauch seines Namens. Jeremia kann nichts Anderes tun, als seine Zuhörer darauf hinzuweisen, dass nicht automatisch jeder, der behauptet, im Namen des HERRN zu sprechen, dies auch wirklich in der Autorität Gottes tut. Und Jeremia kann schließlich nur einen inhaltlichen Hinweis geben, der seine Prophetie von falscher Prophetie unterscheidet: Falsche Prophetie verkündigt einen weichgespülten Gott, der für alles Verständnis hat, was die Menschen tun, und keine Umkehr vom Menschen erwartet. Auf Meinungsumfragen zur Ermittlung der wahren Prophetie konnte Jeremia dagegen keinesfalls setzen. Da hätte er damals mit Sicherheit den Kürzeren gezogen.
Und wie sieht es heute aus? Wer wagt es heute noch, im Namen Gottes Gottes Wort zu verkündigen, ja, wer hat heute noch den Auftrag dazu?
Es ist dies eine sehr ernste Frage, denn wenn wir uns in den Kirchen in unserem Land umschauen, dann stellen wir schnell fest: Viele derer, die predigen, wagen es nicht mehr, für das, was sie verkündigen, die Autorität Gottes in Anspruch zu nehmen. Sie beschränken sich darauf, der Gemeinde ihre persönliche Ansicht, ihren persönlichen Glauben, ihren persönlichen Stand der Erkenntnis mitzuteilen. Doch so einfach kann man es sich eben nicht machen. Wenn ihr von mir, von dieser Predigt nicht mehr erwarten könntet als ein paar persönliche Gedanken, die ich mir zum heutigen Predigttext gemacht habe, dann könntet ihr euch das Zuhören in der Tat schenken und getrost während der Predigt weiter auf euren Handys im Internet surfen. Wenn ich nicht den Anspruch erheben könnte und müsste, dass das, was ich euch verkündige, in der Tat Gottes Wort, gesprochen im Auftrag Gottes, ist, dann würde ich diese Kanzel sofort wieder verlassen und euch nicht mit meinen unmaßgeblichen Meinungen belämmern. Ja, ein Wagnis ist es in der Tat, jeden Sonntag neu, dass ich mich mit diesem Anspruch vor euch stelle, Gottes Wort zu verkündigen, ein Wagnis, bei dem ich mich jeden Sonntag neu Gottes Gericht zu unterstellen habe, der mich dafür einmal zur Rechenschaft ziehen wird, was ich da in seinem Namen verkündigt habe. Ein Wagnis ist das in der Tat, weil ich mit dem, was ich als Gottes Wort verkündige, anderen widerspreche, die ebenfalls behaupten, im Namen Gottes zu reden, Mohammed etwa, der auch den Anspruch erhebt, Gottes Prophet zu sein, und dessen Verkündigung doch völlig unvereinbar ist mit dem, was ich euch als Wort Gottes predige, oder auch so manchem Schwärmer, der behauptet, vom Heiligen Geist erfüllt zu sein, und doch ein Evangelium verkündigt, das mit der biblischen Verkündigung des gekreuzigten Christus oftmals herzlich wenig zu tun hat. Ja, dieses Wagnis muss ich eingehen, im Auftrag Gottes Gottes Wort zu verkündigen, weil der Glaube eben allein am Wort Gottes hängt, nicht an menschlichen Meinungen und Überzeugungen, und mögen sie noch so fromm klingen. 
Und damit stellt sich nun zugleich immer wieder auch für euch die Frage: Woran können wir erkennen, dass der, der behauptet, in Gottes Namen Gottes Wort und Willen zu verkündigen, uns wirklich auch Gottes Wort predigt und nichts Anderes? Jeremia gibt auch uns heute zwei ganz wichtige Antworten: Wer Gottes Wort predigt,
- der ruft zur Umkehr
- der erzählt nichts Neues
I.
Wer das Wort Gottes zu predigen hat, steht bei seiner Verkündigung immer wieder in einer großen Gefahr: Er steht in der Gefahr, sich daran zu orientieren, ob das, was er verkündigt, bei den Zuhörern auch gut ankommt, Zustimmung findet, vielleicht gar Begeisterung auslöst. Keinesfalls möchte man sich mit dem, was man predigt, ja Feinde machen, Leute empören oder verärgern. Keinesfalls möchte man von seinen Zuhörern in bestimmte Schubladen gesteckt werden, dass man angeblich altmodisch oder weltfremd ist oder eine „Drohbotschaft“ verkündigt. Sehr viel eher lässt man es sich dagegen gefallen, wenn das Gesagte als nett, geistreich oder anregend empfunden wird. Und von daher verzichtet man dann lieber darauf, seinen Zuhörern zu sagen, dass sie nicht so weitermachen können wie bisher, dass sie sich mit dem, was sie getan haben und tun, das Gericht Gottes auf den Hals laden. Stattdessen verkündigt man ihnen lieber, dass Gott für alles offen ist, für alles Verständnis hat, was Menschen tun und möchten, ja, dass er sich ohnehin dazu entschieden hat, sein Jüngstes Gericht abzublasen und es stattdessen durch eine Talkshow zu ersetzen. Mit den Worten des Propheten Jeremia: „Sie sagen denen, die des HERRN Wort verachten: Es wird euch wohlgehen -, und allen, die nach ihrem verstockten Herzen wandeln, sagen sie: Es wird kein Unheil über euch kommen.“ Was gesellschaftlich heutzutage anerkannt ist, kann doch von Gott nicht mehr als falsch, ja, als Sünde angesehen werden!
„Es wird euch wohlgehen!“ – Ja, das ist auch heute eine ganz große Gefahr, dass solch eine Wellness-Botschaft mit dem Evangelium verwechselt wird. Doch das Evangelium bestärkt eben gerade nicht all diejenigen auf ihrem Weg, die meinen, sie könnten in ihrem Leben immer so weitermachen wie bisher, sondern es tröstet die und richtet die auf, die erkennen, dass sie sich mit ihrem Leben von Gott entfernt hatten, in die falsche Richtung gelaufen waren, tröstet und richtet sie auf mit dem Wort der Vergebung.
Ja, daran könnt ihr sehr einfach erkennen, ob euch jemand Gottes Wort predigt oder nicht: Wenn er nur predigt, was Menschen gerne hören wollen, wenn sein Wort nicht Sünde aufdeckt und zur Umkehr und zum Empfang von Gottes Vergebung ruft, dann ist dieses Wort nicht Gottes Wort, dann ist das, mit den Worten Jeremias gesprochen, Stroh und nicht Weizen.
Fragt euch darum selbst immer wieder, was ihr eigentlich von einer Predigt erwartet: Bestätigung der eigenen Vorstellungen von Gott oder Neuausrichtung eures Denkens und Lebens, ein gutes Gefühl oder den Zuspruch der Rettung aus Gottes Gericht? Wie gut, dass Jeremia hier in seinen Worten solchen Klartext auch mit uns redet!
II.
Aber nun nennt uns Jeremia auch noch einen zweiten Anhaltspunkt, woran wir erkennen können, dass uns in einer Predigt wirklich Gottes Wort gesagt wird: Ein Prediger, der Gottes Wort verkündigt, erzählt nichts Neues.
Das passt uns natürlich gar nicht. Wir sind neu-gierig, sind scharf darauf, immer wieder Neues zu hören und zu erfahren, möchten nicht immer nur das vernehmen, was wir scheinbar doch schon kennen. Wäre es nicht viel spannender, wenn Gott uns an jedem Sonntag ganz neue Nachrichten in der Predigt übermitteln würde?
Doch es geht eben in der Predigt nicht darum, dass wir hier gut und spannend unterhalten werden. Es geht darum, dass ihr gewiss sein sollt und dürft, dass es wirklich Gottes Wort und Wille ist, was ihr hier vernehmt, und nicht bloß die Vorstellungen des Pastors. Die nützen euch am Ende gar nichts. Die falschen Propheten zur Zeit Jeremias kamen schon damals gut bei den Leuten an mit ihrer Behauptung, Gott habe ihnen in irgendwelchen Träumen neue Offenbarungen zukommen lassen. Doch wer soll identifizieren können, was von diesen Träumen tatsächlich von Gott kommt und was nur Ausdruck des Seelenlebens des Träumenden ist?
Der einzige Maßstab, den wir haben, ist das Wort Gottes, das uns bereits in schriftlicher Form vorliegt, ist die Heilige Schrift. Nichts von dem, was in der Predigt verkündigt wird, darf dem widersprechen, was Gott uns bereits in der Heiligen Schrift zu erkennen gegeben hat. Alles, was in der Predigt verkündigt wird, muss in diesem Wort der Heiligen Schrift gegründet sein und sich daran messen lassen. Mit den Worten Jeremias: „Ein Prophet, der Träume hat, der erzähle Träume; wer aber mein Wort hat, der predige mein Wort recht.“
Ja, wir können Gottes Wort in der Tat haben; es ist nachlesbar in der Heiligen Schrift. Darin haben wir alles, was wir brauchen, was wir wissen müssen. Bleiben wir darum immer kritisch gegenüber noch so frommen Predigern, die behaupten, der Heilige Geist habe ihnen über die Heilige Schrift hinaus dieses oder jenes geoffenbart und eingegeben. Seien wir kritisch auch gegenüber unseren eigenen Vorstellungen, die wir uns in Glaubensfragen machen mögen, befragen wir auch sie immer wieder vom Wort der Heiligen Schrift her. Und erwarten wir vor allen Dingen von einer Predigt, dass sie uns immer wieder auf das Zentrum der Heiligen Schrift weist, auf den, der zu den Zeiten Jeremias noch nicht als Mensch geboren war und in dem allein wir erkennen können, wer Gott wirklich ist und was er wirklich will, erwarten wir von einer Predigt, dass sie uns immer wieder Christus ganz groß vor Augen stellt und das, was er für uns getan hat. Ja, wo das geschieht, da dürft ihr gewiss sein: Jetzt spricht Gott mit mir – und sein Wort hat Kraft, hat sogar die Kraft, all die harten Schalen um mein Herz herum aufzubrechen. Genau das passiert auch jetzt und hier in dieser Stunde, in dieser Predigt. Da habe ich euch nun wieder nichts Neues erzählt, nichts, was über das Wort der Heiligen Schrift hinausginge. Und doch war und ist dieses Wort, das ihr nun gehört habt, einfach der Hammer, ja, ein Hammer, der selig macht alle, die diesem Wort vertrauen. Amen.