10.03.2013 | St. Johannes 6,47-51 | Laetare

In meinem Urlaub habe ich unter anderem ein schönes Buch des Kölner Psychiaters Manfred Lütz gelesen mit dem Titel „Bluff“. Darin schildert er, wie wir Menschen in künstlichen Welten leben und oft gar nicht mehr merken, dass diese künstlichen Welten letztlich mit der eigentlichen Realität gar nichts mehr zu tun haben. Unter anderem berichtet Lütz von einer Dame, die ihrem armen Mann das ganze gemeinsame Eheleben lang mit allen möglichen Diäten ewige Gesundheit zukommen lassen wollte. Leider starb dieser dann jedoch bei einem Verkehrsunfall, woraufhin die Witwe an seinem Grab schluchzend erklärte: „Nun haben die ganzen Diäten alle nichts genützt!“

Ja, das war und ist in der Tat tragisch: Tragisch ist es immer, wenn Menschen von einem geliebten Menschen Abschied nehmen müssen; aber ebenso tragisch ist es eben auch, wenn Menschen allen Ernstes glauben, sich mit der richtigen gesunden Ernährung gleichsam das ewige Leben anessen zu können, und dann irgendwann doch feststellen müssen, dass sie damit doch einem Irrtum aufgesessen sind.

Dieser Irrtum, dass wir uns mit dem richtigen Essen ein gleichsam unendliches Leben verschaffen können, ist offenkundig weit verbreitet. Anders kann man die heftigen Reaktionen kaum verstehen, die immer wieder dann zu vernehmen sind, wenn mal wieder ein neuer Lebensmittelskandal aufgedeckt wird. Ja, natürlich ist das alles oftmals sehr unappetitlich, was bei diesen Skandalen ans Tageslicht kommt. Aber hysterisch reagieren viele eben deshalb darauf, weil sie allen Ernstes die simple Tatsache verdrängen, dass uns jedes Essen, das wir zu uns nehmen, letztlich dem Tod wieder ein Stück näherbringt. Ja, auch wenn wir es schaffen würden, nur noch völlig skandalfreies moralisch und ökologisch einwandfreies Essen zu uns zu nehmen, würden wir damit nicht vermeiden können, dass wir uns mit jeder Mahlzeit dem Tode ein Stück entgegenfuttern. Und gar nichts zu essen, ist auf die Dauer auch keine sehr befriedigende Lösung.

In unserer heutigen Predigtlesung spricht Jesus selber diese Problematik ganz offen und ungeschönt an: „Eure Väter haben in der Wüste das Manna gegessen und sind gestorben.“ Wenn es irgendwo moralisch-biologisch-dynamisch-ökologisch-spirituell einwandfreies Essen gegeben hat, dann war es ja wohl das Manna, mit dem Gott sein Volk Israel in der Wüste versorgt hatte. Doch auch das Ergebnis von vierzig Jahren Öko-Ernährung in der Wüste ist mehr als ernüchternd: Sie haben das Manna in der Wüste gegessen – und sind gestorben, auch ohne Pferdefleisch und Aflatoxin in der Milch. Was wir in unserem Leben auch anstellen mögen – wir müssen und wir werden am Ende sterben; so einfach ist das.

Und nur wenn wir uns das klar machen, können wir überhaupt begreifen, worum es eigentlich im christlichen Glauben geht, worum es auch heute bei der Heiligen Taufe unserer vierzehn Brüder und Schwestern gegangen ist: Der christliche Glaube ist eben nicht bloß eine Beruhigungspille, die uns das Leben auf dem Weg zum Tode ein wenig versüßt. Sondern der christliche Glaube zeigt uns den einzigen Weg, der unser Leben nicht an der Mauer des Todes enden lässt, sondern weiterführt durch den Tod hindurch ins ewige Leben.

„Wer glaubt, der hat das ewige Leben“, so heißt es hier zu Beginn unserer Predigtlesung. Stünden diese Worte nur für sich allein, dann könnte man sie leicht missverstehen: Hauptsache, der Mensch glaubt an irgendetwas, an ein höheres Wesen, Hauptsache, der Mensch ist irgendwie spirituell interessiert, dann wird er nach dem Tod schon irgendwie weiterleben!

Doch genau so meint der es nicht, der diese Worte hier spricht, er, Jesus Christus. Und so fährt er gleich danach fort: Ich bin das Brot des Lebens. Der Glaube, von dem hier die Rede ist, bezieht sich also auf eine ganz konkrete Person, auf ihn, Jesus Christus. Und auch das ewige Leben, das Jesus dem verspricht, der an ihn glaubt, ist nichts Anderes als die ewige Gemeinschaft mit ihm, Jesus Christus, der durch seinen Tod und seine Auferstehung die Macht des Todes gebrochen hat.

„Wer glaubt, der hat das ewige Leben.“ Genau darum und um nicht weniger ging es eben bei den vierzehn Taufen. Da haben die Täuflinge ihren Glauben an Jesus Christus, den gekreuzigten und auferstandenen Herrn, bekannt – und dann bekamen sie im Wasser der Taufe Anteil an diesem Leben ihres Herrn Jesus Christus, das nie mehr enden wird, das auch der leibliche Tod hier auf Erden nicht zunichte machen kann. Ja, sie haben nun das ewige Leben – und dieses Leben kann ihnen niemand mehr rauben, auch keine Tiefkühllasagne und kein Hühnerei.

Doch dann geht Jesus hier in unserer Predigtlesung noch einen Schritt weiter: Glauben, so macht er uns hier deutlich, heißt Essen – und zwar nicht bloß im übertragenen, sondern im ganz wörtlichen Sinn. Brot ist Jesus, Brot des Lebens, das einzige Lebensmittel, das diesen Namen wirklich verdient. Und dieses Brot kann man wirklich essen, ja, wer von diesem Brot isst, der wird leben in Ewigkeit. Nein, das ist nicht nur ein hübsches Bild, das ist Realität, so betont es Jesus gleich darauf: Dieses Brot, von dem ich hier rede, das ist mein Fleisch, das ich geben werde für das Leben der Welt. So real wie Jesus leibhaftig am Kreuz gehangen hat, so real ist er nun auch leibhaftig das Brot des Lebens, das wir essen sollen und dürfen im Heiligen Mahl.

Was für eine unglaublich gute Nachricht: Da versuchen Menschen mit allen möglichen Diäten, mit allen möglichen Spezialernährungen vergeblich, sich das ewige Leben zu sichern. Doch hier am Altar, da bekommt ihr es, eben dieses ewige Leben, bekommt es in der Tat dadurch, dass ihr esst und trinkt. Was Menschen von anderer Speise vergeblich erhoffen – hier bekommt ihr es, nicht für ein Heidengeld, sondern ganz umsonst. Nichts, aber auch gar nichts müsst ihr dafür tun – es reicht, dass ihr den Mund öffnet und euch mit dieser Speise des ewigen Lebens beschenken lasst, ja füttern lasst. Du empfängst hier denselben Leib deines Herrn, der die ganze Schuld deines Lebens am Kreuz von Golgatha auf sich genommen und weggetragen hat. Du empfängst hier denselben Leib des Herrn, der am Ostermorgen das Grab verlassen und die Macht des Todes damit endgültig gebrochen hat. Der lebt in dir in der Kraft dieser Speise, lässt dich dadurch leben in Ewigkeit.

Genau diese Speise des ewigen Lebens empfangen nun auch unsere Täuflinge heute zum ersten Mal, erfahren am eigenen Leibe, dass Glauben in der Tat Essen heißt, weil es im Glauben um Gemeinschaft mit Christus geht, ja weil Glauben Gemeinschaft mit Christus ist. Glauben ohne Essen – das geht nicht; das würde unseren Glauben in der Tat verkümmern lassen.

Schwestern und Brüder: Es mag sein, dass ihr in diesen Wochen der Fastenzeit nun auch die eine oder andere Diät gestartet habt. Wenn euch diese Diät zugleich an das erinnert, worauf Christus uns zugut verzichtet hat, dann kann auch eine solche Diät einen guten Sinn haben. Aber auf eine Diät solltet ihr in eurem Leben grundsätzlich verzichten: auf die Abendmahls-Diät, auf die Sakraments-Diät. Der Verzicht auf das Brot des Lebens, auf Leib und Blut des gekreuzigten und auferstandenen Herrn, der schneidet euch von der Quelle des Lebens ab, der führt zu geistlicher Mangelernährung. Gott geb’s, dass dies unseren Täuflingen immer klar bleibt, dass Glauben immer auch Essen heißt; ja, Gott geb’s, dass wir uns alle miteinander immer wieder dort einfinden, wo es die einzige Speise gibt, die uns nicht sterben, sondern leben lässt: hier am Altar. Amen.