31.03.2013 | St. Johannes 20,11-18 | Heiliges Osterfest

31. März 2013 – draußen Schnee und Kälte, und dann auch noch eine verkürzte Nacht wegen der Sommerzeitumstellung: Das ist doch alles gar kein richtiges Ostern! So klagen in diesen Tagen viele Menschen, und man kann sie ja auch nur allzu gut verstehen. Ich würde Ostern auch lieber bei 30° C im Schatten feiern, auch wenn dann die Schokoladenosterhasen etwas schneller schmelzen würden. Doch man kann natürlich trotzdem zurückfragen: Was wäre für euch denn ein richtiges Ostern? Wenn draußen die Sonne scheint und die Natur erwacht, wenn Kinder bei schönem Wetter draußen im Garten Eier suchen können, wenn die Familie zum gemeinsamen Kaffeetrinken zusammenkommt? Wäre das dann ein richtiges Ostern? Nein, mögt ihr einwenden, wir wissen das natürlich besser, wir wissen natürlich, dass wir zu Ostern nicht das Frühlingserwachen oder den Festtag der deutschen Schokoladenindustrie feiern, sondern die Auferstehung unseres Herrn. Ganz klar, das ist natürlich richtig. Und doch frage ich noch einmal bei dir nach: Wann wird es bei dir eigentlich richtig Ostern?

Genau darum geht es auch in der Predigtlesung des heutigen Festtags: Da schildert uns St. Johannes, wie es damals bei Maria Magdalena Ostern geworden ist, ja, ganz unvergesslich Ostern geworden ist. Und was Maria damals erfahren hat, das kann eben auch uns helfen, dass es auch bei uns heute Morgen und eben nicht nur heute Morgen immer wieder Ostern wird. Bei Maria wurde es damals Ostern,
- weil Christus sie bei ihrem Namen rief
- weil Christus ihren Horizont erweiterte

I.
Kalt war es damals an jenem Ostermorgengrauen, in dem sich Maria auf den Weg zum Grab ihres Meisters Jesus Christus machte. Die Sonne war noch nicht aufgegangen; es war noch dunkel und sehr kühl – und noch kälter war es in ihr drinnen, in ihrem Herzen. An das Grab eines gerade verstorbenen geliebten Menschen gehen zu müssen, das schmerzt, das lässt einen innerlich frieren, erst recht, wenn man daran denkt, wie dieser Mensch zu Tode gekommen ist.

Und dann sieht Maria, dass der Rollstein vor dem Grab weggerollt ist, blickt in das Grab und sieht, dass der Leichnam Jesu dort nicht mehr liegt. Doch bei diesem Anblick kommen bei ihr noch keinerlei österliche Gefühle auf, kommt es ihr gar nicht in den Sinn, zu jubeln: „Halleluja, das Grab ist leer!“ Auf die Idee, dass Jesus auferstanden sein könnte, kommt sie nicht – wie sollte sie auch? Eine Auferstehung lag so völlig außerhalb ihres Vorstellungsvermögens, dass sie sich lieber ihre eigenen, ganz vernünftigen Erklärungsversuche zusammenbastelt: jemand muss die Leiche aus dem Grab geholt und sie umgebettet haben. Denn dass der Leichnam Jesu dort im Grab gelegen hatte, war ja klar; sie hatte es selber ja mitbekommen, wie man ihn dort abgelegt hatte.

Jesus ist weg – nicht mal mehr sein Leichnam ist da: Das löst bei Maria nun noch einmal viel größere Trauer aus, lässt sie nun erst recht weinen. Keinen Ort zu haben, an den man gehen kann, um von einem geliebten Menschen Abschied zu nehmen – das ist furchtbar, das macht es noch schwerer, die Trauer zu überwinden.

Maria hat sich ihren eigenen Erklärungsversuch zusammengebastelt – und von dem ist sie nun gleich so fest überzeugt, dass sie sich selbst durch das Allernaheliegendste nicht darin beirren lässt: Selbst als der auferstandene Jesus vor ihr steht, erkennt sie ihn nicht, hält ihn allen Ernstes für einen Gärtner, bleibt mit ihrer Frage, wo er den Leichnam Jesu hingelegt habe, ganz in ihrer eigenen, selbstgebastelten Welt gefangen.

Schwestern und Brüder: Was St. Johannes hier beschreibt, ist auch für unser Verständnis dessen, was damals am Ostermorgen in Jerusalem geschehen ist, ganz wichtig: Ja, natürlich war das Grab leer, natürlich hatten die Jünger nicht bloß kollektive Halluzinationen, während der Leichnam Jesu allmählich im Grab vor sich hin verweste. Doch der Anblick des leeren Grabes allein löst bei den Zeugen der Geschehnisse am Ostermorgen noch keinen Glauben aus, stürzt sie im Gegenteil erst recht in tiefe Verzweiflung, wie dies hier bei Maria der Fall ist. Ja, so gefangen waren auch damals schon die Menschen in ihrem modernen Weltbild, dass sie Jesus selbst da nicht erkennen, wo er ihnen mit einem Mal gegenübertritt. Nur der auferstandene Christus selber vermag es, nicht über die von Tränen verschleierten Augen, sondern über ihre Ohren Maria zu erreichen, dass sie ihn erkennt und wahrnimmt, dass das eigentlich doch völlig Unmögliche tatsächlich geschehen ist: Dass der getötete Jesus nun doch wieder, nein: eben nicht bloß wieder, sondern ganz neu vor ihr steht. Ja, erst da wird es für Maria Ostern, als Christus sie bei ihrem Namen ruft. Da fällt es ihr mit einem Mal wie Schuppen von den Augen und sie nimmt den wahr, der doch auch schon zuvor vor ihr gestanden hatte, während sie noch Tomaten auf den Augen hatte.

Christus möchte, dass es auch bei dir Ostern wird. Er sieht dich, sieht die Tränen in deinen Augen, sieht, wie wenig du mit diesen Tränen wahrnimmst, was doch eigentlich schon längst geschehen ist. Er sieht dich, wie du am Grab eines geliebten Menschen stehst und über seinen Tod einfach nicht hinwegkommst. Er sieht dich, wie du mit deiner eigenen Vergänglichkeit nicht zurechtkommst. Er sieht dich, wie du in deinem Leben immer wieder zurückschaust auf das, was gewesen ist, und es einfach nicht fertigbekommst, dich davon zu lösen, auch wenn dein Verstand dir schon längst sagt, dass es keinen Zweck hat, sich noch weiter an das Vergangene zu klammern. Er sieht dich mit deiner Angst, in deinem kurzen Leben etwas zu verpassen, ja, er sieht dich und erkennt, dass du mit dem Tod in deinem Leben einfach nicht fertig wirst, nicht fertig werden kannst, sieht, wie du versuchst, ihn zu verdrängen, und wie er dich dann doch immer wieder einholt, gerade da, wo du es eigentlich gar nicht möchtest.

Und Christus weiß, dass dir der Verweis auf irgendwelche Richtigkeiten in deiner Situation nicht weiterhilft. Dass er der Herr der Welt ist, dass er den Tod besiegt hat, dass das Grab am Ostermorgen leer war - jawohl, alles richtig. Doch wenn du vor den dunklen Löchern in deinem Leben stehst, dann kommt all das nicht an dein Herz heran, lässt deine Tränen nicht trocknen. Und so macht Christus mit dir genau dasselbe wie mit Maria damals: Er spricht dich an, ganz persönlich, nennt dich bei deinem Namen. Ja, genau so hat er dich doch schon angesprochen damals in deiner Taufe, hat es dir da schon gesagt: Fürchte dich nicht, denn ich habe dich erlöst, ich habe dich bei deinem Namen gerufen, du bist mein! Und genau so spricht er dich auch heute Morgen nun an in seinem Wort, möchte nur dies eine, dass du erkennst, dass du jetzt gemeint bist, dass er auch in diesen Worten der Predigt nun zu dir spricht, um dir über deine Ohren auch deine Augen zu öffnen, dass du erkennst: Jawohl, er lebt, mein Herr, er lässt mich nicht allein vor den dunklen Löchern meines Lebens sitzen. Bei ihm ist eben auch mit Tod und Grab nicht alles aus; er ist allemal stark genug, um die Menschen, von denen ich Abschied nehmen musste, wieder aus dem Grab herauszuholen, und er ist allemal stark genug, um auch mich aus dem Dunkel meines Lebens wieder herauszuholen. Ja, genau diese Kraft hat sein Wort, das Wort des auferstandenen Herrn, um auch deine Blickrichtung zu wenden, um es auch bei dir Ostern werden zu lassen.

II.
Als Maria erkennt, dass es ihr Herr ist, Jesus Christus, dem sie da gegenübersteht, hätte sie ihn gewiss am liebsten umfangen, hätte ihn am liebsten festgehalten, damit alles wieder so ist, wie es zuvor war. Doch Jesus macht ihr deutlich, dass das nicht geht. Seine Auferstehung ist eben gerade nicht die Reanimation seines Leichnams, sondern er ist gleichsam nach vorne hin auferstanden, in ein ganz neues Leben, in eine ganz neue Dimension. Nach Ostern geht eben nicht einfach alles weiter, wie es vor Ostern war; nun ist Jesus eben nicht bloß an einer Stelle zu finden, dort, wo er sich jeweils mit seinen Jüngern aufhielt. Sondern nun geht er zum Vater, und das heißt: nun ist er endgültig nicht mehr an Raum und Zeit gebunden, lässt sich überall da finden, wo die sich versammeln, die mit ihm gemeinsam zu Gott Vater sagen, lässt sich überall da finden, wo Gottes Familie zusammenkommt. 

Eine wunderbare Horizonterweiterung erfährt Maria durch Jesus, nimmt wahr, wie sich ihr Zusammenleben mit Jesus in Zukunft gestalten wird – und übermittelt diese Horizonterweiterung dann auch gleich an die anderen Jünger. Ja, so wird es bei Maria richtig Ostern!

Ostern wird es auch bei dir, wenn du wahrnimmst, wo du den auferstandenen Herrn Jesus Christus finden kannst – eben nicht bloß irgendwo 2000 Jahre zurück in der Geschichte, sondern noch heute hier und jetzt dort, wo sich Gottes Familie um den Altar versammelt, um den Leib und das Blut des auferstandenen Herrn zu empfangen. Jedes Mal, wenn du hierher nach vorne kommst, findet bei dir Ostern statt, begegnest du dem auferstandenen Christus, der nun tatsächlich zu seinem Vater aufgefahren ist und den du gerade darum hier und jetzt anrühren darfst mit deinen Lippen. Ja, er kommt mit seinem Leib zu dir, weil dieser Leib eben nicht im Grab vergammelt ist, weil er lebt und darum das ewige Leben all denen schenkt, in denen er Wohnung nimmt.

Ja, eine wunderbare Horizonterweiterung erlebst auch du damit, wenn du hierher zum Altar kommst: Du wirst herausgeführt aus der Enge deiner Sorgen und Probleme, und dein Blick weitet sich hin auf den, der mit dir zurück in den Alltag geht, ja mehr noch: der dich zu seinem Vater und deinem Vater führen wird. Dann brauchst du auch keine Sorgen mehr zu haben, dass sich in deinem Leben etwas verändert, dass sich auch im Leben unserer Gemeinde etwas verändert: Er ist doch bei uns, bei seinen Brüdern und Schwestern, er, der auferstandene Herr. Gott geb’s, dass wir alle miteinander diese Ostererfahrung machen dürfen, ja, Gott geb’s, dass es gerade so bei uns allen wirklich Ostern wird! Amen.