25.03.2014 | St. Lukas 1,26-38 | Mariae Verkündigung
Pfr. Dr. Gottfried Martens

Vor einigen Wochen wurde in Italien eine Nonne mit heftigen Bauchschmerzen ins Krankenhaus gebracht. Kurz darauf stellte sich zu ihrer Überraschung der Grund für diese Bauchschmerzen heraus: Sie brachte einen Sohn zur Welt, den sie dem Papst zu Ehren Francesco nannte. Es mag ja wirklich sein, dass die Nonne von diesem Vorgang überrascht war; nichtsdestoweniger überlegen sich wohl alle, die diese Meldung gehört haben, und da möchte ich mich selber gar nicht ausschließen, welcher Mann diese besagte Nonne wohl geschwängert hat. Denn dass da ein Mann im Spiel gewesen sein muss, davon gehen wir wohl alle aus. Vom Beten allein wird man in der Regel eben nicht schwanger.

Ja, das ist durchaus vernünftig, dass wir in unserem Leben, in unserer Welt erst einmal davon ausgehen, dass alles, was wir erfahren, eine natürliche Ursache hat und dass wir darum auch diesen natürlichen Ursachen auf den Grund gehen, wenn wir etwas Ungewöhnliches erleben. Wir könnten unseren Alltag letztlich gar nicht bewältigen, wenn wir dauernd davon ausgehen müssten, dass wir mit Dingen konfrontiert werden, die unserer Erfahrung und Einsicht völlig widersprechen. Zu diesen modernen, vernünftigen Menschen, die in ihrem Leben davon ausgehen, dass alles eine natürliche Ursache hat, gehört auch die Gottesmutter Maria. Dabei hätte sie eigentlich allen Grund dazu gehabt, nicht so modern und vernünftig zu argumentieren. Schließlich hatte sie gerade einen Erzengel zu Gast; und so etwas passiert eben nicht so häufig. Doch als der ihr ankündigt, dass sie schwanger wird und einen Sohn gebären wird, reagiert sie zunächst einmal ganz rational: „Wie soll das zugehen, da ich doch von keinem Mann weiß?“ Recht hat sie, so zu fragen. Recht haben auch all diejenigen, die es nicht für selbstverständlich halten, wenn wir als Christen davon sprechen, dass Gottes Sohn von einer Jungfrau geboren worden ist. Das entspricht nicht unserer Erfahrung, das passiert heute auch nicht, ja, davon gehe ich fest aus, auch nicht im Falle jener italienischen Nonne.

Doch problematisch wird es, wenn wir aus unserer sehr alltagstauglichen Einstellung, dass alles, was wir erleben, eine natürliche Ursache hat, schlussfolgern, dass ein Eingreifen Gottes in diese Welt überhaupt ausgeschlossen ist, in unserem Leben nicht stattfindet und auch früher nicht stattgefunden hat. Gewiss, Gott kann in unserem Leben auch dadurch wirken, dass er ganz natürliche Vorgänge benutzt. Wir alle dürfen mit Martin Luther bekennen: „Ich glaube, dass mich Gott geschaffen hat“, auch wenn in keinem einzigen Fall unsere Mütter ohne Zutun eines Mannes schwanger geworden sein dürften. Aber wir können und dürfen es eben nicht ausschließen, dass Gott auch auf Wegen in unser Leben, in unsere Welt eingreift, die wir nicht mehr auf natürliche Weise erklären können. Wer dies ausschließt, hängt im Übrigen auch einem Weltbild des 19. Jahrhunderts an und kann sich keinesfalls auf die moderne Naturwissenschaft berufen. Besonders schwierig ist es, wenn dies sogar Theologen oder Pastoren tun, die einerseits von Gott zu reden haben, ihn andererseits aber so weit ins Jenseits befördern, dass er mit unserer Welt, mit unserem Leben letztlich überhaupt nichts mehr zu tun haben kann.

Ja, für uns Christen ist das von entscheidender Bedeutung, dass wir glauben und bekennen, dass Gott an einem bestimmten Punkt der Menschheitsgeschichte tatsächlich ganz direkt in unsere Geschichte eingegriffen hat, sich selber ganz direkt in diese Geschichte eingemischt hat, so, dass er in der Gestalt eines kleinen Kindes, ja eines Embryo in unsere Mitte gekommen ist. Das ist die unfassliche und zugleich doch so wunderbare Botschaft dieses heutigen Festtages: Gott ist kein ferner Gott, kein Gott, der irgendwo ganz groß im Jenseits ist, sondern Gott kommt, kommt in unsere Welt, in unsere Geschichte, ja, in unser Leben, macht sich für uns ganz klein, um uns zu retten. „Das geht doch nicht, das kann nicht sein!“ – So rufen die, die von diesem lebendigen Gott nichts wissen wollen, außerhalb und innerhalb der Kirche. „Das geht doch nicht, das kann nicht sein!“ – So ruft auch der Koran. Ja, dass Maria als Jungfrau schwanger geworden ist, das weiß auch er; doch er versteht die Pointe nicht, warum Maria als Jungfrau schwanger wurde: Weil in ihr Gott selber Wohnung nimmt, weil der, den Maria unter ihrem Herzen trägt, eben nicht bloß ein großer Prophet, sondern Gottes Sohn selber in Person ist, weil in ihr und mit ihr von daher tatsächlich etwas weltgeschichtlich absolut Einmaliges geschieht: Gott wird nicht alle paar Jahre mal Mensch; er ist es nur einmal geworden, und bleibt es.

„Das kann doch gar nicht sein!“ – So rufen die, die sich für besonders modern halten und gar nicht auf die Idee kommen, ihr eigenes Weltbild einmal zu hinterfragen. „Das kann doch gar nicht sein!“ – So behauptet es der Islam. „Das kann doch gar nicht sein!“ – So meldet sich auch in uns selber der alte Adam oder die alte Eva zu Wort, weil sie ahnen, was das heißen würde, wenn das wirklich wahr wäre.

Doch Gott macht sich eben nicht abhängig von dem, was wir Menschen für möglich halten. Er macht sich nicht abhängig von den Vorstellungen von ihm, die wir Menschen uns machen mögen und dies dann auch noch als Religion verkaufen. Er macht, was er will, Gott sei Dank; denn er will doch unser Heil, unser Leben, will uns in Ewigkeit unter seiner Herrschaft leben lassen. Und wenn Gott etwas will, dann tut er es eben auch – bei ihm ist kein Ding unmöglich. Maria wurde nicht schwanger, weil sie verstanden hat, was Gott da mit ihr tat; Maria wurde im Übrigen auch nicht deshalb schwanger, weil sie sich am Ende dafür entschieden hat. Gott schafft Fakten, er tut, was nötig ist, und wir – wir können darüber immer wieder nur staunen, können uns nur darüber freuen, dass Gott tut, was wir für völlig ausgeschlossen halten.

Ja, Gott tut, was für unser Heil nötig ist, ob wir es glauben oder nicht. Aber mit dem, was er tut, möchte er zugleich unser Herz gewinnen, dass wir zu dem, was er für uns getan hat und tut, so unglaublich es auch klingt, schließlich doch auch selber Ja sagen, erkennen, dass er es tatsächlich für uns getan hat. Genau dahin hat der Engel mit seinen Worten schließlich auch Maria geführt, dass sie nicht länger darüber reflektierte, ob so etwas grundsätzlich geschehen kann, wovon sie noch nie gehört hatte, sondern dass sie dieses Geschehen für sich persönlich annahm: „Mir geschehe, wie du gesagt hast.“ Marias Glaube bewirkt nicht ihre Schwangerschaft, sondern nimmt staunend wahr, was Gott allein durch sein Wort, durch seinen Heiligen Geist bewirkt hat. Und gerade so wird Maria zu unserem Vorbild, zur Mutter des Glaubens für uns schlechthin.

Ja, genau dahin will Gott uns führen, auch heute wieder, dass wir nicht länger darüber spekulieren, ob eine Jungfrau schwanger werden kann, sondern Gott dafür danken, dass er seinen Sohn auch für uns hat Mensch werden lassen durch die Jungfrau Maria. Genau dahin will Gott uns führen, dass wir zu dem, was wir im Heiligen Evangelium hören, selber die Worte Marias sprechen: „Mir geschehe, wie du gesagt hast.“ Ja, um nichts Anderes geht es nun auch gleich wieder, wenn wir in diesem Gottesdienst das Heilige Mahl feiern: Da passiert auch wieder ein Wunder, ein Wunder, das wir mit den Mitteln unserer Erfahrung nicht erklären können: das Wunder, dass Brot und Wein kraft der Worte Christi Sein Leib und Sein Blut werden. Nein, auch diese Gegenwart unseres Herrn in den Gestalten von Brot und Wein hängt nicht an unserem Glauben, hängt nicht an unserer Zustimmung. Gott allein bewirkt sie, lässt das Wunder geschehen, dass er, der große Gott, sich für uns ganz klein macht, genau wie er es damals in Maria auch getan hat. Doch Gott möchte, dass wir zu dem, was hier geschieht, unser Ja und Amen sagen, dass wir hierher nach vorne kommen, erkennen und bekennen, dass dieses Wunder hier auf dem Altar um unsertwillen, für uns geschieht. Gott mischt sich heute Abend wieder neu in dein Leben ein, sorgt dafür, dass auch du ihn, den Sohn Gottes, in dir trägst, nicht weil du es verdient hast, sondern weil er es in seiner Liebe so will. Schau darum auf Maria und sprich es ihr nach: Mir geschehe, wie du gesagt hast. Amen.