07.09.2014 | 1. Korinther 3,9-15 | 12. Sonntag nach Trinitatis
Pfr. Dr. Gottfried Martens

„Herr Pastor, das ist ja ganz großartig, was Sie hier in Steglitz aufgebaut haben“, so sagte es neulich ein lieber Mensch zu mir, der es sicher gut mit mir meinte. So stellt man sich das ja beim Betrachten von außen erst einmal vor: Der Pastor, der mit seiner Arbeit, mit seinen Bemühungen um die Menschen eine Gemeinde aufbaut und zum Wachsen bringt – und die Gemeinde als  Produkt der Fleißarbeit eines Pastors.

Wie gut, dass uns solche Vorstellungen in der heutigen Predigtlesung liebevoll, aber eben doch sehr deutlich korrigiert werden! Der Bau einer Gemeinde ist eben gerade nicht eine private Bastelarbeit eines Pastors, sondern vollzieht sich in Wirklichkeit ganz anders. Von drei entscheidenden Bezugspunkten dieses Bauprojekts berichtet der Apostel Paulus hier:

-    von der Grundsteinlegung
-    vom Richtfest
-    von der Bauabnahme

I.
Das erste, was uns der Apostel Paulus hier deutlich vor Augen stellt, ist dies: Wir haben hier in Steglitz nicht erst angefangen, Gemeinde oder Kirche zu bauen. Wir bauen nur auf etwas auf, was schon längst vor uns losgegangen ist: Die Grundsteinlegung für unser Missionsprojekt wurde schon vorgenommen, als keiner von uns auf der Welt war: Christus selber ist es gewesen, der mit seinem Tod und seiner Auferstehung die Kirche gegründet hat, der die Apostel losgeschickt hat, in seinem Namen zu taufen und zu lehren. Ja, Jesus Christus selber ist dieser Grundstein, der gelegt ist, und dieser Grundstein, der liegt eben nicht einfach nur rum, sondern der wirkt weiter, der wirkt all das, was auch hier bei uns in Steglitz geschieht. Gewiss, das ist das Geschick eines Grundsteins, ja, eines gesamten Fundaments, dass man es im Gesamt des Gebäudes oftmals kaum sieht und zur Kenntnis nimmt. So ist das auch mit Christus: Dass er allein es ist, der dem Gebäude der Kirche Stabilität gibt, dass er allein das gesamte Unternehmen trägt und prägt, das nimmt man beim Blick darauf nicht immer gleich wahr. Und doch ist es so entscheidend wichtig, dass wir das niemals vergessen: Wir sind es nicht, die die Kirche bauen oder erhalten müssen, nicht die Pastoren und auch nicht die Gemeindeglieder insgesamt. Christus hat das Fundament gelegt, ja er ist dieses Fundament selber. Wichtig ist einzig und allein, dass wir auf diesem Fundament bleiben und weiterbauen, dass wir nicht unsere Kirche irgendwo ganz anders bauen, wo dieses Fundament Jesus Christus fehlt. Der Gedanke ist ja nicht von der Hand zu weisen. Was Christus uns in seinem Wort sagt, das kommt ja heute bei den Leuten durchaus nicht immer so ganz gut an; da ist die Gefahr schon groß, eine neue Kirche zu bauen, die zwar nett anzuschauen ist, von der die Leute vielleicht auch begeistert sind, die aber nicht mehr Christus als Grundlage hat, sondern stattdessen zum Beispiel Meinungsumfragen oder die Bedürfnisse des heutigen Menschen. Wer so baut, der kann stromlinienförmig bauen, der bereitet niemandem einen Anstoß, der steht nicht quer zu den Erwartungen der Mehrheit. Doch eine Kirche, die nicht auf Christus gebaut ist, hat keine Zukunft, hat keinen Bestand. Und umgekehrt gilt auch: Da wo eine Kirche auf Christus gegründet ist, da mag sie nicht sehr ansehnlich sein, scheinbar vielleicht sogar so baufällig, dass man mit der morschen Elektrik noch nicht mal mehr eine Orgel betreiben kann. Und doch werden die Pforten der Hölle sie nicht überwältigen können. Ja, wir tun gut daran, das niemals aus den Augen zu verlieren bei all dem, was wir hier in unserem Missionsprojekt tun.

II.
Und damit sind wir schon bei dem zweiten Teil des Baus, von dem der Apostel hier spricht: bei dem Richtfest.
Wenn ein Haus gebaut wird, dann wird irgendwann Richtfest gefeiert, dann geraten die in den Blick, die bei der Errichtung des Hauses mitgeholfen haben. Auch Paulus richtet durchaus seinen Blick auf die Mitarbeiter beim Hausbau, bezeichnet sich selber gar als den Architekten bei dem Bau der Gemeinde in Korinth. So könnte ich von mir selber hier in Steglitz als Pastor sicher nie sprechen. Ein Architekt, der hat immer schon das fertige Gebäude vor Augen, der weiß, wie er vorzugehen hat, um dieses Ziel zu erreichen. Schwestern und Brüder: Ich habe keine Ahnung, wie es mit dem Bau unserer Gemeinde, unseres Missionsprojekts hier in Steglitz weitergeht. Wer hätte vor knapp 16 Monaten, als wir hier angefangen haben, geahnt, dass ein gutes Jahr später hier schon mehr als 400 farsi- und darisprachige Menschen in unserer Gemeinde sein würden? Und wer vermag sich überhaupt vorzustellen, wie das mit dem Bau hier bei uns in der kommenden Zeit wohl weitergehen wird? Ich kann es jedenfalls nicht, kann mich immer wieder nur führen lassen durch den, der Fundament und Architekt zugleich ist: durch Christus selber, der sein Haus hier offenbar nochmal ganz anders plant, als wir es selber wohl gemacht hätten.

Und damit sind wir bei dem Anderen, noch Wichtigeren: „Mitarbeiter Gottes“ nennt Paulus sich und die, die mit ihm an dem Bau der Gemeinde in Korinth beteiligt waren. „Mitarbeiter Gottes“ – das ist auf der einen Seite ein hoher Ehrentitel: Gott macht nicht einfach alles selbst; er setzt für den Bau Mitarbeiter ein. Aber, wie gesagt, wir sind Mitarbeiter Gottes, wir bauen hier nicht unser eigenes Projekt. Gott setzt uns ein – einen jeden an seinem Platz. Da hat sicher der Pastor auch seinen Platz in diesem Projekt; aber Gott setzt bei seinem Bau hier in Steglitz noch so viel mehr Mitarbeiter ein – euch alle, die ihr Menschen zu Christus einladet, die ihr eure Gaben und Ideen hier in unser Projekt einbringt. Ja, wie schön, dass Christus euch alle miteinander braucht, dass ihr wichtig seid in eurem Dienst für ihn!

III.
Und dann kommt schließlich die Bauabnahme. Die findet allerdings zu einem späteren Zeitpunkt statt, als wir dies erwarten. Wir meinen ja so leicht, wir könnten jetzt immer schon feststellen, ob ein Bau, auch ein Gemeindebau gelungen ist. Oder aber wir meinen umgekehrt vielleicht auch, beurteilen zu können, dass ein Gemeindebau nicht gelungen ist, nicht auf Dauer Bestand hat: All die vielen Leute, die da nach Steglitz kommen, die wollen doch alle nur ihren Pass haben, und danach sind sie dann wieder weg! Ja, erstaunlich ist es, mit was für einer Selbstsicherheit da so mancher meint, über die Herzen von anderen Menschen urteilen zu können!

Paulus selber rät dagegen zu Gelassenheit: Es ist nicht unsere Aufgabe, zu überprüfen, wie fest das steht, was wir bauen. Gewiss können wir auch hier und jetzt schon so manche Erfahrung machen, die uns ernüchtert oder ermutigt. Da kann man als Pastor meinen, man habe so viele Jahre einer Gemeinde nahegebracht, was wirklich wichtig ist – und dann muss man am Ende doch erkennen, wie wenig von dem, was man verkündigt hatte, bei so manchem hängen geblieben ist. Oder da glaubt man umgekehrt als Pastor vielleicht, versagt zu haben – und erkennt dann doch im Rückblick, dass da vielleicht doch mehr Bestand hat, als man selber zunächst angenommen hatte.

Doch die eigentliche Bauabnahme steht uns allen noch bevor. Sie wird erst bei der Wiederkunft unseres Herrn erfolgen. Dann wird sich herausstellen, wie solide, wie zukunftsfähig wir gebaut haben. War das alles tatsächlich am Ende nur ein Strohfeuer, was wir hier in Steglitz gebaut haben, oder bauen wir tatsächlich mit Materialien, die für die Ewigkeit Bestand haben?

Achten wir darauf, dass wirklich jeder einzelne, der zu uns kommt, die ganze gute Botschaft von Jesus Christus erfährt, dass er sie so erfährt, dass dadurch Glauben geweckt wird, Glauben, der Bestand hat auch über den Tag der Anerkennung als Flüchtling hinaus? Achten wir darauf, dass wir hier nicht auf Schnellbauweise ausweichen, dass wir uns nicht von Zahlen blenden lassen, sondern auf jeden einzelnen blicken, auf das, was für sein Heil notwendig ist?

Schwestern und Brüder: Gott geb’s, dass wir es am Jüngsten Tag erleben dürfen, dass das, was hier und jetzt in unserer Gemeinde geschieht, Bestand haben wird bei der letzten Abnahme, dass hier tatsächlich viele, viele Menschen zum ewigen Leben gerettet werden! Gott geb’s, dass ich bei keinem von euch am Ende enttäuscht feststellen muss, dass da am Ende nichts mehr von dem geblieben ist, was ich mit anderen gemeinsam zu bauen versucht habe!

Ja, Gott geb’s, dass sich einmal als solide herausstellen wird, was wir hier in unserer Arbeit in Steglitz tun! Doch selbst wenn wir dann einmal beim Kommen Christi so manche Enttäuschung erleben müssten – wie gut, dass unser eigenes Heil nicht daran hängt! Wir werden als Pastoren oder Gemeindeglieder nicht durch das selig, was wir für die Kirche getan und geleistet haben. Selig werden wir allein durch den, der das Fundament der Kirche, der auch das Fundament unseres Lebens ist: durch ihn, Christus, der für uns gestorben ist! Hauptsache, wir bleiben auf diesem Fundament, Hauptsache, wir leben immer wieder von seiner Vergebung. Das gilt auch für euch, liebe Täuflinge: Bleibt nur bei Christus, lebt auch weiter aus der Verbindung mit ihm – euer ganzes Leben lang! Dann werden nicht nur wir alle miteinander viel Grund zur Freude haben bei Gottes letzter Bauabnahme. Dann werdet auch ihr gerettet werden durch ihn, Christus, der ab heute der Herr und die Grundlage eures Lebens ist. Denn einen anderen Grund kann man doch gar nicht legen als den, der jetzt mit eurer Taufe gelegt ist, welcher ist Jesus Christus! Amen.