25.02.2015 | Apostelgeschichte 1,15-26 | Tag des Apostels St. Matthias
Pfr. Dr. Gottfried Martens

Zu den vielen Unterschieden zwischen Jesus und Mohammed gehört auch der, dass Jesus kein Schriftsteller war. Jesus ist nicht in die Welt gekommen, um Bücher zu schreiben; er hat sich nicht hingesetzt und seine Memoiren verfasst, bevor er sich von seinen Jüngern verabschiedet hat. Er hat seinen Jüngern kein Buch hinterlassen, sondern er hat die Apostel losgeschickt, um in seinem Namen und mit seiner Vollmacht seine Botschaft, ja noch mehr: ihn selber zu verkündigen, hat ihnen dazu die Zusage gegeben: „Wer euch hört, der hört mich.“

Und auch die Jünger selber haben sich dann nach der Himmelfahrt des Herrn nicht hingesetzt und haben angefangen, die Bibel zu schreiben, sondern sie haben erst einmal nur mündlich erzählt von dem, was sie selber von Jesus gehört und mit ihm erfahren hatten. Erst später haben sich dann einige von ihnen hingesetzt und zu Papyrus oder Pergament gebracht, was sie bisher schon mündlich verkündigt hatten. Aber es bleibt dabei: Jesus bindet seine Botschaft, bindet den Fortgang seiner Kirche allen Ernstes an Menschen, an ganz normale Menschen, geht damit zugleich natürlich ein nicht geringes Risiko ein.

Und genau damit sind wir nun schon mitten drin in der Epistellesung des heutigen Aposteltages. Da sitzen die verbliebenen elf Apostel mit gut hundert anderen Gemeindegliedern zusammen und versuchen, mit etwas eigentlich Unfasslichem fertig zu werden: Einer der zwölf Apostel, also einer der zwölf, die Jesus berufen hatte, ihn zu repräsentieren – und zugleich auch das neue Volk Gottes! -, also einer dieser zwölf hatte Jesus verraten und damit ganz direkt mitgeholfen, dass Jesus gekreuzigt wurde. Ja, mehr noch, er hatte nicht mehr den Weg zurück zu Jesus gefunden, hatte damit das Amt verlassen, zu dem er berufen worden war. Nun gab es nur noch elf Apostel. Was für ein Desaster!

Doch schauen wir nun, wie Petrus als Sprecher der übrigen Apostel mit dieser neuen Lage umgeht. Er deutet das, was geschehen ist, von der Heiligen Schrift her, erkennt, dass Gott seinen Willen, seinen Plan auch dann durchzusetzen vermag, wenn Menschen in ihrem Amt versagen, erkennt, wie Gott das Versagen von Menschen, die er in seinen Dienst gerufen hat, in seinen Heilsplan mit eingebaut hat. Da ist nicht einfach etwas schiefgegangen, als Judas damals die Soldaten zu Jesus geführt hatte. So furchtbar dies auch für ihn selber gewesen sein mag: Gott hat auch dieses Versagen gebraucht, um dadurch Heil für die ganze Welt zu wirken. Und er lässt sich auch durch dieses Versagen nun nicht beirren, seine Botschaft weiter durch Menschen in die Welt tragen zu lassen, wählt keinen neuen Weg, lässt nicht einfach ein Buch vom Himmel fallen, sondern lässt nun den Nächsten in dieses Amt rufen.

Nun konnte damals nicht einfach jeder Apostel werden: Erstens konnte man sich auf diese Stelle nicht bewerben. Es gibt hier keinen Wahlkampf um das Apostelamt. Zweitens begrenzt Petrus die möglichen Kandidaten hier auf die Männer in der Gemeinde. Maria, die Mutter des Herrn, oder Maria Magdalena, die zweifellos sehr geeignete Kandidaten gewesen wären, kommen damit für Petrus nicht in Frage. Und drittens und vor allem müssen diejenigen, die für das Apostelamt in Frage kommen, wirklich auch die ganze Zeit Jesus miterlebt haben, von den Tagen seiner öffentlichen Wirksamkeit bis hin zu seiner Kreuzigung und Auferstehung. Nein, das hatten ja nicht nur die zwölf Jünger alles miterlebt; da gab es etwa den Kreis der 72 Jünger, die Jesus ebenfalls berufen hatte, da gab es, so berichtet es uns der Apostel Paulus, mehr als 500 Menschen, denen der auferstandene Jesus erschienen ist. Es gab also schon Kandidaten – aber diese eine Qualifikation mussten sie eben doch haben, dass sie Augen- und Ohrenzeugen Jesu waren. Wer gar nicht direkt mitbekommen hatte, was Jesus gesagt und getan hatte, ja, dass er schließlich auferstanden war, war als Kandidat für dieses Amt nicht geeignet.

Zwei Kandidaten kommen in die engere Wahl: Barsabbas und Matthias. Wie die Vorauswahl ansonsten gelaufen ist, wird uns nicht berichtet. Nach dem, was Petrus zuvor als Bedingungen genannt hatte, wird dies eine jedenfalls klar gewesen sein: Die Gemeinde hat nicht geschaut, wer denn besonders nett war und möglichst originelle Ideen hatte. Hauptsache, er war Zeuge dessen, was sie, die Apostel, nun bald aller Welt weitersagen sollten. Und dann findet hier nun keine Kampfabstimmung statt, auch keine Urwahl. Stattdessen wird hier gebetet, dass Gott seinen Willen geschehen lasse, dass derjenige Apostel werden möge, den Gott erwählt hat. Und darum wird am Ende das Los geworfen, um auszuschließen, dass das Apostelamt durch menschlichen Willen übertragen wird. Auf diese Art und Weise wird Matthias schließlich Apostel, gehört er zu den Zwölf, die wenige Tage später vor die große Volksmenge in Jerusalem hintreten, die Christus verkündigen, Menschen taufen und die Gemeindeglieder lehren, was sie von Jesus gehört und gesehen haben. Was Matthias später noch alles gemacht hat, darüber gibt es nur ein paar Legenden. Etwas Schriftliches hat er offenbar nicht hinterlassen.

Was St. Lukas uns hier schildert, bleibt etwas ganz Einmaliges: Nie wieder hat es eine Wahl zum Apostel gegeben. Als die Apostel später zum größten Teil den Märtyrertod starben, wurden sie nicht ersetzt. Das ging auch nicht, denn sie waren ja die erste Generation, die Jesus selber noch erlebt hatten. Die, die nach ihnen kamen, waren nicht mehr Augen- und Ohrenzeugen wie die Apostel. Und so blieb und bleibt das Zeugnis der Apostel die Grundlage aller Verkündigung der Kirche bis zum heutigen Tag.

Und doch wussten die Apostel: Wenn auch ihr Zeugendienst einmalig ist und bleibt, so bleibt doch die Entscheidung Christi bestehen, dass er den Fortgang seiner Kirche, den Fortgang der Verkündigung ganz an Menschen binden will. Nicht mehr durch Los sollte dies nun im Weiteren geschehen; vielmehr legten und legen diejenigen, die Christus schon in das Amt der Kirche berufen hat, jeweils den Nächsten die Hände auf, damit auch sie das Amt empfangen, das niemals ein Herrschaftsamt ist, sondern ein Dienst an denen, die ihre Verkündigung hören sollen.

Ja, die Erfahrung ist der Kirche auch im Weiteren bis zum heutigen Tag nicht erspart geblieben, dass Menschen, die Christus in seinen Dienst gerufen hat, schließlich ganz anders handeln, als man es von ihnen erwarten konnte. Und das erschüttert die Menschen in der Gemeinde bis heute nicht anders, als es damals die Gemeinde in Jerusalem erschüttert hat. Ja, das sollen diejenigen, die Christus in das Amt der Kirche gerufen hat, immer wissen, wie schnell sie mit ihrem Verhalten anderen zum Anstoß werden können, sollen Christus immer wieder darum bitten, dass er sie in ihrem Dienst nicht zu solch einem Anstoß werden lasse. Aber auch da, wo Menschen ihrem Amt nicht gerecht werden – und welcher Diener der Kirche könnte schon behaupten, dass er dem Amt gerecht geworden sei! -,  auch und gerade dann baut Christus seine Kirche weiter durch die Botschaft, die einst die Apostel verkündigt haben und die bis heute immer wieder in der Kirche laut wird.

Ja, wie gut haben wir es, dass wir das ursprüngliche Zeugnis der Apostel haben, dass wir alles, was später über Jesus behauptet worden ist und bis heute behauptet wird, an diesem ursprünglichen Zeugnis der ersten Apostel messen können, dass wir wissen: Es hat da Augen- und Ohrenzeugen gegeben, die selber bestätigen können, wer Jesus gewesen ist, was er gesagt und getan hat. Daran sollen wir etwa auch die Aussagen des Koran über Jesus messen, werden dann schnell feststellen, dass er in entscheidenden Punkten dem Zeugnis der ersten Apostel widerspricht.

Danken wir Gott darum an diesem Abend für den Dienst der ersten Apostel und ihr Zeugnis von Christus, und danken wir ihm auch dafür, dass er bis heute seine Botschaft immer wieder durch Menschen ausrichten lässt und so und nicht anders Menschen selig werden lässt – ja, auch hier und heute in Steglitz! Amen.