7. Dass Jesus gelebt hat und auferstanden ist, lässt sich doch nicht beweisen

Es gibt Argumente gegen den christlichen Glauben, die sind völlig richtig – und besagen zugleich doch auch nicht sehr viel. Zu diesen Argumenten zählt auch der Einwand: „Dass Jesus gelebt hat und auferstanden ist, lässt sich doch nicht beweisen.“ Das ist insofern völlig richtig, als man von „Beweisen“ im strengen Sinn eigentlich nur in zweifacher Hinsicht reden kann: Zum einen gibt es Beweise etwa im Bereich der Mathematik, die letztlich nur die Existenz bestimmter logischer und von daher allgemein anerkannter Regeln voraussetzen. Und zum anderen gibt es Beweise im Bereich der Naturwissenschaft, die dadurch erbracht werden, dass man Versuche unter stets identischen Versuchsbedingungen durchführt und auf diesem Wege jedes Mal zum selben Ergebnis kommt. Allerdings fehlt auch schon den naturwissenschaftlichen Beweisen dieselbe uneingeschränkte Gewissheit des mathematischen und logischen Beweises; denn theoretisch ausgeschlossen werden kann natürlich nicht, dass bei einem weiteren Versuch unter identischen Versuchsbedingungen sich doch einmal ein anderes Ergebnis einstellt, das das scheinbar längst Bewiesene schließlich doch noch widerlegt.

Auch im juristischen Bereich pflegt man von Beweisen zu reden, doch werden hier die Grenzen dessen, was man eigentlich als „Beweis“ bezeichnen kann, schnell erreicht: In aller Regel bezieht sich eine juristische Beweisführung auf einmalig-konkrete historische Vorgänge, die in der Vergangenheit liegen und nicht wiederholt werden können. Zu deren Beurteilung kann man höchstens indirekte Beweise heranziehen, deren Überzeugungskraft dann schließlich von einem Richter beurteilt wird. Was für den juristischen Bereich gilt, gilt auch insgesamt für den historischen Bereich und damit auch für die Frage, ob Jesus gelebt hat und auferstanden ist: Selbstverständlich handelt es sich bei dem Satz „Jesus ist auferstanden“ nicht um eine logische Aussage, die so offensichtlich ist, dass niemand, der des Denkens mächtig ist, sie letztlich bestreiten könnte. Und ebenso wenig lässt sich die Wahrheit der Aussage, dass Jesus auferstanden ist, dadurch beweisen, dass man in Jerusalem hundert Leichen in alte Felsengräber legt und schaut, wie viele von ihnen nach drei Tagen wieder durch die Stadt laufen. Um die Problematik noch einmal zuzuspitzen: Selbst wenn – was zugegebenermaßen eher unwahrscheinlich ist – alle hundert Leichen drei Tage später wieder durch die Stadt laufen würden, wäre damit noch längst nicht bewiesen, dass auch Jesus auferstanden ist. Man könnte damit nur zeigen, dass die Auferstehung Jesu Erfahrungen entspricht, die auch wir in unserem Leben unter ähnlichen Umständen auch schon gemacht haben. Doch, wie angedeutet: Ich gehe davon aus, dass die Zahl der Leichen, die bei solch einem Experiment wieder aus dem Grab herauskommen würden, sehr deutlich unter eins liegt.

Historische Ereignisse kann man grundsätzlich nicht beweisen. Niemand kann, streng genommen, beweisen, dass Julius Cäsar oder Martin Luther gelebt haben. Doch wir gehen in aller Regel davon aus, dass sie in der Tat nicht bloß Erfindungen späterer Zeit sind, sondern dass sie tatsächlich hier auf Erden gelebt und damit Wirkungen hervorgebracht haben, die bis heute Einfluss auf unser Leben haben. Für historische Ereignisse und historische Gestalten gibt es immer nur die Möglichkeit von Indizienbeweisen: Man kann beispielsweise aus archäologischen Funden bestimmte Schlussfolgerungen ziehen. Doch die Funde selber beweisen erst einmal gar nichts; sie fangen nur dadurch an zu „sprechen“, dass sie interpretiert werden. Und man kann sich natürlich auch auf bestimmte sprachliche Texte beziehen, die aus der Vergangenheit stammen. Aber auch sie müssen interpretiert werden, auch bei ihnen kann hinterfragt werden, von wem sie stammen und in was für einer Absicht sie eigentlich verfasst worden sind.

Von daher lässt sich die Auferstehung Jesu grundsätzlich nicht beweisen. Selbst wenn es jemand gelänge – wie es einmal in einem Spielfilm dargestellt wurde –, mithilfe einer Zeitmaschine in die Vergangenheit zu reisen und das leere Grab und die Erscheinung des auferstandenen Jesus zu filmen, wäre das noch längst kein Beweis. Wir wissen, wie viele Menschen es beispielsweise auch heute noch gibt, die behaupten, es habe in Wirklichkeit nie eine Mondlandung gegeben; die Bilder, die damals um die Welt gingen, seien in Wirklichkeit in einem Fernsehstudio gedreht worden. Wir können zwar gute Argumente dagegen setzen, weshalb wir glauben, dass damals Astronauten tatsächlich ihren Fuß auf den Mond gesetzt haben – aber widerlegen können wir die Skeptiker nicht. Selbst Zeugenaussagen derer, die dort oben waren, lassen sich natürlich in Frage stellen, indem man beispielsweise behauptet, die Personen seien bestochen und würden für viel Geld ihre Märchen erzählen.

Wir sind also auf Indizien und ihre Bewertung angewiesen, wenn wir uns historischen Ereignissen nähern wollen. Theoretisch könnten wir natürlich auch ganz darauf verzichten, uns mit der Geschichte, auch mit unserer eigenen Vergangenheit zu befassen, und glauben, es würde reichen, ganz in der Gegenwart zu leben. Doch damit würden wir ganz entscheidende Dimensionen unseres Lebens ausblenden; ein Leben ohne Rückbezug auf die Vergangenheit bliebe letztlich leer und hohl. Wenn wir nun Indizien bewerten, um uns historischen Ereignissen zu nähern, müssen wir uns natürlich darüber klar sein, welche Bewertungsmaßstäbe wir wählen. Grundsätzlich ist es selbstverständlich sinnvoll, dass wir beispielsweise davon ausgehen, dass auch in früheren Zeiten Gesetze von Ursache und Wirkung gegolten haben und sich aufgrund dieser Gesetze Geschehnisse der vergangenen Zeit auch rein „innerweltlich“ erklären lassen. Doch wir müssen uns dann zugleich auch immer darüber bewusst sein, dass wir damit eine bestimmte methodische Vorentscheidung treffen und dass wir mit solch einer Vorentscheidung natürlich nicht von vornherein die Möglichkeit widerlegen können, dass in der Geschichte einmalige Geschehnisse sich ereignen, die sich nicht in innerweltliche Kausalzusammenhänge einordnen lassen. Im Übrigen hat auch die Naturwissenschaft die Fiktion der Welt als eines geschlossenen Systems, in dem für Eingriffe von „außen“ kein Platz wäre, seit dem 19. Jahrhundert längst hinter sich gelassen.

Dafür, dass Jesus gelebt hat, gibt es neben den Schriften des Neuen Testaments durchaus auch eine Reihe außerbiblischer Zeugnisse. Wenn wir also an Jesus denselben Maßstab anlegen wie beispielsweise an Cäsar oder Sokrates, dann dürfte seine Existenz als solche eigentlich nicht ernsthaft bestritten werden. Das Entstehen der Urkirche ließe sich im Übrigen auch soziologisch ohne die Existenz einer Gründungspersönlichkeit, auf die man Bezug nehmen konnte, schwerlich erklären. Doch nun wäre für uns Christen mit einem „Beweis“, dass Jesus wirklich gelebt hat, erst einmal wenig gewonnen. Wenn wir von Jesus nicht mehr sagen könnten, als dass es damals wohl solch eine Person seines Namens gegeben hat, dann gäbe es keinen Grund, an ihn zu glauben. Schon nach dem Zeugnis des Neuen Testaments hängt in der Tat unser christlicher Glaube ganz daran, dass dieser Jesus, der damals gelebt hat, auch tatsächlich auferstanden ist: „Ist Christus aber nicht auferstanden, so ist euer Glaube nichtig, so seid ihr noch in euren Sünden so sind auch die, die in Christus entschlafen sind, verloren.“ (1. Korinther 15,17+18)

Führen wir also einmal einen Indizienbeweis: Wer sind die Zeugen für die Auferstehung Jesu? Zunächst einmal führen die Quellen mehrere Frauen an. Wenn das mit der Auferstehung nur ein großer Betrug der Jünger gewesen wäre, hätte man sich sicher nicht so blöde angestellt und als Zeugen Personen angeführt, die nach damaliger Auffassung gar nicht rechtsfähig waren. Das macht nur Sinn, wenn es sich tatsächlich so zugetragen hat und den Berichterstattern gar nichts anderes übrigblieb, als eben dies auch zu berichten. Dann haben wir den Apostel Paulus. Auf ihn trifft sicher nicht zu, dass er vor lauter Trauer über den Tod Jesu schließlich Halluzinationen hatte und sich einbildete, er habe Jesus nach seinem Tod noch einmal gesehen. Sondern Paulus verfolgte die Christen ja gerade deshalb, weil sie behaupteten, Jesus sei auferstanden. Das konnte doch gar nicht sein, davon war Paulus fest überzeugt, denn Jesus war doch nach dem jüdischen Gesetz mit Recht als Gotteslästerer hingerichtet worden. Gott würde durch die Auferweckung Jesu ja seinem eigenen Gesetz widersprechen – und das war doch gar nicht möglich! Doch dann sah Paulus, was er gerade nicht sehen wollte: Dass Jesus doch auferstanden ist. Und davon berichtet er wiederholt in seinen Briefen; wir haben also schriftliche Zeugnisse eines Augenzeugen nur wenige Jahre nach dem Geschehen selber. Und dieser Augenzeuge war zuvor gerade nicht zugunsten von Jesus voreingenommen – und er ist dazu bereit gewesen, für die Wahrheit dieses Zeugnisses schließlich sogar in den Tod zu gehen. Dies gilt auch für zahlreiche weitere Augenzeugen des auferstandenen Jesus. Hätten die Jünger damals Jesus heimlich wieder aus dem Grab herausgeholt und versteckt, um dann das Märchen von seiner Auferstehung in die Welt zu setzen, dann hätten sie dies wohl allerspätestens dann zugegeben, wenn sie wegen der Verkündigung dieses Märchens umgebracht werden sollten. Für einen schlechten Witz stirbt man wohl kaum. Doch unbestritten ist, dass die Jünger Jesu nach Ostern offenbar keine Angst vor dem Tod mehr hatten –  weil sie dem begegnet waren, der den Tod besiegt hatte.

Auch nicht unbedingt sehr überzeugend ist der Erklärungsversuch, die Jünger Jesu seien wohl allesamt einer Massenhalluzination erlegen. Die Unwahrheit ihrer Behauptung, Jesus sei auferstanden, hätte man dann ja mit einem einfachen Blick in sein Grab nachweisen können – dass man damals in Höhlengräber auch nach der Bestattung noch hineinging, ist bekannt. Und da die Auferstehungsverkündigung auf erhebliche Widerstände in der Umgebung der Jünger stieß, gab es genügend Menschen, die ein Interesse daran gehabt hätten, den Leichnam Jesu zu präsentieren. Doch eben dies konnten sie nicht. Und selbst die Jünger werden in den Evangelien ja als sehr nüchterne Skeptiker geschildert, die der Auferstehungsverkündigung der Frauen erst einmal nicht glaubten. Ist es wirklich vernünftig, anzunehmen, dass niemand von ihnen noch einmal im Grab nachgeguckt hätte, bevor man sich daran machte, allen Leuten von der Auferstehung Jesu zu berichten? Dass die Lage des Grabes Jesu auch den Gegnern bekannt war, berichtet Matthäus in seinem Evangelium – und selbst archäologisch deutet die Errichtung eines heidnischen Tempels durch die Römer über dem Grab Jesu nach der Eroberung Jerusalems darauf hin, dass das leere Grab Jesu zu dieser Zeit längst zu einer Kultstätte geworden war, der die Römer nun mit der Errichtung des Tempels ihren Kult entgegensetzten. Bleibt noch die nicht tot zu bekommende Legende von dem angeblich scheintoten Jesus, der nachts heimlich wieder aus seinem Grab herausgekrabbelt und nach Indien ausgewandert ist. Sollte er das ohne fremde Hilfe geschafft haben, so wäre dies ein Wunder, das nicht viel geringer wäre als das der Auferstehung: Der Rollstein vor dem Grab ließ sich eben nur von außen öffnen, da es nicht sehr oft vorkam, dass Leichen noch mal zu einer Raucherpause raus wollten. Und wie Jesus nach der Tortur der Kreuzigung, ja, nachdem ein Soldat mit einer Lanze schon körperliche Todessymptome bei ihm festgestellt hatte, und dazu von oben bis unten in Leinentücher eingewickelt von innen den Rollstein wegrollen sollte, dafür muss auch erst einmal jemand eine vernünftigere Erklärung geben!  Fassen wir also zusammen: Beweisen kann man die Auferstehung Jesu gewiss nicht – aber die Indizienlage zu ihren Gunsten ist gar nicht schlecht. Diejenigen, die sie bestreiten, müssen erst einmal bessere Argumente liefern. Doch eines bleibt natürlich auch richtig: Wir glauben an den auferstandenen Christus nicht aufgrund von Indizien, sondern weil sich der auferstandene Christus uns selber in seinem Wort bezeugt und unseren Glauben gewirkt hat. Und auch das ist allemal ein Wunder!