11. Der Konfirmationsgottesdienst

Schon im Neuen Testament selber wird von einer Handauflegung mit Mitteilung des Heiligen Geistes nach der Taufe berichtet (vgl. Apostelgeschichte 8,14-17). Im Hebräerbrief wird das Händeauflegen nach der Taufe zu den grundlegenden Lehren des christlichen Glaubens gezählt (Hebräer 6,2). Dass es möglich ist, zwischen der grundlegenden Mitteilung des Heiligen Geistes in der Taufe (vgl. Apostelgeschichte 2,38) und einer späteren Mitteilung des Heiligen Geistes und seiner Gaben durch Handauflegung zu unterscheiden, machen auch die Ordinationserinnerungen des Apostels Paulus für Timotheus deutlich (vgl. 1. Timotheus 4,14; 2. Timotheus 1,6+7). Bereits in der Alten Kirche wurde diese Handauflegung mit einer Salbung verbunden, auch „Versiegelung“ genannt, wobei man sich auf biblische Belegstellen wie 2. Korinther 1,21+22; Epheser 1,13; 4,30; Offenbarung 7,3+4 berief, die sich ursprünglich auf den Taufritus selber bezogen. In den Ostkirchen entwickelte sich daraus der Ritus der Myronsalbung, der als zweites Sakrament gemeinsam mit der Taufe gespendet wird; von daher kennen die orthodoxen Kirchen keinen Konfirmationsritus in späteren Jahren.

In der Westkirche entwickelte sich in den folgenden Jahrhunderten der Ritus der Firmung, die seit 1439 offiziell als Sakrament gezählt wurde und deren Spendung dem Bischof vorbehalten bleibt: Dieser taucht bei der Firmung seinen Daumen in das Salböl, das Chrisma, und berührt dabei die Stirn des Firmlings kreuzweise mit den Worten: „Sei besiegelt durch die Gabe Gottes, den Heiligen Geist.“ Die Handauflegung tritt dabei in ihrer Bedeutung interessanterweise zurück.

In der Reformationszeit wurde Kritik an der Praxis der Firmung laut, weil sie die Bedeutung der Taufe in den Hintergrund treten ließ und der Eindruck entstanden war, als bedürfe die Taufe gleichsam einer Ergänzung durch die Firmung. So wurde die Firmung in ihrer bisherigen Form in der Reformationszeit zumeist nicht weiter praktiziert. Die Zulassung zum Altarsakrament (die auch in der römisch-katholischen Kirche nicht mit der Firmung verbunden war) erfolgte, nachdem ein Kind im Zusammenhang mit der Einzelbeichte gezeigt hatte, dass es wusste, was es im Altarsakrament empfängt. Als in der Folgezeit die Konfirmation als „Nachfolgeritus“ der Firmung in den evangelischen Kirchen eingeführt wurde, verbanden sich mit ihr verschiedene Vorstellungen: Die Konfirmation wurde verstanden als Erinnerung an das Taufgeschehen; außerdem betete die Gemeinde für die Kinder; dies Gebet wurde auch wieder mit der Handauflegung verbunden. In anderen Gebieten wurde der Akzent bei der Konfirmation stärker auf das öffentliche Glaubensbekenntnis der Konfirmanden gelegt, mit dem diese das Bekenntnis ihrer Paten bei der Taufe selber nachvollzogen und zugleich zum Ausdruck brachten, dass sie im christlichen Glauben unterwiesen worden waren. Außerdem wurde die Konfirmation zum Anlass, die Konfirmanden noch einmal eindringlich daran zu erinnern, in ihrem Taufbund zu beharren. Im Zeitalter des Pietismus wurde die Konfirmation zu einem Ausdruck der Herzensbekehrung des einzelnen Konfirmanden hochstilisiert; der Konfirmand sollte mit seinem Konfirmationsbekenntnis zeigen, dass er sich im Laufe des Konfirmandenunterrichts bekehrt hatte. Noch einen Schritt weiter ging man in der Zeit des Rationalismus: Hier wurde die Konfirmation zu einem Akt erklärt, der die Taufe eigentlich erst richtig gültig macht: Durch die Konfirmation wird ein junger Mensch, der nun alles „verstehen“ kann, in die Christenheit aufgenommen und ist nun gleichsam „Vollmitglied“ der Kirche. Solche Vorstellungen spuken bis heute oftmals in der Kirche herum: Gerade in volkskirchlichen Verhältnissen wurde die Konfirmation zu einer Art von „rite de passage“, in dem die Familie das allmähliche Erwachsenwerden des Konfirmanden feierte. Dies führte und führt bis heute mitunter zu der grotesken Situation, dass Konfirmanden, die nicht als kleine Kinder getauft wurden, vor der Konfirmation „schnell noch getauft“ werden, damit sie auch konfirmiert werden können – als ob die Konfirmation gegenüber der Taufe das Wichtigere wäre und die Taufe nur so etwas wie einen „Vorwaschgang“ darstellte!

Da es vom Neuen Testament her keine eindeutigen Vorschriften über die inhaltliche Füllung der Konfirmation gibt, haben wir als lutherische Kirche eine große Freiheit bei der Akzentuierung der verschiedenen Aspekte des Konfirmationsgeschehens. Dabei sollte darauf geachtet werden, dass das Konfirmationsgeschehen nicht die Bedeutung der Heiligen Taufe verdeckt, sondern im Gegenteil hervorhebt. Das schließt jedoch nicht aus, dass dabei auf das biblische Zeugnis der Geistmitteilung durch Handauflegung zurückgegriffen werden kann – nicht zuletzt auch, um die Konfirmation nicht zu einer Tat des Menschen zu degradieren und mit ihr den Konfirmanden zu belasten, sei es, dass er bei der Konfirmation eine Bekehrungserfahrung machen oder bezeugen müsste, sei es, dass die Konfirmation nur noch als „Zeugnisverleihung“ nach bestandener Konfirmandenprüfung verstanden wird. Die lutherische Kirche tut gut daran, die Chance zu nutzen, die sich ihr durch die Praxis der Konfirmation bietet, um die Vorbereitung auf die Konfirmation mit einem Konfirmandenunterricht zu verbinden. Dies ist eine geradezu einmalige Chance, Kinder in einer wichtigen Entwicklungsphase ihres Lebens in die Gemeinschaft der Kirche hineinwachsen zu lassen. Allemal wichtiger als die „Wissensvermittlung“ ist dabei das Hineinwachsen der Konfirmanden in die geistlichen und sakramentalen Vollzüge der Kirche, damit diese bei ihrer Konfirmation in der Kirche und im Gottesdienst zu Hause sind und erfahren haben, dass Kirche und Glaube etwas Schönes sind. Die Erfahrung von gemeinschaftlichem Glauben spielt dabei eine ganz wichtige Rolle.

Dabei kann man natürlich Wissensvermittlung und Hineinwachsen in die Kirche nicht gegeneinander ausspielen. In unserer Gemeinde endet der zweijährige Konfirmandenunterricht mit einer Prüfung beim Pastor und einer Vorstellung der Konfirmanden in einem Gottesdienst, bei der diese auch vor der Gemeinde noch einmal zeigen, was sie gelernt haben. Diese Vorstellung soll dabei nicht zuletzt auch der Erinnerung der anderen Gemeindeglieder an das, was sie früher einmal gelernt haben, dienen. Konfirmandenvorstellung und Konfirmation sind in unserer Gemeinde etwa ein Vierteljahr voneinander getrennt, um den Konfirmanden die Möglichkeit zu geben, in der Zwischenzeit schon einmal in den Jugendkreis hineinzuwachsen.

In der Zeit nach der Reformation hatte sich die biblisch nicht zu begründende Sitte entwickelt, die Konfirmation mit der Erstzulassung zum Heiligen Abendmahl zu verbinden. Dies führte bei vielen Konfirmanden dazu, dass der Gang zum Sakrament für sie ein ebenso einmaliges Geschehen blieb wie die Konfirmation selber. Eine Vorverlegung der Erstkommunion, wie sie von der Kirchensynode unserer Selbständigen Evangelisch-Lutherischen Kirche bereits 1991 empfohlen worden war und in unserer Gemeinde seit vielen Jahren praktiziert wird, hat sich bei uns dagegen sehr bewährt: Die Konfirmanden werden bereits ein Jahr vor ihrer Konfirmation zum Sakrament zugelassen. In einem festlichen Gottesdienst bekennen sie mit den Worten Martin Luthers aus dem Kleinen Katechismus, dass sie wissen, was sie im Sakrament empfangen. Ein Jahr lang haben sie dann die Möglichkeit, in der Gemeinschaft der Konfirmandengruppe regelmäßig das Sakrament zu empfangen, sodass es ihnen bei ihrer Konfirmation nicht mehr fremd ist.

Bewährt hat sich auch die Vorverlegung des Konfirmationsalters: Die frühere Verbindung von Konfirmation und Abschluss der Volksschule ist ein alter, längst nicht mehr zeitgemäßer Zopf. Dazu kommt, dass der Beginn der Pubertät bei Kindern im Laufe der letzten Jahrzehnte allmählich immer früher eingesetzt hat; gerade die Zeit vor der Pubertät ist jedoch religionspädagogisch gesehen die beste Zeit für den Konfirmandenunterricht. In dieser Zeit lassen sich Kinder zumeist viel besser erreichen und an den Glauben heranführen, während in der Pubertät Jugendarbeit die bessere Weise des Umgangs mit den Jugendlichen darstellt als ein kirchlicher Unterricht.

Der Akzent im Konfirmationsgottesdienst wird darum bei uns auf die Mitteilung des Heiligen Geistes zur Stärkung des Glaubens gelegt: „Mehre in ihnen die Gaben des Heiligen Geistes“, so beten wir für die Konfirmanden bei der Konfirmation, bevor ihnen dies dann auch noch einmal unter Handauflegung persönlich zugesprochen wird: „Nimm hin den Heiligen Geist, Schutz und Schirm vor allem Argen, Stärke und Hilfe zu allem Guten, von der gnädigen Hand Gottes des Vaters + und des Sohnes und des Heiligen Geistes.“ Dabei wird den Konfirmanden das Kreuzeszeichen auf die Stirn gezeichnet. Weil es in der Konfirmation um die Stärkung und Bekräftigung des Glaubens durch Gottes Heiligen Geist geht, kann die Konfirmation im Übrigen auch Erwachsenen gespendet werden, auch dann, wenn sie erst als Erwachsene getauft worden sind. Wurden die Konfirmanden schon als Kinder getauft, so ist ein Aspekt der Konfirmationshandlung auch das Sprechen von Taufgelübde und Taufbekenntnis, mit dem sich die Konfirmanden auf ihre Taufe zurückbeziehen, die aber natürlich durch dieses Bekenntnis nicht erst „gültig gemacht“ wird, sondern in ihrer Bedeutung gerade hervorgehoben werden soll. Auch ein Konfirmationsgelübde ist bei der Konfirmation vorgesehen: Die Konfirmanden versprechen, mit Gottes Hilfe in dem Glauben bleiben und wachsen zu wollen, den sie bekannt haben, und darum konkret bei der evangelisch-lutherischen Kirche zu bleiben und sich zu ihren Gottesdiensten und Sakramenten zu halten. Dass der christliche Glaube etwas Verbindliches ist, haben die Konfirmanden im Unterricht erfahren. Dazu sagen sie nun Ja – und darauf können und müssen sie sich dann auch später immer wieder einmal ansprechen lassen.