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Das Sakrament des Altars oder das Heilige Abendmahl (2).

Das Sakrament des Altars oder das Heilige Abendmahl: Zum Andern und Zum Dritten.

 

ZUM ANDERN

Was nützt denn solch Essen und Trinken?
Das zeigen uns diese Worte:
Für euch gegeben und vergossen zur Vergebung der Sünden;
nämlich, daß uns im Sakrament
Vergebung der Sünden, Leben und Seligkeit
durch solche Worte gegeben wird;
denn wo Vergebung der Sünden ist, da ist auch Leben und Seligkeit.

Wie schon bei der Heiligen Taufe läßt Martin Luther in seinem Katechismus auch beim Heiligen Abendmahl auf die Frage nach dem Wesen des Sakraments („Was ist …?“) die Frage nach dem Nutzen des Sakraments („Was nützt …?“) folgen. Das Wesen des Sakraments besteht unabhängig von dem, der es empfängt: Die Gegenwart des Leibes und Blutes Christi „unter dem Brot und Wein“ ist nicht vom Glauben oder vom Essen und Trinken der Empfangenden abhängig, sondern beruht allein auf der Wirkmacht der Worte Christi. Doch diese Gegenwart des Leibes und Blutes Christi besteht nicht um ihrer selbst willen; sie ist auch nicht zuerst und vor allem auf die Anbetung ausgerichtet, sondern sie zielt auf den Nutzen derer, die das Sakrament empfangen.

Diesen Nutzen des Sakraments entnimmt Luther den Einsetzungsworten selber: Gleich dreimal nennt er in der kurzen Erklärung die „Vergebung der Sünden“. In den Einsetzungsworten wird die Vergebung zunächst einmal als Sinn und Ziel der Lebenshingabe Jesu am Kreuz beschrieben: Diese bewirkt die Vergebung der Sünden. Doch es ist bezeichnend und sachgemäß, daß Luther diese Vergebung der Sünden nun auch zugleich dem Empfang des Altarsakraments selber zuschreibt: Was Christus am Kreuz für uns erworben hat, wird ganz konkret im Abendmahl zusammen mit der Opfergabe, dem Leib und Blut Christi, ausgeteilt. Das Altarsakrament ist der Zugang zum Kreuzesopfer Christi.

Die „Sünden“, die im Heiligen Abendmahl vergeben werden, sind selbstverständlich nicht bloß irgendwelche moralischen Vergehen oder Fehler. Sünde trennt von Gott, und diese Trennung von Gott wird im Heiligen Abendmahl aufgehoben. Insofern gehören die Vergebung der Sünden und die leibhaftige Gemeinschaft mit Christus als „Nutzen“ des Sakraments untrennbar zusammen: Wo wir mit dem Leib und Blut Christi, des Sohnes des lebendigen Gottes, eins werden, da ist eben jegliche Trennung zwischen Gott und uns Menschen aufgehoben, ist dies wiederum nichts anderes als die Vergebung der Sünden. Im Heiligen Abendmahl wird uns also nicht bloß irgendwie „abstrakt“ die Sündenvergebung mitgeteilt, und daneben gibt es dann auch noch die Besonderheit, daß im Abendmahl Brot und Wein Leib und Blut Christi sein sollen. Sondern die Sündenvergebung erfolgt durch die Christusgemeinschaft, die den Kern und das Wesen des Altarsakraments darstellt.

Die Gemeinschaft mit Christus bedeutet zugleich positiv auch „Leben und Seligkeit“: Christus ist ja selber das Leben in Person (vgl. Joh 11,25; 14,6); wer an ihm Anteil hat, der hat das Leben. Im Johannesevangelium bringt Christus selber dies im Bild vom Weinstock und den Reben zum Ausdruck: „Ich bin der Weinstock, ihr seid die Reben. Wer in mir bleibt und ich in ihm, der bringt viel Frucht; denn ohne mich könnt ihr nichts tun.“ (Joh 15,5). Wie sich dies Bleiben in Christus konkret vollzieht, hatte Christus bereits zuvor deutlich gemacht: „Wer mein Fleisch ißt und mein Blut trinkt, der bleibt in mir und ich in ihm.“ (Joh 6,56) Und von daher gilt dann zugleich: „Wer mein Fleisch ißt und mein Blut trinkt, der hat das ewige Leben, und ich werde ihn am Jüngsten Tage auferwecken.“ (Joh 6,54) Der Kirchenvater Ignatius von Antiochien († 110) bezeichnet von daher das Heilige Abendmahl auch als ein „pharmakon athanasias“, ein Heilmittel der Unsterblichkeit. Diese Begrifflichkeit greift auch Martin Luther in seinem Großen Katechismus auf, wenn er schreibt: „Man hat doch jedenfalls das Sakrament nicht als ein schädlich Ding anzusehen, vor dem man davonlaufen müßte, sondern als eine durchaus heilsame, tröstliche Arznei, die dir helfen und das Leben geben soll, beides für Leib und Seele. Denn wo die Seele genesen ist, da ist dem Leibe auch geholfen.“ Durch den Empfang des Heiligen Abendmahls haben wir also schon jetzt und hier das ewige Leben; es wird uns nicht bloß etwas für die Zukunft versprochen. Wenn Christus in unserem vergänglichen Körper durch das Sakrament Wohnung nimmt, dann bereitet er uns bei jedem Empfang des Heiligen Abendmahls schon vor auf den Tag unserer Auferstehung. So wird also in der Feier des Heiligen Abendmahls unser Blick gleichermaßen zurück zum Kreuzesopfer Jesu und nach vorne hin auf Seine Wiederkunft gelenkt, bei der einmal sichtbar zu erkennen sein wird, was sich jetzt schon verborgen in jeder Sakramentsfeier vollzieht: Das Kommen des auferstandenen Christus. Entsprechend gibt es auch in unserer lutherischen Sakramentsliturgie die Möglichkeit, daß die Gemeinde nach den Einsetzungsworten singt: „Deinen Tod, o Herr, verkünden wir, und deine Auferstehung preisen wir, bis du kommst in Herrlichkeit.“ Die ganze Heilsgeschichte konzentriert sich in der Feier des Altarsakraments. Zugleich werden in ihr die beiden zentralen Probleme unseres Menschseins aufgegriffen: Das Problem der Schuld und das Problem des Todes. Beide finden im Empfang des Leibes und Blutes Christi ihre letzte und eigentliche Lösung.


ZUM DRITTEN

Wie kann leiblich Essen und Trinken solch große Dinge tun?
Essen und Trinken tut’s freilich nicht,
sondern die Worte, so da stehen:
Für euch gegeben und vergossen zur Vergebung der Sünden.
Diese Worte sind neben dem leiblichen Essen und Trinken
das Hauptstück im Sakrament.
Und wer denselben Worten glaubt,
der hat, was sie sagen und wie sie lauten,
nämlich: Vergebung der Sünden.

Welche Funktion hat nun der Glaube beim Heiligen Abendmahl? Wir sahen schon: Er bewirkt nicht die Gegenwart des Leibes und Blutes Christi im Brot und Wein des Heiligen Abendmahls. Auch derjenige, der glaubt, er empfange im Heiligen Mahl nur ein Stück Brot zur Erinnerung an Jesus, empfängt in Wirklichkeit doch den wahren Leib und das wahre Blut des HERRN. Eben darum hat die Kirche auch eine hohe Verantwortung bei der Austeilung des Sakraments: Diejenigen, die die Gaben des Heiligen Mahls empfangen, sollen auch wissen und erkennen, was sie da empfangen. Schließlich geht es nicht bloß um eine subjektive Erfahrung, die sie beim Empfang des Sakraments machen; mit den Worten Luthers: „Essen und Trinken tut’s freilich nicht.“ Sondern es geht hier um eine Wirklichkeit, die nicht von uns abhängt, die aber so oder so auch eine Wirkung auf uns ausübt: „Wer nun unwürdig von dem Brot ißt oder aus dem Kelch des Herrn trinkt, der wird schuldig sein am Leib und Blut des Herrn. Denn wer so ißt und trinkt, daß er den Leib des Herrn nicht achtet, der ißt und trinkt sich selber zum Gericht.“ (1. Korinther 11,27.29) Eben darum kann und darf die Kirche denen das Heilige Abendmahl nicht reichen, die dem Bekenntnis zur realen Gegenwart des Leibes und Blutes Christi im Brot und Wein des Heiligen Mahles widersprechen.

Von daher spielen die Einsetzungsworte Christi beim Heiligen Abendmahl die entscheidende Rolle: Sie bewirken die Gegenwart des Leibes und Blutes Christi und deuten das, was dort im Sakrament geschieht, zugleich für diejenigen, die das Sakrament empfangen. Ja, mehr noch: Sie wirken bei den Kommunikanten zugleich den Glauben an das, was ihnen im Sakrament geschenkt wird. Die Sakramentsfeier ist von daher niemals ein stummes Geschehen, niemals bloß eine „Symbolhandlung“. Sondern das Wort Christi weckt den Glauben an den im Sakrament gegenwärtigen Herrn und lädt dazu ein, ihn zu empfangen zur Vergebung der Sünden. Der Glaube hängt an diesem Wort, an dieser Zusage und veranlaßt so den, der glaubt, den Herrn im Sakrament zu suchen und zu finden – und mit ihm Vergebung der Sünden, Leben und Seligkeit.

Nie und nimmer ist dabei der Glaube eine eigene Tat, Entscheidung oder Leistung des Menschen: Er ist Wirkung des Wortes Christi, wird durch dieses Wort geweckt und geformt. Ja, mehr noch: Er ist seinem Wesen nach Gemeinschaft mit Christus. Eben diese Gemeinschaft mit Christus wirkt Christus selber durch sein Wort, und diese Gemeinschaft mit Christus vollzieht sich in ihrer tiefsten Form im Empfang des Leibes und Blutes Christi. Wir merken: Leibhafte Gegenwart Christi, Vergebung der Sünden und Glauben hängen unmittelbar miteinander zusammen und lassen sich nicht auseinanderreißen. Was sie zusammenhält, ist das Wort Christi selber. Auf dieses Wort Christi und nicht auf unsere eigene Befindlichkeit sollen auch wir uns ausrichten, wenn wir das Sakrament empfangen. Martin Luther hat dies in einem Gebet wunderbar zum Ausdruck gebracht: „O Herr, ob ich zwar nicht würdig bin, daß du in mein Herz eingehest, so bin ich doch notdürftig deiner Hilfe und begierig deiner Gnade, daß ich möge fromm und selig werden. Nun komme ich in keiner anderen Zuversicht denn auf dein Wort, da du selbst mich zu diesem Tische ladest und sagest mir Unwürdigem zu, ich soll Vergebung meiner Sünden haben durch deinen Leib und Blut, so ich esse und trinke in diesem Sakrament. O lieber Herr, ich weiß, daß deine göttliche Zusage und deine Worte gewiß und wahrhaftig sind. Daran zweifle ich nicht, und darauf esse und trinke ich; mir geschehe nach deinem Worte.“