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Die Zehn Gebote: Das dritte und vierte Gebot.

Die Zehn Gebote: Das dritte und vierte Gebot.

 

DAS DRITTE GEBOT
Du sollst den Feiertag heiligen.

Was ist das?
Wir sollen Gott fürchten und lieben,
dass wir die Predigt und sein Wort nicht verachten,
sondern dasselbe heilig halten, gerne hören und lernen.


Im Alten Testament lautete das dritte Gebot ursprünglich: „Gedenke des Sabbattages, dass du ihn heiligest.“ (2. Mose 20,8) Der wesentliche Inhalt des Sabbats war dabei die Sabbatruhe, der Verzicht auf alle Arbeit an diesem Tag, der nicht nur die Israeliten selber, sondern auch ihre Knechte und Mägde, alle Ausländer (!) und selbst das Vieh betraf. Begründet wird diese Sabbatruhe in den Zehn Geboten mit dem Ruhen Gottes am siebten Schöpfungstag, mit dem Gott diese Ruhe gleichsam in die Schöpfung eingepflanzt habe, sowie mit der Erinnerung Israels an die Knechtschaft in Ägypten: Die Israeliten sollen nun im Unterschied zu früher einen Ruhetag haben und diese Ruhe auch allen anderen in ihrer Gesellschaft gönnen.

Die Christen kamen schon zur Zeit des Neuen Testaments zu ihren gottesdienstlichen Versammlungen am Sonntag, dem Auferstehungstag Christi, zusammen. Die neue Schöpfung, die in der Auferstehung Christi angebrochen ist, überbietet die alte Schöpfung, an die der Sabbat erinnerte. Darum schreibt Paulus im Brief an die Kolosser: „Lasst euch nun von niemandem ein schlechtes Gewissen machen  … wegen eines bestimmtes Feiertages … oder Sabbats.“ (Kol 2,16) Zugleich veränderte sich der Sinn dieses Sonntags als Feiertag: Sein wesentlicher Inhalt bestand und besteht nicht in der Arbeitsruhe, sondern in der gemeinsamen Erfahrung der Gegenwart des auferstandenen Christus in Wort und Sakrament, in der gemeinsamen gottesdienstlichen Feier.

In diesem Sinne hat Martin Luther vom Neuen Testament her den Wortlaut des Dritten Gebotes umformuliert und auch in seiner Erklärung des Gebots diesen neuen Akzent gesetzt: Entscheidender Inhalt des Dritten Gebots ist die Predigt und das Wort Gottes, ist der Gottesdienst. Dabei reicht der Gottesdienst bis in den Alltag hinein, wenn Luther formuliert, wir sollten das Wort Gottes gerne hören „und lernen“.

Wenn wir dieser Auslegung folgen, dann geht es beim Gottesdienstbesuch nicht bloß darum, ob wir „Zeit“ oder „Lust“ zum Gottesdienst haben oder ein „Bedürfnis“ danach verspüren. Dass wir Gott die Zeit geben, die ihm zusteht (das ist mit „heilig halten“ gemeint), ist vielmehr ein Gebot Gottes. Wie bei den anderen Geboten auch, will uns Gott mit diesem Gebot nicht zu etwas zwingen, was uns schadet, sondern er gibt uns dieses Gebot zu unserem Besten: Im Gottesdienst will er uns ja mit seiner Vergebung und seinem unvergänglichen Leben beschenken. Eben darum schärft er es uns im Dritten Gebot ein, dass wir seine lebenswichtigen Gaben nicht versäumen.

Beim Dritten Gebot wird besonders deutlich erkennbar, wie eng es mit dem Ersten Gebot zusammenhängt: Wenn Gott die Nummer 1 in unserem Leben ist, ist es klar, dass für uns nichts wichtiger ist, als seinem Gebot und seiner Einladung zu folgen. Wenn aber Hobbys, das warme Bett am Sonntagmorgen, Treffen mit Bekannten oder anderes für mich wichtiger sind als Gott, dann habe ich natürlich für den Gottesdienst „keine Zeit“. Ob ich diese anderen Dinge aber nicht doch in den anderen 166 Stunden der Woche außerhalb des Gottesdienstes ganz gut unterbringen kann?

Wir können dankbar sein, dass in unserem Land die Sonntagsruhe in besonderer Weise geschützt ist und wir als Gemeinde somit die Möglichkeit haben, uns gemeinsam am Sonntagmorgen zu versammeln. Es ist auch für eine Gesellschaft insgesamt fatal, wenn sie keinen gemeinsamen freien Tag mehr kennt, an dem Menschen miteinander zusammenkommen können. Leider ist eine solche Entwicklung auch bei uns immer deutlicher zu erkennen: Nicht wenige Glieder unserer Gemeinde müssen sonntags morgens bereits arbeiten. Darauf werden wir als Gemeinde zu reagieren haben. Die Predigt und das Wort Gottes kann man nicht nur am Sonntagmorgen heiligen; darum werden wir verstärkt auch Gottesdienste an anderen Tagen anbieten müssen. Zugleich werden wir aber als Christen auch immer wieder an den guten ursprünglichen Sinn des Sabbatgebotes erinnern: Es tut uns Menschen nicht gut, wenn wir keinen gemeinsamen Ruhetag mehr haben.

Eins ist allerdings richtig: Es ist allemal besser, am Sonntag erst zum Gottesdienst zu gehen und anschließend zu arbeiten, wenn es denn nicht anders geht, als den ganzen Sonntag ohne Gottesdienst im Bett zu liegen. Das Entscheidende beim Dritten Gebot bleibt das Wort Gottes – und mit dem sollen wir uns nicht nur am Sonntag beschäftigen, sondern an jedem Tag, beispielsweise durch die tägliche Lektüre des Feste-Burg-Kalenders. Ohne das Wort Gottes kann unser Glaube nicht bestehen.


DAS VIERTE GEBOT
Du sollst deinen Vater und deine Mutter ehren,
auf dass dir’s wohlgehe und du lange lebest auf Erden.

Was ist das?
Wir sollen Gott fürchten und lieben,
dass wir unsere Eltern und Herren nicht verachten noch erzürnen,
sondern sie in Ehren halten, ihnen dienen, gehorchen, sie lieb und wert haben.


Eltern sind Geschenke Gottes. Durch sie lässt Gott uns Seine Fürsorge erfahren; sie sind gleichsam Gottes „Werkzeuge“. Darum sollen wir sie hoch achten und ehren.

Zur Zeit des Alten Testaments bestand der besondere Sinn dieses Vierten Gebotes darin, dass Kinder ihre Eltern nicht im Stich lassen sollten und durften, wenn diese alt und krank wurden: Die Kinder waren gleichsam die Sozialversicherung der Eltern.

Auch wenn es heute bei uns Kranken- und Rentenversicherungen gibt, hat das Vierte Gebot auch für uns keinesfalls an Bedeutung verloren: Eine Gesellschaft, in der kein Respekt mehr vor den Eltern oder den Älteren herrscht, richtet sich letztlich selber zugrunde. Von daher geht es bei diesem Gebot in der Tat auch heute noch darum, dass es „dir (gemeint ist ursprünglich Israel als Ganzes; dies lässt sich auch auf unsere Gesellschaft heute übertragen) wohlgehe“. Wenn beispielsweise ein Berliner Radiosender, der vornehmlich Jugendliche anspricht, im letzten Jahr für sein Programm mit dem Slogan warb: „Deine Alten [gemeint waren die Eltern] werden kotzen!“, dann kommt darin eine Einstellung gegenüber Eltern zum Ausdruck, die heute weit verbreitet und „cool“, aber nichtsdestoweniger verheerend ist.

Die Eltern haben von Gott ein „Amt“. Das heißt: Sie müssen es sich nicht erst verdienen, von ihren Kindern als Eltern anerkannt zu werden; vielmehr erwartet das Vierte Gebot von den Kindern, dass sie ihre Eltern gerade dann als Eltern in Ehren halten, wenn sie merken, dass die Eltern dies mit ihrem Verhalten eigentlich gar nicht unbedingt verdient haben. Die Achtung, die Kinder ihren Eltern entgegenbringen, wird sich je nach Lebensalter in unterschiedlicher Weise äußern. Während von kleinen Kindern zunächst Gehorsam ohne große Diskussion erwartet werden kann, haben ältere Kinder und Jugendliche durchaus ein Recht, mit ihren Eltern über Entscheidungen auch zu diskutieren. Dabei sollten die Kinder jedoch die Sorgen und Wünsche der Eltern ernst nehmen und sich an Verabredungen auch halten. Im weiteren Leben tritt dann die Fürsorge für die Eltern stärker ins Zentrum des Verhältnisses zwischen Kindern und Eltern. Gerade wo die materielle Absicherung der Eltern gewährleistet ist, sollten sich Kinder genügend Zeit für ihre Eltern nehmen und sie nicht allein lassen. Das bedeutet nicht, dass es beispielsweise ein Verstoß gegen das Vierte Gebot wäre, pflegebedürftige Eltern in einem Heim unterzubringen. In nicht wenigen Fällen ist es sinnvoller, die Zeit- und Kraftreserven, die man hat, für regelmäßige Besuche im Heim statt für pflegerische Aufgaben aufzuwenden, mit denen man selber überfordert ist. Wo solche Pflege dennoch zu Hause geleistet wird, verdient sie gerade vom Vierten Gebot her umso mehr Respekt und Unterstützung.

Das Vierte Gebot bedeutet zugleich aber auch eine Verpflichtung für die Eltern: Sie sollen ihre Kinder mit ihrem eigenen Vorbild erziehen. „Ihr Väter, reizt eure Kinder nicht zum Zorn“ (Eph 6,4), schreibt der Apostel Paulus. Eltern sollen mit ihrem Vorbild den Kindern das Leben als Christ lieb machen; sie müssen auch lernen, sich nicht an ihre Kinder zu klammern, sondern sie loszulassen, ihnen zunehmend Freiräume zugewähren, wenn die Kinder älter werden. Und die Eltern sollen stets wissen: Sie sind niemals die absolute Autorität für ihre Kinder. Auch sie stehen unter Gott und sind seine Werkzeuge; vor ihm haben sie sich gerade auch in der Kindererziehung zu verantworten. So erweist sich gerade auch das Vierte Gebot als zutiefst heilsame Weisung Gottes.