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Das Glaubensbekenntnis: Der Zweite Artikel: Von der Erlösung.

Das Glaubensbekenntnis: Der Zweite Artikel: Von der Erlösung.

 

Von der Erlösung
Und an Jesus Christus, Gottes eingebornen Sohn,
unsern Herrn,
der empfangen ist vom Heiligen Geist,
geboren von der Jungfrau Maria,
gelitten unter Pontius Pilatus,
gekreuzigt, gestorben und begraben,
niedergefahren zur Hölle,
am dritten Tage auferstanden von den Toten,
aufgefahren gen Himmel,
sitzend zur Rechten Gottes, des allmächtigen Vaters,
von dannen er kommen wird
zu richten die Lebendigen und die Toten.

Was ist das?
Ich glaube, daß Jesus Christus,
wahrhaftiger Gott vom Vater in Ewigkeit geboren
und auch wahrhaftiger Mensch von der Jungfrau Maria geboren,
sei mein Herr,
der mich verlornen und verdammten Menschen erlöset hat,
erworben, gewonnen
von allen Sünden, vom Tode und von der Gewalt des Teufels;
nicht mit Gold und Silber,
sondern mit seinem heiligen, teuren Blut
und mit seinem unschuldigen Leiden und Sterben;
auf daß ich sein eigen sei
und in seinem Reich unter ihm lebe und ihm diene
in ewiger Gerechtigkeit, Unschuld und Seligkeit,
gleichwie er ist auferstanden vom Tode,
lebet und regieret in Ewigkeit.
Das ist gewißlich wahr.

 

Mit dem „schönsten Satz der deutschen Sprache“ beschreibt Martin Luther in der Erklärung des zweiten Teils des Glaubensbekenntnisses in seinem Kleinen Katechismus das Zentrum unseres christlichen Glaubens, den „Artikel von der Erlösung“. Genial faßt Luther dabei zusammen, was man in der kirchlichen Dogmatik mit den Begriffen „Person und Werk Jesu Christi“ zu unterscheiden pflegt:

Drei Aussagen werden im Apostolischen Glaubensbekenntnis über die Person Jesu von Nazareth gemacht: Er wird zunächst einmal „Christus“ genannt. „Christus“ ist nicht der Nachname Jesu (so etwas gab es damals noch gar nicht), sondern ein Ehrentitel: „Christus“ heißt auf hebräisch „Messias“, auf deutsch „Gesalbter“. Gesalbt wurden damals in Israel Könige und Priester. Mit dem Messiastitel verband man Israel damals die Hoffnung auf einen politischen Befreier von der römischen Besatzung. Aus diesem Grunde verwendete Jesus selber diesen Titel kaum und verbietet auch seinen Jüngern, von ihm als dem Christus zu reden (vgl. Mt 16,16.20). Erst vor dem Hohen Rat bekennt er sich selber öffentlich dazu, daß er der Christus ist (vgl. Mt 26,63f) – nicht politischer Befreier, sondern kommender Weltherrscher. Mit seiner Kreuzigung als „König der Juden“ und seiner Auferstehung füllt Jesus selber diesen Christustitel dann mit einem ganz neuen Inhalt. In diesem Sinne wird er dann von den Christen so selbstverständlich verwendet, daß sie von diesem Titel her ihren eigenen Spitznamen erhalten (vgl. Apg 11,26).

Zweitens ist dieser Jesus Christus „Gottes eingeborener Sohn“. Als der „Eingeborene“, das heißt: als der, der in einzigartiger Weise Sohn Gottes und damit selber Gott ist, wird Jesus im Johannesevangelium bezeichnet (vgl. Joh 1,18). Daß Jesus Gottes Sohn ist, ist eine zentrale Botschaft des gesamten Neuen Testaments. Martin Luther umschreibt diese Gottessohnschaft Jesu mit den Worten des Konzils von Chalcedon (451), das aufgrund der Aussagen der Heiligen Schrift erklärt hatte, Jesus sei zugleich wahrhaftiger Gott und auch wahrhaftiger Mensch. Beides ist entscheidend wichtig: Jesus ist wirklich Gott; er ist nicht nur ein guter, vorbildlicher Mensch, nicht nur ein Prophet, nicht nur von Gott als Sohn adoptiert. Gott selbst kommt in Jesus zu den Menschen; nur Gott selbst kann die Menschen retten, das zerstörte Verhältnis zwischen ihnen und ihm wieder in Ordnung bringen. Umgekehrt ist es aber auch entscheidend wichtig, daß dieser wahrhaftige Gott wirklich ein wahrhaftiger Mensch geworden ist: Er ist „Fleisch geworden“, ein sterblicher Mensch, einer, der leiden konnte und gelitten hat und sich diesem Leiden nicht entzogen hat, einer, der ganz auf der Seite von uns Menschen stand und steht. Und doch ist dieser wahrhaftige Gott und wahrhaftige Mensch nur eine Person und nicht zwei: In ihm sind Gott und Mensch so eng miteinander verbunden, daß wir zu Karfreitag mit Recht singen: „O große Not! Gott selbst liegt tot“ (ELKG 73,2) und daß wir Maria mit Recht als Mutter Gottes verehren. Eben darum bekennen wir aber auch andererseits, daß Jesus auch nach seiner Menschheit, mit seinem Fleisch und Blut, überall gegenwärtig sein kann, wo er will. Genau dieses Wunder erfahren wir ja immer wieder im Heiligen Abendmahl.

Drittens aber und vor allem ist Jesus Christus „unser Herr“. Genau dies streicht Martin Luther in seiner Erklärung im Kleinen Katechismus besonders heraus: Alles hängt daran, daß Jesus Christus „sei mein Herr“. Das heißt: Wenn ich glaube, daß Jesus wirklich Gottes Sohn ist und auch ein wirklicher Mensch ist, und wenn das doch für mein Leben keinerlei Bedeutung hat, dann nützt mir das überhaupt nicht. Nein, Jesus ist jetzt und hier der Herr meines Lebens; das, was er damals getan hat, hat für mich und mein Leben jetzt entscheidende Bedeutung. Und als dieser Herr nicht nur meines Lebens, sondern als Herr der ganzen Welt wird sich dieser Jesus Christus auch in Zukunft einmal zu erkennen geben. Eben darum ist es so wichtig, daß ich jetzt schon bekenne: „Ich glaube, daß Jesus Christus sei mein Herr.“

Niemals können wir von daher der Person Jesu sozusagen neutral gegenübertreten. Der bekannte christliche Schriftsteller C.S. Lewis hat dies einmal sehr schön formuliert: „’Jesus als großer Sittenlehrer – ja; aber seinen Anspruch, Gott zu sein, kann ich nicht anerkennen.’ Gerade das können wir nicht sagen. Ein Mensch, der solche Dinge wie Jesus sagt, wäre kein großer Morallehrer. Er wäre entweder ein Irrer – oder der Satan in Person. Wir müssen uns deshalb entscheiden: Entweder war dieser Mensch Gottes Sohn, oder er war ein Narr oder Schlimmeres. Man kann ihn als Geisteskranken einsperren, man kann ihn verachten oder als Dämon töten. Oder man kann ihm zu Füßen fallen und ihn Herr oder Gott nennen. Aber man kann ihn nicht mit gönnerhafter Herablassung als einen großen Lehrer der Menschheit bezeichnen. Das war nie seine Absicht; diese Möglichkeit hat er uns nicht offengelassen.“

Entscheidend wichtig für Martin Luther ist aber nun, wie Jesus Christus „mein Herr“ geworden ist: Nicht dadurch, daß er mich unter sich gezwungen hat, sondern im Gegenteil so, daß er für mich zu einem Knecht geworden ist, daß er für mich sein Leben in den Tod gegeben hat, daß er mich dadurch den Gewalten entrissen hat, die mich für immer von Gott trennen wollten: der Sünde, dem Tod und dem Teufel. Christus macht mich unter Einsatz seines Lebens zu seinem Eigentum – nicht um mich zu unterdrücken, sondern um mich zu befreien, um mir ein Leben „in ewiger Gerechtigkeit, Unschuld und Seligkeit“ zu ermöglichen: Die Schuld, die mir den Zugang zu diesem Leben versperrt hätte, sie ist von Christus gleichsam bezahlt – „nicht mit Gold und Silber, sondern mit seinem heiligen teuren Blut und mit seinem unschuldigen Leiden und Sterben“, wie Luther in Anlehnung an 1. Petr 1,18+19 formuliert. Christus ist der einzige, der nicht um seiner eigenen Schuld willen zu sterben braucht. Und gerade er stirbt stellvertretend für mich, nimmt die Strafe, die ich verdient habe, am Kreuz auf sich – und „gewinnt“ mich gerade so für ein Leben unter seiner Herrschaft.

Wie das Apostolische Glaubensbekenntnis selber auch, konzentriert Martin Luther in seiner Auslegung das „Werk Christi“, also das, was er für mich getan hat, ganz auf seinen Tod am Kreuz und seine Auferstehung. Die gut 30 Jahre zwischen seiner Geburt und seinem Leiden in Jerusalem, seine Predigten, seine Wunder – sie fehlen im Glaubensbekenntnis, sie fehlen auch in Luthers Erklärung. Entscheidend wichtig bleibt allein, daß er, Christus, für uns gestorben und auferstanden ist.

Und eben dieses Geschehen, das sich damals vor 2000 Jahren ereignet hat, das hat für mich selber nun unmittelbare Bedeutung, das betrifft mich selber. Denn es hat sich auch in meinem Leben ganz konkret ereignet in meiner Taufe, in der ich mit Christus gestorben und auferstanden bin und gerade so unter die Herrschaft Christi gestellt worden bin, „auf daß ich sein eigen sei“. Wenn ich von Christus rede und von dem, was er für mich getan hat, dann muß ich immer zugleich auch von meiner Taufe sprechen. Dort hat sich erwiesen, daß Christus auch jetzt noch Herr ist, daß sein Reich, in dem ich „unter ihm lebe“, jetzt eine Wirklichkeit, ja die Wirklichkeit meines Lebens ist: ER, Christus, lebt – und in der Verbindung mit ihm, dem lebendigen Herrn, werde auch ich ewig leben. Das ist das Herzstück unseres Glaubens – und „das ist gewißlich wahr!"