Ich glaube, daß Christus wiederkommt.

Ich glaube, daß Christus wiederkommt.

 

1. Christus ist nicht verschwunden.
Zu den heute am wenigsten verstandenen Festen des christlichen Glaubens zählt zweifellos das Fest der Himmelfahrt Christi. Was soll ein moderner Mensch, der um die unfaßbar riesige Ausdehnung des Weltalls weiß, mit dieser Aussage anfangen, daß Christus „gen Himmel gefahren“ sein soll? Ist Christus da also auf eine Erdumlaufbahn geschossen worden, oder ist er vielleicht immer noch in den Fernen des Weltraums unterwegs? Oder muß man als Christ gar immer noch daran glauben, daß der Himmel eine Art von Käseglocke über der Erdscheibe ist und Christus nun da oben irgendwo auf einem Wölkchen über uns schwebt? Und so spricht man auch in unserem Land statt vom Fest der Himmelfahrt Christi lieber vom „Vatertag“, versucht damit, ihm einen neuen, nichtchristlichen Sinn abzugewinnen.

In Wirklichkeit ist das Bekenntnis zur Himmelfahrt Christi jedoch viel moderner, als man zunächst denken mag. Der christliche Glaube weiß nicht erst seit dem letzten Jahrhundert darum, daß der „Himmel“ nicht irgendein Ort „über“ der Erde oder jenseits der Wolken ist. Sondern der „Himmel“ ist nach christlichem Verständnis dort, wo Gott ist. Und Gott ist uns in Wirklichkeit viel, viel näher, als wir dies erahnen. Christus hat sich durch seine Himmelfahrt also nicht von uns Menschen entfernt, sondern ist uns dadurch noch viel näher gekommen. Er ist als der Auferstandene gleichsam in eine andere Dimension eingegangen, die wir Menschen im Augenblick mit unseren fünf Sinnen noch nicht wahrnehmen und begreifen können. Eben dies haben schon im 16. Jahrhundert die Lutheraner gegenüber den Reformierten geltend gemacht, die behaupteten, Christus könne im Heiligen Abendmahl nicht leibhaftig gegenwärtig sein, da er ja „im Himmel“ sei: Nein, gerade weil Christus „im Himmel“ ist, in dieser anderen Dimension, ist er nicht mehr an Raum und Zeit gebunden und kann darum zugleich an verschiedenen Orten hier auf Erden mit seinem Leib und Blut anwesend sein. Daß es im übrigen weit mehr als die drei Dimensionen gibt, mit denen unser alltägliches Denken vertraut ist, davon gehen heute auch die Astrophysiker aus, auch wenn sie bei ihren Forschungen gewiß niemals auf die Dimension stoßen werden, in die Christus durch seine Himmelfahrt eingegangen ist. Jedenfalls ist das Fest der Himmelfahrt Christi von daher kein „Abschiedsfest“; und wenn wir das Heilige Mahl feiern, sind auch wir schon mit Christus „im Himmel“.


2. Christus bleibt der Herr der Welt.
Das Bekenntnis, daß Christus gen Himmel gefahren ist, beinhaltet auch das Bekenntnis zu Christus als dem Herrn der Welt: Christus bleibt der Herrscher der Welt; vor ihm werden sich einmal alle Menschen zu verantworten haben.

Die Wahrheit dieses Bekenntnisses läßt sich ganz gewiß nicht am Lauf der Geschichte ablesen; im Gegenteil: Alle Erfahrungen, die wir in dieser Welt machen, scheinen dem Bekenntnis zu Christus als dem Herrn der Welt klar zu widersprechen: In dieser Welt herrschen doch ganz andere Menschen und Mächte als Christus und die, die ihm angehören, und da, wo sich Menschen und Institutionen in ihrer Herrschaftsausübung auf Christus berufen haben, da war dies in aller Regel keine Werbung für den Herrn, auf den sie sich da beriefen. Ja, wie kann man davon reden, daß Christus der Herr der Welt bleibt, angesichts von Kreuzzügen und Kriegen, angesichts von Auschwitz und der sowjetischen Vernichtungslager?

Das Bekenntnis zu Christus als dem Herrn der Welt bleibt ein Bekenntnis gegen allen Augenschein und gegen alle Erfahrung. Es verläßt sich einzig und allein auf die Zusage Christi selber, der nach seiner Auferstehung sich seinen Jüngern als eben dieser Herr der Welt zu erkennen gegeben und gesagt hat: „Mir ist gegeben alle Gewalt im Himmel und auf Erden.“ (Matthäus 28,18) Aus den Evangelien wissen wir, daß Christus nicht versucht hat, seinen Machtanspruch mit politischen und militärischen Mitteln durchzusetzen. Ihm ging es darum, die Herzen der Menschen zu erreichen und zu verändern. Aber wir wissen als Christen auch darum, daß Christus einmal dieser Welt auch als Richter begegnen wird. Dann werden sich vor ihm auch einmal all diejenigen verantworten müssen, die ihre Macht hemmungslos mißbraucht haben und die vielleicht in ihrem Leben hier auf Erden von keinem Gericht zur Rechenschaft gezogen wurden. Die Massenmorde in den Konzentrationslagern und Gulags, die Kriegsverbrechen und Terroranschläge und was es sonst noch alles an Untaten in der Geschichte gegeben hat: All dies wird noch einmal zur Sprache kommen vor Christus, und die, die dafür verantwortlich waren, werden sich dem nicht entziehen können. So ist das Bekenntnis zu Christus als dem Herrn der Welt auch ein Bekenntnis der Hoffnung auf Gerechtigkeit, das uns nicht verzweifeln läßt angesichts dessen, was wir in dieser Welt immer wieder erleben müssen.


3. Christus wird wiederkommen.
Als Christen glauben wir, daß Christus einmal für alle Menschen sichtbar wiederkommen wird. So wenig Christus jetzt zur Zeit in der Ferne des Weltalls verschwunden ist, so wenig wird er am Tag seiner Wiederkunft erst einen langen „Anmarschweg“ benötigen. Vielmehr wird er dieser Welt mit einem Mal gleichsam die Decke von den Augen reißen, und alle Menschen werden erkennen, was immer schon Wirklichkeit gewesen ist.

Wann dieser Tag seiner Wiederkunft sein wird, wissen wir nicht und können es auch nicht wissen. Sektierer haben immer wieder versucht, mit abenteuerlichen Kombinationen von Bibelstellen der Heiligen Schrift irgendeinen Termin zu entlocken. Christus selber sagt dagegen seinen Jüngern vor seiner Himmelfahrt: „Es gebührt euch nicht, Zeit oder Stunde zu wissen, die der Vater in seiner Macht bestimmt hat.“ (Apostelgeschichte 1,7) Die Ankündigung eines angeblichen Wiederkunftstermins Christi ist schon daher mit dem biblischen Zeugnis nicht zu vereinbaren, weil sie den falschen Eindruck erweckt, als könne Christus bis zu diesem genannten Termin noch nicht kommen, als gäbe es also irgendeinen Tag, an dem wir noch nicht für seine Wiederkunft bereit sein müßten. Als Christen sollen und dürfen wir dagegen jeden Tag mit der Wiederkunft unseres Herrn rechnen. Dies ist für uns kein bedrückender oder schockierender Gedanke, sondern eine ganz fröhliche Gewißheit: Diese Welt wird am Ende nicht einfach im Chaos versinken; auch werden nicht Menschen dieser Welt ihr endgültiges Garaus bereiten. Vielmehr geht diese Welt und gehen wir mit ihr dem wiederkommenden Christus entgegen, der allein dieser Welt einmal ein Ende setzen wird. Und der, der uns da als der Weltenherrscher und als der wiederkommende Herr entgegenkommt, der ist uns ja nicht unbekannt, sondern dessen Ankunft erleben wir jetzt schon jeden Sonntag in der Feier des Heiligen Mahles. So ist jede Sakramentsfeier gleichsam eine „Generalprobe“ für das ganz große Kommen unseres Herrn am Ende der Tage.

Wenn wir auch als Christen keinen Termin der Wiederkunft Christi errechnen können und sollen, so sollen wir uns doch immer wieder auch durch Geschehnisse in dieser Welt an das Bevorstehen dieser Wiederkunft erinnern lassen. Christus hat angekündigt, daß sich die Welt vor seiner Wiederkunft nicht gleichsam von selbst in ein Paradies verwandeln wird; vielmehr spricht er von Kriegen, Hungersnöten, Erdbeben und Christenverfolgungen, die seinem Kommen vorausgehen werden. So dürfen wir uns durch die vielen Schreckensnachrichten in den Medien immer wieder auch auf das versprochene Kommen unseres Herrn verweisen lassen und ihn um so dringlicher um seine baldige Wiederkunft bitten. Zugleich sollen wir aber auch immer daran denken, daß sich durch solche Ereignisse kein „Zeitfahrplan“ bis zum Ende dieser Welt aufstellen läßt. Vielmehr betont Christus selber, daß er gerade dann wiederkommen wird, wenn die meisten Menschen nicht mit seinem Kommen rechnen.

Wenn Christus wiederkommen wird, wird er eine neue Welt schaffen: eine Welt, in der es das Böse und den Bösen, in der es Krankheit, Abschied und Tod nicht mehr geben wird. Auf diese Welt dürfen wir uns als Christen jetzt schon von Herzen freuen. Angesichts all dessen, was wir hier auf der Erde erleben, brauchen wir als Christen nicht in Panik zu verfallen und auch nicht zu verzweifeln, weil es uns doch nicht gelingt, diese Welt in eine wirklich gute Welt zu verwandeln. Wir dürfen vielmehr ganz nüchtern und besonnen in dieser Welt mitarbeiten und uns nach unseren Kräften dafür einsetzen, daß den Menschen in ihren Nöten geholfen wird, so gut uns dies möglich ist. Die Kraft dafür gibt uns der Ausblick auf das gute Ende, um das wir als Christen jetzt schon wissen dürfen und um das wir jeden Tag beten sollen und dürfen: „Amen, ja komm, Herr Jesus!“ (Offenbarung 22,20)