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Das Sakrament des Altars oder das Heilige Abendmahl (1).

Das Sakrament des Altars oder das Heilige Abendmahl: Zum Ersten.

 

ZUM ERSTEN

Was ist das Sakrament des Altars?
Es ist der wahre Leib und Blut unsers Herrn Jesus Christus,
unter dem Brot und Wein uns Christen zu essen und zu trinken
von Christus selbst eingesetzt.

Wo steht das geschrieben?
So schreiben die heiligen Evangelisten Matthäus, Markus, Lukas und der Apostel Paulus:
Unser Herr Jesus Christus, in der Nacht, da er verraten ward,
nahm er das Brot, dankte und brach’s
und gab’s seinen Jüngern und sprach:
Nehmet hin und esset:
Das ist mein Leib,
der für euch gegeben wird;
solches tut zu meinem Gedächtnis.
Desgleichen nahm er auch den Kelch nach dem Abendmahl,
dankte und gab ihnen den und sprach:
Nehmet hin und trinket alle daraus:
Dieser Kelch ist das neue Testament in meinem Blut,
das für euch vergossen wird zur Vergebung der Sünden;
solches tut, so oft ihr’s trinket, zu meinem Gedächtnis.


„Was ist das Sakrament des Altars?“ – Diese Frage aus dem Kleinen Katechismus stellen in etwas weniger feierlicher Form heutzutage immer wieder Menschen, die ohne jeglichen kirchlichen Hintergrund zum ersten Mal eine Sakramentsfeier in unserer Kirche erleben. Ja, was ist das eigentlich, was ihr da tut?

Wir tun gut daran, genau darauf zu achten, wie Martin Luther im Kleinen Katechismus diese Frage beantwortet. Er schildert das Heilige Abendmahl eben gerade nicht als etwas, „was wir tun“, schildert es nicht als eine Mahlzeit, die wir Christen feiern, vermeidet alles, was den Eindruck erwecken könnte, als sei die Gemeinde, die Kirche oder der Pastor der Gastgeber dieses Mahls. Und er setzt auch nicht an bei den sichtbaren Elementen des Heiligen Mahls, Brot und Wein, um mit ihnen eine besondere Bedeutung zu verbinden. Sondern er benennt eindeutig das Subjekt des Heiligen Mahls: Es ist der wahre Leib und Blut unsers Herrn Jesus Christus. Wir empfangen nicht bloß im Heiligen Mahl den Leib und das Blut des Herrn, sondern Leib und Blut Christi sind das Sakrament des Altars. Wo also beispielsweise nur Brot und Wein zur Erinnerung an Jesus oder als Ausdruck der Gemeinschaft der Gemeindeglieder untereinander ausgeteilt werden, da handelt es sich nicht um das Sakrament des Altars, denn ohne Leib und Blut Christi ist diese Mahlfeier eben nicht das Altarsakrament. Christus ist also das Subjekt des Heiligen Mahls: Er ist der Gastgeber und die Gabe.

Das Altarsakrament ist „von Christus selbst eingesetzt“. Es ist nicht eine Erfindung oder Weiterentwicklung der Kirche, sondern beruht auf der Stiftung Christi selbst „in der Nacht, da er verraten ward“. Weil Christus das Sakrament eingesetzt hat, hat die Kirche nicht die Freiheit, nach eigenem Gutdünken darüber zu bestimmen oder etwas an dieser Einsetzung zu verändern. Die Gewißheit der Gemeindeglieder, daß sie tatsächlich das Sakrament des Altars, den wahren Leib und Blut Christi empfangen, darf durch nichts in Frage gestellt werden. Dies gilt beispielsweise auch für die verwendeten Elemente bei der Sakramentsfeier: Bewußt verwenden wir hierbei das ungesäuerte Brot, das Jesus auch bei der Einsetzung des Heiligen Mahls im Rahmen einer Passafeier gebraucht hatte, und wir gebrauchen Wein, wie er ebenfalls bei der Passafeier verwendet wurde. Das „Gewächs des Weinstocks“, von dem Jesus bei der Einsetzung des Heiligen Abendmahls sprach, ist kein Oberbegriff für Wein und Traubensaft, sondern ein Fachausdruck für den bei der Passafeier verwendeten Wein. Traubensaft stand Jesus damals bei der Passafeier gewiß nicht zur Verfügung. Von daher haben auch wir uns bei der Sakramentsfeier an die Vorgaben Christi zu halten und können diese auch nicht aus Rücksichtnahme auf alkoholkranke Kommunikanten verändern. Diese empfangen auch in und mit dem Leib des Herrn allein den ganzen Christus; dabei werden sie in einer Gemeinde, die aus der Gemeinschaft des Altars lebt, gerade nicht ausgegrenzt, sondern auch mit ihrer Krankheit angenommen und mitgetragen werden.

Im Kleinen Katechismus wie in den Austeilungsworten des Heiligen Abendmahls im Gottesdienst wird die Gabe des Heiligen Mahls als der „wahre Leib und Blut unsers Herrn Jesus Christus“ bezeichnet. Das Wort „wahr“ beinhaltet dabei eine deutliche Absage an ein lediglich symbolisches Verständnis der Gabe des Heiligen Mahls: Brot und Wein sind nicht bloß Zeichen oder Symbole für die Gabe des Leibes und Blutes Christi, sie erinnern nicht bloß an Christus und seinen Opfertod. Ebensowenig empfangen die Gläubigen im Heiligen Abendmahl hier auf Erden lediglich Brot und Wein, während ihre Seele gleichzeitig im Himmel Anteil an Leib und Blut Christi erhält. Diese und ähnliche Anschauungen wurden und werden in den reformierten Kirchen vertreten, mit denen die lutherische Kirche hier in Preußen im 19. Jahrhundert zwangsvereinigt werden sollte. Auch in der heutigen Evangelischen Kirche Deutschlands ist dieses Abendmahlsverständnis als „reformatorisch“ anerkannt. Dagegen betont die Formulierung „der wahre Leib und Blut Christi“: Brot und Wein sind im Heiligen Abendmahl wirklich und wahrhaftig Leib und Blut Christi, sie symbolisieren diese Gaben nicht bloß und weisen nicht bloß auf sie hin. Daß die Stiftungsworte Jesu in diesem Sinne zu verstehen sind, bezeugen nicht nur diese Worte selber, sondern auch die Auslegungen dieser Worte in Johannes 6,51-58 und in 1. Korinther 10,16+17 und 11, 23-29. Auch die Worte Jesu „Solches tut zu meinem Gedächtnis“ sprechen nicht für die Deutung des Heiligen Mahls als Erinnerungsfeier. Die Worte Jesu meinen vielmehr von ihrem hebräisch-aramäischen Sprachsinn her: „Solches tut, damit ich bei euch gegenwärtig bin.“ Mit diesem Verständnis der wirklichen Gegenwart von Leib und Blut Christi in den Gaben von Brot und Wein des Sakraments, auf lateinisch: mit diesem Bekenntnis zur „Realpräsenz“ des Leibes und Blutes Christi weiß sich die lutherische Kirche im übrigen eins mit dem größten Teil der Weltchristenheit: mit der römisch-katholischen Kirche ebenso wie mit den orthodoxen Kirchen, auch wenn diese die Wirklichkeit der Realpräsenz mitunter in etwas anderen Begrifflichkeiten zum Ausdruck bringen. So umschreibt die römisch-katholische Kirche das Wunder der Realpräsenz mit Begriffen aus der aristotelischen Philosophie und redet von einer „Transsubstantiation“: die Substanz des Brotes wird in die Substanz des Leibes Christi verwandelt. Von einer „Wandlung“ sprechen auch die orthodoxen Kirchen; doch wird diese Begrifflichkeit des „Verwandelns“ auch in den lutherischen Bekenntnisschriften zur Umschreibung des Wunders der Realpräsenz verwendet. Die lutherische Kirche lehnt lediglich die Festlegung auf bestimmte philosophische Erklärungsmuster der Realpräsenz ab und betont mit der Heiligen Schrift die schlichte Identität von Brot und Wein und Leib und Blut Christi.

Die Gegenwart des Leibes und Blutes Christi im Sakrament hängt dabei weder von der Würdigkeit des ordinierten Pfarrers ab, der die Sakramentsfeier leitet und die Einsetzungsworte spricht, noch vom Glauben der Empfangenden: Auch diejenigen, die meinen, im Sakrament nur ein Stück Brot und einen Schluck Wein zu empfangen, empfangen in Wirklichkeit den Leib und das Blut des Herrn, deren Gegenwart im Sakrament allein durch die wirkmächtigen Worte Christi selber hervorgerufen wird: Wenn die Worte Christi über Brot und Wein in der Sakramentsfeier laut werden, wenn Brot und Wein also, um einen Fachausdruck zu verwenden, „konsekriert“ werden, bewirken sie damit das Wunder der Realpräsenz. Diese Realpräsenz fängt im übrigen auch nicht erst in dem Augenblick an, in dem der Kommunikant die gesegnete Hostie mit seinem Mund empfängt und aus dem Kelch trinkt; sie hängt wirklich einzig und allein an den Worten Christi selbst, die über den Elementen gesprochen werden. Entsprechend ist es angemessen, den Leib und das Blut Christi, die auf dem Altar gegenwärtig sind, auch schon vor dem Empfang anzubeten und am Ende der Sakramentsfeier darauf zu achten, daß die gesegneten Elemente, Leib und Blut Christi, sorgsam verzehrt werden und nicht etwa nach der Sakramentsfeier wieder mit ungesegneten Elementen vermischt oder gar weggeschüttet werden. Nicht vergessen werden darf dabei allerdings, daß die Einsetzung des Sakraments darauf zielt, daß Leib und Blut Christi auch wirklich von uns Christen gegessen und getrunken werden, wie Martin Luther dies in seiner Erklärung betont. Die Elemente werden nicht zur Anbetung, sondern zum Verzehr konsekriert. Martin Luther kritisierte von daher scharf die Praxis der römisch-katholischen Kirche seiner Zeit, in der die Christen nur selten zur Kommunion gingen und sich statt dessen mit der Anbetung der gesegneten Hostie begnügten. Auch die Fronleichnamsprozession, bei der der Leib Christi in der Gestalt einer großen gesegneten Hostie durch die Straßen getragen wird, wurde von daher in der lutherischen Kirche abgeschafft, weil der Bezug auf das „Essen und Trinken“ darin nur noch schwer zu erkennen war. Umgekehrt kennt aber auch die lutherische Kirche kein „Verfalldatum“ bei der Konsekration: Es ist auch in der lutherischen Kirche möglich, die im Gottesdienst gesegneten Elemente, Leib und Blut Christi, den Gemeindegliedern vom Altar der Kirche aus ins Haus zu bringen. Üblicher ist es jedoch, bei Gemeindegliedern, die nicht mehr zum Gottesdienst kommen können, einen eigenen Sakramentsgottesdienst inklusive der Einsetzungsworte Christi zu feiern.

Daß wir im Sakrament Leib und Blut Christi empfangen, bedeutet im übrigen nicht, daß wir gleichsam jeweils nur ein „Stück“ von Christus erhalten würden: Es ist jedesmal der ganze Christus, den wir im gesegneten Brot und Wein empfangen; aber er kommt eben zu uns leibhaftig in der Gestalt seines Opfers am Kreuz: Leib und Blut, getrennt im Tod. Es geht im Heiligen Abendmahl um viel mehr als bloß um eine verschwommene personale Gegenwart des Herrn, die sich nicht wesentlich von seiner Verheißung unterscheidet, daß er, Christus, stets dort sein will, wo zwei oder drei in seinem Namen versammelt sind (Matthäus 18,20). Nein, seine sakramentale Gegenwart hat eine ganz eigene Qualität. Wenn wir also auch in den Elementen jeweils den ganzen Christus leibhaftig empfangen, ist es uns dennoch nicht erlaubt, die Austeilung des Heiligen Mahls auf die eine Gestalt des Brotes zu verkürzen: Christus hat befohlen: „Trinkt alle daraus“; darum wird allen Kommunikanten bei der Sakramentsausteilung auch der Kelch gereicht. So erhalten die Kommunikanten im Sakrament Anteil am Leib und Blut Christi; sie berühren IHN mit ihren Lippen und kommen so nahe an IHN heran, wie sonst nirgends auf der Welt. Ja, ER lebt in ihnen, nimmt in ihnen Wohnung durch diese Gabe des Heiligen Mahls. Kann es etwas Größeres auf dieser Welt geben als diese leibhaftige Gemeinschaft mit IHM, dem auferstandenen Herrn.