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3. Die Zeugen Jehovas (Teil 2)

In ihrer Selbstbezeichnung führen die Zeugen Jehovas den angeblich wahren Gottesnamen „Jehova“ an und behaupten, sie seien die Einzigen, die Gott bei seinem richtigen Namen anrufen. In Wirklichkeit zeugt der Gebrauch des Namens „Jehova“ jedoch nur von höchst mangelhaften Hebräischkenntnissen:
In der hebräischen Schrift werden nur die Konsonanten geschrieben; die dazugehörigen Vokale a, e, i, o, u wurden von dem der Sprache kundigen Leser gleichsam automatisch „mitgedacht“. Auch die biblischen Texte wurden entsprechend zunächst ohne Vokale verfasst und überliefert. Zu einer späteren Zeit wurden dann von Abschreibern der biblischen Texte kleine Punkte unter und über die Buchstaben gesetzt, mit denen sie markierten, durch welche Vokale die einzelnen Konsonanten miteinander verbunden werden sollten. Eine Besonderheit gab es damals bei dem Gottesnamen des Alten Testaments. Er lautet in Konsonantenschrift JHWH. Mit welchen Vokalen er in Wirklichkeit ausgesprochen wurde, wissen wir heute nicht mehr, denn seit der Zeit des babylonischen Exils wurde er aus Respekt vor dem Zweiten Gebot, den Namen des HERRN nicht zu missbrauchen, von den Juden überhaupt nicht mehr ausgesprochen. Nur der Hohepriester sprach ihn im Allerheiligsten des Tempels noch aus. Auch die heute gebräuchliche Vokalisierung „Jahwe“ ist also nicht mehr als eine Vermutung. Wo der Gottesname JHWH in den Texten des Alten Testaments stand, sagten die Juden seit der Zeit des Babylonischen Exils „aedonai“, „HERR“, genau wie dies auch in der Lutherübersetzung der Heiligen Schrift gemacht wird. Um die Vorleser der biblischen Texte darauf aufmerksam zu machen, dass sie beim Gottesnamen JHWH immer „aedonai“ lesen sollten, setzten die Abschreiber der biblischen Texte, die diese mit den Vokal-Punkten versahen, unter den Gottesnamen JHWH die Vokal-Punkte für „aedonai“: ae-o-a. Für jeden Juden war und ist damit bis heute klar, was das heißt: Ich lese an dieser Stelle „Herr“. Als viel später Menschen, die von dieser Praxis keine Ahnung mehr hatten, sich am Hebräischen versuchten (die Zeugen Jehovas waren dabei übrigens nicht die ersten), lasen sie nun „jae-ho-wah“. Damit schufen sie selber einen Gottesnamen, den es nie gegeben hatte und den auch niemand im Judentum je gebraucht hat, auch und gerade Jesus selber nicht. Wenn die Zeugen Jehovas also behaupten, Jesus habe Gott als „Jehova“ bezeichnet, ist das völliger historischer Unsinn, für den sie interessanterweise auch keinen einzigen Beleg im Neuen Testament anführen können.
Als das Alte Testament in den Jahrhunderten vor Christi Geburt ins Griechische übersetzt wurde, verwendeten die griechischen Übersetzer gemäß der hebräischen Praxis für den Gottesnamen JHWH das griechische Wort „kyrios“, „Herr“. Entsprechend zitiert auch das ebenfalls in Griechisch verfasste Neue Testament das Alte Testament: Wo dort „kyrios“ steht, muss man also wissen, dass damit Gott selber, sein Name gemeint ist. Spannend ist nun, dass das Neue Testament in besonderer Weise Jesus selber mit diesem „Kyrios“-Titel versieht. Es macht damit deutlich: Jesus ist JHWH, er ist der Gott des Alten Testaments in Person. So heißt es beispielsweise in Jesaja 45,23+24: „So spricht der HERR: Mir sollen sich alle Knie beugen und alle Zungen schwören und sagen: Im HERRN habe ich Gerechtigkeit und Stärke.“ In einem der ältesten Kirchenlieder der Christenheit, das bereits der Apostel Paulus selber im Philipperbrief zitiert, wird dieses Wort aufgenommen: „dass in dem Namen Jesu sich beugen sollen aller derer Knie, die im Himmel und auf Erden und unter der Erde sind, und alle Zungen bekennen sollen: Jesus Christus ist HERR.“ (Philipper 2,10+11)
Genau diese Identität von Jesus und Gott bestreiten die Zeugen Jehovas jedoch vehement: Für sie ist Jesus nur ein Geschöpf – wenn auch das erste und größte Geschöpf Gottes. Mit großem Nachdruck wenden sich Zeugen Jehovas immer wieder gegen das christliche Bekenntnis zum Dreieinigen Gott und scheuen sich nicht zu behaupten, dass „Satan der Urheber der Lehre von der Trinität ist“. Schaut man sich genauer an, wie die Zeugen Jehovas die Ablehnung des Bekenntnisses zum Dreieinigen Gott begründen, so stellt man fest, dass ihre Argumentation letztlich darauf hinausläuft, dass dieses Bekenntnis unvernünftig ist und von unserem Verstand nicht zu erfassen ist. Es ist also ein platter Rationalismus, der sich hinter der Polemik der Zeugen Jehovas gegen das Bekenntnis zur Trinität verbirgt. Von diesem Rationalismus her werden dann auch die vielen Stellen der Heiligen Schrift, in denen Jesus selber als Gott bezeichnet und verehrt wird (vgl. z.B. St. Johannes 1,1.18; 20,28; 1. Johannes 5,21), umgedeutet und verdreht. Dass das christliche Bekenntnis zum Dreieinigen Gott nicht Ergebnis philosophischer Spekulation ist, sondern es darin darum geht, nachzubuchstabieren, was es heißt, dass der Name des lebendigen Gottes nach dem Zeugnis Jesu selber „Vater, Sohn und Heiliger Geist“ (St. Matthäus 28,19) lautet, ja wie man umschreibend in Worte fassen kann, was Jesus selber bekennt: „Ich und der Vater sind eins“ (St. Johannes 10,30), wird vonseiten der Zeugen Jehovas überhaupt nicht wahrgenommen. Stattdessen scheut man sich nicht, längst widerlegte historische Mythen zu propagieren, wonach die Trinitätslehre eine spätere Entwicklung der Kirche sei, nachdem sie vom Kaiser zur Staatskirche gemacht worden war. Es ist letztlich keine andere Argumentation als die, die man auch in Dan Browns „Sakrileg“ und interessanterweise auch in der muslimischen Polemik gegen die Trinität findet: Die Zeugen Jehovas und die Muslime kommen sich in ihrer Sicht des Gottes, an den sie glauben, erstaunlich nahe.
Um ihre Gotteslehre, wonach Gottes Name Jehova lautet, Jesus nur ein Geschöpf und der Heilige Geist nur eine unpersönliche Kraft ist, besser in der Heiligen Schrift selber wiederfinden zu können, haben die Zeugen Jehovas eine eigene Übersetzung, die sogenannte „Neue-Welt-Übersetzung“, herausgegeben. Diese scheint bei oberflächlicher Betrachtung sehr „wortgetreu“ zu sein. Bei genauerem Hinschauen stellt man jedoch fest, dass an allen kritischen Stellen die Übersetzung so verbogen wird, dass sie in das Lehrsystem der Zeugen Jehovas passt.
Grundsätzlich muss ohnehin festgehalten werden, dass nicht die Heilige Schrift selber, sondern die Botschaften der „Leitenden Körperschaft“ der Wachtturm-Gesellschaft Grundlage und Maßstab aller Lehren der Zeugen Jehovas sind. Nur ihre Auslegung der Heiligen Schrift ist autoritativ; dass Aussagen der Heiligen Schrift ihrer Auslegung widersprechen könnten, ist von vornherein ausgeschlossen. Um es mit einem Bild zu umschreiben: Die Botschaften des Leitungsgremiums der Wachtturm-Gesellschaft sind so etwas wie eine „rosa Brille“. Setzt man sie auf, so sieht man die ganze Welt rosa. Und genau dies machen die Zeugen Jehovas: Sie setzen die Brille auf und erklären dann staunend: Seht ihr, wie recht unsere Leitung hat, wenn sie behauptet, dass die ganze Welt rosa ist! Nur wenn man die Brille einmal absetzen würde, würde man erkennen, dass die Welt in Wirklichkeit anders aussieht. Nur wenn die Zeugen Jehovas die „Wachtturm-Brille“ absetzen würden, würden sie erkennen, dass in der Heiligen Schrift etwas ganz Anderes steht als das, was ihnen mithilfe der „Wachtturm-Brille“ vorgegaukelt wird. Doch zum Absetzen dieser Brille sind sie in aller Regel nicht bereit, und darum ist eine Diskussion mit ihnen oft nur schwer möglich.
Auf der Strecke bleibt bei der Herangehensweise der Zeugen Jehovas nicht weniger als die zentrale Heilsbotschaft der Heiligen Schrift: „Den Interessen Gottes in selbstloser Weise den ersten Platz einzuräumen, bedeutet, Gutes zu tun, und dadurch entsteht für den Betreffenden ein Verdienstkonto, und er empfängt als Lohn das ewige Leben“, so verkündigt es der Wachtturm. Nicht allein aus Gnaden werden wir selig, sondern durch die Verdienste, die wir uns mit unseren guten Werken – sprich: mit dem Einsatz für die Wachtturm-Gesellschaft – erwerben. Entsprechend spielen auch die Sakramente, in denen uns das Heil geschenkt wird, keine Rolle: Die Taufe ist nicht mehr als ein Bekenntnisakt: „Die Taufe reinigt nicht von Sünde … Durch die Taufe beweist und bezeugt man vielmehr, dass man sich Jehova Gott feierlich hingegeben hat und dass man sich ihm nun darstellt, um seinen Willen zu tun.“ Dass schon Petrus bei seiner Pfingstpredigt verkündigte: „Jeder von euch lasse sich taufen auf den Namen Jesu Christi zur Vergebung der Sünden“ (Apostelgeschichte 2,38), wird mit dieser Behauptung souverän zur Seite gewischt – von den vielen Aussagen in der Heiligen Schrift, die der Taufe rettende Kraft zusprechen (z.B. 1. Petrus 3,21, Titus 3,5), ganz zu schweigen. Was die Zeugen Jehovas behaupten, ist im Übrigen auch nichts Neues, sondern einfach nur die Wiederholung der Theologie amerikanischer reformierter Erweckungsbewegungen, aus denen die Zeugen Jehovas ja ursprünglich auch einmal entstanden sind. Die Taufe der Zeugen Jehovas ist von daher auch keine christliche Taufe, zumal sie ja mit einer ausdrücklichen Leugnung des Bekenntnisses zum Dreieinigen Gott verbunden ist; wer die Taufe der Zeugen Jehovas empfängt, schließt sich umgekehrt automatisch aus der christlichen Kirche aus, wenn er dort zuvor die christliche Taufe empfangen hatte. Fast noch grotesker ist die Abendmahlspraxis der Zeugen Jehovas: Sie lehren in irrtümlichem Bezug auf Offenbarung 14, dass nur die ersten 144.000, die sich den Zeugen Jehovas angeschlossen haben, einmal in den Himmel kommen werden, während allen später Hinzugekommenen nur ein Platz auf einer paradiesisch erneuerten Erde bleibt. Nur diese ersten 144.000 sind nun aber berechtigt, am Abendmahl teilzunehmen, das einmal im Jahr zur Zeit des jüdischen Passahfestes gefeiert wird und die Bedeutung eines reinen „Gedächtnismahles“ hat. Da die allermeisten der 144.000, die sich in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts den Zeugen Jehovas angeschlossen haben, mittlerweile schon verstorben sind, werden bei den Abendmahlsfeiern heutzutage Brot und Wein durch die Reihen gereicht, ohne dass meist auch nur noch ein einziger Anwesender die Elemente zu sich nimmt.
Lehre und Frömmigkeit der Zeugen Jehovas sind in besonderer Weise ausgerichtet auf die große Entscheidungsschlacht bei Harmagedon (vgl. Offenbarung 16,16), bei der alle Mächte des Bösen – wozu alle Menschen außerhalb der Wachtturm-Gesellschaft, vor allem auch alle Kirchen und alle politischen und wirtschaftlichen Organisationen zählen – vernichtet werden. Die Zeugen Jehovas projizieren dabei ihre Weltsicht in die Bildersprache der Johannesoffenbarung hinein, ohne deren ursprüngliche Bedeutung zu beachten. Mit der Ankündigung von Harmagedon waren in der Vergangenheit immer wieder auch Datumsangaben verknüpft, mit denen sich die Leitung der Wachtturm-Gesellschaft jedoch regelmäßig vertan hat, sodass man mittlerweile vorsichtiger geworden ist. Nachdem man die falsche Ankündigung der Wiederkunft Christi im Jahr 1914 dergestalt umgedeutet hat, dass man daraus die Lehre von einer unsichtbaren Wiederkunft Jesu – entgegen Matthäus 24,30 und Apostelgeschichte 1,11 – und einem Weltherrschaftsantritt Jesu im Jahr 1914 – entgegen Epheser 1,20+21, wo eindeutig davon die Rede ist, dass Christus schon längst vor 1914 die Weltherrschaft angetreten hat – entwickelt hat, wurden die weiteren falschen Vorhersagen der Wiederkunft Christi in „Glaubensprüfungen“ umgedeutet. Dass Gott jedoch falsche Ankündigungen macht, um seine Gemeinde zu prüfen, ist ein zutiefst unbiblischer Gedanke. Vielmehr heißt es in 5. Mose 18,22: „Wenn der Prophet redet in dem Namen des HERRN und es wird nichts daraus und es trifft nicht ein, dann ist das ein Wort, das der HERR nicht geredet hat. Der Prophet hat’s aus Vermessenheit geredet; darum scheue dich nicht vor ihm.“ Die Heilige Schrift macht es selber ganz deutlich: Das Wort der Wachtturm-Gesellschaft ist das Wort falscher Propheten, auf das man nicht hören soll. Und wer sich auf dieses Wort bezieht, ist entsprechend ein falscher Zeuge. Darum kann vor der Zugehörigkeit zu den Zeugen Jehovas nur eindringlich gewarnt werden. Seien wir darum nicht Zeugen Jehovas, sondern Zeugen Jesu Christi, unseres Herrn, gemäß seinem eigenen Wort: „Ihr werdet meine Zeugen sein“ (Apostelgeschichte 1,8). „Denn wenn du mit deinem Munde bekennst: Jesus ist HERR, und in deinem Herzen glaubst, dass ihn Gott von den Toten auferweckt hat, so wirst du gerettet.“ (Römer 10,9) Dafür braucht man keine Wachtturm-Gesellschaft, die im Gegenteil Menschen ja genau von diesem Bekenntnis abzubringen versucht.