24.06.2009 | St. Lukas 1, 57-80 (Tag der Geburt St. Johannes des Täufers)

TAG DER GEBURT ST. JOHANNES DES TÄUFERS – 24. JUNI 2009 – PREDIGT ÜBER ST. LUKAS 1,57-80

Und für Elisabeth kam die Zeit, dass sie gebären sollte; und sie gebar einen Sohn. Und ihre Nachbarn und Verwandten hörten, dass der Herr große Barmherzigkeit an ihr getan hatte, und freuten sich mit ihr. Und es begab sich am achten Tag, da kamen sie, das Kindlein zu beschneiden, und wollten es nach seinem Vater Zacharias nennen. Aber seine Mutter antwortete und sprach: Nein, sondern er soll Johannes heißen. Und sie sprachen zu ihr: Ist doch niemand in deiner Verwandtschaft, der so heißt. Und sie winkten seinem Vater, wie er ihn nennen lassen wollte. Und er forderte eine kleine Tafel und schrieb: Er heißt Johannes. Und sie wunderten sich alle. Und sogleich wurde sein Mund aufgetan und seine Zunge gelöst, und er redete und lobte Gott. Und es kam Furcht über alle Nachbarn; und diese ganze Geschichte wurde bekannt auf dem ganzen Gebirge Judäas. Und alle, die es hörten, nahmen's zu Herzen und sprachen: Was, meinst du, will aus diesem Kindlein werden? Denn die Hand des Herrn war mit ihm.
Und sein Vater Zacharias wurde vom Heiligen Geist erfüllt, weissagte und sprach: Gelobt sei der Herr, der Gott Israels! Denn er hat besucht und erlöst sein Volk und hat uns aufgerichtet eine Macht des Heils im Hause seines Dieners David - wie er vorzeiten geredet hat durch den Mund seiner heiligen Propheten -, dass er uns errettete von unsern Feinden und aus der Hand aller, die uns hassen, und Barmherzigkeit erzeigte unsern Vätern und gedächte an seinen heiligen Bund und an den Eid, den er geschworen hat unserm Vater Abraham, uns zu geben, dass wir, erlöst aus der Hand unsrer Feinde, ihm dienten ohne Furcht unser Leben lang in Heiligkeit und Gerechtigkeit vor seinen Augen. Und du, Kindlein, wirst ein Prophet des Höchsten heißen. Denn du wirst dem Herrn vorangehen, dass du seinen Weg bereitest und Erkenntnis des Heils gebest seinem Volk in der Vergebung ihrer Sünden, durch die herzliche Barmherzigkeit unseres Gottes, durch die uns besuchen wird das aufgehende Licht aus der Höhe, damit es erscheine denen, die sitzen in Finsternis und Schatten des Todes, und richte unsere Füße auf den Weg des Friedens. Und das Kindlein wuchs und wurde stark im Geist. Und er war in der Wüste bis zu dem Tag, an dem er vor das Volk Israel treten sollte.

Darf man als Christ Geburtstag feiern? Die Frage scheint uns zunächst einmal ziemlich weit hergeholt zu sein. Ja, warum sollten wir als Christen unseren Geburtstag nicht feiern dürfen? Doch vielleicht haben manche von euch in ihrem Umfeld doch auch schon einmal mit Zeugen Jehovas zu tun gehabt, die genau das behaupten, was für uns erst einmal ziemlich absurd klingen mag: Seinen Geburtstag zu feiern ist einem Christen nicht erlaubt, denn in der Bibel steht davon nichts – im Gegenteil: Geburtstagsfeiern enden in der Heiligen Schrift in der Regel wenig erfreulich: Im einen Fall ließ der Pharao bei seiner Geburtstagsfeier den Bäcker aufhängen, der zusammen mit Joseph im Gefängnis gesessen hatte, und das Leben Johannes des Täufers, dessen Geburt wir heute in diesem Gottesdienst feiern, endet schließlich auch bei einer Geburtstagsfeier, bei der des Herodes Antipas, der dem Wunsch seiner Stieftochter Folge leistet und den Kopf Johannes des Täufers auf einem Tablett servieren lässt. Nun ist das nicht gerade ein fürchterlich überzeugendes Argument dafür, dass man als Christ seinen Geburtstag nicht feiern darf, nur weil sich damals zwei Könige bei ihren Geburtstagsfeiern danebenbenommen haben. Was uns allerdings heutzutage tatsächlich kaum bewusst ist, ist die Tatsache, dass die Sitte, seinen Geburtstag zu feiern, recht neuen Datums ist. Sie hat sich in der Tat erst im 19. Jahrhundert in unserem Land allmählich durchgesetzt und damit beispielsweise die Feier des Tauftags oftmals sehr zurückgedrängt. Insofern ist es jedem Christen unbenommen, seinen Geburtstag nicht zu feiern, wenn er dazu keine Lust hat und mit dieser Feierei nicht viel anfangen kann.
Doch da uns die Heilige Schrift nicht ausdrücklich verbietet, unseren Geburtstag zu feiern, können wir es natürlich auch gerne tun, wenn uns danach zumute ist. Und dabei können uns nun die Worte des Heiligen Evangeliums des heutigen Festtags eine Hilfe sein, eine Hilfe dabei, unseren Geburtstag bewusst auch als Christen zu feiern und zu gestalten. Zu dreierlei kann uns unser Geburtstag dienen:

- als Anlass zum Dank an den Schöpfer
- als Erinnerung an die neue Schöpfung
- als Anlass zum Nachdenken über unseren Auftrag

I.

Das war schon eine ganz besondere Geburtstagsfeier, die uns hier von St. Lukas in seinem Evangelium beschrieben wird: So lange hatten Zacharias und Elisabeth schon auf einen Sohn gewartet, so lange, dass es menschlich gesprochen geradezu absurd erschien, noch mit solch einem Ereignis zu rechnen. Aber dann geschieht es schließlich doch noch: Elisabeth wird schwanger und gebiert einen Sohn. Kein Wunder, dass die Nachbarn und Verwandten sich mit ihr freuen, dass sie kommen und diesen besonderen Geburtstag mitfeiern.
Nein, Leben herzustellen liegt nicht in der Macht von uns Menschen. Auch wenn heutzutage die Medizin alle möglichen, ethisch mitunter auch sehr fragwürdigen Wege gefunden hat, um Eltern doch noch zu dem gewünschten Kind zu verhelfen, bleibt es doch dabei, was der 127. Psalm schon zum Ausdruck gebracht hat: „Siehe, Kinder sind eine Gabe des HERRN, und Leibesfrucht ist ein Geschenk.“ Jede Geburt eines Kindes ist ein Anlass zu Freude und Dankbarkeit gegenüber Gott, dem Schöpfer, der allein Leben zu schaffen und zu erhalten vermag, dem allein ein jeder Mensch auf Erden sein Leben zu verdanken hat. Und unter diesem Aspekt macht es dann durchaus auch Sinn, nicht nur am Tag der Geburt selber fröhlich zu sein und zu feiern, sondern auch an den Jahrestagen dieses Ereignisses: Allen Grund haben wir, einmal im Jahr innezuhalten und Gott für das Leben zu danken, das er uns und das er anderen Menschen, die wir lieb haben, geschenkt hat. Allen Grund haben wir dazu, es nicht als selbstverständlich anzusehen, dass wir und andere Menschen leben, sondern einfach darüber zu staunen, unser Leben als das anzusehen, was es in Wirklichkeit ist: ein kostbares Geschenk unseres liebenden Gottes.

II.

Doch nun begnügt sich die Familie nicht damit, die Geburt des kleinen Sprösslings im Hause des Zacharias zu feiern. Selbstverständlich veranlassen sie, dass er am achten Tag auch beschnitten wird. Nein, das war nicht bloß eine medizinische Maßnahme, auch nicht bloß ein altes Familienritual, sondern durch die Beschneidung wurde das Kind in den Bund Gottes aufgenommen, ja mehr noch: der achte Tag nach der Geburt – er erinnert zugleich an die Neuschöpfung, an das neue Leben, an dem auch dieses Kind Anteil bekommen soll. Ohne die Aufnahme des Kindes in die Gemeinschaft mit Gott, ohne die Ausrichtung seines Lebens auf den lebendigen Gott bliebe die Geburtstagsfeier als solche erst einmal hohl, würde man das Wesentliche bei dieser Geburtstagsfeier verpassen.
Und genau das gilt auch noch heute für eine jede Geburtstagsfeier, die wir begehen: Ach, wie hohl sind auch heutzutage viele Geburtstagsfeiern in unserem Land, weil bei ihnen der Dank an Gott, den Schöpfer, ebenso fehlt wie die Erinnerung an die neue Schöpfung, wie die Erinnerung daran, dass unser Leben erst in der Ausrichtung auf das ewige Leben seinen eigentlichen Sinn erhält. Fehlt diese Ausrichtung, dann steht letztlich jede Geburtstagsfeier unter dem schlichten Motto: „Lasst uns essen und trinken, denn morgen sind wir tot!“ Darum ist es für uns als Christen wichtig, dass wir an unserem Geburtstag immer auch an unseren Tauftag denken, an den Tag unserer neuen Geburt, an den Tag, als wir zu einem Leben wiedergeboren wurden, das im Unterschied zu dem Leben, das wir an unserem Geburtstag feiern, nie mehr endet.
Ja, da in der Taufe, da hat Gott direkt in unser Leben eingegriffen, hat uns zu seinem Eigentum gemacht, hat angefangen, selber über unser Leben zu bestimmen. Nichts anderes erfuhren ja auch damals die Verwandten des Zacharias: Da wollen sie das Kind nach seinem Vater ebenfalls Zacharias nennen. Doch Elisabeth und Zacharias, sie geben dem Kind einen anderen Namen, nein, nicht weil sie einen gefunden haben, der hübscher klingt. Sondern sie geben dem Kind den Namen, den der Erzengel Gabriel ihnen genannt hatte, geben ihm den Namen, den das Kind nach Gottes Willen tragen soll: Johannes – Gott ist gnädig. Gewiss, unsere Taufe ist weit mehr gewesen als bloß eine Namensgebungszeremonie. Aber auch wir sind in unserer Taufe von Gott bei unserem Namen gerufen worden; da hat sich Gott kräftig in unser Leben eingemischt, hat ihm damit noch einmal eine ganz neue Ausrichtung gegeben, die weit über unsere Einbindung in den Kreis unserer Familie, in den Kreis von Freunden und Verwandten hinausreicht.
Ja, gut tun wir von daher daran, uns an unserem Geburtstag genau daran zu erinnern, dass wir eben darum so fröhlich unseren Geburtstag feiern dürfen, weil wir wissen, dass uns in der Kraft unserer Taufe unser himmlischer Geburtstag noch bevorsteht, der Tag, an dem wir anfangen werden, für immer in der Gegenwart unseres Gottes zu feiern, bei dem Fest, das alle irdischen Geburtstagsfeiern unendlich übertreffen wird. Ja, wenn wir uns daran jedes Jahr an unserem Geburtstag erinnern, dann bekommt unsere Geburtstagsfeier den nötigen Tiefgang, dann ist es allemal sinnvoll, wenn wir auch als Christen unseren Geburtstag begehen.

III.

„Was, meinst du, will aus diesem Kindlein werden?“ So fragte sich damals die ganze Dorfgemeinschaft angesichts der Geburt dieses Kindes. Und Zacharias, der gibt in seinem Lobgesang darauf auch gleich die richtige Antwort: „Und du, Kindlein, wirst ein Prophet des Höchsten heißen. Denn du wirst dem Herrn vorangehen, dass du seinen Weg bereitest.“ Was für eine Zukunftsperspektive, was für ein besonderer Auftrag, den schon dieses kleine Kind erhält!
Nein, Johannes der Täufer ist nicht einfach nur ein beliebiges Baby unter Milliarden von anderen Kindern, die seitdem auf diesem Planeten geboren worden sind. „Ich sage euch, dass unter denen, die von einer Frau geboren sind, keiner größer ist als Johannes“, so stellt es Jesus selber einige Kapitel später im Lukasevangelium fest. Der größte Mensch aller Zeiten ist Johannes – nein, nicht weil er so Großes geleistet hat, sondern weil er einen einmaligen Auftrag hat: Vor dem Herrn herzugehen, vor dem lebendigen Gott, der in der Person Jesu Christi zu den Menschen kommt. Er ist der Prophet des Höchsten – das macht seinen einmaligen Auftrag, seine einmalige Stellung aus, das ist es, was uns dazu veranlasst, heute den Johannistag mit einem festlichen Gottesdienst zu begehen: Ja, er, Johannes, weist uns auf Christus, weist hin auf das größte Ereignis der Weltgeschichte: Das Kommen Gottes in unsere Welt.
Wir sind alle miteinander nicht Johannes der Täufer. Der Platz des Größten unter allen, die von einer Frau geboren sind, ist schon vergeben. Aber wenn wir unseren Geburtstag feiern, dann tun auch wir gut daran, immer wieder von Neuem über unser Leben nachzudenken, über den Auftrag, den wir von Gott in unserem Leben bekommen haben: Wo und wie kann Gott mich in meinem Leben gebrauchen, wo und wie kann ich ihm dienen, wo und wie kann auch ich helfen, Menschen den Weg zu Christus zu weisen? Ja, wir tun gut daran, uns anlässlich unseres Geburtstags nicht nur zu fragen, wen wir denn dazu einladen und was es dann zu essen und zu trinken geben soll. Ja, gut tun wir daran, wenn wir uns diesen Tag jedes Jahr zum Anlass nehmen, unser Leben zu bedenken, zu fragen, was Gott von uns will. Nein, damit brauchen wir auch nicht mit einer bestimmten Altersgrenze aufzuhören. Gott braucht einen jeden von uns mit den Gaben und Möglichkeiten, die ihm geschenkt sind. Und wenn wir uns auf die an unserem Geburtstag besinnen, dann hat auch für uns als Christen die Feier unseres Geburtstags einen guten Sinn. Amen.