01.06.2009 | St. Matthäus 16, 13-19 (Pfingstmontag)

PFINGSTMONTAG – 1. JUNI 2009 – PREDIGT ÜBER ST. MATTHÄUS 16,13-19

Da kam Jesus in die Gegend von Cäsarea Philippi und fragte seine Jünger und sprach: Wer sagen die Leute, dass der Menschensohn sei? Sie sprachen: Einige sagen, du seist Johannes der Täufer, andere, du seist Elia, wieder andere, du seist Jeremia oder einer der Propheten. Er fragte sie: Wer sagt denn ihr, dass ich sei? Da antwortete Simon Petrus und sprach: Du bist Christus, des lebendigen Gottes Sohn! Und Jesus antwortete und sprach zu ihm: Selig bist du, Simon, Jonas Sohn; denn Fleisch und Blut haben dir das nicht offenbart, sondern mein Vater im Himmel. Und ich sage dir auch: Du bist Petrus, und auf diesen Felsen will ich meine Gemeinde bauen, und die Pforten der Hölle sollen sie nicht überwältigen. Ich will dir die Schlüssel des Himmelreichs geben: Alles, was du auf Erden binden wirst, soll auch im Himmel gebunden sein, und alles, was du auf Erden lösen wirst, soll auch im Himmel gelöst sein.

„Kirche ist blöd!“ – Die meisten von euch werden vermutlich Leute kennen, die solche oder ähnliche Ansichten über die Kirche haben. Viele von denen, die so etwas behaupten, haben vermutlich kaum mal eine Kirche von innen gesehen, wissen das schon von vornherein, ohne dass sie sich jemals gründlicher mit der Kirche beschäftigt hätten – wozu auch: Kirche ist doch eh blöd! Andere haben vielleicht tatsächlich schlechte Erfahrungen mit der Kirche gemacht, haben den Eindruck gewonnen, dass die Kirche langweilig ist, dass da für Jugendliche kein Platz ist, dass die Pastoren irgendwie ganz merkwürdige Typen sind. Und von daher steht auch ihr Urteil fest: „Kirche ist blöd!“ – oder, wie man es heute auf Neudeutsch formulieren würde: Kirche ist mega-out!
Ihr seid heute Morgen hier in diese angeblich so blöde Kirche gekommen. Nein, keinem von euch wurden dafür Bestechungsgelder gezahlt, es gibt heute auch keine Pizza; ihr seid einfach so gekommen, um teilzunehmen an einer Geburtstagsfeier der besonderen Art. Den Geburtstag der Kirche feiern wir heute am Pfingstfest, den Geburtstag einer schon etwas betagten Dame, die immerhin mittlerweile schon 1979 Jahre auf dem Buckel hat. Doch in Wirklichkeit ist diese betagte Dame immer noch topfit, so macht es uns das Heilige Evangelium des heutigen Festtages deutlich. Ja, St. Matthäus nennt uns hier vier gute Gründe, weshalb Kirche nicht blöd ist, nennt uns vier Gründe, weshalb wir allen Ernstes sagen können: „Kirche – finde ich richtig gut!“:

- Die Kirche hat einen festen Grund.
- Die Kirche kann jeden gebrauchen.
- Die Kirche ist unabsteigbar.
- Die Kirche ist die Tür zum Himmel.

I.

Nächsten Sonntag finden die Wahlen zum Europaparlament statt, und in vier Monaten wird schon der neue Bundestag gewählt. Kein Wunder, dass unsere Politiker zunehmend nervös auf Meinungsumfragen und Umfragewerte blicken: Komme ich mit dem, was ich sage und mache, an? Bekomme ich für das, was ich sage und mache, wohl auch eine Mehrheit? Und wenn diese Mehrheit in Gefahr ist: Was muss ich dann anders machen, auf welche Wählergruppe muss ich dann besonders zugehen, ja, wo bekomme ich die nötigen Stimmen her?
Im Heiligen Evangelium dieses Festtages werden Jesus auch gerade die Ergebnisse einer Meinungsumfrage übermittelt, einer Meinungsumfrage zu seiner Person. Das Ergebnis ist demoskopisch gesehen eine ziemliche Katastrophe: Die Leute finden Jesus zwar offenbar alle irgendwo ganz nett; die Beliebtheitswerte sind in Ordnung. Aber mehr als ein anständiger Prophet zu sein, trauen sie ihm offenbar nicht zu. Eine einzige Stimme erhält er nur für seinen Anspruch, der Sohn des lebendigen Gottes zu sein – eine Mehrheit für diese Behauptung ist weit und breit nicht zu erkennen. Doch Jesus lässt sich von dieser Meinungsumfrage überhaupt nicht erschüttern. Der sagt nicht: Nun ja, wenn mich die Mehrheit der Leute für einen Propheten hält, dann mache ich eben einen auf Prophet, dann lasse ich das eben nicht so raushängen, dass ich Gottes Sohn bin. Hauptsache, die Leute mögen mich!
Nein, sehr deutlich gibt Jesus seinen Jüngern zu erkennen, dass sein Auftrag nicht davon abhängt, was eine Mehrheit über ihn denkt, dass er sich nicht an Meinungsumfragen und Meinungsbildern zu orientieren braucht. Denn Jesus kann im Unterschied zu unseren Politikern nicht abgewählt werden. Demokratie ist ja grundsätzlich eine gute Sache, denn wenn sich da einer, der gewählt worden ist, als große Pflaume erweist, dann kann er bei der nächsten Wahl eben wieder abserviert werden. Doch in der Kirche läuft es anders. Die wird regiert von dem Schöpfer und Herrn der ganzen Welt, der glücklicherweise nicht abgewählt werden kann, weil er der beste Herrscher ist, den wir uns überhaupt vorstellen können. Und was dieser Herr sagt, das gilt in der Kirche, ganz gleich, ob die Leute das gut finden oder nicht, ob eine Mehrheit dem zustimmt oder nicht.
Christus ist der Sohn des lebendigen Gottes – auch wenn 95% der Bevölkerung nicht daran glauben würden. Christus ist von den Toten auferstanden – auch wenn 70% der Kirchglieder das heute nicht mehr so sehen würden. Seine Gebote, die gelten, auch wenn eine Zweidrittelmehrheit sie für überholt erklären würde. Nein, wenn ihr hierher zur Kirche kommt, dann müsst ihr nicht damit rechnen, dass euch irgendwann mal genau das Gegenteil von dem erzählt wird, was ihr bisher gehört hattet, weil das den Zuhörern vielleicht mal besser gefällt. Denn die Kirche hat einen festen Grund, hängt nicht von Meinungsumfragen ab, sondern allein vom Wort ihres Herrn.

II.

Ein zweiter Grund, weshalb wir Kirche richtig gut finden können, ist der Petrus. Ja, was war an diesem Petrus so Besonderes dran? Eine große Klappe hatte er zweifellos, bekam bei den Jüngern immer als erster den Mund auf, und manchmal kam da ja auch was ganz Vernünftiges raus, wenn er was sagte, so haben wir es beispielsweise eben im Heiligen Evangelium gehört. Dabei muss man allerdings schon wieder einschränkend feststellen, dass Jesus ihm nach seinem wunderbaren Bekenntnis gleich erklärt, dass der Petrus sich das offenkundig nicht selber aus den Rippen geleiert hat, sondern dass ihm das sein Vater im Himmel so gesteckt hat. Wenn Petrus selber auf sich gestellt war, dann kam da nicht immer so Wunderbares heraus wie dort in der Gegend von Cäsarea Philippi; da konnte es dann beispielsweise geschehen, dass er sagte: „Ich möchte für immer verflucht und von Gott getrennt sein, wenn ich jemals was mit diesem Jesus zu tun gehabt habe.“ Ja, das hat der Petrus allen Ernstes gesagt, als er da nach der Verhaftung Jesu im Hof des Hohenpriesters saß und gefragt wurde, ob er auch zu diesem Jesus gehört. Und in den Versen, die dem Heiligen Evangelium dieses Tages unmittelbar folgen, da kommt der Petrus auf die geniale Idee, Jesus den Tipp zu geben, ob er das mit seinem Weg ans Kreuz nicht auch bleiben lassen könne. Wäre doch schade, wenn er schon so bald sterben würde. Und was sagt Jesus zu ihm? „Weg von mir, Satan, denn du meinst nicht, was göttlich, sondern was menschlich ist.“
Warum erzähle ich euch das alles? Ganz einfach, weil Jesus ausgerechnet diesen Petrus zum Felsen ernennt, auf den er seine ganze Kirche gründet. Dieses Großmaul und diesen Versager, auf den, wenn es drauf ankam, kein Verlass war, den gebraucht Jesus, um mit ihm seine Kirche zu bauen, ja, den macht er zum Apostel, zu einer bleibenden Grundlage der Kirche.
Ja, solche Leute haben ihren Platz in der Kirche: Versager, Großmäuler, irre und merkwürdige Typen, Leute, die sonst keiner haben will, Spitzenkräfte und Loser, Stars und Mauerblümchen, alle miteinander kann Jesus beim Bau seiner Kirche gebrauchen. Denn nicht wir bauen die Kirche, nicht wir sind für die Zukunft der Kirche verantwortlich, sondern Jesus allein baut seine Kirche, er weiß, wo er einen jeden einsetzen kann. Der weiß auch genau, wo er dich und mich einsetzen kann, nein, der macht sich keine Illusionen über uns, der kennt unsere Macken und Schwächen – und nimmt uns doch, sagt auch zu uns: Du bist auch ganz wichtig für mich; du bist auch einer von diesen Steinen, die ich brauche zum Bau meiner Kirche; ohne dich wäre da eine Lücke, die kein anderer schließen könnte.
Schwestern und Brüder, darum bin ich froh, dass ihr heute gekommen seid, weil Jesus auch euch gebrauchen kann, genau wie den Petrus damals auch, weil ihr Jesus nicht mit Höchstleistungen, mit einem perfekten Leben zu beeindrucken braucht, weil ihr ihm dennoch ganz wichtig seid. Ja, darum finde ich Kirche so richtig gut – weil da selbst noch für die merkwürdigsten Typen Platz ist, sogar für mich!

III.

Damit sind wir schon beim Dritten, weshalb wir allen Grund haben, Kirche so richtig gut zu finden:
Man muss sich das noch mal so richtig vorstellen: Wir feiern heute den 1979. Geburtstag der Kirche. So lange gibt es die Kirche schon, seit sich damals in Jerusalem beim ersten Pfingsten 3000 Leute taufen ließen. Losgegangen ist die ganze Geschichte mal mit einer Handvoll von Leuten in einer Provinz am hintersten Ende des römischen Reiches. Niemand hätte ahnen können, dass daraus mal eine Gemeinschaft von Menschen entsteht, die mehr als eine Milliarde Leute umfasst. Und wenn man sich mal die Kirchengeschichte anguckt, dann kann man wirklich nur staunen, dass es diese Kirche heute immer noch gibt: Was hat es da im Laufe der Zeit nicht alles gegeben, was die Kirche gefährdet hat: Christenverfolgungen damals im römischen Reich oder ganz massiv im letzten Jahrhundert in kommunistischen Ländern, zum Teil bis zum heutigen Tag, unfähige Pastoren, Bischöfe und Päpste, Irrlehrer noch und noch, die die Grundlagen des christlichen Glaubens in Frage stellten und auch heute noch an vielen Orten in Frage stellen und mit ihren Lehren auch noch Erfolg haben, Kirchenspaltungen und Sektenbildungen, moralische Skandale zuhauf, Verfehlungen und Verirrungen, die einem auch nach langer Zeit als Glied der Kirche immer noch die Schamesröte ins Gesicht treiben. Aber es gibt die Kirche eben doch noch. Es gibt die schöne Geschichte von dem französischen Kardinal, dem Napoleon drohte, er habe die Macht dazu, die ganze Kirche zu vernichten. Darauf antwortete der Kardinal: Majestät, das werden Sie auch nicht schaffen; das haben wir als Kirche noch nicht einmal selber fertigbekommen.
Ja, ein Wunder ist es, dass es diese Kirche immer noch gibt – ach, was sage ich: dass es sie nicht bloß immer noch gibt, sondern dass die Kirche Jesu Christi in so vielen Ländern der Erde weiter blüht, wächst und gedeiht. Offenbar ist sie eben nicht bloß ein menschlicher Verein; dann wäre sie längst untergegangen. Aber die Kirche lebt eben von dem Versprechen ihres Herrn: Die Pforten der Hölle werden sie nicht überwältigen. Unabsteigbar ist die Kirche, was auch geschehen mag. Denn sie hat Christus als ihren Herrn in ihren Reihen, und der sorgt dafür, dass die Kirche nicht untergehen kann, dass sie erhalten bleibt, allen Anfeindungen von innen und außen zum Trotz. Ich denke etwa an die Kirche in China, die einen Zulauf hat, der alle unsere Vorstellungen übersteigt. Keiner kann sagen, ob es bloß 60 Millionen oder mittlerweile schon 100 Millionen Christen in China gibt, die meisten davon in Kirchen, die vom Staat nicht anerkannt sind, mitunter auch noch kräftig unterdrückt werden. Aber an der Verheißung Jesu müssen sich auch die Machthaber in China die Zähne ausbeißen, genau wie alle anderen auch. Nein, das liegt, wie gesagt, nicht daran, dass wir Christen so tolle und mutige Leute wären. Das liegt an Christus allein. Und darum haben wir allen Grund, Kirche richtig gut zu finden.

IV.

Aber nun habe ich euch den wichtigsten Grund noch gar nicht genannt, weshalb wir Kirche richtig gut finden dürfen. Christus selber nennt ihn hier am Ende des Heiligen Evangeliums: Die Kirche, so macht er deutlich, ist die Tür zum Himmel, ja dort wird uns immer wieder diese Tür zum Himmel aufgeschlossen.
Nein, so macht es uns Christus sehr eindrücklich deutlich, wir kommen nicht einfach automatisch nach unserem Tod in den Himmel. Die ganze Geschichte kann auch fürchterlich schiefgehen. Wer in seinem Leben von Gott getrennt bleibt, der wird auch nach seinem Tod von Gott getrennt bleiben. Es steht hier und jetzt in unserem Leben nicht weniger als alles für uns auf dem Spiel.
Aber Gott selber hat kein Interesse daran, dass auch nur ein Mensch von ihm getrennt bleibt; er möchte uns alle miteinander bei sich dabei haben. Und darum lädt er uns eben immer wieder zu sich ein, möchte alle Hindernisse wegräumen, die uns von ihm trennen. Und diese Hindernisse, die gibt es in der Tat reichlich: So vieles gibt es in unserem Leben, was in Gottes Augen nicht in Ordnung ist, so vieles, was wir aus unserem Leben mit uns herumschleppen, was wir selber nicht loswerden können und womit wir keine Chance haben, einmal vor Gott zu bestehen. Dringend nötig haben wir es, dass wir von diesem ganzen Krempel unserer Schuld, unseres Versagens immer wieder befreit werden, dringend nötig haben wir es, dass uns jemand die Tür zu Gott, die wir uns selber immer wieder mit unserer Abwendung von Gott zugeknallt haben, wieder aufschließt.
Und das kriegen wir allein eben nicht hin. Da reicht es nicht, dass wir uns zuhause hinsetzen und den lieben Gott ganz nett finden und manchmal vielleicht auch an ihn denken. Nein, dafür hat Christus die Kirche gestiftet, damit wir in ihr befreit werden von allen Lasten und Hindernissen, die uns von Gott trennen, damit wir in ihr wieder neu den freien Zugang zu Gott bekommen. Ja, um Gottes Vergebung geht es in der Kirche, dafür ist die Kirche da, diese Vergebung Gottes immer und immer wieder an die Menschen weiterzureichen: „Ich will dir die Schlüssel des Himmelreichs geben: alles, was du auf Erden binden wirst, soll auch im Himmel gebunden sein, und alles, was du auf Erden lösen wirst, soll auch im Himmel gelöst sein.“ – Diese Vollmacht hat Christus damals dem Petrus gegeben, diese Vollmacht hat er damit seiner Kirche insgesamt gegeben, und in dieser Vollmacht wird euch auch heute noch hier in jedem Beichtgottesdienst, bei jeder Einzelbeichte diese Vergebung zugesprochen. Die Tür zum Himmel – sie wird euch in jeder Beichte aufgeschlossen, und jedes Mal von Neuem dürft ihr dann durch diese Tür hindurchgehen, schon am Himmel teilhaben, wenn ihr anschließend den Leib und das Blut Christi hier im Heiligen Abendmahl empfangt.
Nein, wir pflegen hier kein durchgeknalltes Hobby in der Kirche; hier geht es um die letzte und entscheidende Frage unseres Lebens überhaupt: ob wir in den Himmel kommen. Und hier in der Kirche findest du die Antwort, hier findest du die offene Tür zu Gott. Und darum hast auch du wirklich allen Grund, Kirche so richtig gut zu finden. Amen.