01.01.2009 | St. Lukas 18, 27 (Tag der Beschneidung und Namengebung Jesu)

TAG DER BESCHNEIDUNG UND NAMENGEBUNG JESU – 1. JANUAR 2009 – PREDIGT ÜBER ST. LUKAS 18,27

Jesus aber sprach: Was bei den Menschen unmöglich ist, das ist bei Gott möglich.

Was fällt euch zu Toyota ein? Manchen von euch werden vielleicht als erstes die singenden Affen in den Sinn kommen, die den Werbeslogan vortrugen, den man seitdem mit dieser Automarke verbindet: „Nichts ist unmöglich! Toyota!“ Der Werbespot mit den sprechenden Tieren und singenden Affen war damals wirklich gut gemacht; aber auch der Werbeslogan selber gehört sicher zu den besten und einprägsamsten, die die Werbebranche so hervorgebracht hat. „Nichts ist unmöglich!“ – Ja, dieser Slogan bringt eine Sehnsucht zum Ausdruck, die wir wohl alle in uns verspüren, eben weil wir in unserem Alltag immer wieder genau das glatte Gegenteil erfahren und erleben, dass uns eben doch so vieles nicht möglich ist, was wir gerne haben und machen wollten. „Nichts ist unmöglich!“ – Ach, was wäre das schön, wenn das stimmen würde bei unserer Suche nach einem Arbeitsplatz; was wäre das schön, wenn das stimmen würde bei unseren Versuchen, unser Bankkonto aus dem roten in den schwarzen Bereich zu befördern; was wäre das schön, wenn das stimmen würde bei unseren Versuchen, mit unseren Kindern klarzukommen; was wäre das schön, wenn das stimmen würde angesichts der Krankheiten und Beschwerden, die uns tagtäglich zu schaffen machen! Doch ich fürchte: Für all das fühlt sich Toyota nicht zuständig, hat dafür auch keine Lösungen parat, und wenn die Affen noch so laut singen. Toyota schafft es im Augenblick ja noch nicht einmal, selber noch schwarze Zahlen zu schreiben und der Wirtschaftskrise zu trotzen; weiter als bis zu einigen ganz pfiffigen technischen Erfindungen reicht auch seine angebliche Allmacht nicht.
Nichts ist unmöglich! – Ja, wir Menschen haben in der Tat im Laufe der Geschichte eine Menge bewundernswerter Dinge möglich gemacht: Wir können in Sekundenschnelle mit Menschen am anderen Ende der Welt per E-Mail kommunizieren; wir können innerhalb weniger Stunden nach Amerika fliegen; wir können Krankheiten heilen, die vor nicht langer Zeit für einen Menschen noch das sichere Todesurteil bedeuteten; kaum ein Gebiet der Technik gibt es, wo nicht fast jedes Jahr neue Entwicklungen auf den Markt kämen, die möglich machen, was vor wenigen Jahren noch unmöglich war. Hinausgeschoben haben wir damit die Grenzen dessen, was unmöglich ist; aber beseitigt haben wir die Grenzen immer noch nicht. Was würde ich darum geben, wenn ich nicht nur bei einem Gemeindeglied zu Besuch sein könnte, sondern gleich in drei Wohnungen gleichzeitig! Was würde ich darum geben, wenn man den Tag wenigstens um ein paar Stunden verlängern könnte – siebenundzwanzig oder achtundzwanzig Stunden würden mir ja schon reichen! Doch auch dabei wird mir Toyota, so fürchte ich, nicht helfen, auch wenn ich nun ja schon ein Auto dieser Marke fahre. Und erst recht stoßen wir an die Grenzen dessen, was möglich ist, sobald wir das Gebiet der Technik verlassen und uns in den zwischenmenschlichen Bereich vorwagen: „Nichts ist unmöglich!“ – Ach, wäre das schön, wenn dieser Slogan bei Konflikten in einer Ehe Gültigkeit hätte, wenn sich da unter dem fröhlichen Gesinge einiger Affen alles wieder so einfach in Ordnung bringen ließe. Was wäre das schön, wenn dieser Slogan dort Gültigkeit hätte, wo Menschen einander hassen und von diesem Hass ihr ganzes Leben bestimmen lassen. Was wäre das schön, wenn Toyota einen Weg gefunden hätte, diese Menschen aus ihren selbstgebastelten Schützengräben herauszuholen und sie dazu bereit zu machen, anderen Menschen die Hand zur Versöhnung auszustrecken. Was wäre das schön, wenn man verletzende Worte, die einem über die Lippen gekommen sind, noch einmal zurückholen, rückgängig machen könnte. Ja, was wäre das schön, wenn wir liebe Menschen, von denen wir am Grab Abschied nehmen mussten, wieder an unsere Seite zurückholen könnten!
„Nichts ist unmöglich!“ – Ach, was wäre das schön, wenn ich mir von Toyota zeigen lassen könnte, wie man Menschen, die von Kirche und Glauben nichts mehr wissen wollen, wieder zurück in die Gemeinde holen könnte. Was wäre das schön, wenn mir Toyota einen Trick nennen würde, wie man Menschen dazu bewegt, sonntags morgens rechtzeitig zum Gottesdienst aufzustehen! Ja, was wäre das schön, wenn ich einen Weg kennen würde, wie ich überhaupt bei einem Menschen irgendwie den Glauben an Christus hervorrufen kann!
Ja, ich träume, ich weiß. Und aus diesen Träumen reißt mich Christus mit den Worten der Jahreslosung ganz schonungslos heraus: Ja, so macht er deutlich, es gibt Dinge, die sind bei den Menschen unmöglich. Und dabei redet Christus selber jetzt nicht so sehr von den Grenzen technischer Erfindungen, auch gar nicht zuerst von der Bewältigung zwischenmenschlicher Probleme, sondern er benennt in den Versen, die der Jahreslosung für dieses neue Jahr vorausgehen, das Kernproblem unseres Lebens schlechthin: Wer kann selig werden, wer kann in den Himmel kommen? Und da macht Christus uns keine Illusionen, keine falschen Hoffnungen: Es ist leichter, dass ein Kamel durch ein Nadelöhr gehe, als dass ein Reicher in das Reich Gottes kommt, so erklärt es Christus uns ganz nüchtern. Ein Kamel durch ein Nadelöhr zu befördern, stellt auch heutzutage noch ein anspruchsvolles logistisches Problem dar. Selbst wenn man eine einheitliche EU-Norm für den Umfang von Kamelen einführen würde, müsste man bei der Normierung der Größe von Nadelöhren doch schon sehr großzügig verfahren, um dieses Problem auch nur halbwegs in den Griff zu bekommen. Ja, sagen wir es ganz direkt: Bisher hat es noch keine Arbeitsgruppe, kein Ministerialbeamter und auch kein Forschungsteam geschafft, ein Kamel einigermaßen unverletzt durch ein Nadelöhr hindurchzubekommen. Und noch viel weniger, so zeigt es uns Christus, ist es einem Menschen, der Besitz hat, an dem er hängt, möglich, in das Himmelreich zu kommen. Die Jünger Jesu kapieren gleich, wie radikal die Aussage ist, die Christus hier macht: „Wer kann dann selig werden?“ – So fragen sie. Wir alle hängen doch an unserem Besitz, ganz gleich, wie viel oder wie wenig Krempel wir bei uns herumstehen haben mögen. Ja, eher schlängelt sich ein Kamel durch ein Nadelöhr, als dass du oder ich ins Himmelreich kommen. Du schaffst es nicht, ich schaffe es nicht, kein Mensch schafft es, selig zu werden. Das ist uns Menschen schlicht und einfach unmöglich.
Aber nun spricht Jesus nicht bloß davon, was den Menschen unmöglich ist, sondern auch davon, was Gott möglich ist.
Nun klingt die Aussage unserer neuen Jahreslosung ja scheinbar erst einmal ziemlich banal: „Was bei den Menschen unmöglich ist, das ist bei Gott möglich.“ – Das heißt ja zunächst einmal bloß: Gott kann mehr als Toyota. Ist ja auch logisch. Wenn Gott nicht mehr als Toyota könnte, wäre nicht er Gott, sondern Toyota wäre Gott – allerdings ein ziemlich dürftiger Gott. Dass Gott mehr kann als wir Menschen, das liegt in der Natur der Sache. Schließlich ist er allmächtig, und genau das unterscheidet ihn ja von uns Menschen, das unterscheidet ihn auch von Toyota.
Doch mit der Allmacht Gottes ist das ja so eine Sache. Ihr kennt vielleicht diese blöde Frage: „Kann Gott einen Stein schaffen, den er nicht hochheben kann?“ Es gibt ja Leute, die kommen sich irrsinnig intelligent vor, wenn sie diese Frage stellen, und meinen, sie könnten mit dieser wundervollen Frage beweisen, dass es so etwas wie Allmacht gar nicht geben kann, auch nicht bei Gott. Doch in Wirklichkeit können diese Leute mit ihrer Frage höchstens die Grenzen unserer Logik und unserer Sprache aufweisen, nicht aber die Grenzen Gottes. Allmacht heißt ja nicht, dass Gott wie ein Zirkuspferd tun muss, was einige neugierige Menschen von ihm erwarten, sondern die Allmacht Gottes bedeutet, dass er dazu in der Lage ist, alles zu tun, was er will. Das ist so ähnlich wie mit der Allgegenwart Gottes. Die Allgegenwart Gottes heißt ja nicht, dass Gott überall gegenwärtig sein muss, dass er jeden Winkel dieser Welt ausfüllen muss, wie ein 200 kg schwerer Mensch im Flugzeug seinen Sitzplatz bis in den letzten Winkel ausfüllt und sich gerade nicht bloß auf die eine Hälfte seines Sitzplatzes zurückziehen kann. Gott muss nicht am Sonntagmorgen im Grunewald gegenwärtig sein. Wenn er möchte, dann kann er es natürlich; aber wenn er dazu keine Lust hat, dann ist er eben nicht da. Und weil du nicht weißt, ob er gerade Lust hat, im Grunewald zu sein, solltest du am Sonntagmorgen lieber dorthin kommen, wo du weißt, dass er da ist, weil er es dir versprochen hat. Und so ist das mit der Allmacht Gottes auch: Gott kann alles, was er will. Aber wenn er etwas nicht will, dann heißt das nicht, dass damit seine Allmacht in Frage gestellt wäre. Und Gott hat nun einmal kein besonderes Interesse daran, Steine zu erschaffen, die er nicht hochheben kann. Er hat genug mit uns Menschen zu tun. Die sind ihm wichtiger als irgendwelche Steine.
Ja, Gott ist natürlich dazu in der Lage, Kamele durch Nadelöhre zu befördern, wenn er dies möchte. Und er ist natürlich auch dazu in der Lage, jeden Menschen ohne Ausnahme in den Himmel zu bringen, wenn er dies will. Gott kann natürlich auch Adolf Hitler und Josef Stalin oder Osama bin-Laden in den Himmel kommen lassen, wenn er dies möchte. Wer sollte ihn daran hindern? Die Frage ist nur, ob Gott das auch will. Und die Frage ist nicht bloß, ob er will, dass Hitler oder Osama bin-Laden in den Himmel kommen; die Frage ist, ob er will, dass du in den Himmel kommst und dass ich in den Himmel komme. Dass ihm das möglich ist, ist klar; aber will er es auch?
Ja, er will – so dürfen wir es fröhlich mit Blick auf uns selber feststellen und festhalten. Ja, er will – nein, das müssen wir nicht aus dem Kaffeesatz lesen, das müssen wir uns nicht irgendwie vorstellen oder ausdenken, sondern das hat er uns selber ganz konkret zugesagt in unserer Heiligen Taufe. Da ist noch Großartigeres passiert als bloß die Passage eines Kamels durch ein Nadelöhr: Da hat Gott aus einem Menschen, der von ihm getrennt war, der keine Chance aufs Himmelreich hatte, einen Menschen gemacht, der so ist, wie er ihn haben möchte, den in Gottes Augen nichts daran hindert, für immer in seiner Gemeinschaft zu leben. Da hat Gott aus einem Menschen, dessen Lebensperspektive nicht weiter reichte als bis zu seinem Sterbetag, einen Menschen gemacht, dessen Lebensperspektive in alle Ewigkeit reicht. Ja, darauf lässt sich Gott festnageln; diese Zusage kann er nicht wieder zurücknehmen, das ist selbst ihm, Gott, nicht möglich, weil er sich selber in seiner Allmacht an dieses Wasser der Taufe gebunden hat.
Und eben darum enthält die Jahreslosung für dieses neue Jahr tatsächlich einen wunderbaren Trost: Wenn du merkst, dass du es ganz sicher nicht schaffst, in den Himmel zu kommen, weil dein Herz immer wieder an so vielem anderen hängt und nicht an Gott allein, weil dein Glaube so schwach und mickrig ist, weil es da so vieles in deinem Leben gibt, was nicht in Ordnung war und ist und was du auch gar nicht mehr in Ordnung bringen kannst, dann lass es dir sagen: Was bei den Menschen unmöglich ist, das ist bei Gott möglich. Deine Schuld, dein Versagen, dein schwacher Glaube, all das hindert Gott nicht daran, sein Versprechen einzulösen, das er dir gegeben hat.
Zum Wegschauen von uns, von unseren Unmöglichkeiten hin auf Gottes Möglichkeiten leitet uns also die Jahreslosung an. Und damit leitet sie uns ganz konkret auch an zum Gebet und zur Fürbitte. Wenn uns immer wieder schmerzlich vor Augen geführt wird, dass wir nicht dazu in der Lage sind, geliebte Menschen zum Glauben zu bringen, wenn bei diesen Menschen doch scheinbar schon alles zu spät ist, weil sie ihre Jalousien doch scheinbar schon völlig heruntergefahren haben – dann ist Gott doch immer noch möglich, was uns unmöglich ist. Erinnern wir ihn daran immer und immer wieder in unseren Gebeten! Ja, erinnern wir ihn immer wieder ganz konkret daran, dass er uns doch gesagt hat, dass er will, dass allen Menschen geholfen werde und sie zur Erkenntnis der Wahrheit kommen. Wenn wir in unserem eigenen Leben nicht mehr weiterkommen und keinen Ausweg mehr sehen, dann dürfen wir Gott daran erinnern, dass er uns doch versprochen hat, uns in unserem Leben nicht fallen zu lassen und uns Wege zu zeigen, die wir gehen können. Und wenn wir dann wieder einmal am Grab eines geliebten Menschen stehen und wahrnehmen, dass wir als Menschen vor der Endgültigkeit des Todes kapitulieren müssen, dann dürfen wir auch und gerade im Angesicht des Todes Gott darum bitten, dass er auch an diesem Menschen wahrmachen möge, was er ihm versprochen hat, dass er auch an diesem Menschen tun möge, was uns Menschen völlig unmöglich ist. Ja, er kann’s und er will’s – so hat er es uns bei der Auferstehung Christi schon gezeigt.
Gehen wir also mit den Worten der Jahreslosung im Ohr durch dieses neue Jahr. Lassen wir uns durch diese Jahreslosung dazu anleiten, wieder neu all die Versprechen zu entdecken, die Gott uns und anderen Menschen in seinem Wort gemacht hat. Und singen und sagen wir es dann immer wieder leise vor uns hin: Nichts ist unmöglich – bei Christus! Amen.