02.06.2010 | St. Lukas 10, 21-24 (Mittwoch nach Trinitatis)

MITTWOCH NACH TRINITATIS – 2. JUNI 2010 – PREDIGT ÜBER ST. LUKAS 10,21-24

Zu der Stunde freute sich Jesus im Heiligen Geist und sprach: Ich preise dich, Vater, Herr des Himmels und der Erde, weil du dies den Weisen und Klugen verborgen hast und hast es den Unmündigen offenbart. Ja, Vater, so hat es dir wohlgefallen. Alles ist mir übergeben von meinem Vater. Und niemand weiß, wer der Sohn ist, als nur der Vater, noch, wer der Vater ist, als nur der Sohn und wem es der Sohn offenbaren will. Und er wandte sich zu seinen Jüngern und sprach zu ihnen allein: Selig sind die Augen, die sehen, was ihr seht. Denn ich sage euch: Viele Propheten und Könige wollten sehen, was ihr seht, und haben's nicht gesehen, und hören, was ihr hört, und haben's nicht gehört.

Könnt ihr etwas mit der Relativitätstheorie von Albert Einstein anfangen? Ich gestehe, dass Physik das erste Fach in der Schule war, das ich abgewählt habe, als ich dies konnte. Und von daher habe ich auch nie einen näheren Bezug zur Relativitätstheorie in meinem Leben finden können. Ich möchte ja überhaupt nicht bestreiten, dass die Relativitätstheorie richtig ist, dass sie vielleicht sogar Phänomene erklären kann, die mich in meinem Leben betreffen. Doch bin ich, ehrlich gesagt, auch ohne einen näheren inneren Bezug zu dieser Theorie die letzten 47 Jahre ganz gut durchs Leben gekommen.
So ähnlich, Schwestern und Brüder, mag es vielen Christen auch mit der Dreieinigkeit Gottes ergehen: Man möchte ja gar nicht unbedingt bestreiten, dass das falsch ist. Mag ja durchaus stimmen, dass Gott dreieinig ist. Aber mit unserem Leben als Christen hat das doch scheinbar erst mal gar nichts zu tun. Ja, kann man nicht auch ganz gut ohne diese komplizierte himmlische Mathematik Christ sein? Ja, mehr noch: Würden wir uns nicht als Christen, als Kirche, einen Gefallen tun, wenn wir diese merkwürdige Formel nicht unbedingt als unverzichtbaren Glaubenssatz hochhängen würden? Wir machen uns damit doch nur angreifbar von allen Seiten, vom Islam, von den Zeugen Jehovas, von unserer nichtchristlichen Umgebung sowieso!
Ja, genau dieses Missverständnis ist weit verbreitet, als ob das Bekenntnis zur Dreieinigkeit Gottes etwas sei, was völlig über die Köpfe von uns Menschen, auch von uns Christen hinweggeht, was so abgehoben ist, dass es für uns, für unser Leben als Christen eigentlich völlig egal ist, ob das denn nun mit der Dreieinigkeit stimmt oder nicht.
Doch genau dagegen wendet sich hier in der Tageslesung dieses heutigen Tages kein Geringerer als er, Christus, selber: Nein, so macht er es uns hier deutlich, die Dreieinigkeit Gottes ist keine abgehobene Himmelsmathematik, sondern hat direkt mit der Seligkeit von uns Menschen zu tun. Ja, Christus preist hier bei St. Lukas im 10. Kapitel Menschen selig – warum? Selig sind die Augen, die sehen, was ihr seht, so verkündigt er es hier. Nein, die Dreieinigkeit Gottes ist nicht bloß ein Gedankenspiel für unsere grauen Zellen im Gehirn, sondern bei der Dreieinigkeit Gottes, da gibt es direkt etwas zu sehen, da gibt es einen Ansatzpunkt, der all das erdet, was uns so hoch und abgehoben erscheint:
Selig sind die Augen, die sehen, was ihr seht! – Ja, was sehen denn die Augen seiner Jünger? Sie sehen scheinbar nicht mehr als einen redebegabten jüdischen Wanderprediger, der da vor ihnen steht und bei dem sie sich gerade in der Ausbildung befinden. Alles sicher ganz spannend und interessant – aber scheinbar doch auch nicht mehr. Doch Jesus macht deutlich: Ihr seht in Wirklichkeit, auch wenn euch das selber gar nicht klar ist, unendlich mehr als bloß einen jüdischen Wanderprediger. Ihr seht und hört, wonach Könige und Propheten sich gesehnt haben, ihr seht hier und jetzt, was letztlich das tiefste Begehren und der tiefste Wunsch des Menschen überhaupt ist: das aufgedeckte Angesicht Gottes selbst. „Wer mich sieht, der sieht den Vater“, so sagt es Jesus zu Philippus im Johannesevangelium. Und nicht weniger meint er hier in diesen Worten unserer Predigtlesung: Selig sind seine Jünger, weil sie im Angesicht Jesu das Angesicht des lebendigen Gottes selber sehen können, weil ihnen in diesem jüdischen Wanderprediger in Wirklichkeit Gott selber begegnet. Ja, wohl dem, der Gott so schauen darf, wohl dem, der erkennt, mit wem er es da eigentlich zu tun hat – der ist in der Tat selig, der findet darin die tiefste Erfüllung seines Lebens.
Gott wird sichtbar, so hören und lesen wir es hier. Selig sind die, die das miterleben dürfen. Doch derselbe Gott, der hörbar und sichtbar wird, spricht nun zugleich mit Gott, seinem Vater, lobt und preist ihn zugleich, jubelt über das einzigartige Verhältnis zwischen Vater und Sohn, in dem die beiden einander erkennen, so tief, wie es eben nur möglich ist, wenn beide in ihrem Wesen eins sind. Wir ahnen schon: Wenn wir wissen wollen, wer Gott wirklich ist, dann müssen wir uns an den halten, in dem sich das Sehnen von Königen und Propheten erfüllt, dann müssen wir uns halten an Jesus Christus. Und der führt uns wiederum an das Geheimnis heran, dass wir durch ihn, den lebendigen Gott, zugleich Gott den Vater erkennen können. Und er tut dies, so betont es St. Lukas hier ausdrücklich, „im Heiligen Geist“. Da haben wir sie alle miteinander beisammen: den Vater, den Sohn und den Heiligen Geist, eben da, wo Christus Menschen selig preist, die auf ihn blicken, die sich an ihn halten.
Ja, Schwestern und Brüder, wir merken schon: Es geht beim Bekenntnis zur Dreieinigkeit Gottes nicht um eine himmlische Theorie – es geht ganz konkret um unseren Glauben an Jesus Christus. Sobald ich vor Jesus Christus auf die Knie gehe und ihn anbete als meinen Herrn und Gott, sobald ich bekenne, dass in ihm Gott unter den Menschen sichtbar geworden ist, kann ich gar nicht anders, als mich zugleich zu dem Dreieinigen Gott zu bekennen, zu dem Vater, den der Sohn kennt und preist, zu dem Sohn, vor dem ich auf die Knie gehe, weil ihm der Vater alles übergeben hat, zu dem Heiligen Geist, der Jesus hier jubeln lässt und der auch uns ihn, den Dreieinigen Gott, loben lässt, weil er uns die Augen öffnet, dass auch wir in dem jüdischen Wanderprediger aus Nazareth unendlich mehr sehen, dass auch wir in ihm erkennen, wonach Könige und Propheten sich gesehnt haben.
Schwestern und Brüder, wenn ich mir etwas mehr Mühe gegeben hätte, für Physik Interesse zu entwickeln, wäre ich vielleicht irgendwann dahin gekommen, dass ich auch zur Relativitätstheorie von Albert Einstein einen näheren Bezug entwickelt hätte. Bei unserem Bekenntnis zum Dreieinigen Gott ist das etwas Anderes: Wir nähern uns dem Geheimnis des Dreieinigen Gottes nicht dadurch an, dass wir uns Mühe geben, dass wir besonders intensiv nachdenken, dass wir uns kluge Gedanken über ihn machen. Sondern wenn wir ihn, den Dreieinigen Gott, anbeten, dann ist das einzig und allein Gabe und Geschenk Gottes, der dies den Weisen und Klugen verborgen und es den Unmündigen offenbart hat. Nein, erklären können wir das letztlich nicht, wie wir dazu kommen, auch heute hier am Altar vor dem auf die Knie zu sinken, in dem Gott für die Menschen sichtbar und erkennbar geworden ist. Erklären können wir das letztlich nicht, wie wir dazu kommen, ihn den Dreieinigen Gott, auch heute wieder in diesem Gottesdienst zu loben. Es liegt einzig und allein an dem Dreieinigen Gott selber, wenn wir dies tun, wenn er auch uns offenbart hat, wofür Kluge und Weise zumeist nur Spott übrig haben mögen. Nein, das Bekenntnis zum Dreieinigen Gott ist keine höhere theologische Mathematik – es ist nichts Anderes als der Dank dafür, dass wir heute Abend hier in der Kirche sitzen dürfen, dass auch wir heute Abend wieder singen dürfen: Meine Augen haben deinen Heiland gesehen – jawohl, deinen Heiland, den Sohn des Vaters, der auch uns heute Abend wieder im Heiligen Geist jubeln lässt. Und da sage noch einer, der Dreieinige Gott habe nichts mit unserem Leben zu tun! Amen.